VERLIEBT IN DRESDEN
Der Italiener Arturo Prisco hat Dresdens Gesicht mitgestaltet - und ist noch längst nicht fertig
Vor fast 20 Jahren haben Helga und Arturo Prisco ihre Villa mit Blick auf die Elbe gekauft. Aber noch immer kann ein Sonnenuntergang die beiden so begeistern, dass sie das Gespräch kurz unterbrechen müssen. „Ich muss ein Foto machen“, sagt die 69-Jährige mit einem Lachen und läuft auf die Terrasse, „diese Farben sind einfach zu schön.“Die Priscos haben sich vor vielen Jahren in Dresden verliebt - und ihre Begeisterung für die sächsische Landeshauptstadt und deren Schönheit hat bis heute nicht nachgelassen.
Mitte der 90er-jahre kamen der gebürtige Italiener und seine Frau nach Dresden. Als Bauherren – ohne jede Bauerfahrung. „Das ist typisch für mich“, sagt Arturo Prisco lachend, „es reizt mich neue Dinge auszuprobieren, von denen ich eigentlich überhaupt keine Ahnung habe.“Seine eigenwillige Karriere begann vor mehr als 50 Jahren. Damals verkaufte Prisco Bücher in seiner italienischen Heimat, erst als Vertreter, dann in einem Laden. „Als Verkäufer in meiner Filiale habe ich immer Leute eingestellt, bei denen andere die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben: Priester, Studenten, Lehrer.“Es macht ihn bis heute sichtlich stolz, dass seine Personalauswahl funktionierte: „Wir haben in unserer Stadt mit 50.000 Einwohnern wertvolle Enzyklopädien und besondere Bücher verkauft; und auf diesem Niveau mehr als die Filiale in Mailand.“
Mut für neue Ideen
1980 nahm Prisco Abschied von den Büchern und ging mit seiner Familie nach München. Das Schicksal habe es gewollt, dass ein italienischer Weber ihn gebeten habe, bei bestimmten deutschen Konfektionären seine Kollektion zu präsentieren, erinnert sich Prisco. „Ich legte die Stoffe vor, meine Frau las die technischen Daten vor“– obwohl das Paar keinerlei Ahnung von Stoffen gehabt habe. Aus diesem Zufall entwickelte sich die Idee einer anderen Plattform der Kommunikation: Nicht der Vertreter sollte Kollektionen präsentieren, sondern die Techniker selbst, diejenigen, die die Stoffe entwickelten. „Am Anfang haben alle gesagt, wir wären verrückt“, erinnert sich Helga Prisco, „aber dann hat es funktioniert”. Am Prinzregentenplatz 23 entstand eine kleine Privatmesse – die Idea Prisco. Zweimal im Jahr präsentierten zumeist italienische Hersteller von Oberstoffen, Garnen und Zutaten ihre Produkte der deutschen Konfektionselite. „Bei uns haben besondere, hochwertige Firmen ihre Stoffe präsentiert und die Einkäufer konnten viele verschiedene Produkte an einem Tag anschauen, anstatt die Firmen einzeln besuchen zu müssen – das war vollkommen neu. Fachleute unter sich! Und es hat begeistert.“Man müsse hinhören, was gebraucht werde, sagt Arturo Prisco, und mit den Menschen sprechen, dann komme man auch auf die richtigen Ideen und Lösungen. Kommunikation sei das Zauberwort!
Sehen, was sein könnte
Dann müsse man den Mut haben, die Dinge anzugehen. Die Priscos sagen, es sei ihr Schicksal, alle zwanzig Jahre etwas vollkommen Neues zu beginnen. Und so ging es im Jahr 1995 für sie nach Dresden. Ein Geschäftspartner hatte Prisco, der auf der Suche nach einem Haus war, dringend geraten, in die Stadt zu kommen und sich eine Villa anzuschauen.
„Der Tag, an dem wir nach Dresden kamen, war furchtbar trüb: Es regnete, alles war grau. Und die Stadt war damals noch längst nicht in dem Zustand, in dem sie heute ist. Viele der Gebäude waren noch nicht saniert. Sich das alles schön zu denken, dazu hat viel Phantasie gehört“, sagt Prisco –und wer ihm bei diesen Erinnerungen zuhört, dem wird klar, worin neben einer guten Kommunikation ein weiteres Geheimnis seines Erfolgs liegt: Prisco sieht nicht nur, was ist. Er erkennt auch, was daraus werden kann und wo die verborgene Schönheit einer Stadt, eines Gebäudes oder einer Idee liegt. Und obwohl die Villa an der Bautzner Straße damals architektonisch verschandelt war, griff er zu.
Heute strahlt der „Sitz Prisco“in beeindruckender Pracht. Längst ist die um 1863 errichtete Anlage mit Gartenhaus und wunderschönem Garten in Perfektion saniert. Fast jede Woche sind Prisco und seine Frau hier, sie pendeln zwischen Dresden und München, wo sie nach wie vor ihr Priscohaus direkt am Prinzregentenplatz haben; ein vollständig restaurierter Jugendstilpalast, auf dessen vier Etagen Showrooms für Pressetage, Modemessen oder Fotoshootings vermietet werden. Das Priscohaus ist der Hauptsitz der inzwischen großen Familie mit zwei Kindern und bald fünf Enkeln.
Schönheit für alle
Bauerfahrung hat der einstmals ahnungslose Investor inzwischen reichlich: In Dresden errichtete er mit Geschäftspartnern die Prisco-passage in der Neustadt und in der Altstadt das Einkaufsquartier QF mit Hotel an der Frauenkirche. Das QF wurde zum Sinnbild für die Belebung des Neumarkts, eines der wichtigsten Plätze im Herzen der Stadt. Früher einer der Höhepunkte europäischer barocker Stadtbaukunst, hatte der jahrzehntelang brachgelegen. In der Zeit der DDR, während des sozialistischenen Regimes im Ostteil Deutschlands, hatte man die Trümmer der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Frauenkirche als Symbol belassen – zu dem Preis, dass das Areal rund um den Neumarkt lange einen trostlosen Eindruck machte. Dass es heute wieder erstrahlt, ist auch Priscos Verdienst. Doch Lob allein hat der Wahl-dresdner dafür nicht geerntet: Immer wieder wurde ihm vorgeworfen, an der Frauenkirche eine Luxus-oase geschaffen zu haben, viel eher für Touristen geeignet als für die Einwohner der Stadt. Ein Vorwurf, den Prisco bis heute nicht nachvollziehen kann. „Es geht mir nicht um Luxus, sondern um Schönheit und Eleganz – und daran können sich doch alle Menschen erfreuen.“
Das aber sei ein Punkt, in dem, bei aller großen Liebe, Dresden ihm immer noch ein Rätsel sei. „Es gibt hier ein gewisses Misstrauen gegenüber den schönen Dingen des Lebens. Man fragt immer zuerst danach, ob man sich das alles selbst leisten könne – und lehnt es, wenn die Antwort nein ist, schnell ab.“Es sei bis heute schwierig, in Dresden gute Marken zu etablieren; ein Bewusstsein für hochwertige Produkte zu schaffen.
Rückschläge gehören dazu
Nicht immer haben die Priscos das geschafft, was sie sich vorgenommen haben: Immer wieder gab es Leerstand im QF, weil sich nicht die passenden Mieter fanden. Helga Priscos Chocolaterie begeisterte mit ausgesuchten Köstlichkeiten und einer liebevollen Einrichtung zwar Menschen aus aller Welt, fand aber zu wenig einheimische Kunden. „Natürlich fällt man immer mal mit Dingen auf die Nase“, sagt die Unternehmerin, „aber das gehört dazu. Nur so entwickelt man sich weiter.“Deshalb strahlen die Priscos Zufriedenheit aus, wenn sie über ihre Dresdner Erfahrungen sprechen. Und es wird klar, dass es nicht nur die Liebe zu Elbflorenz ist, die sie trotz aller Widrigkeiten bei der Stange hält, sondern auch die zueinander: Die Priscoprojekte sind Gemeinschaftsprojekte. Ohne seine Frau, sagt der 72-Jährige, wäre er niemals so erfolgreich gewesen. Sei sie bei dem, was er angehen wolle, nicht dabei, dann werde es nicht funktionieren. Gemeinsam gehen beide nun auch die nächste Idee an; immerhin sind schon wieder fast 20 Jahre um und es ist Zeit für Veränderungen. Und so hat Arturo Prisco sein QF Hotel an der Frauenkirche an eine österreichische Hotelkette übergeben und sich aus vielen Aufgaben rund um das Shopping-center zurückgezogen. Neu allerdings ist, dass er für sein Wirken am selben Ort bleibt und Dresden auch der Ort der nächsten Prisco-pläne ist.
Eine Rambla für Dresden
Die sind, was sonst, ambitioniert: Arturo Prisco hat eine Vision, wie sich das Quartier rund um die Königstraße entwickeln könnte. Hier liegt schon seine Prisco-passage im Wallgässchen, die er vor etwa 15 Jahren gekauft hat. Damals war das Gebäude, eine alte Remise, vollkommen heruntergekommen – heute beherbergt es Restaurants, Boutiquen und Geschäfte. Die Passage ist bei Fotografen und Dresdnern beliebt – aber das reicht Prisco nicht. Er ärgert sich darüber, dass es bislang nicht gelungen ist, das Gebiet rund um die Königstraße, das nordwestlich der Innenstadt liegt, zu einem Magneten für Touristen zu machen, obwohl es mit den alten Gebäuden und pittoresken Gässchen wie dafür gemacht ist. Die Einheimischen flanieren gern auf der Königstraße, die Touristen sind zurückhaltender. „Dabei ist die Königstraße gemeinsam wie die parallele Hauptstraße wie gemacht dafür, eine Promenade zu sein, auf der man sich auch gerne am Abend trifft“, sagt der Unternehmer. Galerien und Antiquariate, feine Boutiquen und kleine Läden würden zum Bummeln einladen. „Die beiden Straßen mit ihren alten Platanen könnten eine Art Rambla wie in Barcelona sein. Dafür sitze er häufig gerade mit Partnern und Nachbarn zusammen, gemeinsam schmiede man Pläne, wie man die Königstraße zu einer besonderen Lebensader für Dresdner und Auswärtige gleichermaßen machen könne; nicht als Konkurrenz zu den Shoppingmeilen der Innenstadt, sondern als ganz eigene Ergänzung. Eleganz, ein eigenes Flair, Attraktivität, Kultur gepaart mit Sehenswürdigkeiten, besonderen Läden und Lebensstil: Arturo Prisco hat da jedenfalls schon Ideen.