MEHR ALS EIN SCOOP. DAS SÜSSE LEBEN NACH MARCELLO GEPPETTI
Die italienische Fotografie zwischen den Mythen der 60er-jahre, Starkult und Skandalblättern, um auch das zu erleben, was man mit bloßem Auge nicht sehen kann
Weniger als ein Kilometer Asphalt, um von einer Epoche zu erzählen, von dem kulturellen und gesellschaftlichen Wandel eines ganzen Landes. Weniger als ein Kilometer Asphalt, um der Welt den Mythos hinter dem Mythos zu enthüllen. Ein Italien, das den Kriegsschutt beiseite geräumt hat, das von vorne anfängt und zuerst den individuellen, dann den kollektiven Wohlstand wiederentdeckt und sich dann, während des Wirtschaftswunders, auf der Suche nach einem endlich gedankenlosen Leben verliert. Dieser Kilometer Asphalt ist die Via Veneto, eine Bühne unter freiem Himmel, die die grüne Villa Borghese mit dem Stadtzentrum von Rom verbindet, wo sich das Schicksal vieler junger Schauspieler aus Cinecittà, dem Paradies der Hollywoodproduzenten, entschieden hat. Eine Zeit, die endgültig vorbei ist, vor allem was die einzigartige Verbindung zwischen Mondänität und intellektueller Gärung betrifft, die ein unsterbliches Bild hinterlassen hat. Unsterblich wie die Schnappschüsse, die die unerklärlich harmonische Koexistenz dieser zwei Welten ablichten, die Intellektuellen und die neue Filmelite werden zu den absoluten Hauptakteuren einer neuen Ära. Eine legendäre Epoche, bewusst und glücklich frivol, dominiert von einer morbiden Neugier auf einen Starkult, den es so bisher nicht gab. Und Rom – wie auch ganz Italien – liefert mit seinen Bars, Restaurants und Nachtclubs die ideale Kulisse für die Exzesse, stürmischen Liebschaften, Streits und Skandale dieser Stars. Um diese Neugier angemessen zu befriedigen, muss der Auslöser jedoch mit viel Sorgfalt und Geduld getätigt werden. Ständig in der ganzen Stadt unterwegs, um den richtigen Augenblick abzupassen, Schnelligkeit und Geschicklichkeit, um sich durch die chaotische Menge und die Fans zu drängeln, die sich um die Protagonisten scharen.
Ein Foto, das, bisweilen auch aufdringlich, in eine imaginäre und von vielen herbeigesehnte Routine eindringt, eine Stadt, die den Hintergrund für eine neue Art von Bildern abgibt. Jahrelang wurden sie etwas spöttisch einfach nur „Paparazzi“genannt, eine Kategorie, die nichts mit der hohen Kunst der Fotografie zu tun hat, und dennoch wird uns heute bewusst, dass wir dank dieser ganz unspektakulären Momente, dieser verletzten Privatsphäre, dieser Fähigkeit, über den eigenen Blick, das Objektiv und den Scoop hinauszugehen, atemlose Betrachter des schillernden Portraits einer nie wiederkehrenden Epoche sein dürfen. Marcello Geppetti ist einer von ihnen, ein Künstler der Fotografie, dem es gelang, den unvorhersehbaren und unfassbaren Reiz der Alltäglichkeit auf dem Negativ festzuhalten. Und doch wurde er jahrelang nur als Fotograf für Skandalblätter abgestempelt, so dass David Schonauer, Verleger von American Photo,