Schwebendes Schwergewicht
Es wirkt, als hätte Transrotor seinen Fat Boy weiterentwickelt und nun einen Fat Boy II herausgebracht. Doch das würde dem neusten Modell, dem Alto, aus der Hifi-schmiede in Bergisch-gladbach nicht gerecht werden.
Plattenspieler von Transrotor lassen uns Tester immer zwei Dinge machen: Jubeln und Ächzen. Zum Thema „Jubeln“kommen wir noch im Laufe dieses Tests. Beschäftigen wir uns zunächst mit dem „Ächzen“. Es ist nämlich alles andere als ein Kinderspiel einen Transrotor im Testraum aufzubauen. Beim Alto beispielsweise geht dafür eine gute Stunde drauf. Da muss erst mal das fast 20 Kilogramm schwere Laufwerkchassis aus dem Karton gepellt werden. Dann heißt es die Lagerachse einölen und den Motor im richtigen Abstand positionieren. Der Riemen muss angelegt werden und der knapp elf Kilogramm schwere Plattenteller will ebenfalls an seinen Platz. Glücklicherweise ist bei unserem Modell der Tonarm vormontiert. Wir müssen hier also nur noch ein bisschen feinjustieren, Netzgerät anschließen und können schon fast loslegen. Fast? Ja, einer der fragilsten Schritte beim Aufbau fehlt noch. Und dabei handelt es sich tatsächlich um das Anbringen des kleinsten Teils. Das Anti-skating-gewicht muss nämlich an den Tonarm. Dazu führen wir die Schlaufen des hauchdünnen Nylonfadens durch eine winzige Öse, wobei wir die Rille eines kleinen Rädchens ebenfalls erwischen müssen. Scharfe Augen und viel Licht sind hierbei Pflicht, sonst wird das Ganze zu einer echten „Kamel-durchs-nadel-öhr-angelegenheit“. Und hierbei kommt es
unweigerlich zum „Ächzen“. Doch ist das geschafft, und treten wir dann einen Schritt zurück und sagen: Es hat sich gelohnt. Denn nun steht der Transrotor Alto in all seiner Schönheit vor uns. Ein Augenschmaus.
Schwebt förmlich
Wer den Transrotor Alto ansieht, würde nie darauf kommen, dass dieser Plattenspieler 33 Kilogramm Gesamtgewicht auf die Waage bringt. Räke Hifi hat nämlich das Gerät auf verschiedenen Ebenen verteilt. Die Basis scheint nur sanft auf den Füßen zu liegen und der Plattenteller schwebt förmlich über dem Chassis. An das schmiegt sich die schwenkbare Tonarmbasis sowie der Auflagegewichthalter. Alles Elemente, die scheinbar nebeneinander in der Luft ruhen. Das gibt dem Gerät Leichtigkeit, die dem Auge pure Freude bereitet. Als Material kommt hier, wie beim Fat Boy, schweres Aluminium zum Einsatz. Das ist auf Hochglanz poliert und liebt es Fingerabdrü- cke aufzunehmen. Deshalb können wir nur empfehlen, die mitgelieferten Baumwollhandschuhe beim Aufbau zu verwenden. So bleibt die edle Optik in all ihrer glänzenden Schönheit erhalten.
Lift für die Tonarmbasis
Eine besondere Innovation, neben der prägnanten Optik, hat Transrotor beim Alto außerdem umgesetzt: Die Tonarmbasis lässt sich stufenlos mittels Rädchen in der Höhe verstellen. Das geht sogar während eine Schallplatte läuft und der Tonarm im Betrieb ist. So kann er exakt ausgerichtet werden, was im Endeffekt für den perfekten VTA sorgt. Bei anderen Plattendrehern wird für das Einstellen der Tonarmhöhe Werkzeug benötigt und meist viel Fingerspitzengefühl. Beim Transrotor Alto geht es mit einer einfachen Drehbewegung. Das ist wirklich innovativ und angenehm. Bei unserem Testmodell kommt übrigens der SME M2-9R zum Einsatz. Der überzeugt vor allem durch sein super präzises Kugellager, was ihn reibungs- und spielfrei seine Arbeit verrichten lässt. Außerdem wird er mit einem weiteren Gegengewicht geliefert, für den Fall, dass ein besonders schwerer Tonabnehmer montiert werden soll. Für den bei unserem Alto montierten Merlo MC ist das aber nicht notwendig. Leider hat das Gegengewicht keine Skala, so müssen wir die Waage nutzen, um die richtige Auflagekraft von 1,7 Gramm einzustellen. Die Nadel des Abtasters lässt sich nicht austauschen. Ist diese defekt oder abgenutzt, muss der gesamte Tonabnehmer ausgewechselt werden. Laut Transrotor übernimmt das der Transrotor-fachhändler zum Preis einer neuen Ersatznadel.
Richtig verstärken
Wichtig ist natürlich bei einem Mc-abtaster der passende Vorverstärker. Meist ist in selbst sehr hochwertigen Verstärkern nur ein Phono-eingang für Mm-systeme vorgesehen. Den sollte der Vinylliebhaber aber natürlich nicht verwenden. Er ist einfach gesagt zu leise und die Klangqualität wird ebenfalls negativ beeinflusst. Eine gute Phonovorstufe, die auch für MC geeignet ist, gibt es bereits ab 100 Euro.
Wobei wir glauben, dass jemand, der sich einen Transrotor gönnt, sicher gern tiefer in die Tasche für einen entsprechenden Entzerrvorverstärker greift.
Fast lautlos
Gesteuert wird der separat stehende Motor des Alto über ein Netzteil, was es sogar erlaubt, die Drehzahl zwischen 33 1/3 und 45 RPM zu wählen. Das finden wir richtig gut, da wir ungern die Drehzahlwahl über das manuelle Umlegen des Riemens vornehmen. Und da wir gerade bei der Drehzahl sind, hierfür ein Tipp: Den Plattenteller immer mit 33 starten und erst dann auf 45 stellen. Startet man nämlich gleich mit 45 Umdrehungen pro Minuten wird unter Umständen die Antriebsspindel des Motors unter dem Riemen durchschlüpfen, was eine unnötige Belastung darstellt. Auf der Rückseite des Netzgerätes gibt es noch einen Schalter, um das Gerät vollständig vom Strom zu trennen. Den halten wir nicht nur aus Gründen des Energiesparens für notwendig. Das Netzteil neigt nämlich subtil zum Brummen und wird auch warm. Das stört den extrem hochwertigen Gesamteindruck des Ensembles aber nicht. Da wir schon bei Geräuschen sind, der mitgelieferte Motor ist extrem leise. Wobei extrem leise falsch ist: er ist nicht zu hören. Das ist genau die Qualität, die wir von Transrotor erwarten. Übrigens kann man, wenn man so will, noch maximal zwei weitere Motoren zum Alto dazustellen. Das erhöht das Drehmoment und soll dem Klang zusätzlich gute Dienste leisten. Denn die Kraft des Antriebs ist auch maßgeblich für die Vitalität des Klangs verantwortlich. Wir haben zwar unser Testmodell nur mit einem Motor betrieben, aber können an dieser Stelle schon verraten: Klanglich ist der Alto auch mit einer Antriebseinheit auf Jubel-niveau.
Die Ruhe selbst
Nun kann sich jeder vorstellen, dass ein Plattenteller mit knapp elf Kilogramm Masse einige Momente braucht, um richtig auf Touren zu kommen. Doch ist der Alto erst mal in Fahrt, dann kann ihn nichts aus der Ruhe bringen. Schon allein das Chassis fängt jede Krafteinwirkung von außen ab. Das Laufwerk läuft derart rund und ruhig, dass es selbst ohne Schallplatte ein Genuss ist, ihm beim Drehen zuzusehen. Wahrscheinlich könnte ein Bauarbeiter mit Presslufthammer direkt neben dem Plattenspieler arbeiten. Der Alto würde das Vinyl trotzdem erschütterungsfrei wiedergeben. In den Disziplinen Laufruhe und Drehzahlkonstanz kann Transrotor sowieso niemand etwas vormachen.
If You Love Somebody
Im Juni 1985 brachte Sting sein erstes Album „The Dream Of The Blue Turtles“heraus. Darin bestreitet er neue musikalische Wege, jenseits von The Police. Dazu kombiniert er Pop und folkloristische Klänge mit Jazz- oder auch Reggae-tönen. Das macht Spaß und zeigt das große musikalische Repertoire des Musikers. Dem hohen musikalischen Anspruch wird auch der Transrotor Alto gerecht. Sein Merlo MC sorgt für einen sauberen Ton mit prak-
tisch perfekter Kanaltrennung. Der Stereoraum ist entsprechend plastisch und lädt zum Verweilen ein. Die Instrumentierung und das Arrangement wird bis in die feinsten Details aufgelöst. Dank der Gummiplatte, die als Unterlage auf dem Plattenteller liegt, ist der Sound immer entsprechend weich ohne seine Definition einzubüßen. Es gibt keine unnötige Härte oder überanalytische Kälte, wie sie so manch anderer Tonabnehmer der Mc-kategorie erzeugt. Und genau das wollen wir ja. Wir wollen die Wärme der Platte selbst bei extrem sauberer Wiedergabe spüren und nicht irgendwelche Musik sezieren. Das schafft der Alto. Und das auf einem so hohen Niveau, dass uns die Superlative für dessen Beschreibung ausgehen. Deshalb wechseln wir die Musikrichtung. Vielleicht finden wir ja bei vollem Orchester treffendere Worte.
Wenn Raketen fliegen
Eines kommt ganz gewiss und das ist das neue Jahr. Deshalb legen wir eine alte Amiga-pressung auf den Alto, und zwar „Ein Silversterkonzert“mit der Staatskapelle Dresden. Bekannte Melodien von Johann und Joseph Strauß, sowie Franz von Suppé und Franz Lehár versammeln sich hierauf; Walzer und Ouvertüren – Klassik in seiner wohl bekömmlichsten Form. Das macht Spaß beim Zuhören, selbst wenn sich der ein oder andere Tester dabei wie der eigene Opa vorkommt. Aber Alte-leute-musik ist das, was der Alto aus der über 30 Jahre alten Vinylrille kitzelt, bei Weitem nicht. Die Staatskapelle der sächsischen Hauptstadt springt quasi lebendig in den Testraum und bringt beschwingt die Ohrwürmer zu Gehör. Dabei stellen wir wieder fest, wie extrem plastisch der Alto die Musik auflöst und uns selbst die kleinsten Nuancen gönnt. Die Liebe zum Detail merken wir ihm genauso an, wie die Ambition, trotzdem alles in einem Guss zu lassen. Dass dabei die Platte auch noch ab und zu knackt, macht das Hörerlebnis gleich noch intensiver. Wir hören die LP komplett durch und sind berauscht von der Musik. Silvester kann kommen.
Es geht auch Big
Zum Abschluss unserer genussvollen Transrotor-testsession schlagen wir einen völlig anderen Musikstil ein. Wir schnappen uns die EP „Brassic Beats“des Labels Skint. Feinster Big Beat begrüßt uns sofort in Form des Titels „Punk To Funk“vom britischen Kultmusiker Fatboy Slim. Immerhin erfand er quasi den genannten Musikstil. Und wie geht der Transrotor mit den synthetischen Klängen um, die gerade im Bassbereich eine echte Herausforderung darstellen? Was sollen wir schreiben? Wir müssen wieder einmal einen Superlativ benutzen: Er geht bestens mit dem Klangspektakel um. In jeder Millisekunde hat er den Sound im Griff und bringt ihn richtig fett und knackig rüber – eben Big Beat in Höchstform. Wir können nur Jubeln, über das was Transrotor mit dem Alto hier wieder auf die Beine bzw. ansehnlichen Aluminiumfüße gestellt hat. Ein Plattenspieler, der einerseits ein echter optischer Leckerbissen ist. Schwer, elegant, zeitlos. Darüber hinaus in technischer Konstruktion makellos und klanglich ein echtes Statement, denn der Klang ist so gar
FAZIT
Unser Fazit kann wohl eindeutiger nicht ausfallen: Der Transrotor Alto kombiniert mit dem SME M2-9R und MC Merlo Tonabnehmer ist einer der besten Plattenspieler, die wir jemals zu Gehör bekommen haben. Er sieht edel aus und überzeugt vollends klanglich, sowie mechanisch. Wir betrachten ihn als ein extrem gelungenes Musikinstrument, was nur noch einen Musiker – die Schallplatte – braucht und dann sofort loslegen kann. Da capo!
BESONDERHEITEN
• Höhe der Tonarmbasis im Betrieb einstellbar • bis zu drei Motoren Vorteile +beste Klangqualität dank Merlo MC Tonabnehmer +extrem hohe Laufruhe +schwebendes Design Nachteile – Netzteil surrt leise nicht schwer, wie der erste Eindruck vermuten lassen würde. Die Eigenschaften zeitlos, elegant und makellos treffen dafür dennoch auf die Wiedergabequalität zu. Wer sich den Transrotor Alto gönnt, ist dabei sich einen Lebenstraum zu erfüllen. Ein Plattenspieler, an dem man auch noch in 50 Jahren seine wahre Freude haben wird.