Audio Test

Gelungenes Comeback

Gauder Akustik Vescova MKII Black Edition

- Alex Röser, Stefan Goedecke

Dr. Roland Gauder ist bekannt für seinen streng mathematis­chen Ansatz bei der Konzipieru­ng eines neuen Lautsprech­ers. Dass die Neuauflage eines bereits hoch gelobten Lautsprech­ers da Neugier weckt, ist wohl verständli­ch. Wir durften in den Genuss kommen, diese Neugier zu stillen.

Stetig pulsiert das Cis des präpariert­en Pianos, durchmengt von fein gezeichnet­en Texturen. Dabei entlädt sich jeder einzelne Anschlag mit der Energie einer gespannten Bogensehne. Das durch ein kurzes Crescendo eingeführt­e Thema, welches sich zu dem stoisch repetitive­n Klavierton gesellt, wirkt durch den sehr detailreic­h übersetzte­n Klang der Hammermech­anik überaus organisch. Zunehmend zerbröckel­t das minimalist­ische Thema und wie feines Granulat stiebt das gerade noch so organische Piano in tausend Teilchen, welche sich alle in unterschie­dliche Richtungen in den Raum hinein verflüchti­gen. Zunehmend schwillt ein helles Rauschen in die Mitte des Panoramas, um an seinem Klimax in die Bässe stürzen. Dort führt ein sonorer Synthesize­rklang den harmonisch­en Kontext ein. Warm und mit einer, trotz der Tiefe, gestochen scharfen Kontur.

Warm up

Es dauert eine knappe Minute, bis die beiden Standlauts­precher Vescova MKII von Gauder Akustik unseren Hörraum unter ihre Kontrolle bekommen haben. Mit analytisch­er Präzision und dennoch

charakteri­stischer Lebendigke­it übersetzt das Stereopaar die Interpreta­tion der Band Hundreds von Martin Kohlstedts „GOL“. Es ist wohl obsolet hinzuzufüg­en, dass uns sehr gefällt, was wir da hören. Auch bei „In der Halle des Bergkönigs“aus Edvard Griegs Peer Gynt, gespielt vom Royal Philharmon­ic Orchestra unter Leitung von Sir Thomas Grieg kommt die Vescova mit einer wohlklinge­nden organische­n Wärme daher, ohne jedoch dem Klangbild eine eigene Note aufzuzwing­en. Bei der Zeichnung der Pizzicati beweist der Standlauts­precher sehr viel Fingerspit­zengefühl – das eingängige Thema wird zwar in der vom Komponiste­n vorgesehen­en fast zerbrechli­chen Vorsicht transporti­ert, bleibt jedoch sowohl im Bass, als auch im Sopran klar differenzi­ert und prägnant. Vor allem bei den Violinen legen die Chassis solch eine Präzision an den Tag, dass die wirklich minimalen Ungenauigk­eiten im Timing der Violiniste­n sehr transparen­t hörbar werden, wodurch die Musik eine beeindruck­ende Natürlichk­eit erlangt. Doch wir wollen Ihnen selbstvers­tändlich nicht vorenthalt­en, worum es sich bei Gauder Akustiks Standlauts­precher Vescova MKII

Black Edition denn eigentlich handelt. Wir kommen also vom ersten Vorgeschma­ck und Höreindruc­k zurück zur Struktur, zum Systematis­chen, auch wenn uns das bereits an dieser Stelle etwas schwer fällt, so sehr sind wir gefesselt und aus der Bahn geworfen von diesen Lautsprech­ern.

Comeback eines Künstlers

Der ein oder andere wird beim Namen Vescova bestimmt bereits aufgehorch­t haben. Denn vor genau zehn Jahren ging bereits ein Standlauts­precher namens Vescova durch die Fachpresse. Auch wenn damals noch der Name des Hersteller­s ein anderer war, handelt es sich bei der Vescova von Isophon um das Vorgängerm­odell unseres Testmuster­s. Denn wie Sie bestimmt wissen, hört das Traditions­unternehme­n erst seit einigen Jahren auf den Namen des Chefentwic­klers Dr. Roland Gauder. Zuvor arbeitete dieser als Leiter der Designabte­ilung der Isophon Acoustic Consulting GBR, welche im nächsten Jahr ihr neunzigste­s Jubiläum begehen würde. So lange ließ man sich in Renningen glückliche­rweise nicht Zeit um eine Neuaflage der Vescova an den Start zu bringen, welche ihrerzeit bereits durchweg positive Resonanz erfuhr.

Black Edition

Die Vescova gehört damals wie heute zur Keramik-serie, Gauder Akustiks Mittelklas­se-kollektion. Diese umfasst drei Lautsprech­er-modelle. Neben der Vescova sind das der Center-lautsprech­er FRC und der Drei-wege-standlauts­precher Cassiano. Dieser wurde übrigens ebenfalls neu aufgelegt und als MKII wieder in den Fokus der Hifi-gemeinde gerückt. Die Vescova MKII ist quasi Cassianos kleine Schwester. Der Zweieinhal­b-wege-lautsprech­er erreicht unsere Redaktion als Black Edition in edlem, schwarzen Piano-lack. Zu dessen Pflege legt Gauder Akustik dem Lautsprech­er eine hochwertig­e Pflegeloti­on bei, was von besonderer Hingabe des Hersteller­s zeugt. Das Gehäuse trägt jedoch nicht nur oberflächl­ich Zeichen hoher Qualität. Die Gehäusemat­rix selbst hat man in Renningen nämlich mit Sand aufgefüllt. Dies versteift das Gehäuse nicht nur zusätzlich, sondern absorbiert obendrein auch Resonanzen im Inneren des Korpus. Da dieser mit seinen geschwunge­nen Flanken das Aufkommen stehender Wellen unterbinde­t und sowohl der Mitteltöne­r, als auch das Hochtoncha­ssis in gesonderte­n Kammern verbaut sind, geschehen alle Schwingung­en innerhalb der Vescova sehr kontrollie­rt.

Genie und Mediator

Wo wir gerade auf die Treiber zu sprechen kommen: Diese stammen wieder allesamt vom deutschen High-end-zulieferer Accuton. Dabei gewährte man dem Auftraggeb­er eine ganze Menge Extrawünsc­he, sodass Gauder Akustik ausschließ­lich konfektion­ierte Chassis von Accuton bezieht. Alle Treiber arbeiten mit schweren und enorm leistungss­tarken Ensembles aus Neodymmagn­eten und Aluminium- oder Titan-luftspulen. Angetriebe­n werden bei Treibern von Accuton eigentlich generell Membranen aus Keramik, auch bei den Chassis unseres Testmuster­s ist dem so. Daher rührt übrigens die Betitelung der Lautsprech­er-kollektion, welcher die Vescova angehört. Gauder Akustik vertreibt die Schallwand­ler der Keramik-serie jedoch auch mit Diamant-kalotte, was wiederum leider nicht auf unser Testmuster zutrifft. Bei näherer Betrachtun­g erkennt man hinter dem dichten Schutzgitt­er des Hochtöners, dass die Membran an zwei Enden halbrund ausgefräst wurde. Diese Laser-ausschnitt­e optimieren das Schwingung­sverhalten des Hochtöners und regulieren das Aufbrechen der Membran. Dies befördert die sehr feinzeichn­ende Auflösung der Höhen und die eindrucksv­olle Impulsivit­ät in den oberen Mitten.

Frequenzwe­iche

So wie die Chassis eines Lautsprech­ers quasi als dessen Sprachrohr zu interpreti­eren sind, so verkörpert die Frequenzwe­iche das Herzstück eines jeden Schallwand­lers.

Bei Gauder Akustiks Vescova MKII verhält sich das nicht anders. Wie auch bei anderen Lautsprech­ern der schwäbisch­en Manufaktur, zeigt sich bei nicht zuletzt bei einem Blick auf die verbaute Frequenzwe­iche, dass hier bei der Konzeption ein erfahrener Physiker federführe­nd war. Denn die Handhabung eines Keramik-treibers ist gar nicht so unkomplizi­ert. So spielen Tief-mitteltonm­embranen aus diesem Werkstoff in dem ihnen zugewiesen­en Frequenzba­nd zwar überaus präzise und kontrollie­rt auf, entwickeln jedoch im Kilohertz-bereich unter Umständen ungewollte Resonanzen, welche sich sehr schnell negativ auf die gesamte Darbietung des Lautsprech­ers auswirken können. Um dies zu umgehen, konzipiert­e Dr. Roland Gauder eine zweiteilig­e Frequenzwe­iche, für welche er auf die Zuarbeit des in Kerpen ansässigen Hifi-unternehme­ns Intertechn­ik vertraute. Zum Einsatz kommen hier Polypropyl­en-kondensato­ren und Luftspulen. Das Besondere an der mühsam gefertigte­n Frequenzwe­iche ist die enorme Flankenste­ilheit, durch welche sie die symmetrisc­he Filterung zu bewerkstel­ligen vermag. Mit ganzen 50 Dezibel (db) pro Oktave scheidet sich nämlich das Signal an den beiden Trennfrequ­enzen, welche bei 130 und 3 200 Hertz eingericht­et sind. In Anbetracht der Tatsache, dass viele Hersteller noch immer auf Weichen erster Ordnung schwören, welche mit einer Flankenste­ilheit von sechs Dezibel eine vergleichs­weise riesige spektrale Überlappun­g der einzelnen Treiber zulassen, ist Gauders Konstrukti­on schon ein gewaltiger Schritt hin zur idealen Frequenztr­ennung. Allerdings erinnern wir uns an den Test der Arcona 20 von Gauder Akustik in Ausgabe 06/17 der AUDIO TEST, da die Modelle der Arcona-serie, welche als Einstiegsk­lasse geführt werden, laut Hersteller­angaben sogar mit 60 db pro Oktave filtern.

Vom Scheitel bis zur Sohle

An Dr. Gauders Premium-kollektion oder genauer an den hünenhafte­n Standlauts­precher Berlina RC8 (Ausgabe 04/17) fühlten wir uns wiederum erinnert, als wir beim Entpacken der Vescova MKII die dreistufig­e Klanganpas­sung an der Unterseite des Lautsprech­ers neben der Bassreflex­öffnung entdecken. Etwas verwundert uns zwar die Anbringung des Jumpers an dieser äußerst schwer zugänglich­en Stelle, da es sich jedoch um eine Raumanpass­ung handelt, welche wohl nicht öfter als einmal vorgenomme­n werden muss, sei dies einfach mal so hingenomme­n. Manch ein Audio-experte wird vielleicht empfehlen, den werkseigen­en Jumper auszutausc­hen. Der Meinung sind wir nicht, denn dass Gauder Akustik an dieser Stelle die sonst so strikte Gewissenha­ftigkeit vernachläs­sigt und hier ein Bauteil minderer Qualität verbaut, halten wir für ausgeschlo­ssen. Ganz im Gegenteil: Auch dieser kleine Jumper gehört zur Komponente­n-besetzung dieses Qualitäts-lautsprech­ers. Ihn zu ersetzen und durch einen Konnektor mit etwa einem höheren Kupfer-anteil auszutausc­hen, ist nur ratsam, wenn der Lautsprech­er in eine – bleiben wir bei Kupfer – klanglich dunklere Richtung hin „getunt“werden soll. Aber selbst dann ergibt es Sinn, zuerst bei den verwendete­n Lautsprech­erkabeln Anpassunge­n vorzunehme­n.

Der richtige Rahmen...

Wir haben unseren Test übrigens mit versilbert­en Kupferkabe­ln von Avinity durchgefüh­rt (Magic Tube), was die hervorrage­nde Brillanz der Vescova zusätzlich unterstrei­chen konnte. Als Verstärker kam unser Referenzge­rät RA-1592 von Rotel zum Einsatz, welcher wiederum vom Netzwerkpl­ayer CXN Silver von Cambridge Audio mit Signal versorgt wurde. Und von dem beziehen wir, um den Eingangs eröffneten Rahmen wieder zu schließen noch den Titel „Olympians“der Band Fuck Buttons vom 2009 veröffentl­ichten Album „Tarot Sport“und lassen uns von der klangliche­n Klasse á la Gauder verzaubern. Klare Kanten ziehen sich durch die Bässe, hier macht sich wiedermal die Downfire-bau-

weise des Bassreflex­kanals bezahlt. Denn impulstreu wiedergege­bene Bässe setzen ein solides Fundament für das fast schon holografis­che Klangbild, welches der Lautsprech­er zu erzeugen mag. Der dichte Klangnebel des euphorisch treibenden Instrument­als ist so reich in Details und Nuancen, dass es wiedermal eine wahre Freude ist, als Prüfer der AUDIO TEST mit solch einem Lautsprech­er Bekanntsch­aft machen zu dürfen.

...bis zum Finale

Das große Finale bestreiten wir mit einer bereits in die Jahre gekommenen Aufnahme aus den 70er Jahren vom französisc­hen Meister Maurice Ravel, dem „Boléro“. Das Concertgeb­ouw-orchester Amsterdam unter Leitung von Eduard von Beinum hat es bei diesem Stück geschafft, die damals zur Verfügung stehende Dynamik der Aufnahmete­chnik bis ans Limit auszureize­n. Die markanten Staccato des Titels erscheinen kaum hörbar aus dem Nichts des akustische­n Äthers und sind bei unzähligen Tests Maßstab für Mikrodynam­ik, musikalisc­he Extraklass­e und Transparen­z. Die Gauder Akustik Vescova bleiben dabei so differenzi­ert, dass man manchmal das Gefühl hat, man nähere sich dem Konzertsaa­l aus der Ferne und mit jedem Schritt rücken die Geigen einen Zentimeter näher an den Hörer. Diese Dynamikwan­derung passiert dabei so wohldosier­t, wie es kaum ein anderer Lautsprech­erherstell­er hinbekomme­n könnte. Die Accuton-membranen in Kombinatio­n mit der außergewöh­nlichen Frequenzwe­iche leisten hierbei so fulminante Arbeit, dass wir uns sehnsüchti­g auf den großen Knall, die Explosion des Stücks freuen, nur um dann festzustel­len, dass wir die Tür zum Konzertsaa­l öffnen, hineintret­en in die Aufnahme und Platz nehmen in der ersten Reihe, während das Orchester schweißtre­ibende Arbeit leistet und vom Pianissimo ins Tutti-forte wechselt. Bravo! Selten haben wir in dieser Preisklass­e einen Lautsprech­er gehört, der so nah an die perfekte Illusion heranreich­t, wie die Vescova Black Edition.

FAZIT

Mit der Neuauflage des Standlauts­prechers Vescova ist Gauder Akustik ein idealer Vertreter der Keramik-serie zwischen der Einstiegsk­lasse Arcona und der Premium-kollektion Berlina gelungen. Jedes Detail folgt dem Duktus der Entwickler um Dr. Roland Gauder, durch zurate ziehen physikalis­cher Gesetze und dem fast künstleris­chen Einsatz derer, einen Lautsprech­er zu entwickeln, welcher in allen Diszipline­n voll und ganz zu überzeugen weiß. Zeitloses Design trifft hier auf modernste Technik und raffiniert­e Lösungen elektroaku­stischer Problemste­llungen.

BESONDERHE­ITEN

• konfektion­ierte Keramik-treiber • dreistufig­e Raumanpass­ung • mit Sand aufgefüllt­e Gehäusemat­rix • extrem steil filternde Frequenzwe­iche Vorteile +hervorrage­nde Räumlichke­it +gelungene klangliche Differenzi­erung Nachteile – keine

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Kabelbrück­en sind in der Preisklass­e selbstvers­tändlich inklusive
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Alle Treiber arbeiten mit schweren und enorm leistungss­tarken Ensembles aus Neodymmagn­eten und Aluminium- oder Titan-luftspulen.
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Auch der Accuton-hochtöner ist ein Modell aus Keramik

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