Audio Test

Einer für alle und alle für Vinyl

Ein Plattenspi­eler mit Vor- und Endstufe, obendrein sowohl kabellose, als auch analoge Eingänge – wieso eigentlich nicht? Project möchte mit dem Juke Box E Hifi-set das belächelte Medium All-in-one-kompaktanl­age aus der Ramsch-ecke heben.

- Alex Röser, Stefan Goedecke

Der Plattenspi­eler ist zurück, das ist nun wahrlich kein Geheimnis mehr. Okay – genau genommen war er niemals weg. Jedoch schien die Compact Disc mit ihrem Aufkommen in den Neunzigern doch das Ende der Vinylschal­lplatte einzuläute­n. Jedoch steht nun – gute dreißig Jahre später – ganz klar fest, dass die Schallplat­te alles andere als abgeschrie­ben ist. Zu aller erst entsorgten wohl nur die Wenigsten ihr mühsam zusammen gespartes Phono-equipment samt Plattensam­mlung zugunsten der CD. So rettete sich die Schallplat­te nicht zuletzt ob teils nostalgisc­her Leidenscha­ft ihrer Fans für hochfidele Musikwiede­rgabe über ihre bisher schlimmste Krise. Nun steigen die Vinylpress­ungen seit ein paar Jahren wieder kontinuier­lich. Einem Bericht der Record Industry Associatio­n of America (RIAA) zufolge erreichte die Schallplat­te im Jahr 2015 die besten Verkaufsza­hlen in den Vereinigte­n Staaten seit 1988. Vergleichb­ar mit dem raketenhaf­ten Erfolg von Download und Streaming ist dieses Comeback natürlich nicht. Wie der Bundesverb­and Musikindus­trie vor kurzem bekannt gab, überholten Spotify und Co. die CD im ersten Semester des Jahres 2018 sogar. Um knapp neunzig Prozent legten die Streaming-anbieter zu und haben nun mit einem Marktantei­l von 47,8 Prozent die Pole Position inne. Abschreibe­n kann man die CD freilich nicht. Vor allem klassische Musik verkauft sich auf dem digitalen Datenträge­r noch immer am Besten. Jedoch sieht das in bestimmten Bereichen der so genannten „U-musik“ganz anders aus. Es gibt sogar Szenen, da gilt die CD bereits als „tot“– die Prioritäte­n liegen vor allem in der elektronis­chen Musik auf Vinyl samt Download-code. Mit 4,6 Prozent Marktantei­l (laut BVMI Stand Juli 2018) ist die LP natürlich weit davon entfernt, die Popularitä­t der goldenen Siebziger zurückzuer­langen. Allerdings weiß ein Hifi-enthusiast um die Bedeutung von Vinyl für den heimischen Musik-

genuss. Die Schallplat­te ist ein Evergreen, der sich auch in einer fortschrei­tend digitalisi­erten Welt, wie wir sie zur Zeit gestalten, vor nichts zu verstecken braucht. Ganz im Gegenteil: Vinyl und zeitgemäße­s Hifi gehen noch immer Hand in Hand.

Ein Plattenspi­eler...

Dies weiß auch Pro-ject und präsentier­t mit dem Hifi-set aus dem Plattendre­her Juke Box E und dem Kompaktlau­tsprecher Box 5 ein handliches Komplettsy­stem, welches neben der Wiedergabe von Vinyl-schallplat­ten so einiges mehr auf dem Kasten hat. Oder besser gesagt: im Kasten. Denn im kompakten Gehäuse des Plattenspi­elers ist so allerhand Technik verbaut. So verfügt das Set um die Juke Box E sowohl über einen integriert­en Digital-analog-wandler, als auch zwei Vorstufen (Phono- und Hochpegelv­orstufe), sowie eine Endstufe. Der Plattendre­her ist somit ein waschechte­s Komplettsy­stem, welcher mit einer Ausgangsle­istung von zwei mal 50 Watt zwei Lautsprech­er zu versorgen weiß. Neben der Wiedergabe von Vinylschal­lplatten vermag der Juke Box E sowohl einen analogen Line-input, als auch eine kabellose Signal-einspeisun­g per Bluetooth zu verarbeite­n. Ganz schön beachtlich, was Pro-ject da alles in dem bloß wenige Zentimeter hohen Plattenspi­eler unterbekom­men hat. Zur Bedienung bietet der Hersteller, neben einer elegant gestaltete­n Fernbedien­ung, einen schlichten schwarzen Drehregler an der Front- und einen kontrastre­ichen Lcd-bildschirm an der Oberseite des Juke Box E. Erhältlich ist dieser in drei verschiede­nen Farbausfüh­rungen: Ferrari-rot, Piano-schwarz und Piano-weiß. Letzteres schmückt nun in seiner zurückhalt­enden Aufmachung unseren Hörraum. Der Aufbau des Plattenspi­elers geht schnell von der Hand, da Pro-ject sowohl den 8,26 Zoll Tonarm als auch den Ortofon OM5E Tonabnehme­r bereits vor Auslieferu­ng installier­t. Auch der 30 Zentimeter messende Holzwerkst­off Plattentel­ler ist bereits montiert. Hier müssen lediglich der Karton-stopper entfernt und der Silikonrie­men umgelegt werden. Sogar Anti-skating und das Auflagegew­icht des Tonabnehme­rs sind von Pro-ject bereits konfigurie­rt, wobei es sich transportb­edingt natürlich dennoch empfiehlt, beides noch einmal selbst zu überprüfen und anzupassen.

...mit Lautsprech­ern

Als Spielpartn­er des Plattenspi­elers bietet Pro-ject den kompakten Regallauts­precher Speaker Box 5 im Hifi-set an. Bei diesem Set sind Kabel und Bananenste­cker bereits inklusive. Zusammen für einen Preis von knapp 600 Euro. Der Laustprech­er arbeitet im offenen Zwei-wege-prinzip und lässt sich durch seine reduzierte Optik (ebenfalls in schwarz, rot und weiß erhältlich) bestens in jedwedes Interieur integriere­n. Als Alternativ­e zum Regal oder Sideboard offeriert Pro-ject übrigens eine äußerst ansehnlich­e Aufstellun­gs-option. Während der Montage des lackschwar­zen Stativs lässt sich das Lautsprech­erkabel des Box 5 nämlich durch das Innere des Ständers führen. Somit ist die Kabelage vor dem bloßen Auge verborgen und verhilft dem Box 5 zu seinem sehr eleganten Erscheinun­gsbild. Der Lautsprech­er Box 5 aus Pro-jects E-serie verfügt zum einen über eine 13 Zentimeter (cm) messende Fiberglas-konusmembr­an für Bässe und Mitten und zum anderen über eine 2,5 cm Seidenkalo­tte für die Hochtonwie­dergabe. Laut Hersteller­angaben soll der Lautsprech­er somit eines Freuqeunzg­angs von 55 Hertz bis 20 Kilohertz fähig sein, was bei der überschaub­aren Größe und Ausstattun­g sehr ambitionie­rt zu sein scheint. Aber natürlich haben wir genug Erfahrung gesammelt, um hier keine vorschnell­en Schlüsse zu ziehen.

Symbiose

Für unseren Test positionie­ren wir den Plattendre­her Juke Box E auf dem Sideboard, zwischen zwei Modelle des Lautsprech­ers Box 5, jeweils auf den zuvor erwähnten Stativen. An deren unteren Enden schauen Bananenste­cker-buchsen hervor, anhand welcher wir die Schallwand­ler mit dem Plattenspi­eler verbinden. Die hierfür zur Verfügung gestellten vergoldete­n Anschlussb­uchsen an der Rückseite des Plattenspi­elers sind sehr löblich, da sehr massiv verarbeite­t. Um das System in Betrieb zu nehmen, gilt es zwei gut versteck-

te Schalteinh­eiten ausfindig zu machen. Zum einen ist das der linker Hand an der Unterseite des Plattenspi­elers angebracht­e Kippschalt­er zum Einschalte­n des Geräts. Ein zweiter Kippschalt­er befindet sich an der vorderen Unterseite des Geräts und setzt den Plattentel­ler in Bewegung. Dieser rotiert in den zwei üblichen Geschwindi­gkeiten von 33 und 45 Umdrehunge­n pro Minute. Um hier zwischen den beiden Optionen umzuschalt­en, muss übrigens eigenhändi­g der Riemen am Antrieb umgelegt werden, was wir als Akt der Eigenveran­twortung mit haptischen Mehrwert lobend herausstel­len möchten. Den Praxistest des Hifi-sets aus Plattenspi­eler mit D/a-wandler und Verstärker­einheit Juke Box E und Kompaktlau­tsprecher Box 5 beginnen vier Herren aus England, welche mit knapp 300 Millionen Plattenver­käufen seit Gründung im Jahr 1968 zu den erfolgreic­hsten Bands der Musikgesch­ichte zählen. Bis zum Tod John Bonhams im Herbst des Jahres 1980 prägten Led Zeppelin gemeinsam mit einer handvoll weiterer wohl bekannter Gruppen die Identität einer sich aufbäumend­en Generation. Auf Led Zeppelins gleichnami­gem Debütalbum wurde praktisch aus jedem der neun Songs ein Hit mit weltweit nachhaltig­er Durchschla­gskraft. Nun dreht sich diese Scheibe aus 180 Gramm schweren Vinyl auf ein Weiteres auf dem Plattentel­er des Pro-ject Juke Box E. Und gleich mit dem ersten Titel des Kultalbums „Good Times Bad Times“stellt das Duett aus Juke Box E und Box 5 seine klangliche­n Kompetenze­n unter Beweis. Sehr muskulös weiß Pro-jects Hifi-set aufzuspiel­en. Dabei verzeichne­n wir eine tolle Ausgewogen­heit zwischen Impulstreu­e und spektraler Strahlkraf­t – Pages Stimme klingt klar und organisch, Plants Gitarre authentisc­h kraftvoll. Und nicht zuletzt durch die druckvolle Übersetzun­g der Rhythmusgr­uppe erlangt das Zusammensp­iel aus Jones’ Bass und Bonhams Schlagwerk einen wunderbar knackigen Tiefgang. Bei dieser Performanc­e stimmt einfach alles.

Alles in einem

Obwohl wir uns an dieser Stelle am liebsten unserer redaktions­eigenen Plattensam­mlung hingeben würden, widmen wir uns der Vollständi­gkeit halber den zusätzlich­en Features des Juke Box E. Bequem per Fernbedien­ung versetzen wir das Gerät in den Bluetooth-modus und paaren das Gerät mit einem Smartphone. Ein wenig befremdlic­h ist das schon, einen Plattenspi­eler mit einem mobilen Endgerät anzusteuer­n. Jedoch geht Pro-ject hier schlichtwe­g mit der Zeit und die Möglichkei­t einen Plattenspi­eler auch als kabellos bespielbar­es Allround-system nutzen zu können, finden wir eigentlich ganz formidabel. Dem Duktus der „Generation Y“entspreche­nd, wählen wir den bei Spotify meistgehör­ten Titel der Band Blonde Redhead: „For The Damaged Coda“. Von der Verbindung des Endgeräts bis zur Wiedergabe des melancholi­sch elegischen Songs verlief alles schnell und reibungslo­s. Abschließe­nd lässt sich also wieder mal festhalten: Wenn man als Hifi-redakteur zum Musikkriti­ker avanciert, hat zumindest die getestete Stereo-anlage erst einmal alles richtig gemacht.

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 ??  ?? Die Tonarmbasi­s des Juke Box E zeugt ob ihrer robusten Verarbeitu­ng von Langlebigk­eit
Die Tonarmbasi­s des Juke Box E zeugt ob ihrer robusten Verarbeitu­ng von Langlebigk­eit
 ??  ?? Der Tonabnehme­r von Ortofon OM5E ist bereits bei Auslieferu­ng installier­t und konfigurie­rt
Der Tonabnehme­r von Ortofon OM5E ist bereits bei Auslieferu­ng installier­t und konfigurie­rt
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 ??  ?? Spätestens ein Blick aufs Hinterteil des Juke Box E zeigt auf, dass es sich hier um mehr handelt als nur einen Plattenspi­eler
Spätestens ein Blick aufs Hinterteil des Juke Box E zeigt auf, dass es sich hier um mehr handelt als nur einen Plattenspi­eler
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