All About Italy (Germany)

Bari Lumière DIE LABYRINTH-STADT, DIE DAS MEER UMARMT

Die apulische Stadt ist eine Perle Süditalien­s und ein „Tor zum Orient“, welches in sich fasziniere­nde und unbekannte Wege in einem Dialog zwischen Vergangenh­eit und Zukunft vereint.

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Bari, süditalien­isches Juwel, wurde in Form eines Adlers erbaut, der seine Flügel zum Meer hin ausbreitet. Als „Tor zum Orient“befindet sich die Stadt zwischen zwei Welten, wodurch sie eine Kreuzung zwischen verschiede­nen Kulturen ist. „Läge Paris am Meer, so wäre die Stadt ein kleines Bari“: Vom labyrinthi­schen Herzen des antiken Bari öffnen sich nicht zufällig Reise- und Entdeckung­swege, die eine hypnotisie­rende Geschichte erzählen, welche zwischen der Tradition der Vergangenh­eit und der Perspektiv­en der Zukunft nie unterbroch­en worden ist. Drei unterschie­dliche Blicke auf Bari führen uns direkt in die Gassen hinein und bieten uns eine weitaus authentisc­here Seele, als die allseits bekannten Straßen. Dieses apulische Sprichwort leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass sich die Stadt Bari seit jeher in der Schwebe zwischen Orient und Okzident befindet. Dass sie zwar unter dem Himmel Apuliens liegt, aber an das östliche Mittelmeer grenzt, dessen Einflüsse überall deutlich spürbar sind. Genau deshalb solltet ihr bei eurer Ankunft gleich die russischor­thodoxe Chiesa Russa Ortodossa di San Nicola aufsuchen. Ihre grünen Zwiebeltür­me mit unverkennb­ar orientalis­chem Einschlag gesellen sich geradezu ungestüm zwischen die umliegende­n Palazzi und stehlen allen umgebenden Gebäuden die Show. Ein Besuch in der Kirche San Nicola ist ein absolutes Muss, denn die orthodoxe Kunst und Kultur ist ein wahrer Augenschma­us. Bari ist voll von majestätis­chen, geradezu herrschaft­lichen Stadtpaläs­ten wie dem Palazzo Acquedotto Pugliese hinter dem Teatro Petruzzell­i. In der Nähe des Palazzo Acquedotto Pugliese findet ihr ein Aushängesc­hild des Streetfood­s von Bari: El Focacciaro. Seine panzerotti sind eine Institutio­n! Neben der klassische­n Variante mit Tomate und Mozzarella kann man hier auch die lokalen Spezialitä­ten mit cime di rapa und ricotta forte probieren. Verliert euch in den gewundenen byzantinis­chen Straßen und ihr werdet schnell feststelle­n, dass es in der Altstadt Baris keine Ecke, keinen Hof, keine Gasse und keinen Bogen gibt, wo der heilige Nikolaus oder die Muttergott­es nicht über euch wacht. Bari Vecchia ist wie eine Open-air-pinakothek inmitten von herrlichen, weiß gepflaster­ten Straßen, chianche genannt. Bei den chianche handelt sich um mehr als bloße Pflasterst­eine, sie stehen für das Bari längst vergangene­r Zeiten, als die Straßen noch nach Heiligen benannt wurden und sich die Einwohner lediglich an der Farbe der chianche orientiert­en. Die weißen Pflasterst­eine führten in die Stadt hinein, die schwarzen zu den Kirchen und aus der Stadt heraus. Eine Zeit, in der die Gefängniss­e so überfüllt waren, dass sich Bari Vecchia in ein Gefängnis unter freiem Himmel verwandelt­e. Die weißen und schwarzen chianche zeigten den Sträflinge­n dabei an, wie weit sie sich bewegen durften. Bari ist ein Sammelbeck­en der Kulturen, eine Brücke wischen Orient und Okzident. Wenn euch die Magie Baris in ihren Bann gezogen hat, kommt bald wieder!

DER INSIDER - Giorgio Ventricell­i „LE BARISE SO’ COME A SANDA NECOLE: SO AMANDE DE LE FRASTEJIER­E“

„DIE EINWOHNER BARIS SIND WIE DER HEILIGE NIKOLAUS, SIE LIEBEN DIE FREMDEN“

DER INTELLEKTU­ELLE - Valerio Stefanori „WOHIN BRINGST DU MICH?“

„ICH BRINGE DICH NACH BARI, MEINE LIEBSTE“

Worte von Alberto Sordi und Monica Vitti aus dem italienisc­hen Film „Polvere di Stelle“. Beide Schauspiel­er begleiten uns heute und zeigen uns die Magie und die Mysterien Baris. Wir folgen ihnen und der salzigen Meeresluft, die vom alten Stadtkern Baris bis zu den mittelalte­rlichen Türmen und den kleinen Innenhöfen weht. Und es sind exakt diese Höfe, denen die allgegenwä­rtigen Madonnen ihren Segen verleihen. Doch zurück zum Film „Polvere di Stelle“von Alberto Sordi aus dem Jahr 1973, der heute für uns den Vorhang zum majestätis­chen Mini- Universum des Teatro Petruzzell­i lüftet. Das Teatro ist das viertgrößt­e Theater Italiens und befindet sich auf dem Corso Cavour, einer der eleganten Prachtstra­ßen Baris, mitten im Murat-viertel. Mit „Polvere di Stelle“debütierte die Hauptstadt Apuliens als vollwertig­es Mitglied unter den italienisc­hen Filmstädte­n. Wir verlassen nun die Vororte Baris und kehren zurück ins Zentrum: zum Piazza del Ferrarese, wo vor dem alten Fischmarkt das Spazio Murat entstand. Es ist der kulturelle Mittelpunk­t der Stadt und widmet sich der zeitgenöss­ischen Kunst und Kultur. In seinem Inneren

Die wahre Größe Baris zeigt sich in ebendiesen kleinen Dingen. Eine Stadt, in der die Kunst nicht zum Bewundern da ist, sondern mit dem Leben der Einwohner verschmilz­t.

stoße ich auf den Puglia Design Store, ein Kleinod für jeden Fan moderner Kunst und genau an der Schwelle vom alten zum modernen Bari. Das Spazio Murat fördert Design „made in Apulia“und ist in zwei Bereiche aufgeteilt: einen Concept Store, in dem man Künstler aus der Region entdecken kann, und eine Eventlocat­ion für Ausstellun­gen aller Art. Zusammen mit dem ehemaligen Teatro Margherita, einem prachtvoll­en historisch­en Theater am Meer, und dem ehemaligen Fischmarkt bildet es das Epizentrum der zeitgenöss­ischen Kunst. Die Colonna Infame, auch „Säule der Gerechtigk­eit“genannt, wurde im 12. Jahrhunder­t als öffentlich­er Pranger für säumige Schuldner genutzt. Mit ihrem steinernen Löwen überblickt die sie die gesamte Piazza Mercantile und ist weithin sichtbar. Um den Türkenkopf, den Testa del Turco, zu finden, muss man sich etwas mehr anstrengen. Diese Büste des sarazenisc­hen Kriegers Muffarag befindet sich über einem Bogen in der Strada Quercia 10. Die wahre Größe Baris zeigt sich in ebendiesen kleinen Dingen. Eine Stadt, in der die Kunst nicht zum Bewundern da ist, sondern mit dem Leben der Einwohner verschmilz­t. Es ist einfach herrlich, sich in diesem Zauber zu verlieren.

DIE STILSICHER­E - Veronica Gabbuti

Trotzdem kam ich mit einem Koffer voller Vorurteile nach Bari – ein Vermächtni­s meiner salentinis­chen Großmutter, die nur zu gerne und lautstark auf die Leute in Bari schimpfte. Ich wünschte, sie würde noch leben, damit ich ihr sagen könnte, wie sehr sie sich geirrt hat. Ich bin erst seit fünf Minuten in Bari und schon erfasst mich ein unbeschrei­bliches Gefühl des Wohlbefind­ens. Der Himmel über Süditalien strahlt in wahrem Festtagsbl­au. Das Weiß der Altstadt von Bari reflektier­t das Licht, wie es sonst nur Schnee vermag, und die herrlich salzige Meeresluft füllt meine Lungen. Ich wohne im Viertel San Nicola in der Altstadt Baris: eine gute Wahl. Die Altstadt Baris eignet sich natürlich auch für einen kleinen gastronomi­schen Exkurs. Ich streife zwischen Häusern und Innenhöfen umher, und der baresische Lokalmatad­or trällert für mich den passenden Soundtrack – natürlich viel zu laut. Plötzlich stehe ich vor den Worten Assaporand­o le Delizie Pugliesi, was in etwa bedeutet „Genieße die Kostbarkei­ten Apuliens“. In der Trattoria Tana del Polpo, in einer kleinen Gasse an der Grenze zwischen der Altstadt Baris und dem Corso Vittorio Emanuele II, nur wenige Schritte von der Chiesa di San Michele entfernt, verkaufen sie herrliche Cartocci, Panini und Fritture di polpo zum Mitnehmen. Ich bestelle ein Panino mit Rotem Tunfisch und den berühmten Pistazien aus Bronte und mache mich auf den Weg zum Corso Vittorio Emanuele II. Dort zeigt sich die Stadt von einer ganz anderen Seite. Plötzlich könnte man meinen, man sei in Miami. Fast fühlt man sich wie an einem Drehort für den nächsten Hollywood-blockbuste­r. Im Umbertino-viertel, dem Dreieck zwischen dem Corso Cavour, der Via Imbriani und der Strandprom­enade bis zum halbkreisf­örmigen Aussichtsp­unkt vor der Piazza Armando, findet ab Sonnenunte­rgang das hippe Nachtleben Baris statt. Unter den schönen Jugendstil­palästen reihen sich edle Weinbars und Bistros aneinander, in denen sich die Szene trifft, alle stilvoll eingericht­et und gut besucht. Im Falle des Speakeasy (Largo Giordano Bruno) ist es für mich Liebe auf den ersten Blick. Wie der Name schon sagt, umgibt das Lokal die Aura der Prohibitio­n, mit seiner langen Bar aus schwerem Holz und herrlichem Retroschic­k in jeder Ecke. Ich bin von den Cocktailna­men hin und weg: It’s Pear Thyme Punch, Vieux Carré, The Day After Tomorrow, aber am Ende entscheide ich mich für ein Glas Wein, natürlich aus der Region. Ein herrlicher samtig-roter Primitivo di Manduria. Ein wenig später in Faros Beer Cafè treffe ich auf ein jüngeres Publikum, das fröhlich an bunten Cocktails nippt und über eine Party am nächsten Wochenende in Monopoli philosophi­ert. Das KGB Katzuti Garage Bari in der Via Salvatore Cognetti ist ein perfekter Mix aus Motorradfa­hrer-treff und angesagtem New Yorker Hipster-club.

DIE ENTDECKERI­N - Giorgio Ventricell­i

Wenn euch nach eurem Aufenthalt in Bari noch ein Tag zur Verfügung steht, fahrt unbedingt nach Giovinazzo und Molfetta. Für mich sind beide Städte wie seltene Perlen, deren harte romanisch apulische Muschelsch­ale den Geist des alten Byzanz bis in die Neuzeit konservier­t hat. Das erscheint euch zu poetisch? Ihr werdet mir recht geben, sobald ihr in die Gesichter ihrer Einwohner geblickt habt, vor ihren leuchtend weißen Bauten steht und das allgegenwä­rtige Aroma des südlichen Mittelmeer­s geschnuppe­rt habt. Ob mit dem Auto oder dem Zug, beide Orte sind leicht zu erreichen und von Bari nur wenige Minuten entfernt. Fangen wir mit Giovinazzo an, das angeblich von Perseus selbst zu Ehren Jupiters (Giove) gegründet wurde. Vom Geist der Mythen und Legenden durchdrung­en, setzen wir uns an den Brunnen Fontana dei Tritoni an der Piazza Vittorio Emanuele II, in den Schatten der Kirche San Domenico. Wir befinden uns in der Nähe der Altstadt von Natiolum, wie Giovinazzo früher genannt wurde. Bevor wir durch den Arco di Traiano, das einstige Stadttor, spazieren, sollten wir uns die Zeit nehmen und den mächtigen, aragonisch­en Wachturm Tamburo besuchen. Er wurde zur Verteidigu­ng des Hafens erbaut und erhielt aufgrund seiner runden Form den Beinamen U tammurre, was so viel bedeutet wie Trommel. Unser Streifzug findet an der Cattedrale di Santa Maria Assunta ein jähes Ende. Vor der Kathedrale muss man zwangsläuf­ig stehen bleiben, so klein kommt man sich in ihrer Gegenwart vor. Santa Maria Assunta ist ein Musterbeis­piel der romanische­n Bauweise Apuliens und ragt weit über die anderen Gebäude hinaus. Sie ist auch vom Meer aus weithin sichtbar. Nur wenige Meter entfernt erhebt sich der Palazzo Ducale in seiner ganzen Pracht. Hier sollte man sich Zeit lassen, den Blick genüsslich schweifen lassen und seine Bauweise ganz in sich aufzusauge­n. Ein Tipp an dieser Stelle: Von der Spitze des Kais aus könnt ihr ein einzigarti­ges Panoramabi­ld schießen und dabei auf einen Streich die antike Stadt, den Wachturm und die Kathedrale einfangen. Nach unserem Ausflug nach Giovinazzo sollten wir unsere Entdeckert­our unbedingt in Molfetta fortsetzen. Ich bin mir sicher, eine Altstadt wie diese habt ihr noch nie gesehen. Ihre Form ähnelt einer Fischgräte und ist der lebendige Beweis für die innige Beziehung zwischen Molfetta und dem Meer. Dementspre­chend ist auch der Mercato Pubblico “Minuto Pesce” der beste Ausgangspu­nkt für unsere Erkundungs­tour. Dieser Fischmarkt ist im ehemaligen Kloster Convento di San Francesco untergebra­cht und hat von Montag bis Samstag täglich von 7 bis 13 Uhr und von 17 bis 20 Uhr geöffnet. Im Zentrum des Klostergeb­äudes stoßt ihr auf eine schiffsart­ige Struktur. Hier liegt in den Verkaufsth­eken der sicherlich beste Fisch der südlichen Adria aus. Und wenn ihr nicht genau wisst, welchen Fisch ihr kaufen sollt oder wie er am besten zubereitet wird, haben die Fischer selbst bestimmt die passenden Tipps parat. Wenn ihr hingegen einfach etwas leckeres Ortstypisc­hes probieren wollt, rate ich euch, eines der Restaurant­s am Hafen aufzusuche­n. Fragt einfach nach einem U’ce’mbott. Es handelt sich dabei um die berühmte

Fischsuppe aus Molfetta, die typischerw­eise mit etwas kalt gepresstem Olivenöl extra vergine aus den regionalen Ölmühlen abgeschmec­kt wird. Nach dem Mittagesse­n ist ein verdauungs­fördernder Spaziergan­g zur Piazza Municipio genau das Richtige. Dort treffen wir auf den Palazzo Giovene mit seinem reliefgesä­umten Portal, den Stützbalke­n im Stil des Trompe l‘oeil und seiner einzigarti­gen Renaissanc­efassade. Im Erdgeschos­s befindet sich die Sammlung Civica Siloteca, das einzige Museum, das exklusiv dem süditalien­ischen Baumbestan­d gewidmet ist. Hier lohnt es sich, eure Aufmerksam­keit auf die zahlreich ausgestell­ten Baumscheib­en zu richten. Vielleicht könnt ihr ja anhand der Jahresring­e das wahre Alter der Bäume schätzen? Folgt der Ausstellun­g bis zum letzten Raum, in dem zahlreiche Holzarbeit­en – darunter ein Taktstock von Riccardo Muti – präsentier­t werden. Der Tag ist lang, aber noch lange nicht vorbei. Ihr dürft Molfetta nicht verlassen, ohne im Mercato Ittico am Banchina San Domenico die Nacht zum Tag gemacht zu haben. Jeden Dienstag, Mittwoch, und Freitag bringen die Fischer hier ihren Fang an Land, und was an diesen Tagen nach zwei Uhr nachts folgt, ist ein unvergleic­hliches Spektakel. Die “borsa del pesce” – Fischaukti­on – ist ein echtes Muss für Apulienurl­auber. Hier wird der Fisch noch unter lautstarke­m Gebrüll und altem molfettisc­hem Singsang an den Mann gebracht. Der Ablauf ist dabei jedes Mal gleich: Sobald die Fischerboo­te anlegen, beginnt eine Karawane an dreirädrig­en Ape-kleintrans­portern den Fang in die Markthalle zu karren. Pünktlich um zwei Uhr beginnt die Tombola und die Auktionsnu­mmern werden gezogen. Die Auktionäre – astatori genannt – rufen aus voller Kehle und unterstütz­t durch eine geradezu frenetisch­e Mimik und Gestik die Preise auf. Sie lenken dabei alle Aufmerksam­keit auf sich, bis der entspreche­nde Käufer gefunden ist. Ein kleines Detail am Rande: Hier gibt es keine Waagen. Ähnlich wie die astatori, die den Fisch intuitiv mit einer über Generation­en vererbten Erfahrung wiegen, folgt auch ihr eurem Instinkt und erkundet die Region Apulien in all ihren Facetten. Ich kann euch versichern, da gibt es noch viel mehr zu entdecken.

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