WENN DAS OBJEKT ZUM MYTHOS WIRD
Die moderne Gesellschaft drückt sich auch über den Erfolg ihrer Fetische aus: die Gegenstände werden in der Postmoderne zu Sinnesmanifestationen, die den Geist und Geschmack einer Ära ausdrücken und sich in wahrhaft repräsentative Ikonen eines bestimmten Gefühls verwandeln, die dazu bestimmt sind, ein Zeichen zu setzen und über ihre Materie hinauszuwachsen, um zu einem Symbol, zu einem Emblem zu werden. Vor allem das italienische Design hat uns eine Unmenge von unterschiedlichsten Gebrauchsgegenständen beschert, die als konkreter Ausdruck für einen Verhaltenstrend, für einen Lebensstil, für einen ganz präzisen Erkenntnisstand in das kollektive Bewusstsein eingedrungen sind. Wenn Menschen, die sich kennenlernen wollen, von sich erzählen und sich darstellen müssen, so sind einige der Gegenstände, die man mehr oder weniger für den Alltag braucht und die das Ergebnis der Kreativität der italienischen Produktion sind, sicherlich die Satzzeichen in einer Rede, die uns definiert und allgemeine Werte und eine gewisse Weltanschauung vermittelt. Das italienische Design konnte in den letzten Jahren aufgrund seiner kreativen Kraft und eines beneidenswerten und beneideten Geschmacks die globale Kultur färben und beeinflussen: Schönheit und Funktionalität zu verbinden ist das angestrebte Ziel, um eine Vielzahl von Lösungen anzubieten, die verblüffen, ins Auge stechen, unsere Wohnungen bereichern und unser Leben vereinfachen. Ausgehend von einem Gegenstand entstanden völlig neue Formen, Ausdrücke und Gewohnheiten, die schließlich auf einzigartige Weise einen bestimmten Teil der Welt umschrieben und identifiziert haben. Das Zauberwerk ist vollbracht: entdecken wir zusammen die Gegenstände des italienischen Designs, die dazu beigetragen haben, unser Leben reicher, faszinierender und schöner zu machen.
LC4, NEHMEN SIE PLATZ
Die 1965 von der italienischen Firma Cassina herausgebrachte und berühmt gewordene LC4 ist eine Chaiselongue par excellence, die legendärste von allen. Sie wurde 1928 von drei unglaublichen Designern entwickelt: Le Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand, die ein außergewöhnliches Sitzmöbel erfunden haben, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die verstellbaren Neigungswinkel der Sitz- bzw. Liegefläche aus glänzendem, trivalentem verchromtem Stahl und das schwarz lackierte Untergestell aus Stahl machen es zu einem raffinierten und einzigartigen Möbelstück. Die LC4 stellt dank ihrer Kombination aus Form und Ruhefunktion ein ideales Gleichgewicht zwischen geometrischer Reinheit und materieller Substanz her. Die stufenlos verstellbare Liegefläche vermittelt durch ihre außergewöhnliche Stabilität Sicherheit und empfängt einen mit einer sanften Umarmung aus elegantem und hochwertigem Leder. MOKA EXPRESS, DIE ESPRESSOKANNE PAR EXCELLENCE
Die Moka Express von Bialetti gehört zur ständigen Sammlung des Triennale Design Museums von Mailand und des MOMA in New York. Sie wurde 1933 von Alfonso Bialetti entworfen und anschließend mit einer Auflage von mehr als 105 Millionen Stück produziert: zweifellos gehört sie zu den berühmtesten Produkten des italienischen Industriedesigns der Geschichte. Aus der Intuition Alfonsos entstand die Geschichte von Bialetti, einem Markenzeichen, das die Kunst des Kaffeezubereitens in eine so natürliche und spontane Geste verwandelt hat, dass sie zu einem unverzichtbaren Ritual geworden ist. Seit fast hundert Jahren erzählt Bialetti mittels Aromen, Farben und Geschmack von den Werten der italienischen Traditionen, die Zuhause und Zusammensein bedeuten. Die Moka Express zeugt von einer Sorgfalt für das Design und für Details, sie erleichtert jede Arbeit in der Küche und vermittelt Qualität, Emotionen, Kompetenz und Sicherheit. LAMBRETTA, DER SCOOTER ZUM TRÄUMEN
Die Lambretta ist ein italienischer Scooter aus der Maschinenbaufabrik Innocenti in Mailand, im Stadtteil Lambrate, der zwischen 1947 und 1972 produziert wurde. Der Name „Lambretta“stammt von dem Fluss Lambro, der durch das Gelände fließt, auf dem die Fabrikgebäude errichtet wurden. 1947, nachdem die Planungsphase beendet und die Mailänder Fabrik wiederaufgebaut worden war, begann die offizielle Produktion der Lambretta: der enorme Erfolg führte dazu, dass sie in fast 25 Jahren auf Lizenz auch in Argentinien, Brasilien, Chile, Indien und Spanien hergestellt wurde. Sie war die erbittertste Rivalin der Vespa: im Italien der Nachkriegszeit spalteten sich die Fans der beiden Fahrzeuge in zwei Lager. Die röhrenförmige Lambretta, die weniger schnittig als ihre Konkurrentin war, hatte jedoch einen gleichmäßigeren und schnelleren Motor und verführte durch ihr romantisches Aussehen zum Träumen. Sie wurde sofort zum Symbol eines Landes, das mit viel Energie von vorne anfangen wollte.
COCCOINA, DER DUFT DER KINDHEIT AUS DER DOSE
Einer der weltberühmtesten und legendärsten Kleber aus der Büchse ist Coccoina, der 1927 geboren wurde, in dem Jahr, als die Firma Balma, Capoduri & C. aus Voghera, die bereits auf dem Schreibwarenmarkt vertreten war, beschloss, den ersten Klebstoff „Made in Italy“auf den Markt zu bringen. Die Produktpalette der Marke Coccoina, die man an ihrem typischen Mandelgeruch und an der legendären silbernen Aluminiumdose mit ihrem violetten kursiven Schriftzug und der in der Mitte angebrachten Halterung für den Pinsel erkennt, mit dem man den Leim auftragen kann, hat sich immer weiter entwickelt und auch Flüssigklebstoff, Klebestifte und Vinylkleber herausgebracht. Das ursprüngliche Format hat sich in die Kindheitserinnerungen von Millionen Menschen eingeprägt, die noch heute diesen Vintage-fetisch suchen, um den süßen Duft ihrer Jugend heraufzubeschwören. ARCO, EIN LICHT, DAS DIE EINRICHTUNG VERVOLLKOMMNET
Die Leuchte Arco besteht aus einem Metallbogen, der auf einem Marmorsockel angebracht ist. Sie ist vielleicht die berühmteste Stehlampe der Geschichte, die 1962 von den Brüdern Achille und Piergiacomo Castiglioni für Flos entworfen wurde. Die Brüder erklärten, dass sie sich bei den bezaubernden Formen von Arco an den Straßenbeleuchtungen der Städte vor einigen Jahrzehnten inspiriert haben. Die äußerst flexible und beschwörende Leuchte Arco ist kein einfacher Gegenstand, sondern gehört in den Olymp der Meisterwerke des Designs. In seinem Buch „Fare di più con meno“(Aus weniger mehr machen) schrieb der Architekt Stefano Boeri: „Arco ist die Synthese aus Eleganz, Genialität und Einfachheit. Ein Gegenstand, der den wirtschaftlichen, ästhetischen und symbolischen Ausgangswert der drei Elemente, aus denen er besteht, nicht addiert, sondern multipliziert und daraus etwas völlig Neues entstehen lässt“. FIAT NUOVA 500, DAS AUTO DER ITALIENER
Der Fiat Nuova 500, auch unter dem Namen FIAT 500 oder ganz einfach „Topolino“bekannt, ist der Kleinwagen schlechthin, der zwischen 1957 und 1975 von Fiat produziert wurde. Sein Design erzählt mit einer unerhört beschwörenden Kraft von einem sehr wichtigen Kapitel in der Geschichte Italiens. Seine Markteinführung fiel in die Übergangszeit zwischen den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren und dem Wohlstand des Wirtschaftsbooms in den 60er Jahren. Der Cinquecento ist der von den Italienern bevorzugte Reisebegleiter für eine Fahrt in Richtung Zukunft: seine Verbreitung ist enorm, und für den, der ihn besitzt, gehört er zur Familie. Die flammend rote Karosserie ist eine Hymne an das Leben und symbolisiert den Optimismus gegenüber neuen Zukunftsaussichten und Möglichkeiten. Noch heute liegt der Topolino den Autonarren sehr am Herzen, aber nicht nur ihnen.
PASTIGLIE LEONE, SCHÖNHEIT IN FORM EINES BONBONS
Die verzierte Blechschachtel der Pastiglie Leone ist ein Mythos unter den Verpackungen der Lebensmittelindustrie. Die Turiner Süßwarenfabrik wurde 1857 von Luigi Leone gegründet, einem Händler aus Alba, der nach Turin ging, um seine treuesten Kunden, die Mitglieder des Königshauses, besser bedienen zu können. Niemand kann der Süße der bunten Bonbons aus dem Piemont widerstehen: die Dosen, in denen sie verkauft werden, sind wegen ihrer wunderschönen Verzierungen im Art-dekoStil ungeheuer gefragt. Die kleinen altmodischen Blechdöschen rufen, zusammen mit dem Duft der Pastillen, die Vergangenheit Turins wieder wach. Man muss nur die Augen schließen, um sich in einem alten Laden mit Holzregalen und großen Glasbehältern wiederzufinden, die gefüllt sind mit herrlichen Köstlichkeiten. Eine kleine Schachtel genügt, um den unbezahlbar süßen Geschmack aufzubewahren, der stärker als die Zeit ist. PHONOLA 547, ALLE MAL ZUHÖREN
Eines der berühmtesten Produkte der italienischen Elektronikfirma Phonola war das Radio in Form eines Telefons, das bekannte Modell 547, das von Livio Castiglioni und Luigi Caccia Dominioni entworfen und in verschiedenen Varianten seit 1939 produziert wurde. Dieser Apparat mit seinen einnehmenden und außergewöhnlichen Formen ist heute ein begehrtes Stück für unzählig viele Sammler, die versuchen, sich dieses Meisterwerk des modernen Antiquariats unter den Nagel zu reißen. Ein so emotionaler Gegenstand wie das Radio wurde der Ästhetik des Telefons nachempfunden, um ihn noch persönlicher und bedeutender zu gestalten, voller Charakter und Appeal. Bestimmte Formen, auch wenn sie nur noch in Erinnerungen oder Sammlungen auftauchen, hören nie auf zu faszinieren, ungeachtet aller Modeströmungen und Wandlungen. So ist das Phonola 547 ein außergewöhnliches, zeitloses Meisterwerk. SACCO, EIN SITZMÖBEL DER WELTKLASSE Sacco ist das weiche Sitzmöbel, das 1968 von Piero Gatti, Cesare Paolini und Franco Teodoro für die Firma Zanotta entworfen wurde. Wir befinden uns auf dem Höhepunkt der Popkultur, die Welt ist im Aufbruch, alle wollen das Beste aus einer spritzigen und antikonventionellen Kultur herausholen. Die drei Kreativen werfen das Konzept eines Sitzmöbels über den Haufen und entwerfen einen Sack im wahrsten Sinne des Wortes, eine „Bohne“aus Plastik, gefüllt mit Schaumstoffkugeln, die sich, leicht und transportierbar, jeder Ruheposition anpasst. Sacco ist weltweit der erste Sessel, der keine feste Struktur hat, und wird sofort zum Symbol der neuen Generation, die ein sorgloseres Leben als ihre Eltern führen will und die sich auf einem Sessel wohl fühlt, in dem man versinken, eintauchen, sich fallen lassen und sich absolut frei fühlen kann.
CARLTON, WENN RAUM ZUM DESIGN WIRD Der berühmte Raumteiler Carlton entsprang der Fantasie der Gruppe Memphis, die 1981 von Ettore Sottsass mit Hans Hollein, Arata Isozaky, Andrea Branzi, Michele de Lucchi und anderen international berühmten Architekten gegründet wurde. Das Totembücherregal wird schon bald zum Symbolobjekt der gesamten Produktion der Gruppe: Carlton hat eine leicht anthropomorphe Form und die kräftigen Farben sind typisch für die Gruppe Memphis und die neomoderne Bewegung. Carlton ist der größte Beweis für radikales Design, das den Status einer Ikone einnimmt. Auch in diesem Fall sprechen wir nicht von einem einfachen Gegenstand, sondern von einem wahren Kunstwerk: es inspiriert sich an Bewegungen wie dem Art-deko, der Pop-art, dem Kitsch der 50er Jahre und futuristischen Themen, wie auch an der Massenkultur und dem Alltag. BOURGIE, DIE SCHICKE
UND FLOTTE LEUCHTE
Die Leuchte Bourgie, die 2004 von Ferruccio Laviani für Kartell entworfen wurde, ist einer der Bestseller von Kartell und des Designs Made in Italy überhaupt. Die Pracht und die ironische Modernität dieser Leuchte mit ihrem modern-altmodischen und innovativen Touch, haben sie zu einem Juwel des Designs gemacht, das auf der ganzen Welt gefeiert und geliebt wird. Ihr offizielles mondänes Debüt hatte sie 2004 in der Mailänder Boutique Uomo di Dolce & Gabbana, in der sie ausgestellt wurde, um mit ihrer ironischen und äußerst aktuellen Botschaft über die funkelnde Pracht aus reinem Plastik zu verblüffen. Bourgie, die aus einem durchsichtigen Polycarbonatblock entstanden ist und die es inzwischen in 14 Versionen gibt – von Gold bis vielfarbigem Titan – und deren Licht wie ein Kristall auf alle Gegenstände der Umgebung geworfen wird, hat mit ihrer Form einen Archetypen, einen Stil und eine typische und unumstrittene Linie für eine Tischleuchte kreiert. MOLESKINE, DER ECHTE NOTIZBLOCK
Der Notizblock Moleskine, so wie wir ihn heute kennen, entstand im Jahr 1997 und inspirierte sich an dem legendären Notizblock der Künstler und Intellektuellen der letzten zwei Jahrhunderte, faszinierende und rastlose Persönlichkeiten wie Vincent Van Gogh, Pablo Picasso, Ernest Hemingway und Bruce Chatwin. Der legendäre Notizblock, der dank der Erfahrungen von Modo&modo, einem kleinen Mailänder Verlag, der 1997 die Marke Moleskine registrieren ließ, geboren wurde, oder besser gesagt, wieder auferstanden ist, wurde überarbeitet und hat seit den 90er Jahren bis heute einen enormen und weltweiten Erfolg. Mit seinem rigorosen und minimalistischen Design, dem schwarzen Ledereinband und den weißen Seiten in seiner klassischen Version, wurde er ohne Frage im kreativen Ambiente zu einem wahren Kultobjekt, das in keiner Tasche der fantasievollen und antikonventionellen Köpfe fehlen darf.
ANNA G, DIE SILHOUETTE MIT DEM PLOPP Hierbei handelt es sich um den berühmtesten Korkenzieher der Geschichte, der 1994 von Alessandro Mendini für Alessi entworfen wurde. Es heißt, dass der Name eine Hommage an die Designerin Anna Gili ist, deren Gesicht und Silhouette auf dem Gebrauchsgegenstand wiederzufinden sind. Sicherlich ist der Korkenzieher Anna G von Alessi seit Anfang an einer der erfolgreichsten Produkte der Firma: auf 24,4 cm Höhe und 7 cm Durchmesser befindet sich eine lächelnde und ausdrucksstarke weibliche Figur. Anna G ist eine wahre Hommage an die reale, lebende Frau, an die Frau, die jeden Tag arbeitet und sich um die Familie kümmert, aber trotzdem nicht auf das Vergnügen und die eigene Meinungsfreiheit verzichtet. Heiter und außergewöhnlich gelingt es dem Korkenzieher Alessi bei Tisch ein harmonisches und fröhliches Klima zu schaffen, so dass er zu einem unverzichtbaren und charakteristischen Gerät in allen Haushalten wird.
TAMARINDO ERBA, LEGENDÄRE SCHLÜCKCHEN 1837 kauft der Apotheker Carlo Erba die Apotheke Brera im Herzen Mailands. Hier beginnt er, einige Präparate mit neuen Prozeduren herzustellen. Unter ihnen sticht der Tamarinden-extrakt hervor. Der Erfolg von Tamarindo Erba ist so groß, dass er industriell hergestellt wird. In den 50er Jahren wird der Designer Romolo Castiglioni, der zum Artdirektor der Firma ernannt wird, beauftragt, die Verpackung und das Etikett zu entwerfen, das noch heute auf der zeitlosen Flasche zu finden ist. Dieses erfolgreiche Verpackungsdesign überdauert die Zeit und ignoriert die aktuellen Modetrends, um geradlinig und entschlossen die Unsterblichkeit anzustreben. Der Tamarindo Erba ist ein Produkt, das man wiedererkennt, und sein Etikett ist mit flammenden Lettern in das kollektive Bewusstsein eingebrannt.
DER GIALLO MONDADORI, WENN EIN BUCH AUCH NACH SEINEM UMSCHLAG BEWERTET WIRD Der Giallo Mondadori ist eine Krimireihe, die seit 1929 vom Verlag Arnaldo Mondadori Editore herausgegeben wird. Für die Titelseiten der ersten Bücher wurde die Farbe Gelb gewählt und das ist bis heute so geblieben: der Erfolg war so groß, dass diese Farbe mit dem Genre des Thrillers in Verbindung gebracht und der Neologismus „giallo“(gelb) geboren wurde, der seither für das Wort Krimi steht. Legendärer Direktor der Serie seit den 30er Jahren bis 1979 (mit einer Unterbrechung von 1941 – 1946, als die Reihe aufgrund der faschistischen Zensur und des Krieges eingestellt wurde) war Alberto Tedeschi. Er war es auch, der gleich nach dem Krieg die Gestaltung des Umschlags Carlo Jacono übertrug. Die Krimireihe Giallo Mondadori ist ein bedeutendes Bespiel dafür, wie Design die Kultur und das Leben jeden Einzelnen tiefgreifend beeinflussen kann.