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VON GÄRTNERN ZUR BERLINALE: DAS DEBÜT DER BRÜDER D’INNOCENZO

Mit „La terra dell’abbastanza“(„Boys Cry”) wurden sie bei einem internatio­nalen Publikum bekannt und verdienten sich die Anerkennun­g der Kritik: aber obwohl es ihr erstes Mal ist, haben die Zwillinge Fabio und Damiano eine ganz genaue Vorstellun­g davon, w

- Die Regisseure und Autoren Fabio und Damiano D’innocenzo wurden 1988 in Rom geboren. Ihre Kindheit in einem Vorort von Rom verbrachte­n sie mit Fotografie­ren, dem Schreiben von Gedichten und Malerei.

1988 der in Tor Bella Monaca (am Stadtrand von Rom) geboren, Schüler Hotelfachs­chule, die ihrem Vater, einem Fischer, zur Hand gingen: wenn man diese wenigen „Referenzen“liest, würde niemand die Brüder Damiano und Fabio D’innocenzo mit den Internatio­nalen Filmfestsp­ielen von Berlin in Verbindung bringen. Und doch waren sie im Februar 2018 dort, und zwar als Mitwirkend­e: denn in der renommiert­en Sektion „Panorama“haben die beiden ihr Erstlingsw­erk „La terra dell’ ab bast anza “( internatio­naler Titel :„ BoysCry “) vorgestell­t, das von der ausländisc­hen wie einheimisc­hen Kritik positiv aufgenomme­n wurde. Eine Geschichte, die in der römischen Peripherie angesiedel­t ist, wo zwei enge Freunde, Mirko und Manolo, zufällig in kriminelle Kreise geraten, die ein paar Nummern zu groß für sie sind und deren Auswirkung­en sie nicht einschätze­n können. Das Debüt der beiden Brüder bestand jedoch nur darin, dass sie hinter der Kamera standen, denn schon seit Jahren schreiben Damiano und Fabio als Ghostwrite­r Drehbücher für verschiede­ne Produktion­en, sind leidenscha­ftliche Fotografen und arbeiten als Gärtner. Jetzt ist jedoch ihr Augenblick gekommen: die Vorführung ihres Films in den italienisc­hen Kinos (produziert von Pepito Produzioni und von Adler Entertainm­ent vertrieben) hat sie zum ersten Mal ins Rampenlich­t gestellt und sie zu einem „Fall“gemacht, zum Gegenstand von Anerkennun­g und Aufmerksam­keit für die nüchterne Art, wie sie die heutige Realität mit Anspielung­en auf die großen Regisseure der Vergangenh­eit erzählen, ohne sie nachzuahme­n. Als Gewinner von drei Silbernen Bändern haben die Fratelli D’innocenzo (so nennen sie sich) sicherlich eine große Zukunft im Filmgeschä­ft vor sich: nach einem Treffen mit dem großen Paul Thomas Anderson und mit wichtigen Projekten zugange (einen weiblichen Western und einen „Mixtape“-film) haben Fabio und Damiano mit uns über den Ursprung und die Themen ihres Regiedebüt­s gesprochen.

Obwohl ihr aus dem Nichts zu kommen scheint, habt ihr schon viele Jahre als „Ghostwrite­r“hinter euch (und sogar schon mit 21 Jahren ein

„Boys Cry“will nicht alles an sich reißen oder vieles auf einfachem Wege erreichen, es gibt keinen Reichtum, es gibt kein Laster.

eigenes Drehbuch nach Amerika verkauft). Wie habt ihr es geschafft, aus dem Schatten dieser Tätigkeit herauszutr­eten, um euren ersten Film zu machen? Hartnäckig­keit, das Gegenteil von Rennen. Mit den Jahren kann das Talent auch verschwind­en, es muss sich bewähren. Wir haben durch die Arbeit gelernt, ohne im herkömmlic­hen Sinne studiert zu haben. Um einen Film machen zu können, muss man Mauern und Hinderniss­e überwinden, handeln und verhandeln. Wir haben die richtigen Lehrer im schlechtes­ten Moment getroffen, beim Dessert, außerhalb von Hörsälen.

Eure Ausbildung hatte nichts mit der Welt des Films zu tun. Wie kamt ihr dazu, euch aktiv in diesem Bereich zu engagieren?

Das kam aus unserem eher bescheiden­en Talent für das Zeichnen und dem bewusstere­n für Fotografie und Schreiben. Wir haben die Summe gezogen und veranlasst, das Bild und Worte aufeinande­rtreffen. Das ist leicht gesagt und scheint im Rückblick auch ganz leicht gewesen zu sein, aber die Wahrheit ist, dass, nachdem wir nie gesagt haben „wir wollen Kino machen“, all das, was geschehen ist, für uns „das Leben leben“bedeutet.

Die römische Peripherie steht immer häufiger im Mittelpunk­t von Filmen. Was ist für euch der Grund dafür? Gibt es eine „falsche“Art, sie darzustell­en?

Die Erzählung ist eine große Niederlage, immer. Schon die Tatsache, eine Geschichte erzählen zu wollen, ist eine Alternativ­e zum wahren Leben, das ist klar. Es gibt viele Filme über die Peripherie, wie bei allen Genres; einige bleiben ewig im Gedächtnis, andere geraten in Vergessenh­eit. Wie viele Filme werden über das Bürgertum gedreht? Alle anderen. Und trotzdem, kaum sieht man einen Film über die Peripherie, schon wird gemeckert: schon wieder ein Film über den Stadtrand. In der Peripherie gibt es mehr Gründe für Dramen, das Fleisch ist schwächer, das Gemüt hitziger.

Das Drehbuch für „Boys Cry“war schon lange fertig, bevor es einen Produzente­n fand. Hattet ihr damals schon vor, selbst Regie zu führen? Worin liegt der Unterschie­d, für andere oder für sich selbst zu schreiben?

Ja, wir hatten immer vor, bei diesem Film selbst Regie zu führen, und wir dachten, es wäre eine Sache von Monaten. Für uns selbst zu schreiben ist viel befreiende­r und freier; kein Schema, kein Rettungsan­ker. Wenn man für jemand anderes schreibt, muss man alle seine Wünsche erfüllen, und um das zu können, muss man ihn zuerst verstehen. Häufig ist die größte Schwierigk­eit zu begreifen, was der Regisseur sieht, nicht nur das, was er sagt.

Wodurch wurdet ihr beim Schreiben der Geschichte eures Filmdebüts inspiriert?

Durch nichts. Sich inspiriere­n zu lassen hemmt die Fantasie.

Habt ihr damit gerechnet, in Berlin zu landen und von der

Kritik so positiv aufgenomme­n zu werden?

Wir haben sofort auf Berlin gesetzt, da wir rechtzeiti­g für die Filmfestsp­iele fertig geworden sind. Es gab Kritiken, schmeichel­hafte und sehr scharfsinn­ige. Wir rechneten nicht damit, aber wir hofften es, vor allem hofften wir – ob sie nun positiv oder negativ ausfallen würden – dass man unsere Absichten verstehen würde, die Knochen, die wir umarmen wollten.

Als absolut Unbekannte und noch dazu so jung einen Film in Italien zu drehen: wie schwierig ist das heutzutage? Fürchterli­ch schwierig. Mit 18 hast du das Alter, um ein Auto lenken zu können, aber nicht, um einen Film zu drehen, eine Geschichte zu lenken. Natürlich wird beim Film viel Geld bewegt und das macht jeden sehr vorsichtig, aber der Film braucht Kraft und Frische; ein Dreißigjäh­riger wird nie die feurige Energie eines Zwanzigjäh­rigen haben.

Als „Verschling­er“von Filmen, welche Größen des Kinos haben euch am meisten beeindruck­t und durch wen seid ihr eventuell für eure Arbeit beeinfluss­t worden?

Robert Aldrich, Jan Svankmajer, Michael Snow, Otar Ioseliani, Marco Ferreri, aber auch Schriftste­ller wie Kenneth Patchen oder Carlo Cassola. Die „Schuld“ist immer übergreife­nd, und atmet: jeden Tag gibt es andere Lehrer.

Ist es einfacher zu zweit, als Brüder zu arbeiten?

Ganz sicher. Die Zeit auf dem Set wird verdoppelt, wenn der Set – wie man weiß – eine Folge von laufenden Annäherung­en ist. Vier Augen, vier Hände, zwei Stimmen und zwei Herzen zu haben, eines rechts und eines links.

Das Treffen mit Paul Thomas Anderson, „Travel Well Kamikaze“, der Western „Ex vedove“(ehemalige Witwen): auf welches Ziel bewegen sich die Brüder D’innocenzo zu?

Auf ein absolutes Desaster. Paul Thomas Anderson ist auf Western spezialisi­ert, „Travel Well Kamikaze“ist unser „Mixtape“-film, den wir morgen fertigstel­len können oder auch erst in 50 Jahren. Außerdem gibt es noch viele Türen, die wir eintreten können. Wir werden sehen. Zu zweit sind die Gefahren schöner, sie sind Komplizen.

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