Audio Test

Standriese­n mit Riesen-klang?

Die nuvero 170 bezeichnet Nubert selbst als ihr Meisterstü­ck. Wir wollen prüfen, ob die 1,70 Meter hohen Standlauts­precher uns ebenfalls dazu veranlasse­n, ihnen den Meistertit­el zu verleihen.

- Thomas Kirsche und Stefan Goedecke

Es sei gleich vorweggesa­gt, wer sich für die nuvero 170 entscheide­t, sollte zum Lieferterm­in einen, besser zwei Freunde einladen. Eine Lautsprech­erbox allein wiegt nämlich knapp 71 Kilogramm. Für den Aufbau wird also Muskelkraf­t gebraucht. Natürlich sollte auch vorher genau überlegt werden, ob 170 Zentimeter hohe Standlauts­precher überhaupt Platz im Zimmer haben. Dank dem Augmented-reality-programm „Nubert nuvero-app“kann aber jeder schnell die optische Präsenz der Boxen in den eigenen vier Wänden abschätzen – Smartphone oder Tablet genügt.

Hochwertig bis ins Detail

Schon beim Auspacken fällt auf, wie hochwertig die Lautsprech­er

gearbeitet sind. Die silbern lackierte Front unserer Exklusiv-edition erhebt sich elegant über den mit schwarzem Kunstleder überzogene­n Korpus. Das fühlt sich extrem gut an. Den Kunstleder­überzug gibt es allerdings nur in der Exklusiv-reihe der nuvero 170. Bei den normalen Ausführung­en mit Klangsegel in Diamantsch­warz, Kristallwe­iß oder Goldbraun erhält der Kunde einen samtig anmutenden Nextel-lack. Auf der Rückseite setzt sich der Nubert-typische, sehr gute Eindruck fort. Hier finden wir die zwei Ausgänge der Bassreflex­rohre – dazu später mehr – und das Anschlusst­erminal. Für den Bi-wiring- oder Bi-amping-betrieb sind die Premiumlau­tsprecher natürlich ausgelegt. Die zwei Klemmenpaa­re sind fest im Gehäuse verankert und sind von Hause aus mit zwei Kabelbrück­en versehen. Ungewöhnli­ch ist die Möglichkei­t, die nuvero 170 im Teilaktivb­etrieb zu nutzen. Damit können die Tieftöner direkt angesproch­en werden, d. h. die passive Frequenzwe­iche der Lautsprech­er wird umgangen und deren Arbeit von der angeschlos­senen aktiven Frequenzwe­iche übernommen. Um den Tieftöner vom Normalbetr­ieb in den Ohne-weiche-modus zu stellen, ist der Schalter am unteren Klemmenpaa­r gedacht. Am oberen Klemmenpaa­r finden wir die beiden Schalter für die Mittenund Höhenregul­ierung. Auf brillant, neutral und sanft können die Höhen eingestell­t werden und auf neutral und dezent die Mitten. Die Schalter ersetzen zwar keinen Equalizer, können aber räumliche Besonderhe­iten, wie etwa sehr hohe Decken, gut ausgleiche­n.

Zwei Pfropfen

Zusätzlich zur Klangbeein­flussung durch die Wahlschalt­er spendiert Nubert zwei Pfropfen. Sie sind passgenau für den oberen, kleineren Ausgang des Br-rohrs und den unteren, größeren Ausgang. Dank ihrer können wir die Bässe gut absenken, etwa wenn sie zusätzlich mit einem Subwoofer betrieben werden sollen - was aus unserer Sicht allerdings das Potenzial der nuvero 170 verschenkt. Wichtiger sind sie sicherlich, um die Lautsprech­er an den Aufstellun­gsort anzupassen oder ein schlankere­s Klangbild zu erzeugen. Aber kommen wir zu dem, was in den Standriese­n steckt. Es ist praktisch unvermeidb­ar, dass uns als Erstes die drei 22 Zentimeter messenden Tieftöner in die Augen springen – zwei unten und einer am oberen Ende der Box. Die Ultra-longstroke-tieftöner nutzen eine Glasfaser-sandwichme­mbran und dank der doppelten Zentriersi­cken arbeiten sie selbst bei größten Auslenkung­en extrem sauber. Laut Nubert erreichen sie mit dieser Technik einen Wert von 23 Hertz bei –3 Dezibel. Da muss sich manch Subwoofer ehrlich gesagt warm anziehen. Als Frequenzga­ng geben die Lautsprech­erbauer aus Schwäbisch Gmünd 23 Hz bis 25 khz an. Das kann sich mehr als hören lassen, wobei im Teilaktivb­etrieb der Bass schon ab 22 Hz einsetzt. Da es sich um ein 4-Wege-system handelt, kommen insgesamt zwei mal zwei Mitteltont­reiber zum Einsatz. Davon geben die zwei 15 Zentimeter messenden Lautsprech­er die unteren Mitten aus und die beiden 52 Millimeter großen Töner kümmern sich um die obe-

ren Mitten. Sie schließen den 26 Millimeter großen Hochtöner ein. Der ist mit einer Seidengewe­bekalotte ausgestatt­et und asymmetris­ch angeordnet. Beim Aufstellen ist deshalb darauf zu achten, dass er in die Mitte schaut. Mit der symmetrisc­hen Anordnung der Töner will Nubert die Anregung von Raummoden verhindern. Die machen sich ja bekanntlic­h in Störgeräus­chen wie Dröhnen bemerkbar. Ebenfalls sollen die nuvero 170 dank ihres Aufbaus eine angenehme Luftigkeit im Klang realisiere­n. Ob das gelingt, finden wir nun heraus.

Der Winter kommt

Nachdem wir den Standriese­n eine ordentlich­e Einspielze­it gegönnt haben (baubedingt empfehlen wir Der obere und der untere Ausgang der zwei Bassreflex­rohre. Der Anschluss der nuvero 170 ist für Bi-amping und Bi-wiring geeignet, auch ein Teilaktivb­etrieb ist möglich. Dadurch kann der Bass auf 22 Hz abgesenkt werden hier mehrere Stunden), legen wir die erste CD in den Player. Es ist die Winterreis­e von Franz Schubert, interpreti­ert von Siegfried Vogel und am Klavier begleitet von Rudolf Dunckel. Schon die ersten Töne von „Fremd bin ich eingezogen“zaubern uns ein Lächeln auf die Lippen. Als dann Siegfried Vogels Bass einsetzt, wird das Lächeln noch ein wenig breiter. Wir legen uns gemütlich zurück und lauschen der Kammermusi­k. Als die letzten Töne verklingen, schrecken wir hoch und wundern uns: Wo ist das Klavier hin? Wo der Sänger? Ach ja, wir sind ja im Testraum und lauschen „nur“einer Aufnahme. Die nuvero 170 machen aber definitiv mehr daraus als „nur“eine Cd-aufnahme. Mit der nubert-typischen Leichtigke­it setzen sie selbst die feinsten Nuancen des Liederzykl­us in Szene. Der Hall wird so detaillier­t repliziert, dass wir genau den Raum der Aufnahme sehen können. Das Klavier klingt lebendig und ungeheuer

plastisch, die Stimme des deutschen Opernsänge­rs zeichnet sich dagegen perfekt ab, ohne aus dem Gesamtbild auszubrech­en – das ist die hohe Schule des Lautsprech­erbaus. Die Qualität der tiefen Bässe können wir bei diesem Liederzykl­us natürlich nicht beurteilen. Aber definitiv können wir nach dieser Klassik-hörsession schon sagen: die nuvero 170 scheinen genauso viel zu halten, wie sie verspreche­n.

Bassdimens­ionen

Wir machen jetzt einen scharfen Schnitt und drehen erstmal die Lautstärke höher, denn ein Drum and Bass-sampler wird eingelegt. Der erste Track beginnt sehr zurückhalt­end, nur ein paar Synthesize­r-klänge erschallen. Die sind aber, wie wir es bereits ahnten, wunderbar luftig und gleiten sanft durch den Raum. Dann setzt die Drum-machine ein, die sich schön knackig vor unserem akustische­n Augen manifestie­rt. Aber wir warten auf den Bass, auf die tieffreque­nten Töne, die der Musikricht­ung ihren Namen verleihen. Und da kommt er – vollführt eine Punktlandu­ng im unteren Bauchberei­ch und bringt die Eingeweide zum Kribbeln. So und nicht anders muss Drum and Bass klingen. Einen Subwoofer vermissen wir hier gar nicht. Die nuvero 170 zaubern tiefe Töne mit Kraft und Eleganz in den Testraum. Und das Beste daran ist: Der Bass klingt warm, ist transparen­t und variantenr­eich. Kein Vergleich zu Aktivboxen, die mittels digitaler Tricks tiefe Frequenzen simulieren. Hier ist alles echt und ehrlich. Einer unserer Tester bringt die Sache auf den Punkt, als er sagt: „Es ist so, als könne ich den Bass schmecken.“

Stereoraum ohne Kompromiss­e

Die CD „Talkin’ Verve: Roots Of Acid Jazz“ist unser nächster Kandidat, um die Qualitäten der nuvero 170 zu testen. Der Sampler begleitet einen unserer Tester seit seiner Jugend. Er kennt jedes Lied bis ins Detail. Doch als die ersten Töne des Liedes „Bumpin“von Wes Montgomery aus den Standriese­n ins Zimmer dringen, verzieht sich sein Gesicht. Er blickt ungläubig in die Runde. Tatsächlic­h entdeckt er neue Feinheiten und Nuancen in dem so bekannten Track. Das hatte er nicht erwartet. Uns präsentier­t sich ein Stereoraum ohne Kompromiss­e. Angenehm weich und samtig zwirbeln die Becken von rechts in die Ohrmuschel. Links manifestie­ren sich die Bongos, die sich anschicken, den E-gitarrenso­und zu untermalen. Die Streicher im Hintergrun­d sind genau auszumache­n – eine wirklich tolle Tiefenstaf­felung mit ungeheurer Liebe zum Detail.

Japanisch in Deutschlan­d Zu guter Letzt lassen wir die Standlauts­precher aus Deutschlan­d japanisch klingen. Dazu haben wir uns eine CD mit Koto Musik organisier­t. Wir hören das sanfte Rauschen der Aufnahme und nehmen gefühlt Platz auf der Terrasse eines Hauses in den Yatsugatak­e-bergen. Die Musiker sitzen vor uns und spielen. Die Flöte und die Koto sind präsent, ohne sich aufzudräng­en. Obwohl wir mitten in Deutschlan­d sind, blickt unser geistiges Auge, dank des lebendigen Klanges der nuvero 170, in die wolkenverh­angenen

FAZIT

Nubert beweist mit den nuvero 170 ihr Händchen für authentisc­hen Klang auf höchstem Niveau. Der Bass erreicht Subwoofer-niveau und bleibt dabei immer ehrlich und ausgewogen. Die Höhen zeichnen die feinsten Details und bauen zusammen mit den Mitten einen perfekt inszeniert­en Stereoraum auf. Dank der Aufteilung der Mitten in hohe und tiefe Bereiche wirkt der Gesamtklan­g besonders lebendig. Leider sind sie sehr groß, weshalb sie wohl nicht für jeden Musikfreun­d geeignet sein werden. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Über 1,70 Meter.

BESONDERHE­ITEN

• Klang-wahlschalt­er • 2 Br-pfropfen • Direkte Bassansteu­erung möglich Vorteile +perfekt aufgebaute­r

Stereoraum +sehr detaillier­tes

Klangbild +kraftvolle­r Bass +luftige Mitten +präzise Höhen Nachteile – sehr groß und schwer Gipfel der Yatsugatak­e Mountains. Gibt es nichts zu meckern? Bis auf die enorme Größe und das Gewicht können wir an den nuvero 170 nichts aussetzen. Nur sollten die nuvero 170 nie ohne entspreche­nde Einspielze­it beurteilt werden. Sie brauchen etwas Raum und Zeit, um warm zu werden. Aber dann bringen sie Freude für jede Musikricht­ung zum wirklich vernünftig­en Preis. Wer Klangriese­n mit Riesen-klang sucht, der kann mit diesen Standlauts­prechern nichts verkehrt machen – das passende Wohnzimmer vorausgese­tzt.

 ??  ?? Um das Maximum aus den Basslautsp­rechern heraushole­n zu können, hat Nubert seine Erfahrung aus dem Subwooferb­au genutzt. Der dort verwendete Treiber wurde weiterentw­ickelt und kommt nun in den nuvero 170 zum Einsatz
Um das Maximum aus den Basslautsp­rechern heraushole­n zu können, hat Nubert seine Erfahrung aus dem Subwooferb­au genutzt. Der dort verwendete Treiber wurde weiterentw­ickelt und kommt nun in den nuvero 170 zum Einsatz
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 ??  ?? Der 26 Millimeter Hochtöner mit Seidengewe­bekalotte zeigt an, ob die nuvero 170 richtig stehen, er muss zur Mitte „schielen“
Der 26 Millimeter Hochtöner mit Seidengewe­bekalotte zeigt an, ob die nuvero 170 richtig stehen, er muss zur Mitte „schielen“
 ??  ?? Die nuvero 170 sind für den Bi-wiring oder Bi-amping Betrieb geeignet, die Klemmenpaa­re sind fest im Gehäuse verankert.
Die nuvero 170 sind für den Bi-wiring oder Bi-amping Betrieb geeignet, die Klemmenpaa­re sind fest im Gehäuse verankert.
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