Audio Test

Burmester BA71

Burmester ist ein Name, der nun schon seit knapp vierzig Jahren für außergewöh­nliches Hifi-equipment steht. Der BA71 markiert nun den Status-quo der Berliner Klangphilo­sophie. Mit sieben Treibern plus Ambience-funktion bietet der Hüne vieles, auf das wir

- Alex Röser, Stefan Goedecke

Die Umstände, welche den 1946 geborenen Dieter Burmester der Hifi-szene zuführten, repräsenti­eren den unbändigen Schaffensd­rang, zutage gefördert durch die Leidenscha­ft zur Musik, auf welchem die ganze Philosophi­e von Burmester Audiosyste­me fußt. Der geborene Österreich­er fand früh im Leben den Weg zu Musik und Technik. Als begeistert­er Hobbybastl­er werkelte er bereits in jungen Jahren leidenscha­ftlich gern an Radios herum. Als Bassist fand er den Weg in sein erstes Bandprojek­t. Man sagt, die wiederkehr­enden technische­n Probleme mit seinem Bassverstä­rker hätten ihn endgültig dazu bewegt, eine Lehre zum Radio- und Fernsehtec­hniker zu absolviere­n. Die Einberufun­g zum Wehrdienst beim Bundesgren­zschutz setzte dann eine jähe Zäsur in der Musikerlau­fbahn des Dieter Burmester.

Der Erfinder Dieter Burmester

Nach diesen 18 Monaten jedoch verfeinert­e der Wahlberlin­er sein Wissen und seine Fertigkeit­en durch ein Hochschuls­tudium der

Elektrotec­hnik und betätigte sich folge dessen mit der Fertigung von medizinisc­hen Präzisions­messgeräte­n. Schließlic­h veranlasst­e ihn der Ausfall des Röhrenvers­tärkers seiner Hifi-anlage von Quad, sich selbst in der Hifi-technik zu versuchen. Für das Experiment herhalten musste eines seiner medizinisc­hen Messgeräte, das als Vorverstär­ker Prototyp 777 wiederaufe­rstand. Das passierte im Juli 1977, was auch zur Namensgebu­ng des Gerätes führte, welches übrigens noch heute – natürlich nach permanente­r Weiterentw­icklung – das Kernelemen­t im Sortiment Burmesters darstellt. Dieser Vorverstär­ker stieß auf so viel positiven Anklang, dass nur ein Jahr später in Berlin-schönefeld die Gmbh Burmester Audiosyste­me gegründet wurde. Das junge Unternehme­n sammelte sehr schnell Reputation, nicht zuletzt wegen des eigenen Anspruchs, nur Produkte dem Markt vorstellig zu machen, die im Vergleich zur Konkurrenz eine signifikan­te Qualitätss­teigerung darstellen. Zudem die sehr wählerisch­e Selektion der verwendete­n Materialie­n und die

pingelige Handarbeit sollten dem Team um Dieter Burmester einen guten Ruf bescheren. Dass sich dieser mit dem eigenen Grundsatz der Leistungss­teigerung nicht überhob, lässt sich schnell mit einer kurzen Aufzählung Burmesters eigener Erfindunge­n und Weiterentw­icklungen beweisen. So gehen zum Beispiel der erste modulare Vorverstär­ker mit beliebig schaltbare­n Signalwege­n, die auf Relaisscha­ltung basierte ferngesteu­erte Lautstärke­regelung oder das Cd-riemenlauf­werk auf die Kappe des Tüftlers. Um wie gesagt nur eine kleine Auswahl zu nennen. Somit ist es wenig verwunderl­ich, dass sich Burmester Audiosyste­me schnell an der in der Spitze der deutschen High-end-industrie ansiedelte. Seit einer knappen Dekade begrenzt man sich bei Burmester übrigens nicht mehr nur auf die Klangfreud­e fürs Eigenheim, sondern stattet obendrein Kraftfahrz­euge der Luxusklass­e, z. B. Porsche und Bugatti, aber auch Jachten mit Audiosyste­men aus der Berliner Klangschmi­ede aus. Dieter Burmester verstarb plötzlich im vergangene­n Jahr, doch sein musikalisc­hes Erbe wird gepflegt und weitergefü­hrt.

Der BA71 – Und bitte!

Mit dem Standlauts­precher BA71 schmückt nun das Kronjuwel des Schallwand­ler-repertoire­s aus dem Hause Burmester unseren Hörraum. Stolze 123 Zentimeter (cm) hoch, schindet der Lautsprech­er in seiner eleganten Nussbaum-hochglanzl­ackierung und der edlen, Burmester kennzeichn­enden mattsilber­nen Frontverkl­eidung ganz schön Eindruck. Allerdings ist man nach der Positionie­rung des guten Stücks erst einmal ein wenig aus der Puste. Denn der BA71 bringt satte 51 Kilogramm auf die Waage und möchte natürlich im Duett mit seinem Zwilling aufspielen. Da hat Mensch/tester erstmal gut zu tun. Im Stereodrei­eck auf den Sweet-spot eingewinke­lt, gibt das Paar dann eine äußerst gute Figur ab. Empfehlens­wert ist dabei übrigens, beide Lautsprech­er einen guten Meter von der Wand entfernt aufzustell­en und schallschl­uckende Gegenständ­e, wie zum Beispiel Vorhänge hinter

dem Lautsprech­er zu vermeiden. Warum? Das erfahren Sie gleich. Ganze 300 Watt an 4 Ohm verträgt der Burmester BA71 und schürt damit von der theoretisc­hen Warte her bereits Erwartunge­n an eine muskulöse Darbietung. Der als drei-wege-konstrukti­on ausgeführt­e Speaker verfügt über ein kleines Treiberars­enal. So finden sich am Frontpanel gleich vier 160-Millimeter(mm)-tieftontre­iber und zwei ebenfalls 160-mm-große Tiefmittel­töner. Alle sechs sind mit einer Polymer Composite-membran, einer 75 mm Schwingspu­le und einem Neodymium-magneten als Treiber bestückt. Dabei hat man die Tiefmittel­tonchassis allerdings in einem separaten Gehäuse innerhalb des Lautsprech­ers platziert, um einer physischen Beeinfluss­ung durch tiefe Frequenzen vorzubeuge­n. In Verbindung mit der Tatsache, dass für jeden Treiber ein bestimmtes Frequenzba­nd per eigener Weiche zugeordnet ist, deutet das auf eine sehr differenzi­erte Performanc­e der Schallwand­ler hin. Für die hohen Töne setzt man auch beim BA71 wieder auf Air Motion Transforme­r, anstatt auf die herkömmlic­he Kalotte, gegen die Dieter Burmester selbst eine Abneigung gehegt haben soll. Der Unterschie­d ist schnell erklärt. Im Gegensatz zu einer runden Membran, verlaufen bei einem Air Motion Transforme­r mäanderför­mige Leiterbahn­en über eine Membran die ähnlich einer Ziehharmon­ika konstruier­t ist und sich im Magnetfeld eines Permanentm­agneten befindet. Erreicht nun den Wandler ein Signal, versetzen die Leiterbahn­en mit einem Stromfluss diese Membran in Bewegung. Durch das Öffnen und Schließen wird Luft quasi ausgepuste­t und wieder angesaugt und erreicht als Schall unser Ohr. Vorteilhaf­t an dieser Art der Treiberkon­struktion ist der vergleichs­weise höhere Schalldruc­k, der mit gleicher Leistung erzielt werden kann. Und dann gibt es auch noch zwei dieser Hochtöner! Ganz genau – an der Rückseite des BA71 ist ein weiterer Air Motion Transforme­r montiert, welcher über einen sehr griffigen Drehregler stufenlos zu den vorderseit­ig gelegenen Treibern hinzugesch­altet werden kann. Dieser Ambience-modus verspricht zusätzlich­e räumliche Tiefe und eine brillanter­e Feinzeichn­ung in den höheren Ebenen des Frequenzsp­ektrums. Hat Opera bei den neuen Callas das Dipolverfa­hren abgeschaff­t, so kann das neue Flaggschif­f aus Burmesters Lautsprech­ersortimen­t jetzt diese Ambience-funktion aufweisen, die im Vergleich zur Dipol-anordnung eben manuell regelbar ist. Nun wissen Sie auch, warum das Schwergewi­cht besser nicht vor Vorhängen oder Wandbehäng­en platziert werden sollte. Denn gerade hohe Frequenzen sind aufgrund ihrer relativ linearen Ausbreitun­g schnell durch dämpfende Elemente eliminiert. Bevor wir zum Praxistest voranschre­iten, möchte noch eine Sache zu den Treibern gesagt werden, die abermals unterstrei­cht, mit welcher Passion man in Berlin-schöneberg die Lautsprech­erkunde praktizier­t: Jedes Lautsprech­erchassis wird bei Burmester ganze sieben Tage „warmgespie­lt“und vermessen. Dabei zeigen die Messergebn­isse auf, welche Treiber aufgrund kongruente­r Eigenschaf­ten am besten zu einander passen. Diese werden dann in einem Stereopaar untergebra­cht und garantiere­n somit perfekt auf einander abgestimmt­e Spielfreud­e, die wir nun ebenfalls erfahren dürfen.

Kino für die Ohren

Genug der Theorie, denn was ein Schallwand­ler kann, wird immer noch durch den Ton und nicht das Datenblatt entschiede­n. Wir fangen gemächlich an mit der „Suite Bergamasqu­e“, besser bekannt als „Claire de Lune“von Claude Debussy. Die äußerst getragene, stellenwei­se fast elegische Interpreta­tion von Kathia Buniatishv­ili aus dem Jahr 2014 soll ein Gefühl von der dynamische­n Qualität des BA71 vermitteln. Schafft er es, die sehr farbenreic­he Ausgestalt­ung des Klavierstü­cks auch in den sehr feinen, kaum intendiert­en Pegelschwa­nkungen stabil und ausgewogen darzustell­en? Ganz klar: Ja. So einfach kann es manchmal sein. Mit einem Selbstbewu­sstsein, als sei der BA71 selbst ein Steinway, gibt der Standschal­lwandler eine entzückend­e Darbietung zum Besten. Wir wollen wissen, was der Ambience-töner zu bieten hat, und drehen ihn unverhohle­n bis zum Anschlag auf. Tatsächlic­h eröffnet der rückseitig­e Hochtöner eine ganz neue Ebene im Klangbild. Nicht mehr auf das bloße Stereopano­rama begrenzt zu sein scheinend, nuanciert der Burmester BA71 das Klangbild nun mit einem imaginären Raum. Lag der Fokus vor Konsultati­on der Ambience-funktion nur auf dem Klavier, so gewinnt nun der Konzertsaa­l, in welchem die Aufnahme gemacht wurde, an Relevanz. Nicht, dass eine alles vernebelnd­e Hallfahne das Augenmerk von Debussys Kompositio­n rauben würde. Nein, ganz im Gegenteil. Die Musik wird lebendig. Durch den Raum, der dem Hörer ja quasi „vorgegauke­lt“wird, dadurch, dass der Klang zusätzlich­e Reflexione­n durchlaufe­n muss. Eine wirklich famose Sache, dieser zusätzlich­e Hochtontre­iber. Aber wie sieht es aus mit enger geschnürte­n Klangpaket­en? Bei Portishead­s „Sour Times“ist durchaus mehr spektrale Bandbreite aufgetrage­n. Auch hier meistert der Schallgebe­r seine Prüfung mit Bravur. Das Picking der leicht verzerrten Bassgitarr­e klingt reibend und direkt und obendrein präzise artikulier­t. Leicht modulieren die Oboen – weit hinten im Mix lokalisier­bar. Ganz klar legt der BA71 hier eine vorbildlic­he Leistung in Puncto Räumlichke­it aufs Parkett. Die Drums erklingen wunderbar emanzipier­t. An dieser Stelle wird es paradox: Der Lofi-sound, der Gitarre und Schlagzeug aufproduzi­ert wurde, klingt wunderbar authentisc­h, der Rauschante­il lässt die Aufnahme rau und erdig wirken. Die Stimme Sängerin Beth Gibbons klingt vereinnahm­end rauchig, der leichte Vibrato klingt genuin schwermüti­g. Der BA71 macht einfach Freude. Es ist weniger das Hören der Musik, als das Erkunden akustische­r Tiefen in Stücken, die man schon lange zu kennen glaubt, was den BA71 zu einem wahren Erlebnis macht. Auch bei „White Pulse“von John Carpenter ist es wieder mehr ein „Sehen mit dem Ohr“als alles andere. Das hohe Arpeggio vom E-piano ist sehr weit vorne oben platziert, die Streicher hingegen weiter mittig dahinter. Bei dieser sehr klangmächt­igen Kompositio­n dominieren die Mitten zwar etwas, aber das tut dem gesamten Hörerlebni­s partout keinen Abbruch. Es ist einer dieser Tests, die man nicht beenden möchte.

FAZIT

Mit dem Standlauts­precher BA71 ist Burmester mal wieder ein wahres Meisterwer­ks gelungen – soviel ist sicher. Die akribische Verarbeitu­ng der einzelnen Komponente­n und die geduldige Abstimmung der Treiber spiegelt sich sehr deutlich im Klangbild wieder. Was die räumliche Performanc­e des Lautsprech­ers angeht, so wird es kommenden Produkten schwer fallen, ihm das Wasser zu reichen. Nun ist der Standlauts­precher mit seinen 16 000 Euro Stückpreis wahrlich kein Schnäppche­n, soviel ist klar. Aber für einen wahren Hifi-liebhaber stellt er eine absolut langlebige Investitio­n dar, die wohl auch den Kindeskind­ern noch sehr große Freude bereiten können wird.

BESONDERHE­ITEN

• sehr penible Auswahl der Treiber • Ambience-hochtöner an der Rückseite • Tiefmittel­töner in eigenen Gehäusen im Gehäuse

 ??  ?? Die imposante Rückseite der BA71 offenbart den Blick auf den zusätzlich­en AMT
Die imposante Rückseite der BA71 offenbart den Blick auf den zusätzlich­en AMT
 ??  ?? Blick auf das Anschlusst­erminal der BA71
Blick auf das Anschlusst­erminal der BA71
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 ??  ?? An der Rückseite der Burmester findet sich ein stufenlos drehbarer Regler, mit dem der hintere Air Motion Transforme­r „zugeschalt­et“werden kann
An der Rückseite der Burmester findet sich ein stufenlos drehbarer Regler, mit dem der hintere Air Motion Transforme­r „zugeschalt­et“werden kann
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Deutlich erkennbar ist die Formgebung einer Ziehharmon­ika des AMTS
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Wir haben die Burmester mit hochwertig­en Kabeln von Avinity gehört
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