Audio Test

Canton Reference 9 K

Wenn ein Hersteller seine Lautsprech­er-serie als „Reference“betitelt, kann man das getrost als mutig bezeichnen. Denn dieser Zusatz weckt ganz einfach hohe Erwartunge­n, so auch bei den Reference 9K von Canton.

- Erik Schober

Wer schon einmal auf der Suche nach einem anständige­n Paar Lautsprech­er war, ist dabei mindestens einmal auf die im schönen Taunus ansässige Traditions­marke Canton gestoßen. Sie wurde 1972 gegründet und hat sich im Laufe der Jahre zur größten deutschen Hifi-lautsprech­ermanufakt­ur entwickelt. Angefangen hat alles in einem Schulgebäu­de in Weilrod, das zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr genutzt wurde. Alle weiteren Gebäude der Hauptniede­rlassung wurden in den vergangene­n Jahren darum gebaut und das Firmengelä­nde damit ständig erweitert. Genauso wurde das Portfolio der Marke ständig vergrößert und verbessert. So gibt es mit der Reference-serie eine Reihe von Lautsprech­ern im oberen Preissegme­nt, wo bei anderen Hersteller­n gerad mal die kleinsten Modelle anfangen. Verstecken braucht sich Canton dabei nicht – im Gegenteil. Chefentwic­kler Frank Göbl ist schon seit 23 Jahren im Unternehme­n, entwirft mit seinem Team die Klanggeber und prägt dadurch seit einer halben Ewigkeit den typischen Canton-klang. Frank Göbl ließ es sich nicht nehmen, den High-end-kompaktlau­tsprecher 9 K persönlich bei uns im Verlag vorbeizubr­ingen. Der 2-Wege-schallgebe­r mit Bassreflex­system wurde bei uns im Hörraum aufgebaut und tagelang auf Herz und Nieren geprüft. Von leisen Tönen bis hin zu gewaltigen Orchesterw­erken. Oft vergaßen wir dabei, dass es auch noch andere Aufgaben für uns gab, als sich nur dem Vergnügen hinzugeben, diesen kraftvolle­n Lautsprech­ern zu lauschen. Gelohnt hat sich da-

bei die Arbeit des Entwickler­teams allemal. Besonders wenn man den Preis bedenkt, für die die Reference 9 K zu haben sind. Gerade mal 2 600 Euro kostet das grandiose Paar in der Grundausst­attung. Möchte man diese nicht in Weißoder Schwarz-lack sein Eigen nennen, sondern ein Kirsch-funier haben, muss man nochmal etwas tiefer in die Tasche greifen. Die optionalen Ständer LS 650 schlagen mit etwa 500 Euro zusätzlich zu Buche. Jedoch erhält man ein Traumpaar für relativ wenig Geld.

Perfektion

Das Gehäuse der Reference 9K besteht aus einem 50 Millimeter massiven Schichthol­zlaminat, das unter Einwirkung von Wärme und Druck in Form gebracht wird. Das Äußere und die Innenverst­rebungen wurden mit Hilfe von computerge­steuerten Berechnung­en optimiert, so dass möglichst viele klangverfä­lschende Resonanzen reduziert werden konnten. Das Innenvolum­en ist gewachsen und schafft genügend Raum für einen großen, energiegel­adenen Klang. Im Gegensatz zu den anderen Modellen der Serie arbeiten im kompakten Schallgebe­r zwei Treiber. Die größeren funktionie­ren nach dem 3-Wege-prinzip. Die verbaute Frequenzwe­iche trennt Hoch- und Tieftonber­eich symmetrisc­h mit je 24 Dezibel ab. Mit Hilfe des Bi-wiring-terminals auf der Rückseite, dessen Klemmen und massive Brücken mit Gold überzogen sind, kann man beide Treiber auch einzeln ansteuern. Das Hochtonsys­tem besteht aus einer Aluminium-keramik-oxyd-kalotte, die einen üblichen Durchmesse­r von 25 Millimeter besitzt und schwingung­sgedämpft ist. Das Rundstrahl­verhalten des Hochtöners wird durch eine Schallführ­ung verstärkt, die in den Treiber integriert wurde. Die computerbe­rechnete „Transmissi­on Front Plate“optimiert den Übergangsb­ereich zum Tiefmittel­töner und ermöglicht einen weicheren Übergang und dadurch einen besseren Gesamtfreq­uenzgang. Die Membranen haben dabei noch eine besondere Kur hinter sich: Rund 40 Minuten verbringen sie in einem Elektrolys­e-bad, um eine stärkere Festigkeit zu erhalten. Dort oxydiert die Oberfläche auf beiden Seiten und bekommt Schwingung­seigenscha­ften, die Chefentwic­kler Frank Göbl hervorrage­nd umzusetzen weiß. Um den Effekt zu verstärken, wird dem Säurebad noch Wolfram beigemisch­t. Dadurch erhält die Membran auch ihre beige Farbgebung und ein optimales Verhältnis von Steifigkei­t zu Gewicht und Dämpfung. Frank Göbl erwähnte beim Vorort-besuch, dass die eingesetzt­e Alu-keramik-wolfram-membran bis 13 000 Hertz eingesetzt werden könnte und erst bei 8 Kilohertz (khz) aufbricht und Fehlschwin­gungen Raum gibt. Der Tief/mitteltöne­r übergibt jedoch bereits bei 3 khz an den Hochtöner, so dass die Membran ausreichen­d Reserven bietet, ein umfassende­s, störungsfr­eies Klangbild aufzufäche­rn – ähnlich einem gut motorisier­ten Auto, dass bei der Beschleuni­gung nicht an seine Grenzen gebracht wird, da der Hubraum einfach die Kraft und das Volumen für die auf dem Papier vorhandene­n Werte auch hergibt. Die präzise und punktgenau­e Basswieder­gabe wird durch die hauseigene Dc-technologi­e (Displaceme­nt Control) verstärkt. Diese verhindert, dass nichthörba­re Frequenzen die Bassmembra­n unkontroll­iert auslenken. Eine weitere Entwicklun­g von Canton fand beim Mittel-/tieftöner Anwendung statt: die „Wave-sicke“. Das Besondere dabei ist, dass die Sicke mehrfach gewölbt wurde. Dies führt zu weniger Resonanzen, weniger Schwingung­en und einem größeren Hub. So kann man die Klanggeber lauter aufspielen lassen und es kommt zu weniger Klangverfä­lschungen.

Cantare = Singen

Der Firmenname verspricht viel: Canton besteht nämlich aus dem lateinisch­en Wort „cantare“– also singen – und dem deutschen Wort „Ton“. Und genau dass, können wir der Reference-serie testieren. Im Sommer durften wir schon mal die großen Standlauts­precher 1 K (11 000 Euro pro Stück) hören. Was da an Perfektion, Kraft und Dynamik an unser Ohr klang war unbeschrei­blich. Das gleiche Er-

lebnis schaffen die Reference 9 K. Eine enorme Musikalitä­t wird uns da entgegen gebracht. Selbst als wir die Lautstärke voll aufdrehen und den Hörraum fast erschütter­n lassen, war von Verzerrung­en nichts zu hören. Das ist pure Freude an der Musik. Bassreflex­boxen haben normalerwe­ise im Gegensatz zu geschlosse­nen Modellen einen Nachteil: Sie spielen nicht so knackig. Das Klangbild wirkt eher etwas verwaschen. Nicht so die 9 K. Es ist kaum zu glauben, was Chefentwic­kler Frank Göbl da aus den Lautsprech­ern herauskitz­elte. Das druckvolle Fundament hat eine Tiefe, die wir so nicht erwartet hatten. Noch unglaublic­her ist die Ortung. Wer schon in einem orchestral­en Konzert war, weiß wie schwierig es sein kann, ein einzelnes Instrument aus einer Gruppe herauszuhö­ren. Den Reference 9 K gelingt dies mit Leichtigke­it. Nicht nur in der Breite sondern auch in der Tiefe. Die Anordnung des Orchestera­pparates war so nah, plastisch und realistisc­h, dass wir befürchtet­en an einzelne Instrument­e anzustoßen. Dieser Effekt ist nicht nur bei einem Stück aufgetrete­n, sondern wirklich bei jedem. Ob nun bei Mozarts Requiem oder Schumanns Frühlingss­infonie genauso wie bei Albert Roussels „Bacchus et Ariane“, einer Suite für großes Orchester. Besonders bei letzterer Aufnahme schaffen die Lautsprech­er eine ungeahnte Räumlichke­it und eine perfekt gestaffelt­e Bühne. Die Wiedergabe der Einsätze der vier Trompeten ist kernig und vor Kraft strotzend. Bei den Klängen der hohen Streicher läuft uns ein wohliger Schauer über den Rücken. Als dann noch die Bassgruppe bestehend aus Celli, Kontrabäss­en und Fagotten ihre wirklich schwierige­n Läufe bewältigen, geht nicht nur unser Dank an die großartige­n Musiker des Orchestre de la Suisse Romande, sondern in besonderen Maße auch an Frank Göbl und sein Entwickler­team für die überzeugen­de Leistung bei der Reference-serie. Auch mit anderen Musikricht­ungen gehen die Testmuster bravourös um. Dieses Paar ist nicht auf eine Musikricht­ung festgelegt. Ob filigrane Jazzmusik, rockige Gitarrenso­li oder glasklare Stimmen, nichts bringt die Reference 9 K ins Wanken. Ein kleines „Manko“haben unsere Klangwunde­r im Hörraum: sie wollen gehört werden. Nichts kann man nebenbei machen. Sie ziehen jeden Zuhörer sofort in den Bann und zwingen ihn seine volle Aufmerksam­keit der Musikwiede­rgabe zu widmen – sich hinzusetze­n und der eigenen Musikauswa­hl zu lauschen. Somit tragen die Reference noch zur Entschleun­igung bei, denn sie wollen, dass wir Musik bewusst hören und uns dafür auch Zeit nehmen. Was uns ebenfalls begeistert, ist die Tatsache, dass die Kraft und Tiefe der Lautsprech­er mit einem herkömmlic­hen Standlauts­precher locker mithalten kann. Sollte man sich keine großen Standlauts­precher hinstellen können und man deren Klangbild sucht, muss man sich unbedingt einmal die Reference 9 K anhören und selbst sein Urteil fällen. Wir haben es schon: Referenzkl­asse!

 ??  ?? Der 25 Millimeter Hochtöner mit dem computerop­timiterten Schalltric­hter sorgt für eine glasklare Höhenwiede­rgabe der Reference 9 K
Der 25 Millimeter Hochtöner mit dem computerop­timiterten Schalltric­hter sorgt für eine glasklare Höhenwiede­rgabe der Reference 9 K
 ??  ?? Voller Zufriedenh­eit präsentier­t Chefentwic­kler Frank Göbl (r.) die Reference 9 K
Voller Zufriedenh­eit präsentier­t Chefentwic­kler Frank Göbl (r.) die Reference 9 K
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 ??  ?? Deutlich erkennbar ist die Wellfenfor­m der Sicke des Mittel/tieftöners
Deutlich erkennbar ist die Wellfenfor­m der Sicke des Mittel/tieftöners
 ??  ?? Das hochwertig­e Terminal mit den massiven vergoldete­n Brücken
Das hochwertig­e Terminal mit den massiven vergoldete­n Brücken

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