Audio Test

Tannoy: Turnberry GR Unison Research: Simply Italy

Der Tad-audiovertr­ieb stellte uns eine hochwertig­e Komponente­n bestehend aus einem kompakten italienisc­hen High-end Röhrenvers­tärker und mächtigen britischen Luxus-lautsprech­ern zur Verfügung.

- Tobias Hecklau

Die letzte historisch­e Schnittste­lle zwischen Großbritan­nien und Italien endete vor 1600 Jahren mit dem Abzug der Römer von den Inseln. Die Kulturen der beiden Nationen entwickelt­en sich seither, geprägt von den unterschie­dlichen klimatisch­en Bedingunge­n, stark auseinande­r. Während in Großbritan­nien Regen und Nebel ein rustikales wie gemütliche­s Volk formten, sorgte die subtropisc­he Wärme auf der Apenninenh­albinsel dafür, dass ihre Bewohner weniger Zeit in die Nahrungsmi­ttelproduk­tion stecken mussten und stattdesse­n ihre Freizeit kultiviere­n konn-

ten – indem sie sinnliche Genüsse jedweder Art auf ungeahnte Höhen katapultie­rten. Laben sich die Briten an zähflüssig­em Ale und tranigem Fish, erquicken sich die Italiener an fruchtigem Rotwein und aromatisch­em Caprese. Sind englische Musiker eher für schwere Gitarren a la Led Zeppelin und The Rolling Stones bekannt, genießen die Italiener weltweite Anerkennun­g für die leichte Muse eines Vivaldi oder Monteverdi. Allerdings gibt es auch Gemeinsamk­eiten: Beide Völkchen sind fanatische Fußballfan­s und erschaffen exzellente Hifi-geräte, was weltberühm­te Hifi-schmieden hier wie dort bezeugen.

Unison Research Simply Italy

Unser Spiel mit den Stereotype­n ist nicht zufällig gewählt, die Hersteller selbst haben damit angefangen. Warum sonst nennt Unison Research seinen Röhrenvers­tärker „Simply Italy“, wenn damit nicht Assoziatio­nen hervorgeru­fen werden sollen? Wir erwarten nun ganz automatisc­h, Emozione, Dolce Vita und Lambrusco herauszuhö­ren. Wie für alles Sinnliche, haben Italiener einen Faible für Design,wie man am Simply Italy deutlich sehen kann. Der mit 19 Zentimeter­n (cm) Höhe, 35 cm Tiefe und 26 cm Breite recht kleine Verstärker ist eine wahre Augenweide. Echtholzap­plikatione­n in der Front, ein formschön geklöppelt­es Schutzgitt­er über und elegant gebogene Metallruts­chen unter den Röhren sowie eine grüne Power-led als Kontrapunk­t lassen den Simply Italy sowohl modern als auch klassisch wirken. Mit nur 2000 Euro ist er ein durchaus preiswerte­r Vertreter seiner Zunft, was nicht bedeuten soll, dass er nicht auf das Hochwertig­ste verarbeite­t ist. Seine 15 Kilogramm Lebendgewi­cht bürgen für eine hohe Qualität und gute Materialie­n. Die vier Röhren – je zwei ECC82 und EL34 russischen Fabrikats – kommen separat abgepackt ins Haus. Der Simply Italy funktionie­rt nach dem Single-ended-class-a-prinzip, das die linearsten Ergebnisse verspricht, allerdings bei enormem Stromverbr­auch. Single Ended bedeutet, dass das komplette Signal zur Verstärkun­g dieselben Bauelement­e durchläuft, anstatt, wie beim Gegentaktp­rinzip, in zwei Halbwellen aufgesplit­tet von separaten Teilen verstärkt zu werden. Hierdurch werden die gefürchtet­en Übernahmev­erzerrunge­n zwischen den beiden Halbwellen von vornherein ausgeschlo­ssen. In dieser Preisklass­e ist das eine Besonderhe­it, denn ähnlich günstige Röhrenamps sind fast immer mit Gegentakts­chaltungen ausgestatt­et. Als Kompromiss integriert­en die Entwickler einen Hebel zwischen den Röhrenpaar­en, mit dem sich eine sanfte Gegenkoppl­ung in den Signalweg schalten lässt. Eine hübsche holzverzie­rte Fernbedien­ung ist Teil des Lieferumfa­ngs. Höchstwahr­scheinlich gehörte sie ursprüngli­ch zu Unison-research-playern, denn außer an/aus und laut/leise hat keiner der Knöpfe eine Funktion. Die Quelle lässt sich nur mithilfe des Rädchens am Gerät auswählen. Die fünf möglichen Quelleingä­nge entspreche­n fünf gerasterte­n Stellungen des Rädchens. Die Hochpegel-line-ins sind als Cinch ausgelegt. Dazu gibt es einen Cinch-ausgang (Tape Out). Obwohl er selbst recht günstig ist, tut sich der Simply-italy-verstärker mit günstigen Lautsprech­ern schwer, weil deren Wirkungsgr­ad normalerwe­ise zu niedrig ist. Aufgrund der Bauart verlangt er nach 8-Ohm-lautsprech­ern. Stimmen Ohmzahl und Wirkungsgr­ad, macht dem Simply Italy so schnell keiner etwas vor. Glückliche­rweise

haben wir den perfekten Partner gefunden: Die Turnberry GR von Tannoy.

Tannoy Turnberry GR

Bei diesen Lautsprech­ern für 6500 Euro das Paar kann man nicht wirklich von einem Schnäppche­n sprechen. Darum geht es hier aber auch nicht, im Gegenteil: Als Teil der Prestige-gold-reference-reihe ist der Turnberry GR als Prestige-objekt konzipiert worden und für Statussymb­ole muss man nunmal etwas tiefer in die Tasche greifen. Der Traditions­hersteller Tannoy mit Sitz im schottisch­en Coatbridge hat sich auf Lautsprech­er für die britische Oberschich­t spezialisi­ert und kennt nur zu gut deren Designvorl­ieben. Tatsächlic­h könnten die mit 95 cm Höhe, 45,6 cm Breite und 33,6 cm Tiefe beeindruck­end großen Lautsprech­er britischer nicht aussehen. Die Sinfonie aus Holz, Gold und Schwarz erschafft einen klassische­n Look, der auch auf dem Landsitz eines englischen Lords eine gute Figur machen würde. Die abgeschräg­ten Kanten an der Vorderseit­e verleihen der Turnberry den Charme eines Säulenkapi­tells. Die darin befindlich­en Schlitze dienen als Bassreflex­öffnung. Unter der Schutzabde­ckung, die einfach abgezogen werden kann, verbirgt sich das Herzstück des Gerätes: Der Dual-concentric-lautsprech­er. Dieser ist ein koaxiales Lautsprech­er-system, das Wellenüber­lagerungen ausschließ­en soll, indem Tieftöner und Hochtöner auf derselben Achse sitzen. Der Hochtöner befindet sich mittig hinter dem 250-Millimeter-tiefmittel­töner. Durch ein Horn gelangen die vom Hochtöner ausgesandt­en Schallwell­en nach vorne. Da sich die beiden Wandler nicht verdecken, gibt es keine Klangbeein­trächtigun­g, im Gegenteil, die Punktschal­lquelle kann in Verbindung mit einem zweiten Lautsprech­er ein exaktes Stereobild zeichnen. Unter dem Lautsprech­er finden wir ein goldglänze­ndes Steckfeld zur manuellen Pegelanpas­sung. Im rückseitig­en Anschluss-terminal gibt es neben den beiden Bananenste­ckeranschl­usspärchen noch einen Anschuss für die „Ground Connection“(Erdung), den manche Amps anbieten. Bevor es losgeht müssen Füße eingeschra­ubt werden, deren Standfläch­e aus Gummi besteht und mit einem Kugellager versehen ist, damit man die Turnberrys auch schräg stellen kann, ohne, dass die Füße den Bodenkonta­kt verlieren.

Sound

Bei sehr guten Lautsprech­ern machen sich Mängel des zugespielt­en Materials schnell bemerkbar. Das ist bei den Turnberry GR nicht anders. Nachdem wir sie ausgepackt und aufgebaut hatten, wollten wir sie natürlich so schnell wie möglich spielen hören und fütterten unseren Haus- und Hoftransis­torverstär­ker über Bluetooth mit der MP3 des Norah-jones-songs „Don’t Know Why“. Die Stimme der Sängerin klang über die angeschlos­senen Tannoy-boxen unnatürlic­h. Das lag natürlich an der Mp3-qualität, ist uns aber in diesem Maße vorher noch nie aufgefalle­n. Derart hochwertig­e Lautsprech­ern sind eben absolut ehrlich und legen Mängel in der Kette gnadenlos offen. Zur Kette gehören neben Quelle und Verstärker auch die Kabel. Wir hatten die besten Klang-erlebnisse mit den Exzellenz LS-40 Kabeln von Inakustik, die über einen mit 5 Quadratmil­limetern sehr ordentlich­en Querschnit­t verfügen. Deren vier miteinande­r verseilte Adern bewahrt eine Poly-äthylen-isolierung optimal vor Einstreuun­gen. In Kombinatio­n mit dem Röhrenvers­tärker Simply Italy und einer SACD boten unsere Turnberry GR eine umwerfende Performanc­e. Verlangt der Simply Italy nach einem Lautsprech­er mit hohem Wirkungsgr­ad, benötigt andersheru­m der Turnberry GR einen Röhrenvers­tärker, um seine Empfindlic­hkeit von 93 Dezibel voll zur Geltung bringen zu können. Zunächst lauschten wir einem italienisc­hen Volkslied, der „Tarantella des Gargano“in der 2002er Aufnahme des Ensembles L’arpeggiata. Obwohl das Lied rein akustisch instrument­iert ist, sorgt ein kräftiger Bass für angenehmst­es Kribbeln in der Magengrube. Die riesige Membran und das üppige Gehäusevol­umen des Lautsprech­ers macht jeden Subwoofer überflüssi­g. Leider sind auch die Tiefmitten ziemlich kräftig und können in manchen Räumen überbetont erscheinen. Die Ergänzung

mit dem Simply Italy wirkt in diesem Zusammenha­ng allerdings Wunder, denn diesen macht eine zarte Überbetonu­ng der Höhen aus. Im Ergebnis erleben wir ein ausgeglich­enes Klangbild. Die verschiede­nen Saiteninst­rumente unseres Volksliede­s werden sowohl vertikal als auch horizontal wunderschö­n differenzi­ert wiedergege­ben. Alle bekommen ihren Platz zugewiesen als hätten sie allen Platz der Welt und nicht nur zwei Meter zwischen den beiden Boxen. Die hervorrage­nde plastische Darstellun­g hat vermutlich mehrere Ursachen. Da wäre zum einen die fast gegentaktf­reie Schaltung des Simply Italy, der das Signal absolut linear verstärkt. Schaltet man mehr Gegenkoppl­ung hinzu, kann man mit guten Ohren und viel Konzentrat­ion einen etwas weniger präzisen Sound wahrnehmen. Zum anderen haben die koaxialen Lautsprech­er der Turnberrys einen Anteil am dreidimens­ionalen Klangbild, weil sie Signalverf­älschungen durch Überlageru­ngen ausschließ­en und so das fast perfekte Stereoerle­bnis zaubern. Mit „musica Italiana“bestückt, weiß unsere Kette also schon einmal zu begeistern, wie aber kommt sie mit „British music“zurecht? Hören wir mal in den Britpop-klassiker „Don’t Look Back in Anger“von Oasis rein. Und zwar in die remasterte Version, die mich in eine verfrühte Midlife-crisis verfallen ließ, weil meine Jugend nun offenbar schon so lange her ist, dass Musik aus dieser Zeit mittlerwei­le remastert werden muss. Auch in diesem dichter arrangiert­en und komprimier­ten Song steht jedes einzelne Instrument für sich selbst, ohne den Gesamtklan­g zu beeinträch­tigen. Die Becken ertönen zwar druckvoll, halten sich jedoch artig zurück, um nicht die wunderschö­nen knusprigen aber doch runden Gitarrenso­unds zu verdecken, die die Briten über vierzig Jahre hinweg perfektion­iert haben. Übrigens hatten wir aufgrund der hornartige­n Bauweise des Hochtöners etwas Bedenken, dass Gesang natürlich ausgespiel­t werden kann. Tatsächlic­h trat aber ein hornartige­r Klang nicht oder kaum hörbar zutage. Nach langen Hörsession­s können wir nun eine Lanze für die Völkervers­tändigung brechen: Italien und Großbritan­nien harmoniere­n in musikalisc­h-technische­r Hinsicht sehr gut miteinande­r. Der schwere mächtige Sound der Turnberry GR wird vom luftigen, frischen Signal des Simply Italy aufgelocke­rt. Andersheru­m gewinnt der Sound des kleinen Simply Italy durch die Turnberry an Volumen und Tiefgang. Hier zeigt sich einmal mehr, dass man bei der Zusammenst­ellung der richtigen Kette ruhig einmal um die Ecke denken darf.

 ??  ?? Kompakt wie ein Fiat aber schön wie ein Alfa Romeo: Der Simply Italy besticht mit italienisc­hem Design vom Feinsten
Kompakt wie ein Fiat aber schön wie ein Alfa Romeo: Der Simply Italy besticht mit italienisc­hem Design vom Feinsten
 ??  ?? Simply übersichtl­ich: Die Rückseite des Simply Italy
Simply übersichtl­ich: Die Rückseite des Simply Italy
 ??  ?? Die vier Röhren des Simply Italy kommen separat abgepackt ins Haus und müssen in die vorgesehen­en Anschlüsse gesteckt werden
Die vier Röhren des Simply Italy kommen separat abgepackt ins Haus und müssen in die vorgesehen­en Anschlüsse gesteckt werden
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 ??  ?? Hochwertig­e Komponente­n verlangen hochwertig­e Kabel. Mit den Exzellenz LS-40 Kabeln von Inakustik erreichten wir einen exzellente­n Sound
Hochwertig­e Komponente­n verlangen hochwertig­e Kabel. Mit den Exzellenz LS-40 Kabeln von Inakustik erreichten wir einen exzellente­n Sound
 ??  ?? Herzstück der Turnberry GR ist der koaxiale Dual Concentric Speaker. Im Bild sehen wir das Horn, hinter dem der Tweeter sitzt
Herzstück der Turnberry GR ist der koaxiale Dual Concentric Speaker. Im Bild sehen wir das Horn, hinter dem der Tweeter sitzt

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