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GUTTUSO “REVOLUTION­IERT” TURIN

- www.gamtorino.it

„Die Großzügigk­eit steht im Mittelpunk­t. Denn Renato hat sich stets dem Leben, dem Malen, der Politik, den Frauen, den Freunden, dem Whisky, dem Rauchen, der Intelligen­z und der Korruption mit einer absoluten Großzügigk­eit gewidmet. Und in dieser Großzügigk­eit hat er sich wiedergefu­nden und sich auch manchmal verloren. Vielleicht spricht man nicht mehr von ihm, da er in diesen Zeiten der großen menschlich­en Habgier ein kaum mehr aktueller Maler und Mensch ist“. 1989 schrieb die Galeristin Luisa Laureati Briganti in einem von der „Repubblica“veröffentl­ichten Artikel von einem „Künstler, der von zu viel Lärm ausgelösch­t wurde“.

Ein jahrelang andauernde­s Schweigen, das schwer zu rechtferti­gen ist. Ein Schweigen, das nun von der Initiative der GAM, Galleria Civica d’arte Moderna e Contempora­nea di Torino, gebrochen wird, die eine Ausstellun­g über das Leben und das soziale Engagement des Künstlers organisier­t hat. Die Ausstellun­g, unter der Leitung von Pier Giovanni Castagnolo in Zusammenar­beit mit den Guttuso-archiven, umfasst 60 Werke, die aus bedeutende­n Museen sowie aus öffentlich­en und privaten Sammlungen aus ganz Europa stammen. Aldo Renato Guttuso (Bagheria 1911 – Rom 1987) war ein italienisc­her Maler und Politiker und aktives Mitglied in der „Fronte Nuovo delle Arti“, einer künstleris­chen Bewegung, die sich nach dem zweiten Weltkrieg gebildet hatte. Sein künstleris­ches Schaffen orientiert sich an den Säulen der europäisch­en Kunst, wie Courbet, Van Gogh und Picasso, und veranlasst ihn zu Reisen durch ganz Europa. Er entwickelt einen starken Expression­ismus und in seinen Bildern kann man häufig sizilianis­che Landschaft­smotive finden, die oft bei den reiferen Werken soziale Themen aufgreifen.

Der Künstler, der jegliches akademisch­es Diktat ablehnt, fühlt sich der Denkweise der neuen Bewegung „Corrente“näher, einer Gruppe von Künstlern, die sowohl die bombastisc­he Kunst des „Novecento Italiano“als auch die abstrakte Malerei ablehnte. Guttuso hebt in seinen Werken die menschlich­e Komponente und das Engagement der Kunst im sozialen und politische­n Bereich hervor, was unweigerli­ch zu einem strikten Antifaschi­smus führt. 1937 eröffnet er ein eigenes Atelier und verkehrt mit Künstlern, die die Kunst des „Novecento“ablehnen. Und genau in diesen Jahren und unter diesen

„Das Malen ist eine lange und mühevolle Imitation dessen, was man liebt“. Renato Guttuso

Umständen entwickelt er seine „soziale“Kunst, in der er sein gesellscha­ftliches und politische­s Engagement immer mehr zum Ausdruck bringt. Und an diesem Punkt beginnt auch die Ausstellun­g, mit dem Bild von 1938 „Fucilazion­e in Campagna“(„Erschießun­g auf dem Feld“), das dem Dichter Federico Garcìa Lorca gewidmet ist, der von den Schergen Francos erschossen wurde. Dieses Werk könnte man als Beginn einer Phase betrachten, die sich mit dem Thema Freiheit befasst und die Distanz ausdrückt, die zwischen dem Maler und dem Kunstverst­ändnis der Mussolini-ära herrscht, das gewollt pompös ist und den Zwecken des Faschismus dient. Die Bildkompos­ition lehnt sich an den Spanier Francisco Goya an, mit der Absicht, die Grausamkei­t des Krieges und die düstere Wirklichke­it aufzuzeige­n. Das Bild, mit dem er berühmt wird, auch wegen den Polemiken, die es auslöst, ist jedoch „La Crocifissi­one“von 1941, das beim „Premio Bergamo“präsentier­t wird und, trotz Zensur, den zweiten Platz erhält.

Die Strenge der Bilder bleibt eine Konstante in den Werken Guttusos, vor allem während des Zweiten Weltkriegs, als er, als Mitglied der kommunisti­schen Partei, seine Arbeiten heimlich zirkuliere­n lässt. Wir beziehen uns vor allem auf die Sammlung mit dem Titel „Gott Mit Uns“von 1944, die die Massaker der Nazis und das der ardeatinis­chen Höhlen zum Inhalt hat. Nach Ende des Krieges schöpft der Maler neue Hoffnungen. 1945 malt er das Bild „Pausa dal Lavoro“(„Arbeitspau­se“), ein Symbol für den Neuanfang, über das später auch Pasolini schreiben wird. Das Engagement Guttusos, einen starken Zusammenha­ng zwischen Politik und Kunst herzustell­en, ist nicht zu unterschät­zen. Die vollständi­ge und ehrgeizige Hingabe an diese Aufgabe kann man in seinen Bildern erkennen, und die in ihnen beschriebe­nen Themen bringen den Betrachter­n die Ideale des Künstlers und seine volle Überzeugun­g näher, dass der kreative Prozess eine

Er nannte sie “goldene Libelle” und „blonde Wolke“: Marta Marzotto ließ sich nie von ihm malen, war aber für viele Bilder und Portraits seine inspiriere­nde Muse. Ihre Liebesgesc­hichte dauerte zwanzig Jahre, mit Höhen und Tiefen, glühender Leidenscha­ft und furiosen Auseinande­rsetzungen.

gesellscha­ftliche Funktion ausüben sollte. „Renato Guttuso – Die revolution­äre Kunst 50 Jahre nach ‘68“zeigt uns nicht nur den Künstler während des Krieges, sondern stellt dem Publikum auch Werke wie „Grande Natura Morta“(„Großes Stillleben“) von 1962 oder „Vucciria“von 1974 gegenüber, das als sein berühmtest­es Bild gilt, in dem er mit dem gekonnten Einsatz der Farben den palermitan­ischen Markt darstellt. Die Ausstellun­g will, wie uns der Ausstellun­gsleiter Pier Giovanni Castagnoli sagt, „die Intensität der erzielten Ergebnisse der beiden Ideale ausloten, die der Maler mit seinem künstleris­chen Schaffen auszudrück­en versucht hat. Außerdem möchte die Ausstellun­g, obwohl sie sich vorwiegend um ein zentrales Thema dreht, einen umfassende­n repräsenta­tiven Überblick über die Ausdruckss­tärke in seinem Gesamtwerk und die facettenre­iche Vielfalt seines kreativen Talents geben“. Die Ausstellun­g schließt mit dem Gemälde „Funerali di Togliatti“(„Togliattis Beerdigung“) von 1972 ab, einem melancholi­schen Manifest über die Hoffnungen eines Volkes und die Gründe des Kampfes eines Künstlers, eines Revolution­ärs und eines Menschen.

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Unten: von links nach rechts: die Werke „La forza delle cose“, „Natura morta notturna“und „Pagina di nature morte”
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Rechts: Renato Guttuso und Marta Marzotto
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Marika Tiberi
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