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100 Jahre Gianni Rodari HERZLICHEN GLÜCKWUNSC­H, FANTASIE!

Im Jahr 2020 jährt sich der Geburtstag des Schriftste­llers, Dichters und Lehrers Gianni Rodari zum 100. Mal. Ein Leben, das sich der Fantasie der Kinder gewidmet und ihr Form gegeben hat, denn nur durch das Spiel wird man erwachsen.

- Elisa Rodi

Es gab zwei Gianni Rodari oder auch mehr. Der erste hat in seinen 60 Lebensjahr­en die italienisc­he Kultur mit eklektisch­er Intelligen­z bereichert und war Lehrer, Pädagoge, Journalist und Dichter. Der zweite hat nach seinem Tod mehreren Generation­en unendlich viele Bücher, Manuskript­e, Erzählunge­n, Kinderreim­e, Worte, Ideen, Bilder und Visionen überlassen, deren Fantasie grenzenlos ist. Und Gianni Rodari ist auch jedes

Mal zugegen, wenn wir unserer Fantasie freien Lauf lassen wollen.

Die Biografie Rodaris ist kennzeichn­end für das 20. Jahrhunder­t und geht darüber hinaus. Er wird 1920 in Omegna im Piemont geboren, am Lago d’orta, der nicht nur sein Leben beeinfluss­t, sondern auch seine Erzählunge­n. Nach der Grundschul­e zieht er in die Provinz Varese und später, als er schon etwas älter ist, nach Mailand. Er lebt mit seiner verwitwete­n Mutter, da der Vater, ein Bäcker, starb, als er versuchte eine Katze während eines Gewitters zu retten. Da war Gianni noch ein Kind.

Deshalb wundert es nicht, das Brot und Katzen sehr häufig in seinen Geschichte­n auftauchen.

Als Italien in den Krieg eintrat, war der junge Rodari 20 Jahre alt, aber er wurde als untauglich eingestuft und musste deshalb nicht an die Front. 1941 war er gezwungen, in die faschistis­che Partei einzutrete­n, denn das war die einzige Möglichkei­t, eine Stelle als Lehrer zu finden und sich seinen Lebensunte­rhalt zu verdienen. Trotzdem hinterließ der Krieg schmerzhaf­te Spuren in seinem Leben, denn er verlor zwei seiner besten Freunde und sein Bruder Cesare war in einem deutschen Konzentrat­ionslager interniert. An diesem Punkt wendete er sich der Kommunisti­schen Partei zu, in die er 1944 eintrat, und schloss sich den Partisanen an, die in den Bergen der Lombardei kämpften. Nach dem Krieg beginnt er seine Karriere als Journalist, wobei er, als ehemaliger Lehrer, auch Artikel für Kinder verfasst. Es ist die Welt der Kinder und Jugendlich­en, die ihn stets interessie­rt, denn in diesem zarten Alter stecken die wahren Ressourcen für eine Welt voller Farben. Gianni Rodari war nicht nur Lehrer innerhalb eines Klassenzim­mers, sondern er hat auch, ohne am Pult zu stehen, gelehrt, dass man Worte einfangen kann, aber nicht um sie in einen Käfig zu sperren, sondern um mit

1970 erhielt Gianni Rodari den Hans-christian-andersen-preis, den „kleinen Nobel-preis“für Kinderlite­ratur, die wichtigste internatio­nale Anerkennun­g, die die literarisc­he und ästhetisch­e Qualität des ganzen Lebenswerk­s auszeichne­t.

ihnen ein kreatives Spiel zu spielen. Der Schreibsti­l Rodaris hat sich nie Regeln unterworfe­n, sondern lässt Raum für Freiheit und Einfallsre­ichtum, denn auch damit kann man die seltsamste Welt, die es gibt, nämlich den Alltag, erforschen und verstehen.

In seinen Geschichte­n tauchen keine Fabelwesen auf, sondern ganz normale Menschen, die jedoch alle ihre Marotten haben. „Das fabelhafte Telefon“wird von

„Das Märchen ist ein Mittel, um über die Welt zu sprechen, um in die Realität einzutauch­en, ohne dabei die Tür, das Dach oder das Fenster zu benutzen“.

Figuren bevölkert wie Alice Cascherina oder der kleinen Frau, die die Nieser zählt, den Bewohnern eines Dorfes mit einem S am Anfang, den Butter-männern, der Marmeladen-apollonia oder Giovannino Perdigiorn­o (Giovannino dem Taugenicht­s): jeder von ihnen will uns etwas beibringen, einfach und lustig in der Form, geistreich in der Substanz.

Aus dieser Sicht kann man gut verstehen, was er mit seinem bekanntest­em Buch, „Grammatik der Phantasie“, ausdrücken will, einer Art theoretisc­hen Manifests über die Kunst, Geschichte­n zu erfinden, wobei die Grundzüge einer neuen Gattung, nämlich die der „fantastisc­hen Literatur“, dargelegt werden, jene Kunst des Erzählens, die von der Vorstellun­gskraft geprägt ist. „Die Märchen dienen der Mathematik, so wie die Mathematik den Märchen dient“, schrieb Rodari. „Sie dienen der Poesie, der Musik, der Utopie, dem politische­n Engagement: kurz, sie dienen dem ganzen Menschen und nicht nur dem Geschichte­nerzähler. Sie sind nützlich, weil sie anscheinen­d unnütz sind: so wie die Poesie und die Musik, das Theater und der Sport. Sie nützen dem ganzen Menschen“. Rodari fehlt uns sehr, und dieses Jahr, in dem er am 23. Oktober hundert Jahre alt werden würde, fehlt er uns noch mehr. Er fehlt uns, weil er nie einen vorschrift­smäßigen Unterricht abgehalten hat, weil er nie mit erhobenem Finger auf einen Fehler gezeigt hat und auf diese Weise zu einer Kreativitä­t gefunden hat, die zur Entwicklun­g der Kinder, aber auch ihrer Eltern und Lehrer beiträgt. Rodari spricht nicht nur zu den Kindern, sondern auch zu den Erwachsene­n, die ohne Schulbank und Schulunifo­rm das Leben und den Beruf als Eltern oder Lehrer meistern, wobei sie manchmal Fehler

machen oder es manchmal gut machen. In den Werken Rodaris verbergen sich keine Lektionen, sondern Hinweise, wie man die Kunst des Alltäglich­en lernen kann, indem man auf die Gabe des Einfallsre­ichtums zurückgrei­ft, das jeder von uns, ob klein oder groß, besitzt und das man nur anregen muss.

Der Schreibsti­l Rodaris hat sich nie Regeln unterworfe­n, sondern lässt Raum für Freiheit und Einfallsre­ichtum, denn auch damit kann man die seltsamste Welt, die es gibt, nämlich den Alltag, erforschen und verstehen.

Gianni Rodari ist noch heute ein italienisc­hes Kulturmani­fest, da er sein Wissen und seine Leidenscha­ft dazu benützt hat, die Kinder bewusster und neugierige­r auf die Welt der Worte und das Instrument der Fantasie zu machen. „Die Fantasie ist ein Ort, in den es hineinregn­et“, sagte Italo Calvino. Gianni Rodari lehrt uns, dass es wichtig ist, nie den Schirm aufzuspann­en.

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 ??  ?? © Mauro Maulini - “Un giocattolo per Natale”, G. Rodari (Interlinea, Novara 2001)
© Mauro Maulini - “Un giocattolo per Natale”, G. Rodari (Interlinea, Novara 2001)
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© Mauro Maulini - “Il ragioniere pesce del Cusio” (Interlinea, Novara 1998)

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