Im Zeichen des Vinyls
Im Zeichen der Vinyl-tradition des Unternehmens kommt mit dem Marantz PM8006 ein Vollverstärker auf den Markt, der zu den Spezialisten des analogen Tons gezählt werden kann. Wer hier D/a-wandler vermisst, hat das Konzept nicht verstanden.
Wie so viele Erfolgsgeschichten beginnt auch jene des traditionsreichen Hifi-entwicklers Marantz mit der schöpferischen Synergie, wie sie nur aus Unzufriedenheit und Erfindergeist entsteht. Saul Bernard Marantz erblickt im Jahre 1911 als ältestes dreier Geschwister in New York City das Licht der Welt. Während seiner Jugend bezeugt er signifikante Entwicklungen in der Audiotechnik hautnah mit. So ist Saul Marantz gerade sechzehn Jahre jung, als „The Jazz Singer“in die Kinos kommt. Der erste kommerzielle Tonfilm war seinerzeit ein großer Erfolg, dabei war die Idee einfach, wie brillant – der Filmton wurde einfach simultan zum Bild von einer Schallplatte abgespielt. Auch ging die erste vollautomatische Jukebox zu dieser Zeit über den Ladentisch und revolutionierte die Unterhaltungskultur eines ganzen Landes nachhaltig. Alan Blumleins Erfindung der Stereophonie – wohl einer der maßgeblichsten Parameter standesgemäßer Hifi-unterhaltung – erlebte Marantz um seinen zwanzigsten Geburtstag herum – wenngleich die Stereoschallplatte erst in den späten 1950ern marktfähig werden sollte. Zu Beginn dieses Jahrzehnts nimmt wiederum die Erfolgsgeschichte der Marantz Company ihren Anfang. Saul Marantz, zu dieser Zeit freischaffender Grafiker und Hobbymusiker, hegte eine große Leidenschaft für Vinylschallplatten, war jedoch unzufrieden mit dem Angebot verfügbarer Verstärker. Somit entschloss er sich kurzerhand, dem selbst Abhilfe zu schaffen und tüftelte in seinem Keller an einer eigenen Lösung, welche seinen Anforderungen entsprechen sollte. So entstand 1952 die Audio Consolette, ein mit Röhren bestückter Mono-vorverstärker. Dieser war mit einer Vielzahl diverser Equalizer-kurven ausgestattet, welche helfen sollten, die inkonsistente Aufnahmequalität zu dieser Zeit zu kompensieren. Es brauchte schließlich das Zureden seiner Frau, um Marantz davon zu überzeugen, vorerst hundert Exemplare der Audio Consolette zu fertigen und zu verkaufen. Nur binnen eines Jahres jedoch wuchs die Nachfrage auf über vierhundert Prozent. Und so sollte die Geschichte des Kult-herstellers seinen Anfang nehmen. Bitte verzeihen Sie uns diese Ausschweifungen. Aber mit ein wenig Hintergrundwissen um die Anfänge dieses Hifi-urgesteins fällt es um einiges leichter, unser aktuelles Testmuster im Wesen zu verstehen.
Vinylexperte PM8006
Denn der rein analoge Stereovollverstärker PM8006 ist laut Herstellerbeschreibung ein kompetenter Spielgefährte eines jeden Zuspielers, aber vor allem für Vinyl-liebhaber entwickelt worden. Ganz des Ideals des Firmengründers Saul Marantz folgend, versteht sich der PM8006 als waschechter Phono-experte. Herzstück des Verstärkers sind dabei die bereits in der dritten Generation auftretenden Hda-module (Hyper Dynamic Amplifier Module). In der Vergangenheit haben diese recht kleinen Operationsverstärker im Zusammenspiel mit der ebenfalls von Marantz patentierten Stromgegenkopplung schon oft ihren klanglichen Mehrwert unter Beweis stellen dürfen. Marantz‘ kennzeichnendes, warmes und kraftvolles Timbre fußt nicht zuletzt auf dieser firmeneigenen Schaltungstopologie. Dafür schwört man im Hause Marantz obendrein auf eine bombensichere Isolierung des Ringkerntrafos. Dieser ist doppelt abgeschirmt, sodass jeglichen störenden Einstreuungen vorgebeugt sein sollte. Aber weshalb soll der PM8006 denn nun ein besonders vinylphiler Verstärker sein? Dies liegt wohl an der von Marantz vollends neu entwickelten Phonostufe namens Marantz Musical Phono EQ. Mit den Worten des Herstellers handelt es sich dabei um eine der höchstentwickelten Phonostufen überhaupt, jedwede externe Vorverstärkung würde durch sie obsolet. Technisch verspricht Marantz dies durch ein Aufeinandertreffen von Hda-modulen und Junction Gate Field Effect, kurz Jfet-transistoren. Da dies die selbstständig Impedanz erhöht, kann der Signalweg effektiv gekürzt werden, weil Kopplungskondensatoren nicht länger benötigt werden. Die Dar-
stellung von Phono-signalen sollte dank dieser Verstärkereinheit also dynamischer und obendrein klarer daherkommen, als bei konkurrierenden Phono-vorstufen.
Für die Ewigkeit
Jedoch kann der PM8006 natürlich mehr als nur Phono. Fünf weitere analoge Eingänge hat man dem PM8006 gegönnt, sodass locker das ganze Arsenal aus Cd-spielern, D/a-wandlern und Netzwerk-streamern unterkommt, ohne den Vollverstärker in Verlegenheit zu bringen. Dabei sind auch die beiden SPKT-1+ Lautsprecher-terminals (mit A/b-umschaltung) nicht weniger solide ausgeführt, als der PM8006 selbst: nämlich aus versilbertem Messing. Das Gehäuse des massiven Vollverstärkers ist aus weniger hochpreisigem Aluminium gefertigt, ebenso wie der massive Kühlkörper, beide lassen aber in Sachen Robustheit dennoch keine Beanstandungen zu. Dass der Amp auf sein stolzes Kampfgewicht von zwölf Kilogramm kommt, ist ob der Tatsache, dass in ihm, im Gegensatz zu manch einem Digitalverstärker, tatsächlich einiges an Technik verbaut wurde, kein Wunder. Jedoch fällt auch die dreifach verstärkte Bodenplatte gut ins Gewicht, welche Vibrationen von außen minimiert. Alles in allem gefällt der PM8006 schon mal durch sein kerniges Auftreten und die Langlebigkeit ausstrahlenden Bauteile – seien es die Anschlüsse oder die soliden Druckschalter. Das klare Statement von Seiten des Verstärkers an dieser Stelle: Die
Samthandschuhe sparen Sie sich lieber für die Vinyl-perlen auf.
Herzensangelegenheit
Die Avantgarde-scheibe „Spirit Of Eden“der britischen Band Talk Talk gehört heutzutage bestimmt bei einigen von Ihnen zu den wohl behüteten Schätzen im Plattenschrank, auch wenn die Verkaufszahlen zur Veröffentlichung des Albums anders aussahen. Heute allerdings kann wohl kein audiophiler Musikliebhaber dieser Welt mehr in Abrede stellen, dass diese Scheibe mit einem überragenden Mut zur Dynamik und unfassbar viel Fingerspitzengefühl bei der Aufteilung der Frequenzbänder produziert wurde. In Kombination mit Mark Hollis großartigem Songwriting macht es diese Platte zu einem wahren Goldschatz in jeder Sammlung. Dem gegenüber dennoch gleichgültig rotiert die Scheibe stoisch auf dem Plattenteller des C-sharp von EAT (Test ebenfalls im Heft). Verheißungsvoll erklingen Trompete und Streicher aus den Contour 30 von Dynaudio. Kurze Andeutungen von Orgel und Gitarre lassen ahnen, wohin die Reise geht. Und spätestens mit der einzigartigen Mundharmonika, welche „The Rainbow“, den ersten Titel des Album, einläutet, ist es um uns geschehen. Könnte Saul Bernard Marantz dies persönlich bezeugen, so wäre er sicherlich stolz auf sein Erbe. Denn so, wie der PM8006 die Platte auf die Bühne bringt, geht Vinyl-affine Verstärkung. So und nicht anders. Mit einem natürlich-warmen Timbre strahlen die Instrumente von der Bühne. Jedes ist dabei klar in allen drei Dimensionen des Raumes zu verorten und über seine Präsenz hinweg unerschütterlich – mag das Piano auch noch so -issimo sein. Beim Crescendo im zweiten Song „Eden“stellt der PM8006 jedoch klar, dass Dynamik freilich auch in die andere Richtung geht. Sehr kontinuierlich im Aufbau und über alle Pegelspitzen hinweg aufgeräumt, präsentiert der Verstärker das Material. Die ständige Berg- und Talfahrt im Lautstärke-spektrum gibt der PM8006 ganz abgeklärt zum besten – als wäre es das normalste der Welt. Impulsive Ausbrüche, wie etwa bei „Desire“, dem
FAZIT
Der PM8006 Stereovollverstärker von Marantz hält, was er verspricht: Vinylvergnügen höchster Güte. Ausgewogen und sehr gut gesättigt, räumlich hervorragend, dazu obendrein erschwinglich. Gerade Vinyl-fans sollten ihn unbedingt einmal ausprobieren. dritten Lied von Seite A, meistert der Verstärker ebenfalls ohne mit der Wimper zu zucken. Ganz klar referenzverdächtig. Es ist einer dieser Tests, der am liebsten ewig währen soll und den bescheidenen Audio-redakteur verstohlen aufs Sparschwein schielen lässt.