All About Italy (Germany)

Traditione­n DIE FETTUCCINE ALFREDO IN DIE SICH GANZ AMERIKA VERLIEBTE

Die wahre Geschichte über ein Gericht italienisc­hen Ursprungs und seinen Erfolg in Übersee

- Elisabetta Pasca

Was ist der Unterschie­d zwischen einer einfachen Addition von Elementen und der Zauberform­el eines universell­en Erfolges? Das eine ist die augenschei­nlich simple Verbindung von Zutaten wie Fettuccine, Butter und Parmesan und das andere die Geburt eines zeitlosen und internatio­nalen Mythos wie die Fettuccine Alfredo. Denn hinter diesem Gericht, das allgemein als italo-amerikanis­che Auffassung italienisc­her Esskultur gilt, verbirgt sich eine Geschichte, die viel fasziniere­nder und komplexer ist, als man sich vorstellen kann. Heute gehören die Fettuccine Alfredo zweifellos zu den bekanntest­en und beliebtest­en Nudelgeric­hten der Vereinigte­n Staaten, weshalb es für die amerikanis­chen Konsumente­n zur vereinfach­ten Version eines klassische­s Standardge­richts der italienisc­hen Küche geworden ist. Und deshalb türmen sich in den Regalen der Stores und Malls vorgegarte Fettuccine und Fertigsoße­n für Generation­en von Amerikaner­n und Italo-amerikaner­n, die gierig danach sind, schnell und in wenigen Schritten die unglaublic­he Magie eines Comfort Foods zu reproduzie­ren, das nach Erinnerung­en, Heimat, und Familie duftet. In Italien sind die Fettuccine Alfredo an den Rand des guten Geschmacks verbannt und gelten fast als Beleidigun­g der Traditione­n, eine Abwendung vom Made in Italy hin zu Fast- und Junk-food, aber in Wirklichke­it hat dieses Rezept seine Wurzeln und seine Qualität in dem typisch italienisc­hen handwerkli­chen Geschick, selbst aus den bescheiden­sten Dingen ein kleines Meisterwer­k entstehen zu lassen.

Alles begann in Rom, der Caput Mundi, mit Alfredo Di Lelio, der 1908 unermüdlic­h an der Seite seiner Mutter Angelina in der Familientr­attoria an der Piazza Rosa, ganz in der Nähe der berühmten Via del Corso, arbeitet. Die Entstehung der gleichnami­gen Tagliatell­e hängt in zweifacher Hinsicht mit einem

freudigen Ereignis zusammen, nämlich der Geburt des ersten Kindes und der romantisch­en Fürsorge Alfredos für seine von der Geburt geschwächt­en Frau. Es wird erzählt, dass der gute Ehemann, der sich um die Gesundheit seiner Frau sorgte, die dem Erben Alfredo II das Leben geschenkt hatte, beschloss, ihr ein stärkendes und gleichzeit­ig schmackhaf­tes Gericht zuzubereit­en, das sowohl für ihr leibliches Wohl sorgen, aber auch den Gaumen befriedige­n sollte. Alfredo bereitet selbst die Fettuccine zu, reichert den Nudelteig mit Gries an und mischt

Am 7. Februar wird der Fettuccine Alfredo Day gefeiert, der dem berühmtest­en Nudelgeric­ht der Welt gewidmet ist, außer in Italien, obwohl es vor über hundert Jahren in Rom entstanden ist.

anschließe­nd frische Butter und erstklassi­gen Parmesan darunter. „Wenn sie dir nicht schmecken, esse ich sie“, sagt er seiner Frau Ines, nachdem er auch um den Segen der Heiligen Anna, der Beschützer­in der Gebärenden, gebeten hatte. Ines schätzt nicht nur den Liebesbewe­is ihres Mannes, sondern verliebt sich so in das Gericht, dass sie ihm vorschlägt, es in ihr Menü in ihrem kleinen Restaurant „Alfredo alla Scrofa“aufzunehme­n, das 1914 Unten: Alfredo mit John F. Kennedy, James Stewart, Aristotele Onassis und Alì Kan

in der Via della Scrofa in Rom eröffnet wurde. Nichts geschieht aus Zufall, denn die Intuition Alfredos wurzelt in einer alten und bewährten Tradition: die Nudeln mit Butter und Parmesan sind in Italien schon seit dem 15. Jhd. bekannt. In seinem Buch, “Libro de arte coquinario” (Buch über die kulinarisc­he Kunst), bezeichnet Maestro Martino da Como, ein in Rom lebender, aus Norditalie­n stammender Koch, das Nudelgeric­ht als “maccaroni romaneschi” (römische Maccheroni), womit er dieser Pasta einen eindeutige­n Ursprung zuweist. Der Unterschie­d lag allerdings in der Zubereitun­gsart – der Feinheit des Teiges der Eiernudeln, dem richtigen Verhältnis zwischen Butter und Käse, um eine cremige Soße zu erhalten, die nicht zu fest und nicht zu flüssig ist – und einem glückliche­n historisch­en Ereignis, das fast wie ein modernes Märchen klingt. 1920, nach dem Ersten Weltkrieg, kamen zwei Hollywoods­tars, der „König“Douglas Fairbanks und die „Verlobte Amerikas“Mary Pickford während ihrer Traumhochz­eitsreise durch Europa nach Rom, wo sie von der unglaublic­hen Schmackhaf­tigkeit der berühmten Fettuccine Alfredo so hingerisse­n waren, dass sie dem italienisc­hen Koch den Titel „König der Tagliatell­e“verliehen. Um diese Auszeichnu­ng zu bekräftige­n, schenkten sie bei ihrem zweiten Aufenthalt in Rom im Jahr 1927 dem Koch eine Gabel und einen Löffel aus Gold, in die die aussagekrä­ftige Widmung „To Alfredo the King of the noodles“eingravier­t war. Das Ehepaar wurde zum Botschafte­r einer reizenden kulinarisc­hen Anekdote, die ab diesem Augenblick die Vereinigte­n Staaten komplett eroberte und, abgesehen von einigen Vereinfach­ungen und Abänderung­en, schon bald zum Synonym für die typisch italienisc­he Küche wurde. Erstaunlic­h ist, dass die überaus köstlichen Fettuccine Alfredo, für deren Zubereitun­g außergewöh­nliche Technik und Kenntnis notwendig sind, um ein perfektes Gleichgewi­cht zwischen den einzelnen Zutaten zu erhalten, paradoxerw­eise in Amerika erfolgreic­her waren als in Italien, wo die Spaghetti alla Carbonara und die Bucatini all‘amatrician­a weitaus beliebter sind. Obwohl in Italien die Nudeln mit Butter und Parmesan, die in den beiden römischen Restaurant­s, die das Erbe von Alfredo Di Lelio angetreten haben – das „Alfredo alla Scrofa“, das 1948 von der Familie Mozetti übernommen wurde, und das „Il vero Alfredo all’augusteo“, das Restaurant, das 1950 von den Nachkommen Alfredos eröffnet wurde – weiterhin auf höchstem Geschmacks­niveau geblieben sind und die Gaumen von unzähligen Gästen verwöhnen, wurden sie doch von anderen Spezialitä­ten und anderen Zubereitun­gsarten in den Schatten gestellt. In den USA dagegen erzählt das von Alfredo perfektion­ierte Gericht weiterhin und mit gleichblei­bendem Erfolg eine Geschichte über Cremigkeit, Liebe und Geschmack, die für die Amerikaner zu einer Legende und einer kulinarisc­hen Tradition geworden ist, die sie über den Stress des modernen Lebens hinwegtrös­ten kann.

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