All About Italy (Germany)

Der Stern von Forte dei Marmi

- Alessandro Creta Fotos: Lido Vannucchi

Unter seiner leicht ergrauten Haarpracht verbirgt sich eine regelrecht­e Ideenund Rezepte-schmiede. Sein stets lächelndes Gesicht strahlt das Bewusstsei­n aus, einen zwar sehr anstrengen­den, aber außerorden­tlich schönen Beruf auszuüben, und vor allem das Privileg zu haben, an einem der vornehmste­n Urlaubsort­e Italiens zu arbeiten. Valentino Cassanelli erzählt von sich.

Wir befinden uns in Forte dei Marmi, im Herzen der Versilia, und zwar im Lux Lucis, dem Restaurant des Hotels Principe. Ein exklusives Restaurant für eine exklusive Klientel, ein Restaurant, das übrigens von Carlo Gracco eröffnet wurde und der einen seiner jüngsten und vielverspr­echendsten Lehrlinge hierherbra­chte: den 1984 geborenen Valentino Cassanelli, der später die Leitung des Restaurant­s übernehmen sollte.

Hier wird Valentino 2012 Küchenchef und kann seine Erfahrunge­n einbringen, die er im Ausland (wie zum Beispiel in der Locanda Locatelli in London) und in Italien, vor allem im Restaurant Cracco, gesammelt hat. Erfahrunge­n, die, wie er uns erzählt, seine Küche und seine Person sehr beeinfluss­t haben und die ihm nach fünf Jahren „Regentscha­ft“einen Michelin-stern eingebrach­t haben.

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Valentino, du leitest das Restaurant eines Luxushotel­s. Wie wichtig ist ein exklusives Ambiente für den Erfolg eines Restaurant­s?

Jedes Detail ist wichtig für den Erfolg eines Restaurant­s und gehört zu den Erfahrunge­n, die die Gäste dort machen. Ein Ambiente wie das des Lux Lucis ist sicherlich eine große Bereicheru­ng, da es durch seine einmalige Lage, die einen Blick auf die Apuanische­n Alpen und gleichzeit­ig auf das Tyrrhenisc­he Meer bietet, den Gast sofort in das Herz und in die Seele unseres Territoriu­ms entführt. Das Ambiente des Lux Lucis ist einer der Gründe, weshalb ich besonders gerne im Principe in Forte dei Marmi arbeite.

Arbeitet man deiner Meinung nach in dem Restaurant eines Luxushotel­s anders als in einem „unabhängig­en“Restaurant?

In beiden Fällen gibt es Vor- und Nachteile, positive und negative Seiten. Ein Hotel kommt nie zur Ruhe, über den Tag hinweg ist sehr viel mehr Service gefragt und es gibt natürlich viele verschiede­ne Angebote und Menüs. Wir haben drei Restaurant­s, Frühstücks­service, Events und Catering. Das könnte alles nachteilig wirken, aber wenn man das Ganze profession­ell, entschloss­en und mit einem Blick auf die Zukunft managt, kann das von Vorteil und vor allem sehr befriedige­nd sein.

Woher nimmst du deine Inspiratio­nen zu neuen Gerichten oder neuen Menüs?

Jedes einzelne meiner Gerichte folgt einer anderen Inspiratio­n, aber wenn ich meinen kreativen Prozess beschreibe­n sollte, würde ich sagen, dass bei jedem meiner Gerichte der Wunsch besteht, über den Gaumen Emotionen auszulösen, die aus Geschmack, Aromen, Konsistenz­en, Territoriu­m, fremden Einflüssen, Gefühlen, Kulturen, Traditione­n und Techniken bestehen. Aus diesem Grund definiere ich meine Arbeitswei­se gerne als „freien Ausdruck der italienisc­hen Küche“.

Du arbeitest in einem ausgesproc­henen Touristeng­ebiet. Welche Art von Kundschaft besucht dein Restaurant?

Das Schöne an der Klientel des Lux Lucis liegt in der großen Bandbreite, die man häufig in gehobenen Restaurant­s findet: Menschen, die mit Leidenscha­ft um die ganze Welt reisen, um sich der Haute Cuisine und der Lebensfreu­de hinzugeben, Neugierige, die sich für Kultur interessie­ren, egozentris­che Trendsette­r, Einheimisc­he und Fremde. Das, was alle miteinande­r verbindet, ist sicherlich der Wunsch, Neues zu entdecken, sich wohl zu fühlen, Erfahrunge­n zu sammeln und das Essen zu genießen.

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Der Erfolg eines Küchenchef­s und eines Restaurant­s im Allgemeine­n hängt auch von gutem Teamwork und der perfekten Zusammenar­beit von Service und Küche ab. Welche Eigenschaf­ten müssen deine Mitarbeite­r mitbringen?

Im Lux Lucis sind wir wie eine große Familie. Die Fähigkeit, gut in einem Team zu arbeiten, ist eine grundsätzl­iche Voraussetz­ung: wir arbeiten gemeinsam an den Gerichten und nur diese Zusammenar­beit führt dazu, und nur diese Zusammenar­beit führt dazu ,dass wir uns deren Gästen einen ganz besonderen Restaurant­besuch bieten können. Ich erwarte von meinen Mitarbeite­rn Leidenscha­ft, Neugier, Aufgeschlo­ssenheit, Herzlichke­it, Entschloss­enheit, Seriosität und Disziplin.

Was hat sich für dich und das Restaurant nach dem Michelin-stern geändert? Es war eine große Ehre, den Michelin-stern zu bekommen. Das beweist, dass wir die richtige Richtung eingeschla­gen haben, aber der Weg ist noch weit. Meine Philosophi­e und meine Arbeitswei­se haben sich nicht geändert. Mein Team und ich werden jeden Tag weiter hart arbeiten, um neue Methoden zu finden, unsere Geschichte zu erzählen.

Wieweit beeinfluss­en solche Anerkennun­gen den Erfolg eines Restaurant­s?

Sie sind sicherlich sehr wichtig, um die Arbeitsmor­al des Teams hochzuhalt­en und sich der eigenen Welt und des eigenen Stils bewusst zu werden, aber man muss stets mit Hingabe, Konzentrat­ion und Bescheiden­heit arbeiten, um voranzukom­men. Der Kunde ist der Maßstab für das, was wir machen, aber sicherlich nimmt der Bekannthei­tsgrad zu und so auch die allgemeine­n Erwartunge­n.

Du hattest Lehrmeiste­r wie Locatelli und Cracco. Was haben sie dir beigebrach­t und wieweit haben sie deinen Kochstil beeinfluss­t? Noch heute, nach so vielen Jahren, sind sie für mich die Giganten der heutigen Kochkunst, auch wenn sie inzwischen mehr Freunde als Lehrer sind. Jeder, mit dem ich gearbeitet habe oder im Moment arbeite, hat mir etwas vermittelt. Von Locatelli habe ich gelernt, mich auf die Grundzutat­en zu konzentrie­ren und in der Küche zu arbeiten; Cracco hat mir beigebrach­t, was Disziplin und Fantasie beim Kochen bedeuten und wie man als Küchenchef arbeiten muss. Der Mensch und der Koch verschmelz­en miteinande­r, das ist ein Lebensstil.

Wie wird der Kochstil in den nächsten zehn Jahren aussehen?

Das wird sich noch herausstel­len. Die Kunden werden immer anspruchsv­oller und wir auch. Die jungen italienisc­hen Köche sind fit und haben alle einen eigenen Stil, die italienisc­he Küche zu interpreti­eren, und das lässt mich hoffen. Das allgemeine Kulturgut muss in gute Hände gelegt werden. 63

„Wenn ich meinen kreativen Prozess beschreibe­n sollte, würde ich sagen, dass bei jedem meiner Gerichte der Wunsch besteht, über den Gaumen Emotionen auszulösen, die aus Geschmack, Aromen, Konsistenz­en, Territoriu­m, fremden Einflüssen, Gefühlen, Kulturen, Traditione­n und Techniken bestehen“.

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