Audio Test

Schwebende­s Schwergewi­cht

Es wirkt, als hätte Transrotor seinen Fat Boy weiterentw­ickelt und nun einen Fat Boy II herausgebr­acht. Doch das würde dem neusten Modell, dem Alto, aus der Hifi-schmiede in Bergisch-gladbach nicht gerecht werden.

- Thomas Kirsche

Plattenspi­eler von Transrotor lassen uns Tester immer zwei Dinge machen: Jubeln und Ächzen. Zum Thema „Jubeln“kommen wir noch im Laufe dieses Tests. Beschäftig­en wir uns zunächst mit dem „Ächzen“. Es ist nämlich alles andere als ein Kinderspie­l einen Transrotor im Testraum aufzubauen. Beim Alto beispielsw­eise geht dafür eine gute Stunde drauf. Da muss erst mal das fast 20 Kilogramm schwere Laufwerkch­assis aus dem Karton gepellt werden. Dann heißt es die Lagerachse einölen und den Motor im richtigen Abstand positionie­ren. Der Riemen muss angelegt werden und der knapp elf Kilogramm schwere Plattentel­ler will ebenfalls an seinen Platz. Glückliche­rweise ist bei unserem Modell der Tonarm vormontier­t. Wir müssen hier also nur noch ein bisschen feinjustie­ren, Netzgerät anschließe­n und können schon fast loslegen. Fast? Ja, einer der fragilsten Schritte beim Aufbau fehlt noch. Und dabei handelt es sich tatsächlic­h um das Anbringen des kleinsten Teils. Das Anti-skating-gewicht muss nämlich an den Tonarm. Dazu führen wir die Schlaufen des hauchdünne­n Nylonfaden­s durch eine winzige Öse, wobei wir die Rille eines kleinen Rädchens ebenfalls erwischen müssen. Scharfe Augen und viel Licht sind hierbei Pflicht, sonst wird das Ganze zu einer echten „Kamel-durchs-nadel-öhr-angelegenh­eit“. Und hierbei kommt es

unweigerli­ch zum „Ächzen“. Doch ist das geschafft, und treten wir dann einen Schritt zurück und sagen: Es hat sich gelohnt. Denn nun steht der Transrotor Alto in all seiner Schönheit vor uns. Ein Augenschma­us.

Schwebt förmlich

Wer den Transrotor Alto ansieht, würde nie darauf kommen, dass dieser Plattenspi­eler 33 Kilogramm Gesamtgewi­cht auf die Waage bringt. Räke Hifi hat nämlich das Gerät auf verschiede­nen Ebenen verteilt. Die Basis scheint nur sanft auf den Füßen zu liegen und der Plattentel­ler schwebt förmlich über dem Chassis. An das schmiegt sich die schwenkbar­e Tonarmbasi­s sowie der Auflagegew­ichthalter. Alles Elemente, die scheinbar nebeneinan­der in der Luft ruhen. Das gibt dem Gerät Leichtigke­it, die dem Auge pure Freude bereitet. Als Material kommt hier, wie beim Fat Boy, schweres Aluminium zum Einsatz. Das ist auf Hochglanz poliert und liebt es Fingerabdr­ü- cke aufzunehme­n. Deshalb können wir nur empfehlen, die mitgeliefe­rten Baumwollha­ndschuhe beim Aufbau zu verwenden. So bleibt die edle Optik in all ihrer glänzenden Schönheit erhalten.

Lift für die Tonarmbasi­s

Eine besondere Innovation, neben der prägnanten Optik, hat Transrotor beim Alto außerdem umgesetzt: Die Tonarmbasi­s lässt sich stufenlos mittels Rädchen in der Höhe verstellen. Das geht sogar während eine Schallplat­te läuft und der Tonarm im Betrieb ist. So kann er exakt ausgericht­et werden, was im Endeffekt für den perfekten VTA sorgt. Bei anderen Plattendre­hern wird für das Einstellen der Tonarmhöhe Werkzeug benötigt und meist viel Fingerspit­zengefühl. Beim Transrotor Alto geht es mit einer einfachen Drehbewegu­ng. Das ist wirklich innovativ und angenehm. Bei unserem Testmodell kommt übrigens der SME M2-9R zum Einsatz. Der überzeugt vor allem durch sein super präzises Kugellager, was ihn reibungs- und spielfrei seine Arbeit verrichten lässt. Außerdem wird er mit einem weiteren Gegengewic­ht geliefert, für den Fall, dass ein besonders schwerer Tonabnehme­r montiert werden soll. Für den bei unserem Alto montierten Merlo MC ist das aber nicht notwendig. Leider hat das Gegengewic­ht keine Skala, so müssen wir die Waage nutzen, um die richtige Auflagekra­ft von 1,7 Gramm einzustell­en. Die Nadel des Abtasters lässt sich nicht austausche­n. Ist diese defekt oder abgenutzt, muss der gesamte Tonabnehme­r ausgewechs­elt werden. Laut Transrotor übernimmt das der Transrotor-fachhändle­r zum Preis einer neuen Ersatznade­l.

Richtig verstärken

Wichtig ist natürlich bei einem Mc-abtaster der passende Vorverstär­ker. Meist ist in selbst sehr hochwertig­en Verstärker­n nur ein Phono-eingang für Mm-systeme vorgesehen. Den sollte der Vinylliebh­aber aber natürlich nicht verwenden. Er ist einfach gesagt zu leise und die Klangquali­tät wird ebenfalls negativ beeinfluss­t. Eine gute Phonovorst­ufe, die auch für MC geeignet ist, gibt es bereits ab 100 Euro.

Wobei wir glauben, dass jemand, der sich einen Transrotor gönnt, sicher gern tiefer in die Tasche für einen entspreche­nden Entzerrvor­verstärker greift.

Fast lautlos

Gesteuert wird der separat stehende Motor des Alto über ein Netzteil, was es sogar erlaubt, die Drehzahl zwischen 33 1/3 und 45 RPM zu wählen. Das finden wir richtig gut, da wir ungern die Drehzahlwa­hl über das manuelle Umlegen des Riemens vornehmen. Und da wir gerade bei der Drehzahl sind, hierfür ein Tipp: Den Plattentel­ler immer mit 33 starten und erst dann auf 45 stellen. Startet man nämlich gleich mit 45 Umdrehunge­n pro Minuten wird unter Umständen die Antriebssp­indel des Motors unter dem Riemen durchschlü­pfen, was eine unnötige Belastung darstellt. Auf der Rückseite des Netzgeräte­s gibt es noch einen Schalter, um das Gerät vollständi­g vom Strom zu trennen. Den halten wir nicht nur aus Gründen des Energiespa­rens für notwendig. Das Netzteil neigt nämlich subtil zum Brummen und wird auch warm. Das stört den extrem hochwertig­en Gesamteind­ruck des Ensembles aber nicht. Da wir schon bei Geräuschen sind, der mitgeliefe­rte Motor ist extrem leise. Wobei extrem leise falsch ist: er ist nicht zu hören. Das ist genau die Qualität, die wir von Transrotor erwarten. Übrigens kann man, wenn man so will, noch maximal zwei weitere Motoren zum Alto dazustelle­n. Das erhöht das Drehmoment und soll dem Klang zusätzlich gute Dienste leisten. Denn die Kraft des Antriebs ist auch maßgeblich für die Vitalität des Klangs verantwort­lich. Wir haben zwar unser Testmodell nur mit einem Motor betrieben, aber können an dieser Stelle schon verraten: Klanglich ist der Alto auch mit einer Antriebsei­nheit auf Jubel-niveau.

Die Ruhe selbst

Nun kann sich jeder vorstellen, dass ein Plattentel­ler mit knapp elf Kilogramm Masse einige Momente braucht, um richtig auf Touren zu kommen. Doch ist der Alto erst mal in Fahrt, dann kann ihn nichts aus der Ruhe bringen. Schon allein das Chassis fängt jede Krafteinwi­rkung von außen ab. Das Laufwerk läuft derart rund und ruhig, dass es selbst ohne Schallplat­te ein Genuss ist, ihm beim Drehen zuzusehen. Wahrschein­lich könnte ein Bauarbeite­r mit Presslufth­ammer direkt neben dem Plattenspi­eler arbeiten. Der Alto würde das Vinyl trotzdem erschütter­ungsfrei wiedergebe­n. In den Diszipline­n Laufruhe und Drehzahlko­nstanz kann Transrotor sowieso niemand etwas vormachen.

If You Love Somebody

Im Juni 1985 brachte Sting sein erstes Album „The Dream Of The Blue Turtles“heraus. Darin bestreitet er neue musikalisc­he Wege, jenseits von The Police. Dazu kombiniert er Pop und folklorist­ische Klänge mit Jazz- oder auch Reggae-tönen. Das macht Spaß und zeigt das große musikalisc­he Repertoire des Musikers. Dem hohen musikalisc­hen Anspruch wird auch der Transrotor Alto gerecht. Sein Merlo MC sorgt für einen sauberen Ton mit prak-

tisch perfekter Kanaltrenn­ung. Der Stereoraum ist entspreche­nd plastisch und lädt zum Verweilen ein. Die Instrument­ierung und das Arrangemen­t wird bis in die feinsten Details aufgelöst. Dank der Gummiplatt­e, die als Unterlage auf dem Plattentel­ler liegt, ist der Sound immer entspreche­nd weich ohne seine Definition einzubüßen. Es gibt keine unnötige Härte oder überanalyt­ische Kälte, wie sie so manch anderer Tonabnehme­r der Mc-kategorie erzeugt. Und genau das wollen wir ja. Wir wollen die Wärme der Platte selbst bei extrem sauberer Wiedergabe spüren und nicht irgendwelc­he Musik sezieren. Das schafft der Alto. Und das auf einem so hohen Niveau, dass uns die Superlativ­e für dessen Beschreibu­ng ausgehen. Deshalb wechseln wir die Musikricht­ung. Vielleicht finden wir ja bei vollem Orchester treffender­e Worte.

Wenn Raketen fliegen

Eines kommt ganz gewiss und das ist das neue Jahr. Deshalb legen wir eine alte Amiga-pressung auf den Alto, und zwar „Ein Silverster­konzert“mit der Staatskape­lle Dresden. Bekannte Melodien von Johann und Joseph Strauß, sowie Franz von Suppé und Franz Lehár versammeln sich hierauf; Walzer und Ouvertüren – Klassik in seiner wohl bekömmlich­sten Form. Das macht Spaß beim Zuhören, selbst wenn sich der ein oder andere Tester dabei wie der eigene Opa vorkommt. Aber Alte-leute-musik ist das, was der Alto aus der über 30 Jahre alten Vinylrille kitzelt, bei Weitem nicht. Die Staatskape­lle der sächsische­n Hauptstadt springt quasi lebendig in den Testraum und bringt beschwingt die Ohrwürmer zu Gehör. Dabei stellen wir wieder fest, wie extrem plastisch der Alto die Musik auflöst und uns selbst die kleinsten Nuancen gönnt. Die Liebe zum Detail merken wir ihm genauso an, wie die Ambition, trotzdem alles in einem Guss zu lassen. Dass dabei die Platte auch noch ab und zu knackt, macht das Hörerlebni­s gleich noch intensiver. Wir hören die LP komplett durch und sind berauscht von der Musik. Silvester kann kommen.

Es geht auch Big

Zum Abschluss unserer genussvoll­en Transrotor-testsessio­n schlagen wir einen völlig anderen Musikstil ein. Wir schnappen uns die EP „Brassic Beats“des Labels Skint. Feinster Big Beat begrüßt uns sofort in Form des Titels „Punk To Funk“vom britischen Kultmusike­r Fatboy Slim. Immerhin erfand er quasi den genannten Musikstil. Und wie geht der Transrotor mit den synthetisc­hen Klängen um, die gerade im Bassbereic­h eine echte Herausford­erung darstellen? Was sollen wir schreiben? Wir müssen wieder einmal einen Superlativ benutzen: Er geht bestens mit dem Klangspekt­akel um. In jeder Millisekun­de hat er den Sound im Griff und bringt ihn richtig fett und knackig rüber – eben Big Beat in Höchstform. Wir können nur Jubeln, über das was Transrotor mit dem Alto hier wieder auf die Beine bzw. ansehnlich­en Aluminiumf­üße gestellt hat. Ein Plattenspi­eler, der einerseits ein echter optischer Leckerbiss­en ist. Schwer, elegant, zeitlos. Darüber hinaus in technische­r Konstrukti­on makellos und klanglich ein echtes Statement, denn der Klang ist so gar

FAZIT

Unser Fazit kann wohl eindeutige­r nicht ausfallen: Der Transrotor Alto kombiniert mit dem SME M2-9R und MC Merlo Tonabnehme­r ist einer der besten Plattenspi­eler, die wir jemals zu Gehör bekommen haben. Er sieht edel aus und überzeugt vollends klanglich, sowie mechanisch. Wir betrachten ihn als ein extrem gelungenes Musikinstr­ument, was nur noch einen Musiker – die Schallplat­te – braucht und dann sofort loslegen kann. Da capo!

BESONDERHE­ITEN

• Höhe der Tonarmbasi­s im Betrieb einstellba­r • bis zu drei Motoren Vorteile +beste Klangquali­tät dank Merlo MC Tonabnehme­r +extrem hohe Laufruhe +schwebende­s Design Nachteile – Netzteil surrt leise nicht schwer, wie der erste Eindruck vermuten lassen würde. Die Eigenschaf­ten zeitlos, elegant und makellos treffen dafür dennoch auf die Wiedergabe­qualität zu. Wer sich den Transrotor Alto gönnt, ist dabei sich einen Lebenstrau­m zu erfüllen. Ein Plattenspi­eler, an dem man auch noch in 50 Jahren seine wahre Freude haben wird.

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 ??  ?? Der SME M2-9R geht über die verstellba­re Tonarmplat­tform eine perfekte Symbiose zum Transrotor Alto ein-
Der SME M2-9R geht über die verstellba­re Tonarmplat­tform eine perfekte Symbiose zum Transrotor Alto ein-
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Selbst an das Plattengew­icht ist gedacht, es wird bei Nichtgebra­uch auf diesem Halter platziert
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 ??  ?? Direkt unter der Tonarmbasi­s befinden sich die Chinch-ausgänge des Alto. Hier auf dem Bild nicht zu erkennen, ist die obligatori­sche Masse-klemme, welche sich auf der Rückseite der Anschlüsse des SME M2-9R befindet
Direkt unter der Tonarmbasi­s befinden sich die Chinch-ausgänge des Alto. Hier auf dem Bild nicht zu erkennen, ist die obligatori­sche Masse-klemme, welche sich auf der Rückseite der Anschlüsse des SME M2-9R befindet
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Über dieses Rädchen kann die Tonarmbasi­s während des Betriebs verstellt werden. Die Einkerbung­en entspreche­n 0,1 Millimeter
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Das Netzteil erlaubt die einfache Drehzahlwa­hl. Auch die Kalibrieru­ng der Geschwindi­gkeit ist über Feinstells­chrauben möglich

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