Dr. Ton
Von der Wachswalze in Edisons Phonograph, über die Schellackplatte in Berliners Grammophon bis zur Vinylplatte im modernen Plattenspieler. Wir betrachten in einem knappen Abriss die Geschichte der mechanischen Schallaufzeichnung.
Von der FLAC Datei auf der SSD bis zum leicht angestaubten Medium der Compact Disc, die meisten Medien zur permanenten Speicherung und Wiedergabe von Schallereignissen arbeiten heutzutage digital. Mit Ausnahme der Schallplatte, denn diese arbeitet nach dem Prinzip der mechanischen Schallaufzeichnung. Doch das grundlegende Prinzip dahinter fand in anderer Form schon früher Anwendung. Wir begeben uns zunächst in die Pionierzeit der Schallaufzeichnung und betrachten sozusagen die Ahnen unseres geliebten Vinyls.
Der Phonograph
Allgemein wird die Erfindung der mechanischen Schallaufzeichnung oft auf das Jahr 1877 datiert. Und als Erfinder fällt häufig der Name Thomas Alva Edison. Ja genau, der bekannte Erfinder mit der Glühbirne und so. Dieser reichte, nachdem er das erste funktionstüchtige Modell konstruiert hatte, am 24. Dezember 1877 nämlich das Patent für seinen Phonographen ein, welches ihm auch im folgenden Jahr bestätigt wurde. Im April 1877 hatte der französische Dichter und Erfinder Charles Cros jedoch schon die grundlegende Idee eines Phonographen, er nannte seine Erfindung Paléophone, in einer an der Akademie der Wissenschaften in Paris eingereichten Arbeit beschrieben. Es wird allgemein angenommen, dass Edison nichts von Cros Arbeit
gewusst hat, sondern schlichtweg nur die selbe Idee hatte und diese schneller umgesetzt hat. Edisons Phonograph, in seiner ursprünglich zum Patent angemeldeten Version jedenfalls, arbeitete nach einem gänzlich einfachen akustisch-mechanischen Prinzip. Ein Trichter bündelte bei der Aufnahme den einfallenden Schall auf eine sogenannte Schalldose. Diese bestand im Grunde aus einer Membran, die eine senkrecht und mittig auf ihr aufgebrachte Nadel zur Auslenkung brachte und so die Schwingung der Membran auf einem Tonträger aufzeichnete. Ursprünglich setzte Edison dazu mit Zinnfolie bezogene Zylinder ein, in welche die Nadel die Schallinformation in die Tiefe des weichen Zinns einschnitt. Der Zylinder wurde mittels einer Kurbel gleichzeitig um sich selbst gedreht und mittels einer Gewindestange vorwärts bewegt, wodurch eine durchgehende, gewindeartige Rille auf dem Zylinder entstand. Diese wurde bei frühen Modellen noch durch eine separate Schalldose mit Trichter wieder abgespielt, während bei späteren Modellen nur noch eine Schalldose beide Aufgaben übernahm.
Bell and Tainter
Neben dem Problem, dass die Zinnfolien-zyinder von Edison nicht vervielfältigt werden konnten, waren sie auch stark mit Nebengeräuschen behaftet und allgemein von eher minderer Klangqualität. 1884 machten sich Charles Sumner Tainter und Chichester Bell daran Edisons Erfindung weiterzuentwickeln, primär mit dem Ziel die Wiedergabequalität zu erhöhen. In dem von Chichesters Cousin Alexander Graham Bell finanzierten Volta Laboratory experimentierten sie zunächst mit einer Metallscheibe mit wachsgefüllten Rillen als Medium, welche man streng genommen als die erste Schallplatte bezeichnen könnte. Aufgrund des hohen Aufwands bei der Herstellung kehrten die beiden 1885 zur Zylinderform zurück. Bell und Tainter setzten jedoch, anders als Edison, auf Walzen aus Pappe, die mit einer dünnen Wachsschicht überzogen wurden. Die Geräte selbst erhielten den Titel „Graphophone“. Das Pa-
tent, sowohl für die Wachswalzen, wie auch das Graphophone selbst, wurde Bell und Tainter am 4. Mai 1886 erteilt.
Edisons Wachswalzen
Nachdem Bell und Tainter Edison anschließend eine weiterführende Zusammenarbeit angeboten hatten, welche dieser jedoch ausschlug, widmete sich Edison der Entwicklung seiner eigenen Wachszylinder. Hauptsächlich mit dem Ziel der Problematik der Vervielfältigung Herr zu werden und die Herstellung zu optimieren. 1887 stellte Edison dann „The New Phonograph“vor, welcher Zylinder mit einer 5–6 Millimeter dicken Schicht aus Paraffinwachs verwendete. Es folgte eine lange Phase in der Edison mit verschiedenen Kopierarten experimentierte, bis er schließlich erst 1902 ein Gussverfahren entwickelte, welches auf einer mittels Galvanisierung eines Masters erstellten Matrize basiert. Schon davor hatte Edison verschiedene weitere Wachwalzen-typen entwickelt, wie die „Concert Record – Brown Wax Cylinder“und setzte dies auch in den folgenden Jahren etwa mit der „Amberol Record“fort. Auch andere Hersteller, wie die Columbia Phonograph Company oder Pathé aus Frankreich stellten ihre eigenen Wachszylinder her. Sowohl deren als auch Edisons eigene Zylinder variieren hinsichtlich ihrer maximalen Spielzeit und in ihrer Abspielgeschwindigkeit. Eine komplette Liste würde hier schlichtweg den Rahmen sprengen. Edisons eigene Kreationen liegen jedoch als Anhaltspunkt meist zwischen 120 und 160 RPM und Spielzeiten zwischen zwei und vier Minuten.
Das Grammophon
Letztlich hatte sich jedoch schon Jahre zuvor eine Entwicklung in Gang gesetzt, die den Phonographen und mit ihm die Wachswalze als mechanisches Medium der Stunde ablösen sollten. Schon 1887 hatte sich Emil Berliner, wie drei Jahre zuvor Bell und Tainter, daran gemacht den Phonographen von Edison weiterzuentwickeln. Auch ihn interessierte, wie Edison selbst, vor allem die Problematik der Vervielfältigung des verwendeten Mediums. Nach anfänglichen Versuchen mit Zylindern entwickelte Berliner unabhängig von Bell und Tainter (diese hatten ihre Experimente mit scheibenförmigen Tonträgern nicht veröffentlicht) ein Medium in Scheibenform, inklusive des für die Aufnahme und Wiedergabe dessen benötigten Apparates. Anders als Edison verwendete er dabei jedoch keine Tiefenschrift, sondern eine Seitenschrift bei der mit konstanter Tiefe geschnitten wird und die Schallschwingungen eine seitliche Auslenkung der Rille bewirken. Dieses Verfahren setze er schon bei seinen Versuchen mit Zylindern ein. Diese Seitenschrift trug er nun schneckenförmig auf mit Ruß beschichtete Glasplatten auf. Aus diesen konnte er mittels chemischer Prozesse Masterplatten aus Zink erstellen und über diese Stempel fertigen mit denen leicht eine Vielzahl an Kopien des Originals produziert werden konnten. Die Geburtsstunde der Schallplatte, wie wir sie kennen. Diese waren nicht nur einfacher in großen Mengen zu produzieren als Edisons Wachszylinder, sondern waren auch noch platzsparender zu lagern. Seinen Aufnahme- und Abspielapparat nannte Berliner übrigens Grammophon. Jetzt darf man drei Mal raten, wieso Musiker auch heute noch sogenannte Grammys gewinnen. Aber wir schweifen ab. Zunächst fertigte man die Kopien aus Zelluloid, wechselte aber schon 1888 zu Hartgummi. Mangels Investoren nahm Berliner die Serienproduktion seiner Schallplatten, mit der er 1889 begann, zunächst selbst in die Hand. Der kommerzielle Durchbruch ergab sich jedoch erst 1896. Einerseits begann Berliner hier seine Grammophone mit Federwerk-motoren zu bestücken und anderseits stellte man die Produktion von Hartgummiplatten ein und stieg auf eine Pressmasse aus Schieferpulver, Baumwollflock und Schellack um. Diese neue Schellackplatte konnte durch besseren Klang und höhere Stabilität überzeugen. Schellackplatten, mit ihren 10 oder 12 Zoll Durchmesser, waren in der Lage bei der gängigen Wiedergabegeschwindigkeit von 78 RPM etwa drei bis vier Minuten Laufzeit pro Seite zu erreichen. Die Schellackplatte war bis in die 1940er Jahre und in manchen Ländern sogar bis in die 1960er weit verbreitet. Erst die Mischung aus der kriegsbedingten Verknappung von Schellack in Verbindung mit dem Aufkommen von Kunststoffen wie Polyvinylchlorid a. k. a. Vinyl und elektrischen Tonabnehmern und Plattenspielern sollten die Schellackplatte von ihrem Thron stoßen. Aber um darauf genauer einzugehen, reicht hier leider der Platz nicht mehr. Ein anderes Mal vielleicht.