DIE WISSENSCHAFT AM HERD MIT CHEFKOCH BOCCHIA
Eine zweifellos besondere Art zu kochen, mit einem wissenschaftlichen Ansatz, der die geltenden Regeln umstößt. Und man muss auch die Regeln umstoßen, wenn man eine derartige Neuigkeit anbietet, die vom Konzept des Moleküls ausgeht, der kleinsten physischen Einheit einer Materie.
Bocchia gilt als Erfinder der italienischen Molekularküche, seit er 2002 begonnen hat, neue Rezepte und Gerichte zu erfinden, indem er wissenschaftliche und chemische Theorien bei der Zubereitung seiner Menüs anwendet.
Man sollte jedoch nicht den Fehler machen, sich Reagenzgläser, Labors oder alchemistische Verfahren vorzustellen: nichts von all dem macht die Molekularküche aus. „Die Grundidee besteht darin, das Basisprodukt hervorzuheben ohne es zu entstellen“, erklärt Bocchia seine Methode, „für jedes Produkt muss man eine technische Datei anlegen und die chemischen und physischen Eigenschaften wie auch die Reaktionen auf unterschiedliche Kocharten angeben. Diese Küche beinhaltet sieben neue Techniken, vom Frittieren im Zucker bis zur Verwendung von flüssigem Stickstoff, mit dem man zum Beispiel eine Zutat augenblicklich in Eis verwandeln kann, da sich die Moleküle kristallisieren und so das Konzept von warm und kalt auf den Kopf gestellt wird“. Die fast manische Sorgfalt bei der Auswahl der Produkte, die Qualitätskontrolle der Zutaten und die hervorragenden Rohstoffe, die verwendet werden, bilden die Grundlage der kulinarischen Philosophie des Küchenchefs: und genau wegen der Kostbarkeit und Integrität der Produkte hat Bocchia eine neue Methode entwickelt, um die Lebensmittel zu bearbeiten und die Gerichte zu präsentieren. Sich mit Aspekten von Lebensmitteln zu befassen, die bis heute fast mit Gleichgültigkeit behandelt wurden oder zumindest nicht mit der Aufmerksamkeit, mit der Bocchia seine Zutaten auswählt und bearbeitet: auch darin oder vor allem darin liegt die Grundidee seiner Küche. „Die Kunden lieben es, die Essenz des Produkts zu entdecken“, bestätigt der Chefkoch, „der Unterschied ist nicht wahrnehmbar, aber wesentlich“. Das ist fast ein Mantra des emilianischen Chefkochs, eine Art Leitlinie, die in wenigen Worten die Essenz seines Berufs erklärt.
Die Idee, diese neue Art des Kochens vorzuschlagen, hatte Bocchia vor über 15 Jahren, und er kann
Die Molekularküche von Ettore Bocchia ist einfach: sie setzt auf die Essenz des Nahrungsmittels
sie 2002 realisieren, als er das erste italienische „molekulare“Menü erfindet und präsentiert. Eine Revolution, ein besonderer und ganz neuer Vorschlag, der auf 4 Grundprinzipien basiert: jede Neuheit soll die italienische Kochtradition erweitern und nicht zerstören; die neuen Techniken und die neuen Gerichte sollen die natürlichen Zutaten und die Qualität der Basisprodukte aufwerten; nicht nur auf Ästhetik und Organoleptik, sondern auch auf die Nährwerte und das Wohl der Gäste muss geachtet werden; um dieses Ziel zu erreichen müssen neue Texturen geschaffen werden, die dank der Kenntnis der physischen und chemischen Eigenschaften der Zutaten bis ins Kleinste durchdacht sind. Die Zusammenarbeit mit dem Physiker Davide Cassi, Dozent für Materialphysik an der Universität von Parma, ist wesentlich für diese neue Art des Kochens, die in ihrem Kern Kunst, Geschmack und Wissenschaft miteinander verbindet. Das Ziel war und ist, jede einzelne Zutat auf dem Teller aufzuwerten. Neben der wissenschaftlichen Untersuchung der Prozesse sucht Bocchia seine Grundprodukte äußerst sorgfältig aus, indem er persönlich die Hersteller auswählt, die auf höchstem Niveau arbeiten und auf die Integrität des Produkts achten. Nach diesem Prinzip würdigt Bocchia, Executive Chef im „Grand Hotel Villa Serbelloni“in Bellagio am Comer See, das Hauptprodukt des Sees und bietet es seinen Gästen an: den Fisch.
Zu diesem Zweck arbeitet er mit einem Fischer seines Vertrauens zusammen, der ihm jeden Tag frischen Fisch liefert, der je nach Fang immer wieder anders ist. Das Wesentlichste ist jedoch, dass frische Produkte serviert werden, die ihren vollen Geschmack entfalten. Die grundlegende Erneuerung, die der Chefkoch eingeführt hat, ist jedoch die Verwendung von flüssigem Stickstoff: zunächst sorgte diese Idee für Aufregung, aber schließlich wurde sie von zahlreichen Kollegen in der ganzen Welt übernommen. Die Kristallisierung der Moleküle einer Zutat, die man in Eis verwandeln möchte, erreicht man augenblicklich bei dem Kontakt mit der Flüssigkeit bei -196°C. Moleküle, die so behandelt werden, haben keine Zeit, große Kristalle zu formen. Im Vergleich zu herkömmlichen Kühlungsprozessen werden viel kleinere Strukturen gebildet, und im Mund schmelzen sie genauso schnell. Dies ist eine Neuigkeit, die viel Erfolg hat und zu den wichtigsten Innovationen im kulinarischen Bereich gehört, die in Italien von Ettore Bocchia eingeführt wurden. Der Chefkoch, der wichtige Erfahrungen im Ausland gesammelt hat, bevor er sich in Italien niederließ, bekam 2004 einen Michelin Stern, und 2005 wurde seine Küche vom Gambero Rosso zu den 20 besten in Italien gekürt. Im Fernsehen findet man ihn kaum: in einer Zeit, in der Kochsendungen auf der Tagesordnung stehen, ist Bocchia, zumindest bis jetzt, nicht daran interessiert, an solchen Programmen teilzunehmen. Er zieht es vor, sich um die Ausbildung junger Leute zu kümmern, die sich der Welt des Kochens nähern wollen, indem er sie unterrichtet und sie in die Geheimnisse der Molekularküche einweiht.