Burmester BA71
Burmester ist ein Name, der nun schon seit knapp vierzig Jahren für außergewöhnliches Hifi-equipment steht. Der BA71 markiert nun den Status-quo der Berliner Klangphilosophie. Mit sieben Treibern plus Ambience-funktion bietet der Hüne vieles, auf das wir
Die Umstände, welche den 1946 geborenen Dieter Burmester der Hifi-szene zuführten, repräsentieren den unbändigen Schaffensdrang, zutage gefördert durch die Leidenschaft zur Musik, auf welchem die ganze Philosophie von Burmester Audiosysteme fußt. Der geborene Österreicher fand früh im Leben den Weg zu Musik und Technik. Als begeisterter Hobbybastler werkelte er bereits in jungen Jahren leidenschaftlich gern an Radios herum. Als Bassist fand er den Weg in sein erstes Bandprojekt. Man sagt, die wiederkehrenden technischen Probleme mit seinem Bassverstärker hätten ihn endgültig dazu bewegt, eine Lehre zum Radio- und Fernsehtechniker zu absolvieren. Die Einberufung zum Wehrdienst beim Bundesgrenzschutz setzte dann eine jähe Zäsur in der Musikerlaufbahn des Dieter Burmester.
Der Erfinder Dieter Burmester
Nach diesen 18 Monaten jedoch verfeinerte der Wahlberliner sein Wissen und seine Fertigkeiten durch ein Hochschulstudium der
Elektrotechnik und betätigte sich folge dessen mit der Fertigung von medizinischen Präzisionsmessgeräten. Schließlich veranlasste ihn der Ausfall des Röhrenverstärkers seiner Hifi-anlage von Quad, sich selbst in der Hifi-technik zu versuchen. Für das Experiment herhalten musste eines seiner medizinischen Messgeräte, das als Vorverstärker Prototyp 777 wiederauferstand. Das passierte im Juli 1977, was auch zur Namensgebung des Gerätes führte, welches übrigens noch heute – natürlich nach permanenter Weiterentwicklung – das Kernelement im Sortiment Burmesters darstellt. Dieser Vorverstärker stieß auf so viel positiven Anklang, dass nur ein Jahr später in Berlin-schönefeld die Gmbh Burmester Audiosysteme gegründet wurde. Das junge Unternehmen sammelte sehr schnell Reputation, nicht zuletzt wegen des eigenen Anspruchs, nur Produkte dem Markt vorstellig zu machen, die im Vergleich zur Konkurrenz eine signifikante Qualitätssteigerung darstellen. Zudem die sehr wählerische Selektion der verwendeten Materialien und die
pingelige Handarbeit sollten dem Team um Dieter Burmester einen guten Ruf bescheren. Dass sich dieser mit dem eigenen Grundsatz der Leistungssteigerung nicht überhob, lässt sich schnell mit einer kurzen Aufzählung Burmesters eigener Erfindungen und Weiterentwicklungen beweisen. So gehen zum Beispiel der erste modulare Vorverstärker mit beliebig schaltbaren Signalwegen, die auf Relaisschaltung basierte ferngesteuerte Lautstärkeregelung oder das Cd-riemenlaufwerk auf die Kappe des Tüftlers. Um wie gesagt nur eine kleine Auswahl zu nennen. Somit ist es wenig verwunderlich, dass sich Burmester Audiosysteme schnell an der in der Spitze der deutschen High-end-industrie ansiedelte. Seit einer knappen Dekade begrenzt man sich bei Burmester übrigens nicht mehr nur auf die Klangfreude fürs Eigenheim, sondern stattet obendrein Kraftfahrzeuge der Luxusklasse, z. B. Porsche und Bugatti, aber auch Jachten mit Audiosystemen aus der Berliner Klangschmiede aus. Dieter Burmester verstarb plötzlich im vergangenen Jahr, doch sein musikalisches Erbe wird gepflegt und weitergeführt.
Der BA71 – Und bitte!
Mit dem Standlautsprecher BA71 schmückt nun das Kronjuwel des Schallwandler-repertoires aus dem Hause Burmester unseren Hörraum. Stolze 123 Zentimeter (cm) hoch, schindet der Lautsprecher in seiner eleganten Nussbaum-hochglanzlackierung und der edlen, Burmester kennzeichnenden mattsilbernen Frontverkleidung ganz schön Eindruck. Allerdings ist man nach der Positionierung des guten Stücks erst einmal ein wenig aus der Puste. Denn der BA71 bringt satte 51 Kilogramm auf die Waage und möchte natürlich im Duett mit seinem Zwilling aufspielen. Da hat Mensch/tester erstmal gut zu tun. Im Stereodreieck auf den Sweet-spot eingewinkelt, gibt das Paar dann eine äußerst gute Figur ab. Empfehlenswert ist dabei übrigens, beide Lautsprecher einen guten Meter von der Wand entfernt aufzustellen und schallschluckende Gegenstände, wie zum Beispiel Vorhänge hinter
dem Lautsprecher zu vermeiden. Warum? Das erfahren Sie gleich. Ganze 300 Watt an 4 Ohm verträgt der Burmester BA71 und schürt damit von der theoretischen Warte her bereits Erwartungen an eine muskulöse Darbietung. Der als drei-wege-konstruktion ausgeführte Speaker verfügt über ein kleines Treiberarsenal. So finden sich am Frontpanel gleich vier 160-Millimeter(mm)-tieftontreiber und zwei ebenfalls 160-mm-große Tiefmitteltöner. Alle sechs sind mit einer Polymer Composite-membran, einer 75 mm Schwingspule und einem Neodymium-magneten als Treiber bestückt. Dabei hat man die Tiefmitteltonchassis allerdings in einem separaten Gehäuse innerhalb des Lautsprechers platziert, um einer physischen Beeinflussung durch tiefe Frequenzen vorzubeugen. In Verbindung mit der Tatsache, dass für jeden Treiber ein bestimmtes Frequenzband per eigener Weiche zugeordnet ist, deutet das auf eine sehr differenzierte Performance der Schallwandler hin. Für die hohen Töne setzt man auch beim BA71 wieder auf Air Motion Transformer, anstatt auf die herkömmliche Kalotte, gegen die Dieter Burmester selbst eine Abneigung gehegt haben soll. Der Unterschied ist schnell erklärt. Im Gegensatz zu einer runden Membran, verlaufen bei einem Air Motion Transformer mäanderförmige Leiterbahnen über eine Membran die ähnlich einer Ziehharmonika konstruiert ist und sich im Magnetfeld eines Permanentmagneten befindet. Erreicht nun den Wandler ein Signal, versetzen die Leiterbahnen mit einem Stromfluss diese Membran in Bewegung. Durch das Öffnen und Schließen wird Luft quasi ausgepustet und wieder angesaugt und erreicht als Schall unser Ohr. Vorteilhaft an dieser Art der Treiberkonstruktion ist der vergleichsweise höhere Schalldruck, der mit gleicher Leistung erzielt werden kann. Und dann gibt es auch noch zwei dieser Hochtöner! Ganz genau – an der Rückseite des BA71 ist ein weiterer Air Motion Transformer montiert, welcher über einen sehr griffigen Drehregler stufenlos zu den vorderseitig gelegenen Treibern hinzugeschaltet werden kann. Dieser Ambience-modus verspricht zusätzliche räumliche Tiefe und eine brillantere Feinzeichnung in den höheren Ebenen des Frequenzspektrums. Hat Opera bei den neuen Callas das Dipolverfahren abgeschafft, so kann das neue Flaggschiff aus Burmesters Lautsprechersortiment jetzt diese Ambience-funktion aufweisen, die im Vergleich zur Dipol-anordnung eben manuell regelbar ist. Nun wissen Sie auch, warum das Schwergewicht besser nicht vor Vorhängen oder Wandbehängen platziert werden sollte. Denn gerade hohe Frequenzen sind aufgrund ihrer relativ linearen Ausbreitung schnell durch dämpfende Elemente eliminiert. Bevor wir zum Praxistest voranschreiten, möchte noch eine Sache zu den Treibern gesagt werden, die abermals unterstreicht, mit welcher Passion man in Berlin-schöneberg die Lautsprecherkunde praktiziert: Jedes Lautsprecherchassis wird bei Burmester ganze sieben Tage „warmgespielt“und vermessen. Dabei zeigen die Messergebnisse auf, welche Treiber aufgrund kongruenter Eigenschaften am besten zu einander passen. Diese werden dann in einem Stereopaar untergebracht und garantieren somit perfekt auf einander abgestimmte Spielfreude, die wir nun ebenfalls erfahren dürfen.
Kino für die Ohren
Genug der Theorie, denn was ein Schallwandler kann, wird immer noch durch den Ton und nicht das Datenblatt entschieden. Wir fangen gemächlich an mit der „Suite Bergamasque“, besser bekannt als „Claire de Lune“von Claude Debussy. Die äußerst getragene, stellenweise fast elegische Interpretation von Kathia Buniatishvili aus dem Jahr 2014 soll ein Gefühl von der dynamischen Qualität des BA71 vermitteln. Schafft er es, die sehr farbenreiche Ausgestaltung des Klavierstücks auch in den sehr feinen, kaum intendierten Pegelschwankungen stabil und ausgewogen darzustellen? Ganz klar: Ja. So einfach kann es manchmal sein. Mit einem Selbstbewusstsein, als sei der BA71 selbst ein Steinway, gibt der Standschallwandler eine entzückende Darbietung zum Besten. Wir wollen wissen, was der Ambience-töner zu bieten hat, und drehen ihn unverhohlen bis zum Anschlag auf. Tatsächlich eröffnet der rückseitige Hochtöner eine ganz neue Ebene im Klangbild. Nicht mehr auf das bloße Stereopanorama begrenzt zu sein scheinend, nuanciert der Burmester BA71 das Klangbild nun mit einem imaginären Raum. Lag der Fokus vor Konsultation der Ambience-funktion nur auf dem Klavier, so gewinnt nun der Konzertsaal, in welchem die Aufnahme gemacht wurde, an Relevanz. Nicht, dass eine alles vernebelnde Hallfahne das Augenmerk von Debussys Komposition rauben würde. Nein, ganz im Gegenteil. Die Musik wird lebendig. Durch den Raum, der dem Hörer ja quasi „vorgegaukelt“wird, dadurch, dass der Klang zusätzliche Reflexionen durchlaufen muss. Eine wirklich famose Sache, dieser zusätzliche Hochtontreiber. Aber wie sieht es aus mit enger geschnürten Klangpaketen? Bei Portisheads „Sour Times“ist durchaus mehr spektrale Bandbreite aufgetragen. Auch hier meistert der Schallgeber seine Prüfung mit Bravur. Das Picking der leicht verzerrten Bassgitarre klingt reibend und direkt und obendrein präzise artikuliert. Leicht modulieren die Oboen – weit hinten im Mix lokalisierbar. Ganz klar legt der BA71 hier eine vorbildliche Leistung in Puncto Räumlichkeit aufs Parkett. Die Drums erklingen wunderbar emanzipiert. An dieser Stelle wird es paradox: Der Lofi-sound, der Gitarre und Schlagzeug aufproduziert wurde, klingt wunderbar authentisch, der Rauschanteil lässt die Aufnahme rau und erdig wirken. Die Stimme Sängerin Beth Gibbons klingt vereinnahmend rauchig, der leichte Vibrato klingt genuin schwermütig. Der BA71 macht einfach Freude. Es ist weniger das Hören der Musik, als das Erkunden akustischer Tiefen in Stücken, die man schon lange zu kennen glaubt, was den BA71 zu einem wahren Erlebnis macht. Auch bei „White Pulse“von John Carpenter ist es wieder mehr ein „Sehen mit dem Ohr“als alles andere. Das hohe Arpeggio vom E-piano ist sehr weit vorne oben platziert, die Streicher hingegen weiter mittig dahinter. Bei dieser sehr klangmächtigen Komposition dominieren die Mitten zwar etwas, aber das tut dem gesamten Hörerlebnis partout keinen Abbruch. Es ist einer dieser Tests, die man nicht beenden möchte.
FAZIT
Mit dem Standlautsprecher BA71 ist Burmester mal wieder ein wahres Meisterwerks gelungen – soviel ist sicher. Die akribische Verarbeitung der einzelnen Komponenten und die geduldige Abstimmung der Treiber spiegelt sich sehr deutlich im Klangbild wieder. Was die räumliche Performance des Lautsprechers angeht, so wird es kommenden Produkten schwer fallen, ihm das Wasser zu reichen. Nun ist der Standlautsprecher mit seinen 16 000 Euro Stückpreis wahrlich kein Schnäppchen, soviel ist klar. Aber für einen wahren Hifi-liebhaber stellt er eine absolut langlebige Investition dar, die wohl auch den Kindeskindern noch sehr große Freude bereiten können wird.
BESONDERHEITEN
• sehr penible Auswahl der Treiber • Ambience-hochtöner an der Rückseite • Tiefmitteltöner in eigenen Gehäusen im Gehäuse