Gelungenes Comeback
Gauder Akustik Vescova MKII Black Edition
Dr. Roland Gauder ist bekannt für seinen streng mathematischen Ansatz bei der Konzipierung eines neuen Lautsprechers. Dass die Neuauflage eines bereits hoch gelobten Lautsprechers da Neugier weckt, ist wohl verständlich. Wir durften in den Genuss kommen, diese Neugier zu stillen.
Stetig pulsiert das Cis des präparierten Pianos, durchmengt von fein gezeichneten Texturen. Dabei entlädt sich jeder einzelne Anschlag mit der Energie einer gespannten Bogensehne. Das durch ein kurzes Crescendo eingeführte Thema, welches sich zu dem stoisch repetitiven Klavierton gesellt, wirkt durch den sehr detailreich übersetzten Klang der Hammermechanik überaus organisch. Zunehmend zerbröckelt das minimalistische Thema und wie feines Granulat stiebt das gerade noch so organische Piano in tausend Teilchen, welche sich alle in unterschiedliche Richtungen in den Raum hinein verflüchtigen. Zunehmend schwillt ein helles Rauschen in die Mitte des Panoramas, um an seinem Klimax in die Bässe stürzen. Dort führt ein sonorer Synthesizerklang den harmonischen Kontext ein. Warm und mit einer, trotz der Tiefe, gestochen scharfen Kontur.
Warm up
Es dauert eine knappe Minute, bis die beiden Standlautsprecher Vescova MKII von Gauder Akustik unseren Hörraum unter ihre Kontrolle bekommen haben. Mit analytischer Präzision und dennoch
charakteristischer Lebendigkeit übersetzt das Stereopaar die Interpretation der Band Hundreds von Martin Kohlstedts „GOL“. Es ist wohl obsolet hinzuzufügen, dass uns sehr gefällt, was wir da hören. Auch bei „In der Halle des Bergkönigs“aus Edvard Griegs Peer Gynt, gespielt vom Royal Philharmonic Orchestra unter Leitung von Sir Thomas Grieg kommt die Vescova mit einer wohlklingenden organischen Wärme daher, ohne jedoch dem Klangbild eine eigene Note aufzuzwingen. Bei der Zeichnung der Pizzicati beweist der Standlautsprecher sehr viel Fingerspitzengefühl – das eingängige Thema wird zwar in der vom Komponisten vorgesehenen fast zerbrechlichen Vorsicht transportiert, bleibt jedoch sowohl im Bass, als auch im Sopran klar differenziert und prägnant. Vor allem bei den Violinen legen die Chassis solch eine Präzision an den Tag, dass die wirklich minimalen Ungenauigkeiten im Timing der Violinisten sehr transparent hörbar werden, wodurch die Musik eine beeindruckende Natürlichkeit erlangt. Doch wir wollen Ihnen selbstverständlich nicht vorenthalten, worum es sich bei Gauder Akustiks Standlautsprecher Vescova MKII
Black Edition denn eigentlich handelt. Wir kommen also vom ersten Vorgeschmack und Höreindruck zurück zur Struktur, zum Systematischen, auch wenn uns das bereits an dieser Stelle etwas schwer fällt, so sehr sind wir gefesselt und aus der Bahn geworfen von diesen Lautsprechern.
Comeback eines Künstlers
Der ein oder andere wird beim Namen Vescova bestimmt bereits aufgehorcht haben. Denn vor genau zehn Jahren ging bereits ein Standlautsprecher namens Vescova durch die Fachpresse. Auch wenn damals noch der Name des Herstellers ein anderer war, handelt es sich bei der Vescova von Isophon um das Vorgängermodell unseres Testmusters. Denn wie Sie bestimmt wissen, hört das Traditionsunternehmen erst seit einigen Jahren auf den Namen des Chefentwicklers Dr. Roland Gauder. Zuvor arbeitete dieser als Leiter der Designabteilung der Isophon Acoustic Consulting GBR, welche im nächsten Jahr ihr neunzigstes Jubiläum begehen würde. So lange ließ man sich in Renningen glücklicherweise nicht Zeit um eine Neuaflage der Vescova an den Start zu bringen, welche ihrerzeit bereits durchweg positive Resonanz erfuhr.
Black Edition
Die Vescova gehört damals wie heute zur Keramik-serie, Gauder Akustiks Mittelklasse-kollektion. Diese umfasst drei Lautsprecher-modelle. Neben der Vescova sind das der Center-lautsprecher FRC und der Drei-wege-standlautsprecher Cassiano. Dieser wurde übrigens ebenfalls neu aufgelegt und als MKII wieder in den Fokus der Hifi-gemeinde gerückt. Die Vescova MKII ist quasi Cassianos kleine Schwester. Der Zweieinhalb-wege-lautsprecher erreicht unsere Redaktion als Black Edition in edlem, schwarzen Piano-lack. Zu dessen Pflege legt Gauder Akustik dem Lautsprecher eine hochwertige Pflegelotion bei, was von besonderer Hingabe des Herstellers zeugt. Das Gehäuse trägt jedoch nicht nur oberflächlich Zeichen hoher Qualität. Die Gehäusematrix selbst hat man in Renningen nämlich mit Sand aufgefüllt. Dies versteift das Gehäuse nicht nur zusätzlich, sondern absorbiert obendrein auch Resonanzen im Inneren des Korpus. Da dieser mit seinen geschwungenen Flanken das Aufkommen stehender Wellen unterbindet und sowohl der Mitteltöner, als auch das Hochtonchassis in gesonderten Kammern verbaut sind, geschehen alle Schwingungen innerhalb der Vescova sehr kontrolliert.
Genie und Mediator
Wo wir gerade auf die Treiber zu sprechen kommen: Diese stammen wieder allesamt vom deutschen High-end-zulieferer Accuton. Dabei gewährte man dem Auftraggeber eine ganze Menge Extrawünsche, sodass Gauder Akustik ausschließlich konfektionierte Chassis von Accuton bezieht. Alle Treiber arbeiten mit schweren und enorm leistungsstarken Ensembles aus Neodymmagneten und Aluminium- oder Titan-luftspulen. Angetrieben werden bei Treibern von Accuton eigentlich generell Membranen aus Keramik, auch bei den Chassis unseres Testmusters ist dem so. Daher rührt übrigens die Betitelung der Lautsprecher-kollektion, welcher die Vescova angehört. Gauder Akustik vertreibt die Schallwandler der Keramik-serie jedoch auch mit Diamant-kalotte, was wiederum leider nicht auf unser Testmuster zutrifft. Bei näherer Betrachtung erkennt man hinter dem dichten Schutzgitter des Hochtöners, dass die Membran an zwei Enden halbrund ausgefräst wurde. Diese Laser-ausschnitte optimieren das Schwingungsverhalten des Hochtöners und regulieren das Aufbrechen der Membran. Dies befördert die sehr feinzeichnende Auflösung der Höhen und die eindrucksvolle Impulsivität in den oberen Mitten.
Frequenzweiche
So wie die Chassis eines Lautsprechers quasi als dessen Sprachrohr zu interpretieren sind, so verkörpert die Frequenzweiche das Herzstück eines jeden Schallwandlers.
Bei Gauder Akustiks Vescova MKII verhält sich das nicht anders. Wie auch bei anderen Lautsprechern der schwäbischen Manufaktur, zeigt sich bei nicht zuletzt bei einem Blick auf die verbaute Frequenzweiche, dass hier bei der Konzeption ein erfahrener Physiker federführend war. Denn die Handhabung eines Keramik-treibers ist gar nicht so unkompliziert. So spielen Tief-mitteltonmembranen aus diesem Werkstoff in dem ihnen zugewiesenen Frequenzband zwar überaus präzise und kontrolliert auf, entwickeln jedoch im Kilohertz-bereich unter Umständen ungewollte Resonanzen, welche sich sehr schnell negativ auf die gesamte Darbietung des Lautsprechers auswirken können. Um dies zu umgehen, konzipierte Dr. Roland Gauder eine zweiteilige Frequenzweiche, für welche er auf die Zuarbeit des in Kerpen ansässigen Hifi-unternehmens Intertechnik vertraute. Zum Einsatz kommen hier Polypropylen-kondensatoren und Luftspulen. Das Besondere an der mühsam gefertigten Frequenzweiche ist die enorme Flankensteilheit, durch welche sie die symmetrische Filterung zu bewerkstelligen vermag. Mit ganzen 50 Dezibel (db) pro Oktave scheidet sich nämlich das Signal an den beiden Trennfrequenzen, welche bei 130 und 3 200 Hertz eingerichtet sind. In Anbetracht der Tatsache, dass viele Hersteller noch immer auf Weichen erster Ordnung schwören, welche mit einer Flankensteilheit von sechs Dezibel eine vergleichsweise riesige spektrale Überlappung der einzelnen Treiber zulassen, ist Gauders Konstruktion schon ein gewaltiger Schritt hin zur idealen Frequenztrennung. Allerdings erinnern wir uns an den Test der Arcona 20 von Gauder Akustik in Ausgabe 06/17 der AUDIO TEST, da die Modelle der Arcona-serie, welche als Einstiegsklasse geführt werden, laut Herstellerangaben sogar mit 60 db pro Oktave filtern.
Vom Scheitel bis zur Sohle
An Dr. Gauders Premium-kollektion oder genauer an den hünenhaften Standlautsprecher Berlina RC8 (Ausgabe 04/17) fühlten wir uns wiederum erinnert, als wir beim Entpacken der Vescova MKII die dreistufige Klanganpassung an der Unterseite des Lautsprechers neben der Bassreflexöffnung entdecken. Etwas verwundert uns zwar die Anbringung des Jumpers an dieser äußerst schwer zugänglichen Stelle, da es sich jedoch um eine Raumanpassung handelt, welche wohl nicht öfter als einmal vorgenommen werden muss, sei dies einfach mal so hingenommen. Manch ein Audio-experte wird vielleicht empfehlen, den werkseigenen Jumper auszutauschen. Der Meinung sind wir nicht, denn dass Gauder Akustik an dieser Stelle die sonst so strikte Gewissenhaftigkeit vernachlässigt und hier ein Bauteil minderer Qualität verbaut, halten wir für ausgeschlossen. Ganz im Gegenteil: Auch dieser kleine Jumper gehört zur Komponenten-besetzung dieses Qualitäts-lautsprechers. Ihn zu ersetzen und durch einen Konnektor mit etwa einem höheren Kupfer-anteil auszutauschen, ist nur ratsam, wenn der Lautsprecher in eine – bleiben wir bei Kupfer – klanglich dunklere Richtung hin „getunt“werden soll. Aber selbst dann ergibt es Sinn, zuerst bei den verwendeten Lautsprecherkabeln Anpassungen vorzunehmen.
Der richtige Rahmen...
Wir haben unseren Test übrigens mit versilberten Kupferkabeln von Avinity durchgeführt (Magic Tube), was die hervorragende Brillanz der Vescova zusätzlich unterstreichen konnte. Als Verstärker kam unser Referenzgerät RA-1592 von Rotel zum Einsatz, welcher wiederum vom Netzwerkplayer CXN Silver von Cambridge Audio mit Signal versorgt wurde. Und von dem beziehen wir, um den Eingangs eröffneten Rahmen wieder zu schließen noch den Titel „Olympians“der Band Fuck Buttons vom 2009 veröffentlichten Album „Tarot Sport“und lassen uns von der klanglichen Klasse á la Gauder verzaubern. Klare Kanten ziehen sich durch die Bässe, hier macht sich wiedermal die Downfire-bau-
weise des Bassreflexkanals bezahlt. Denn impulstreu wiedergegebene Bässe setzen ein solides Fundament für das fast schon holografische Klangbild, welches der Lautsprecher zu erzeugen mag. Der dichte Klangnebel des euphorisch treibenden Instrumentals ist so reich in Details und Nuancen, dass es wiedermal eine wahre Freude ist, als Prüfer der AUDIO TEST mit solch einem Lautsprecher Bekanntschaft machen zu dürfen.
...bis zum Finale
Das große Finale bestreiten wir mit einer bereits in die Jahre gekommenen Aufnahme aus den 70er Jahren vom französischen Meister Maurice Ravel, dem „Boléro“. Das Concertgebouw-orchester Amsterdam unter Leitung von Eduard von Beinum hat es bei diesem Stück geschafft, die damals zur Verfügung stehende Dynamik der Aufnahmetechnik bis ans Limit auszureizen. Die markanten Staccato des Titels erscheinen kaum hörbar aus dem Nichts des akustischen Äthers und sind bei unzähligen Tests Maßstab für Mikrodynamik, musikalische Extraklasse und Transparenz. Die Gauder Akustik Vescova bleiben dabei so differenziert, dass man manchmal das Gefühl hat, man nähere sich dem Konzertsaal aus der Ferne und mit jedem Schritt rücken die Geigen einen Zentimeter näher an den Hörer. Diese Dynamikwanderung passiert dabei so wohldosiert, wie es kaum ein anderer Lautsprecherhersteller hinbekommen könnte. Die Accuton-membranen in Kombination mit der außergewöhnlichen Frequenzweiche leisten hierbei so fulminante Arbeit, dass wir uns sehnsüchtig auf den großen Knall, die Explosion des Stücks freuen, nur um dann festzustellen, dass wir die Tür zum Konzertsaal öffnen, hineintreten in die Aufnahme und Platz nehmen in der ersten Reihe, während das Orchester schweißtreibende Arbeit leistet und vom Pianissimo ins Tutti-forte wechselt. Bravo! Selten haben wir in dieser Preisklasse einen Lautsprecher gehört, der so nah an die perfekte Illusion heranreicht, wie die Vescova Black Edition.
FAZIT
Mit der Neuauflage des Standlautsprechers Vescova ist Gauder Akustik ein idealer Vertreter der Keramik-serie zwischen der Einstiegsklasse Arcona und der Premium-kollektion Berlina gelungen. Jedes Detail folgt dem Duktus der Entwickler um Dr. Roland Gauder, durch zurate ziehen physikalischer Gesetze und dem fast künstlerischen Einsatz derer, einen Lautsprecher zu entwickeln, welcher in allen Disziplinen voll und ganz zu überzeugen weiß. Zeitloses Design trifft hier auf modernste Technik und raffinierte Lösungen elektroakustischer Problemstellungen.
BESONDERHEITEN
• konfektionierte Keramik-treiber • dreistufige Raumanpassung • mit Sand aufgefüllte Gehäusematrix • extrem steil filternde Frequenzweiche Vorteile +hervorragende Räumlichkeit +gelungene klangliche Differenzierung Nachteile – keine