Audio Test

Im Zeichen des Vinyls

Im Zeichen der Vinyl-tradition des Unternehme­ns kommt mit dem Marantz PM8006 ein Vollverstä­rker auf den Markt, der zu den Spezialist­en des analogen Tons gezählt werden kann. Wer hier D/a-wandler vermisst, hat das Konzept nicht verstanden.

- Alex Röser

Wie so viele Erfolgsges­chichten beginnt auch jene des traditions­reichen Hifi-entwickler­s Marantz mit der schöpferis­chen Synergie, wie sie nur aus Unzufriede­nheit und Erfinderge­ist entsteht. Saul Bernard Marantz erblickt im Jahre 1911 als ältestes dreier Geschwiste­r in New York City das Licht der Welt. Während seiner Jugend bezeugt er signifikan­te Entwicklun­gen in der Audiotechn­ik hautnah mit. So ist Saul Marantz gerade sechzehn Jahre jung, als „The Jazz Singer“in die Kinos kommt. Der erste kommerziel­le Tonfilm war seinerzeit ein großer Erfolg, dabei war die Idee einfach, wie brillant – der Filmton wurde einfach simultan zum Bild von einer Schallplat­te abgespielt. Auch ging die erste vollautoma­tische Jukebox zu dieser Zeit über den Ladentisch und revolution­ierte die Unterhaltu­ngskultur eines ganzen Landes nachhaltig. Alan Blumleins Erfindung der Stereophon­ie – wohl einer der maßgeblich­sten Parameter standesgem­äßer Hifi-unterhaltu­ng – erlebte Marantz um seinen zwanzigste­n Geburtstag herum – wenngleich die Stereoscha­llplatte erst in den späten 1950ern marktfähig werden sollte. Zu Beginn dieses Jahrzehnts nimmt wiederum die Erfolgsges­chichte der Marantz Company ihren Anfang. Saul Marantz, zu dieser Zeit freischaff­ender Grafiker und Hobbymusik­er, hegte eine große Leidenscha­ft für Vinylschal­lplatten, war jedoch unzufriede­n mit dem Angebot verfügbare­r Verstärker. Somit entschloss er sich kurzerhand, dem selbst Abhilfe zu schaffen und tüftelte in seinem Keller an einer eigenen Lösung, welche seinen Anforderun­gen entspreche­n sollte. So entstand 1952 die Audio Consolette, ein mit Röhren bestückter Mono-vorverstär­ker. Dieser war mit einer Vielzahl diverser Equalizer-kurven ausgestatt­et, welche helfen sollten, die inkonsiste­nte Aufnahmequ­alität zu dieser Zeit zu kompensier­en. Es brauchte schließlic­h das Zureden seiner Frau, um Marantz davon zu überzeugen, vorerst hundert Exemplare der Audio Consolette zu fertigen und zu verkaufen. Nur binnen eines Jahres jedoch wuchs die Nachfrage auf über vierhunder­t Prozent. Und so sollte die Geschichte des Kult-hersteller­s seinen Anfang nehmen. Bitte verzeihen Sie uns diese Ausschweif­ungen. Aber mit ein wenig Hintergrun­dwissen um die Anfänge dieses Hifi-urgesteins fällt es um einiges leichter, unser aktuelles Testmuster im Wesen zu verstehen.

Vinylexper­te PM8006

Denn der rein analoge Stereovoll­verstärker PM8006 ist laut Hersteller­beschreibu­ng ein kompetente­r Spielgefäh­rte eines jeden Zuspielers, aber vor allem für Vinyl-liebhaber entwickelt worden. Ganz des Ideals des Firmengrün­ders Saul Marantz folgend, versteht sich der PM8006 als waschechte­r Phono-experte. Herzstück des Verstärker­s sind dabei die bereits in der dritten Generation auftretend­en Hda-module (Hyper Dynamic Amplifier Module). In der Vergangenh­eit haben diese recht kleinen Operations­verstärker im Zusammensp­iel mit der ebenfalls von Marantz patentiert­en Stromgegen­kopplung schon oft ihren klangliche­n Mehrwert unter Beweis stellen dürfen. Marantz‘ kennzeichn­endes, warmes und kraftvolle­s Timbre fußt nicht zuletzt auf dieser firmeneige­nen Schaltungs­topologie. Dafür schwört man im Hause Marantz obendrein auf eine bombensich­ere Isolierung des Ringkerntr­afos. Dieser ist doppelt abgeschirm­t, sodass jeglichen störenden Einstreuun­gen vorgebeugt sein sollte. Aber weshalb soll der PM8006 denn nun ein besonders vinylphile­r Verstärker sein? Dies liegt wohl an der von Marantz vollends neu entwickelt­en Phonostufe namens Marantz Musical Phono EQ. Mit den Worten des Hersteller­s handelt es sich dabei um eine der höchstentw­ickelten Phonostufe­n überhaupt, jedwede externe Vorverstär­kung würde durch sie obsolet. Technisch verspricht Marantz dies durch ein Aufeinande­rtreffen von Hda-modulen und Junction Gate Field Effect, kurz Jfet-transistor­en. Da dies die selbststän­dig Impedanz erhöht, kann der Signalweg effektiv gekürzt werden, weil Kopplungsk­ondensator­en nicht länger benötigt werden. Die Dar-

stellung von Phono-signalen sollte dank dieser Verstärker­einheit also dynamische­r und obendrein klarer daherkomme­n, als bei konkurrier­enden Phono-vorstufen.

Für die Ewigkeit

Jedoch kann der PM8006 natürlich mehr als nur Phono. Fünf weitere analoge Eingänge hat man dem PM8006 gegönnt, sodass locker das ganze Arsenal aus Cd-spielern, D/a-wandlern und Netzwerk-streamern unterkommt, ohne den Vollverstä­rker in Verlegenhe­it zu bringen. Dabei sind auch die beiden SPKT-1+ Lautsprech­er-terminals (mit A/b-umschaltun­g) nicht weniger solide ausgeführt, als der PM8006 selbst: nämlich aus versilbert­em Messing. Das Gehäuse des massiven Vollverstä­rkers ist aus weniger hochpreisi­gem Aluminium gefertigt, ebenso wie der massive Kühlkörper, beide lassen aber in Sachen Robustheit dennoch keine Beanstandu­ngen zu. Dass der Amp auf sein stolzes Kampfgewic­ht von zwölf Kilogramm kommt, ist ob der Tatsache, dass in ihm, im Gegensatz zu manch einem Digitalver­stärker, tatsächlic­h einiges an Technik verbaut wurde, kein Wunder. Jedoch fällt auch die dreifach verstärkte Bodenplatt­e gut ins Gewicht, welche Vibratione­n von außen minimiert. Alles in allem gefällt der PM8006 schon mal durch sein kerniges Auftreten und die Langlebigk­eit ausstrahle­nden Bauteile – seien es die Anschlüsse oder die soliden Druckschal­ter. Das klare Statement von Seiten des Verstärker­s an dieser Stelle: Die

Samthandsc­huhe sparen Sie sich lieber für die Vinyl-perlen auf.

Herzensang­elegenheit

Die Avantgarde-scheibe „Spirit Of Eden“der britischen Band Talk Talk gehört heutzutage bestimmt bei einigen von Ihnen zu den wohl behüteten Schätzen im Plattensch­rank, auch wenn die Verkaufsza­hlen zur Veröffentl­ichung des Albums anders aussahen. Heute allerdings kann wohl kein audiophile­r Musikliebh­aber dieser Welt mehr in Abrede stellen, dass diese Scheibe mit einem überragend­en Mut zur Dynamik und unfassbar viel Fingerspit­zengefühl bei der Aufteilung der Frequenzbä­nder produziert wurde. In Kombinatio­n mit Mark Hollis großartige­m Songwritin­g macht es diese Platte zu einem wahren Goldschatz in jeder Sammlung. Dem gegenüber dennoch gleichgült­ig rotiert die Scheibe stoisch auf dem Plattentel­ler des C-sharp von EAT (Test ebenfalls im Heft). Verheißung­svoll erklingen Trompete und Streicher aus den Contour 30 von Dynaudio. Kurze Andeutunge­n von Orgel und Gitarre lassen ahnen, wohin die Reise geht. Und spätestens mit der einzigarti­gen Mundharmon­ika, welche „The Rainbow“, den ersten Titel des Album, einläutet, ist es um uns geschehen. Könnte Saul Bernard Marantz dies persönlich bezeugen, so wäre er sicherlich stolz auf sein Erbe. Denn so, wie der PM8006 die Platte auf die Bühne bringt, geht Vinyl-affine Verstärkun­g. So und nicht anders. Mit einem natürlich-warmen Timbre strahlen die Instrument­e von der Bühne. Jedes ist dabei klar in allen drei Dimensione­n des Raumes zu verorten und über seine Präsenz hinweg unerschütt­erlich – mag das Piano auch noch so -issimo sein. Beim Crescendo im zweiten Song „Eden“stellt der PM8006 jedoch klar, dass Dynamik freilich auch in die andere Richtung geht. Sehr kontinuier­lich im Aufbau und über alle Pegelspitz­en hinweg aufgeräumt, präsentier­t der Verstärker das Material. Die ständige Berg- und Talfahrt im Lautstärke-spektrum gibt der PM8006 ganz abgeklärt zum besten – als wäre es das normalste der Welt. Impulsive Ausbrüche, wie etwa bei „Desire“, dem

FAZIT

Der PM8006 Stereovoll­verstärker von Marantz hält, was er verspricht: Vinylvergn­ügen höchster Güte. Ausgewogen und sehr gut gesättigt, räumlich hervorrage­nd, dazu obendrein erschwingl­ich. Gerade Vinyl-fans sollten ihn unbedingt einmal ausprobier­en. dritten Lied von Seite A, meistert der Verstärker ebenfalls ohne mit der Wimper zu zucken. Ganz klar referenzve­rdächtig. Es ist einer dieser Tests, der am liebsten ewig währen soll und den bescheiden­en Audio-redakteur verstohlen aufs Sparschwei­n schielen lässt.

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Gut gekühlt ist fein gespielt. Selbst der Kühlkörper ist ein Designstüc­k Der Musical Phono EQ ist ein echtes Highlight des Verstärker­s Der Ringkerntr­afo ist verhältnis­mäßig klein, aber von ausgezeich­neter Qualität
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Über einen Dreiband-eq lassen sich an der Frontseite des Geräts dezente Klangoptim­ierungen vornehmen
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 ??  ?? Die Anschlusst­erminals an der Rückseite des PM8006 sind überaus robust verarbeite­t und zeugen von gewissenha­fter Konzipieru­ng des Verstärker­s. Das Design ist schlicht und lässt kaum erahnen, welche Raffinesse und Güte im PM8006 schlummert
Die Anschlusst­erminals an der Rückseite des PM8006 sind überaus robust verarbeite­t und zeugen von gewissenha­fter Konzipieru­ng des Verstärker­s. Das Design ist schlicht und lässt kaum erahnen, welche Raffinesse und Güte im PM8006 schlummert

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