DIONISIO CIMARELLI: INSPIRATION ZWISCHEN ORIENT UND ABENDLAND
Der aus den Marken stammende Bildhauer lebt und unterrichtet in New York, nachdem er wichtige kreative Erfahrungen in China gesammelt hat, die in ihm den Wunsch entstehen ließen, zwei so unterschiedliche Kulturen zu vereinen.
Für den international bekannten Bildhauer und Künstler Dionisio Cimarelli, der aus Jesi in den Marken stammt, hat die Kunst schon immer als etwas Absolutes erlebt, das sowohl aus Philosophie als auch aus Reiseerfahrungen besteht: zu reisen und schöpferisch tätig zu sein, um eine Verbindung zwischen zwei unterschiedlichen Kulturen zu schaffen, das war seine Berufung. Er besuchte die Kunstakademie von Carrara und arbeitete als Restaurateur im Louvre, wo er sich für die klassische Kunst begeisterte. Nach einer ersten Reise in seiner Jugend kehrt er
2004 in sein geliebtes China zurück, wo er neun Jahre lang bleibt. Dort kann er seinen außergewöhnlichen
Stil entwickeln, diese geniale Intuition, mit der er die Techniken des Westens mit den Elementen der östlichen Ästhetik auf beeindruckende und kraftvolle Weise verbindet. Sein von unerschöpflicher Neugier geprägter Weg führte ihn nach New York, wo er den Auftrag erhielt, an den beiden wichtigsten Kunstakademien des Landes zu unterrichten: den jungen Leuten seinen Erfahrungsreichtum zu vermitteln gehört zu den wichtigsten Etappen seiner Studien. Er wurde in Jesi geboren und hat in Carrara studiert. Anschließend die Erfahrung als Restaurateur im Louvre und dann neun Jahre in China. Heute lebt Dionisio Cimarelli in New York und unterrichtet an der New York Academy of Arts und an der Art Students League. Gibt es eine Konstante in einem so abwechslungsreichen Leben? Und welche Nuancen? Die Konstante ist und bleibt zweifellos die Kunst, kombiniert mit der angeborenen Neugier, andere Kulturen zu entdecken. Meine Recherche ist vollständig auf die Kunst und die Kultur in all ihren Facetten konzentriert, denn das, was mich interessiert, ist zu versuchen, den Menschen zu verstehen. Die Kulturen ändern sich, aber der Mensch bleibt in seinem Wesen immer gleich, ich finde und entdecke ihn, überall wo ich hingehe, immer wieder. Alle Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe, sind zu vielen wertvollen Erinnerungen geworden, die von mir gefiltert und der Welt in Form meiner Werke zurückgegeben werden. Das Reisen ist das Elixier, das mich belebt und motiviert,
Alle Erfahrungen, die ich in meinem Leben gesammelt habe, sind zu wertvollen Erinnerungen geworden, die ich filtre und über meine Werke der Welt zurückgebe.
sowohl als Mensch, als auch als Künstler. Wenn ich auf Reisen bin, suche ich in allem, was ich sehe, Inspiration, und besondere Anregungen und Denkanstöße, die ich in den verschiedenen Ländern bekommen habe, sind fest in meinem Gedächtnis verankert. Die Bewegung und die Begegnung sind das Feuer meines Werkes, die Seele all meiner Schöpfungen. In meinen früheren Werken ist dieser Aspekt weniger ersichtlich, denn sie sind das unmittelbare Ergebnis meiner Ausbildung in Italien, aber der Impuls wird durch meine Erfahrung in China stärker und deutlicher, denn seither sind meine Kreationen weder italienisch noch chinesisch, da sie aus einem tiefen Synkretismus entstehen.
Sie werden als Erbe Matteo Riccis angesehen, der wie Sie aus den Marken stammt: gehört der Einfluss des Heimatlandes zu einem wichtigen Aspekt bei der Entwicklung Ihrer künstlerischen Sensibilität? Seit meiner ersten Reise nach China war Matteo Ricci ein wichtiges Vorbild für mich. Er wollte völlig chinesisch sein, während ich einen anderen, persönlicheren Weg eingeschlagen habe. Ich muss zugeben, dass die Anziehungskraft Chinas für mich fast
Obwohl ich die Marken sehr jung, mit 18 Jahren, verlassen habe, sind und bleiben sie immer ein Teil von mir, da sie meine Entwicklung und meine Ausbildung unweigerlich beeinflusst haben.
instinktiv war, auch weil es damals ungewöhnlich war, diese Orte aufzusuchen. Ich hatte mein Studium noch nicht beendet, aber ich war sehr neugierig auf die Kultur des Orients, ohne Hintergedanken an Profit, der dagegen heute viele Menschen bewegt. Das erste Mal bin ich mit einundzwanzig Jahren mit der Transsibirischen Eisenbahn nach China gereist, wo ich vier Monate geblieben bin, während ich den Rest des Jahres in anderen asiatischen Ländern verbracht habe. 2004 bin ich nochmal nach China gereist und neun Jahre dortgeblieben. All das hat mich sehr verändert. Meine Absicht war, tief in die chinesische Kultur einzudringen, um sie zu destillieren und auf kreative Weise mit der italienischen zu verbinden. Ich habe sehr früh, mit 18 Jahren, die Marken verlassen, aber trotzdem sind und bleiben sie immer ein Teil von mir, da sie unweigerlich meine Entwicklung und meine Ausbildung beeinflusst haben. Die Kultur meiner Heimat gehört zu mir, genauso wie Matteo Ricci. Ricci und ich haben sicherlich dieselben typischen Eigenschaften wie die Leute aus den
Marken, aber auch unsere Beziehung zu China ähnelt sich sehr. Vielleicht ist das ein Zeichen des Schicksals, dem man folgen sollte.
Was hat Sie ihn New York überzeugt, dort zu bleiben? New York war für mich eine Riesenchance, ich bekam den Auftrag, an der Art Students League zu unterrichten und das hat mich unglaublich motiviert. New York ist jedoch eine sehr komplizierte Stadt, die man sehr schwer verstehen kann und in der es schwierig ist, zu leben. Also eine Herausforderung. Sie ermöglicht und bietet dir viel, aber um gewisse Ziele zu erreichen, verlangt sie dasselbe von dir, vielleicht sogar noch mehr. Die eigenen Ideen und Inspirationen zu verwirklichen kann sehr anstrengend sein, anstrengender als bei meinen vorhergehenden Erfahrungen. Sicherlich, in dieser Stadt zu leben, um einen Masterkurs an der New York Academy of Art zu leiten, die 1980 von Andy Warhol gegründet wurde, und an der Art Students League zu unterrichten, an der schon Jackson Pollock und fast die Hälfte aller Künstler der amerikanischen Gegenwartskunst studiert haben, ist für mich eine Ehre und ein Privileg. Im Moment habe ich das Gefühl, dass ich meinen Studenten all die vielzähligen und intensiven Erfahrungen vermitteln muss, die ich auf der ganzen Welt gesammelt habe. Ich bin weniger kreativ, aber das ist nötig, um den jungen Künstlern mehr beizubringen: das ist ein wesentlicher Moment in meinem Leben, eine Phase, mit der ich seit Jahren geliebäugelt habe, obwohl es mir schon ein bisschen abgeht, nicht Vollzeit an meinen Werken arbeiten zu können.
Italien, China, Amerika: eine Zusammenfassung der drei Lieblingsorte.
Es ist schwierig, mein Leben zusammenzufassen. Sicherlich verdanke ich Italien meine Ausbildung, es gehört zu dem Gepäck, das ich immer bei mir trage, meine Säule. China bedeutet für mich eine essentielle Erfahrung; nach Italien ist es mein Lieblingsland. Ich bin nicht wegen des Business nach China gegangen, sondern weil ich wirklich an der dortigen Kultur interessiert war. Ich suchte eine intensive und starke Beziehung, und schließlich habe ich sie aufgebaut, sowohl mit dem Land als auch mit seinen Bewohnern. Es war fast so, als würde man sich verlieben. Was Amerika betrifft, so bin ich noch am Lernen. Wenn man Amerika von innen erlebt, treten unerwartete Varianten an den Tag. In Amerika muss man sich Zeit nehmen: ich kann nicht leugnen, dass die USA mir enorme Möglichkeiten geboten hat, aber ich bin noch am Ausprobieren, die Reise ist noch nicht zu Ende.