FÜR ITALIEN IST KULTUR DER WEG IN DIE ZUKUNFT
Im Jahr des schleppenden Tourismus‘, in Zeiten der Corona-krise ist Procida in Feststimmung, denn es wurde mit seinem Projekt „Kultur ist keine einsame Insel“zur „Italienischen Kulturhauptstadt 2022“ernannt.
Die kleine Insel mit ihren 10.000 Einwohnern siegte über die anderen 10 Finalisten (Ancona, Bari, Cerveteri, L’aquila, Pieve di Soligo, Taranto, Trapani, Verbania und Volterra). „Eine Hoffnung für die Zukunft“, erklärte der italienische Minister für Kultur und Tourismus Dario Franceschini. „2022 werden wir wieder zur Normalität zurückgekehrt sein und Kultur und Tourismus werden wieder so wichtig und stark sein wie vor der Pandemie“. Tourismus „in Isolation“seit mehr als einem Jahr. Nach Angaben des italienischen Fremdenverkehrsamtes stand Italien 2019 mit 94 Mio. Besuchern an 4. Stelle der beliebtesten Reiseländer auf der ganzen Welt, mit insgesamt 432, 6 Mio. Übernachtungen, wobei ca. 217,7 Mio. auf Touristen aus dem Ausland fielen. Nach Schätzungen der italienischen Zentralbank Banca d’italia aus dem Jahr 2018 macht die Tourismusbranche mehr als 5% des nationalen Bruttoinlandsproduktes aus (13%, wenn man das indirekt erwirtschaftete BIP mitrechnet) mit einer Beschäftigungsquote von mehr als 6% in normalen Zeiten. Parma übergibt an Procida, für ein Italien, das in die Kultur investiert. Die Insel, Muse der Schriftsteller und Dichter. Landschaft als Filmkulisse. Schauplatz für oscarpreisgekrönte Filme wie „Der Postmann“von Michael Radford nach dem Roman von Neruda und mit dem Hauptdarsteller Massimo Troisi, und „Der talentierte Mr. Ripley“mit Matt Damon und Jude Law in den Hauptrollen.
Die Insel der schwierigen, leidenschaftlichen, widersprüchlichen und unvollkommenen Liebe in „Arturos Insel“, dem Roman von Elsa Morante, der um 1938 spielt. Premio Strega 1957. Als Italien die bezaubernde kleine Insel im Golf von Neapel entdeckte.
Das Procida aus „Graziella“von Alphonse de Lamartine. Eine autobiografische Liebesgeschichte zwischen einem jungen Franzosen und einer Inselbewohnerin im frühen 19. Jahrhundert. Procida ist nicht am Massentourismus interessiert, sondern setzt seit jeher mit dem wilden Charme und der „Einfachheit“der Insel, die Intellektuelle aus Kultur und Politik fasziniert, auf einen anspruchsvollen Tourismus, wobei es seine Identität bewahrt, aber durchaus bereit ist, sich auch der internationalen Welt zu öffnen.
Die Insel besitzt eine wohlhabende und fleißige Gemeinschaft. Sie ist Schauplatz für wirtschaftlichen und kulturellen Austausch. Im Mittelalter wurde sie von unermesslich reichen Reedereifamilien bewohnt. Sie ist die Heimat berühmter Personen wie Giovanni da Procida (13. Jhd.), ein Arzt aus der Schule von Salerno, Diplomat und Politiker, Verbündeter der Staufer und Drahtzieher der Sizilianischen Vesper. Heimat des Politikers Antonio Scialoja (1817 – 1877), namhafter Wirtschaftswissenschaftler und Akademiker, und von Michele De Jorio (1738 – 1806), Wirtschaftswissenschaftler und Jurist und Verfasser des ersten Regelwerks für die Seefahrt der Geschichte. Warum nun diese begehrte Auszeichnung für Procida? Zum ersten Mal erhält eine Insel den Titel „Kulturhauptstadt“und verhilft so dem weniger bekannten Italien und dem Meer zum Sieg. Die Insel ist das „Anderswo“par excellence, der Wunsch nach Flucht und Zufluchtsort, Offenheit und Verschlossenheit, Aufnahme und Ausgrenzung, Nähe und Distanz. Procida entstand aus den Ausbrüchen von vier Vulkanen vor 55.000 bis 17.000 Jahren. Zauberhafte Küsten, zum Teil flach und sandig, zum Teil steil über dem blauen Meer, und kleine Buchten in einer
einzigartigen, unberührten Landschaft. Die leuchtend bunten Farben der Häuser und die betörenden Düfte. Ein Großteil der Küste gehört zu dem Naturschutzgebiet „Regno di Nettuno“, während das Städtchen aus neun Ortsteilen besteht. Aber die Insel Procida ist nicht nur bewundernswerte Schönheit. Sie ist vor allem ein Kulturgut, das man in seiner ganzen „immateriellen“, authentischen, gesellschaftlichen, urbanen und menschlichen Dimension erleben und erfahren sollte. Das wertvollste Kulturgut der Insel besteht jedoch in seiner Authentizität, die bewahrt werden muss. Auch wenn sie nun ins Rampenlicht gerät. „Arturos Insel“ist ein Ort der Seele für denjenigen, der dieses kleine Schmuckstück im Meer entdeckt, aber auch für die, die dort das ganze Jahr leben. Ein Land der Seefahrer, wo die Kulturen des Mittelmeerraums mit der Architektur, dem Dialekt und der Gastfreundschaft seiner Bewohner verschmelzen.
Dieser einladende und bezaubernde Fischerort hinterlässt viele Eindrücke. Procida ist die Königin der Kultur, die zusammenführt. „Die Kultur ist keine einsame Insel“, das Motto des Projekts, ist eine Herausforderung. Procida, „Metapher des Menschen von heute“. Wir sind Inseln, wir müssen Inselgruppen konstruieren, und die Kultur ermöglicht uns, diese Brücken zu bauen“, erklärte der Leiter von „Procida 2022“. Ein Vorhaben, bei dem 44 kulturelle Projekte und 330 Veranstaltungstage mit 240 Künstlern, 40 Originalwerken und 8 Kulturforen geplant sind. Eines davon, der seit 1988 geschlossene Palazzo d’avalos, ein trauriger bourbonischer Gefängniskomplex auf einer Felsklippe über dem Ort Terra Murata, wird zu einem Kulturzentrum, das die Ausstellung „Sprigionarti. Visionen der Zeit und des Raums“mit modernen Kunstinstallationen beherbergt. Italien setzt also auf eine kleine Insel im Golf von Neapel, um hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Mit Procida, der Insel, die zusammenführt. Eine Brücke über das Mittelmeer. Eine Herausforderung im Jahr der Pandemie, um mit der Sprache der Kultur zu kommunizieren und sich auszutauschen.