Ikonische Objekte GUT GEMACHT, FATTOBENE!
Es gibt Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden. Und es gibt Gegenstände, die diese Geschichten bewahren und überliefern, Gegenstände, die ein integraler Bestandteil unseres täglichen Lebens sind, dass sie uns und das Land, in dem wir leben, zu beschreiben vermögen. Dessen sind sich Anna Lagorio und Alex Carnevali sehr bewusst. Die Journalistin und der Fotograf lieben das Schöne und sie lieben Italien. Gemeinsam haben sie das Projekt „Fattobene“(gut gemacht) gegründet, das von italienischen Gegenständen erzählt, die es seit Generationen gibt und so zu einer Legende geworden sind. Die Geschichte beginnt mit einer Webseite, entwickelt sich aber weiter und nimmt Ausdrucksformen an, die über Bücher und Salons bis zu Online-shops und Pop-up-stores in New York gehen. Jedes neue Unterfangen hatte keine Veränderung zum Ziel, sondern das Verfolgen einer fixen Idee, nämlich die Geschichte der Unternehmen, ihrer Produkte und ihrer Vergangenheit zu überliefern und sie aufrecht zu erhalten. Fattobene ist eine Art Schublade der Erinnerungen, die mit Anmut und Hingabe Gebrauchsgegenstände ins Gedächtnis ruft, die in den Alltag eingegangen sind und ihn immer noch bereichern. Wenn man von der Nähmaschine Zenith 548 erzählt, taucht man in das Italien des Wirtschaftsbooms nach dem 2. Weltkrieg ein, in dem das Land in Aufbruchstimmung ist und die Zahl der Angestellten rasend zunimmt. So wie uns auch die Erinnerung an die Entstehung der „Pastiglie Leone“ins 19. Jahrhundert entführt, als diese Lutschbonbons ein Luxus für wenige waren, aber von Luigi Leone durch die Einführung von Verdauungspastillen, um ein Mahl mit einer süßen Note abzuschließen, zu einem Allgemeingut gemacht
Eine einmalige Beschreibung Italiens anhand seiner ikonischen Produkte. Fattobene ist ein italienisches, aber auch international ausgerichtetes Projekt, das mit einer zeitgemäßen Sprache über eine Auswahl von Objekten erzählt, die die Industrie bereichert haben und die Geschichte des Designs, des Geschmacks und des Lifestyles Made in Italy groß gemacht haben.
Wir möchten einen Verkaufsraum einrichten, in dem jedoch auch die Kunst des Erzählens Platz hat, ein Haus der materiellen Kultur Italiens.
wurden. Und auch wenn man die Uhr Cifra 3 in die Hand nimmt, wird man in eine Zeit zurückversetzt, in der mit dem Patent einer Uhr mit Klappzahlen eine Erfindung eingeläutet wurde, die die Art des Zeitablesens so revolutioniert hat, dass diese neue Technologie auch für die Anzeigetafeln mit den Ankunfts- und Abfahrtszeiten in Bahnhöfen und Flughäfen angewendet wurde. Fattobene öffnet diese Schublade, um den ganzen Stolz für die Kreativität des Made in Italy, die Geschichte erfolgreicher Unternehmen geprägt hat, für die Qualität und ein sorgfältiges Design ein Erkennungsmerkmal waren. Wie diese Schublade konstruiert wurde, hat uns
Anna Lagorio erzählt, mit der Leidenschaft und der Neugier eines Menschen, dessen Arbeit darin besteht, das Schöne zu sammeln, das, was gut gemacht ist (fatto bene).
Zum Einstieg: was ist Fattobene?
Ein Schaufenster, eine Kollektion, eine Sammlung von Erzählungen…?
Fattobene ist 2015 entstanden und sollte vor allem eine Sammlung von Erzählungen sein. Ich war damals Journalistin und in dieser Zeit wurde stets schlecht über Italien gesprochen, auch weil so viele Unternehmen schließen mussten. Ja, das war eine schwierige Zeit, aber unser Land benötigte andere, positive und zeitgemäße Geschichten. Uns gefiel der Plan sehr, Geschichten über Italien zu erzählen, aber nicht die üblichen, sondern über legendäre Unternehmen. Dieser Plan wurde während einer Reise durch Süditalien mit Alex, meinem Geschäftspartner und Lebensgefährten konkretisiert, wo wir ein Kaffeegetränk serviert bekamen, das es nur in Kalabrien gibt: die Brasilena. Es hat uns sehr gefallen, auch und vor allem wegen der Form und des Designs. Seitdem haben wir begonnen, uns die Frage zu stellen, weshalb es ein so schönes Produkt nur in Kalabrien gibt. Auf diese Frage hatten wir eine Antwort parat: wir mussten über Italien erzählen und bei den einzigartigen und legendären Produkten beginnen, die über viele Jahrzehnte hinweg auch eine Geschichte über die italienischen Regionen erzählen können, die so unterschiedlich, aber so reich an Geschichte sind.
So haben also eine Journalistin, ein Fotograf und die große Begeisterung für das Leben „auf Italienisch“das Fattobene gegründet...
Wir haben mit legendären Produkten begonnen, die immer noch hergestellt werden, und eine Auswahl von Objekten getroffen, die bald auf einer Webseite
Das Moma hat unsere Idee auch persönlich unterstützt: es hat erkannt, dass Fattobene Italien und sein gutes, zeitloses Design zur Geltung bringen will.
gelandet sind, auf der wir über deren Einzigartigkeit berichtet haben. Mit dieser Webseite haben wir viel Glück gehabt: nicht nur die Presse war daran interessiert, sondern wir wurden auch von vielen Leuten angeschrieben, die uns fragten, wo man diese Gegenstände kaufen kann. Das kam alles so unerwartet, aber wir wollten unsere Geschichte weitererzählen, deshalb haben wir zu Weihnachten einen Online-shop eröffnet, für den wir eine erste Box gestaltet haben, die 5 legendäre Objekte enthielt, um eine Art imaginäre Reise durch Italien zu rekonstruieren. Schon vor Weihnachten war alles ausverkauft. Da ist uns klar geworden, dass ein echtes Interesse bestand, dass die Leute, die diese Gegenstände kauften, sie liebten, dass sie diese altmodische Gestaltung liebten, die die heutige Zeit stark anspricht. Dieser großen Nachfrage wollten wir entsprechen, also haben wir unseren Online-shop erweitert, um unser Projekt zu festigen und unsere Ideen weiter zu verbreiten. Mit dieser Präsenz und den Käufen trug jeder einzelne dazu bei, die Geschichte der italienischen Unternehmen und ihrer Produkte weiterleben zu lassen. Der nächste Schritt war das Pop-up auf der Möbelmesse Mailand, das mehrere Jahre wiederholt wurde. Auch diese Erfahrung war sehr nützlich, vor allem weil uns klar wurde, dass sich nicht nur die Italiener für diese Gegenstände interessierten, sondern auch das Publikum aus dem Ausland. Das war unsere Taufe.
Welche Rolle hat das Design bei der Auswahl der Produkte gespielt?
Eine große. Wir haben unsere Auswahl nach ganz bestimmten Kriterien getroffen: jedes Produkt musste seit mindesten 40 Jahren hergestellt werden, eine interessante Geschichte, ein besonderes Design oder eine einzigartige Gestaltung haben, die keine Veränderung im Laufe der Zeit erfahren haben. So wurde jeder Gegenstand zum perfekten Vertreter italienischer Kreativität.
Und die Reise ging dann mit dem Pop-up-store im Moma Design Store in New York weiter. Wie war das, eure Idee auch an einem Ort wie dem Moma zu verbreiten?
Es hat viel Mundpropaganda gegeben, und der große Erfolg des Projekts hat das Moma auf uns aufmerksam gemacht, das uns bat, einen Pop-up-store in New York zu eröffnen. Das war bis heute unsere tollste Erfahrung. Kaum wurde uns dieser Vorschlag unterbreitet, haben wir uns sofort mit den Unternehmen zusammengetan, denn das war eine große Chance für uns und für sie und wir mussten für diese einmalige Erfahrung vorbereitet sein. Das Moma hat unsere Idee auch persönlich unterstützt: es hat erkannt, dass Fattobene Italien und sein gutes, zeitloses Design zur Geltung bringen will. Für uns war es eine wichtige Berufserfahrung, die uns die Möglichkeit bot, die Firmen miteinzubeziehen und ihnen klar zu
machen, wie wichtig es ist, die eigene Geschichte zu erzählen. Es waren keine Marketing-strategien nötig, die Produkte sprachen für sich selbst, und man musste nur die richtige Methode finden, um das mitzuteilen. Unser Ziel war von Anfang an klar und wir wurden darin bestärkt, als der italienische Konsul von New York uns treffen wollte. Er hat sofort gemerkt, dass in unserer Idee die große Möglichkeit steckte, über die normalen Erzählungen des Made in Italy hinauszugehen, die sich meistens um große Firmen drehen, und er hat es geschätzt, dass wir uns mit weniger bekannten Dingen beschäftigen, die jedoch auch reich an Geschichte sind, und dabei eine frische und moderne Sprache verwenden, die gut zu einer Stadt wie New York passt.
Fattobene ist sicherlich eine Erzählung über Italien, die weit entfernt von Klischees ist. Über ein geniales und kreatives Italien, das die Geschichte von Jahrhunderten überdauert hat…
Italien ist vor allem das. Den Leuten hat es gefallen, wie die Objekte präsentiert wurden: wir haben im Moma eine Auswahl von 150 Objekten ausgestellt, die alle zusammen auf ganz schlichte Art von einem Land erzählen. Die Pigna-hefte, die Pastiglie Leone und Coccoina erzählen auch über Regionen, über Kompetenzen, über kleine Industriezweige. Jeder Gegenstand ist Zeuge einer Vergangenheit, die überlebt hat und bis in die heutige Zeit reicht.
Mode, Musik und Design besinnen sich immer häufiger auf die Vergangenheit. War bei euch mehr Nostalgie im Spiel oder der Wille, eine Identität
nicht zu verlieren?
Sicherlich war keine Nostalgie dabei. Ich bin bei dieser Art des Nachforschens wie ein Archäologe vorgegangen, der sich in ein Land begibt und dort charakteristische Dinge entdeckt, die er dann ins Licht stellt. Diese Einstellung ermöglicht uns, die Vergangenheit, die es noch heute gibt, mit Respekt zu betrachten. Man muss nur an die Amarelli-lakritze denken, die schon seit dem 18. Jahrhundert auf dem Markt ist. Heute, in der Zeit der Globalisierung und der Vereinheitlichung der Produkte stechen die Dinge hervor, die eine Geschichte haben und anders sind.
Wir mussten über Italien erzählen und das anhand der einzigartigen und legendären Produkte, die über viele Epochen hinweg auch eine Geschichte über die italienischen Regionen erzählen können, die so unterschiedlich, aber so reich an Geschichte sind.
Coccoina, Pastiglie Leone, Amarena Fabbri, Crystal Ball oder die berühmten Steckspiele. Was würdest du einem jungen Amerikaner antworten, der dich fragt, was das ist? Ja, das ist tatsächlich vorgekommen. Im Moma haben die Leute sich den Sachen neugierig genähert, denn sie hatten noch nie zuvor diese Gegenstände gesehen. Bei Coccoina, einem Klebstoff mit starkem Mandelgeruch, waren die Leute etwas ratlos. Viele dachten, es wäre eine Creme und ein paar haben sie sich sogar auf die Hand geschmiert. Sie konnten nicht glauben, dass ein Klebstoff eine so schöne Dose hat, die so ganz anders als die gängigen Einheitsverpackungen ist. Die jungen Leute, die wir getroffen haben, vor allem angehende Designer, haben diese Objekte neugierig betrachtet und studiert, da sie verstehen wollten, weshalb so „alte“Produkte immer noch so eine große Anziehungskraft haben. Für sie sind das Relikte, die jedoch viel zu erzählen haben und von unvergänglicher Schönheit sind.
Fattobene träumt davon, ein bleibender Ort zu werden, ein Geschäft, das die Geschichte des Made in Italy erzählt und verkauft. Vorausgesetzt, dass alle Städte ein Fattobene verdienen würden, gibt es einen Ort, der ideal für dieses Unternehmen wäre?
Ja, unser nächster Schritt wird es sein, einen festen Standort in Italien zu schaffen, denn hier hat alles begonnen. Wir möchten einen Verkaufsraum einrichten, in dem jedoch auch die Kunst des Erzählens Platz hat, ein Haus der materiellen Kultur Italiens. An dem Ort, den wir uns vorstellen, kann jeder diese günstigen aber legendären Gegenstände kaufen und dabei das Gefühl haben, ein Stück Italiens, aber auch eine Erfahrung mit nach Hause zu nehmen. Wir stellen uns einen Raum mit wechselnden Objekten vor, eine vorübergehende Ausstellung: also einen lebenden Raum. Bei der Auswahl der geeigneten Stadt haben wir uns auf Mailand und Florenz konzentriert: erstere bildet den perfekten Rahmen für Design, die zweite ist das Symbol für die Schönheit Italiens. Der Fattobene-store soll ein Ort sein, an dem man ein echtes italienisches Souvenir findet, das viel mehr Geschichte hat als ein Kühlschrankmagnet.