AUDIOPHILER TRAUM
Alles aus einem Punkt? Fast: Joachim Gerhard hat seinen Breitbänder Puls Deluxe zur MKII-Version erweitert – nun inklusive Bändchenhochtöner im Rücken. Ein Wunderwerk.
Was erhebt einen Breitbänder zum Fetisch? Irgendwo in unseren Hinterköpfen haust ein Wesen, das uns permanent zuflüstert, dass ein Breitbänder ein begehrenswerter Außenseiter sei. Vielleicht liegt es daran, dass er eine eigentlich unmögliche Aufgabe erfüllen soll: Wie bitte stemme ich das komplette Frequenzspektrum aus nur einer Membran? Wie schaffe ich einen Treiber, der blitzsauber von 20 Hertz bis 20 Kilohertz läuft? Bei Suesskind Audio gibt’s darauf nur eine Antwort: Alles selbst machen. Joachim Gerhard ist hier der Kopf der Entwicklung und Fertigung. Nach eigenem Bekunden hat er bereits Hunderte von Membranen gemischt, geformt und aufgehängt, bis er sein Ideal für das Modell Puls gefunden hatte. Alles an diesem Laut- sprecher stammt aus seinem Kopf, einem genialischen Kopf. Um es bereits an dieser Stelle zu sagen: Die Puls Deluxe MKII spielte in unserem Hörraum auf wie ein Wunderwerk. Da war eine Raumabbildung, wie wir sie von kaum einer anderen Box kannten. Das war ein Klangbild von überragender Transparenz. Nirgends eine Schwäche. Selbst die für Breitbänder typischen Verfärbungen waren nicht zu erkennen. Stattdessen herrschte ein Umgang mit feindynamischen Informationen, für den wir nur Superlative zur Hand haben. Das ist schlicht ein WunderLautsprecher. Welche Geheimnisse verbergen sich in ihm? Es sind erstaunlich viele kleine Stellschrauben, an denen Joachim Gerhard gedreht hat. Schauen wir uns das zentrale Chassis zuerst an. Suesskind Audio setzt hier vorwiegend
auf Zellulose, also auf klassisches Papier. Es gibt jedoch Beimischungen, die eine spätere Beschichtung obsolet machen sollen, denn Gerhard mag keine Beschichtungen. Diese könnten zwar Resonanzen dämpfen, würden der Musik aber schließlich Feininformationen nehmen. Genauso geht er auch bei der Sicke vor. Die ist am Rand gewellt, eine gewöhnliche Sicke wird deshalb nicht gebraucht – wieder ein Abspecken, um Energie zu erhalten. Auch die Spinne ist eine eigene Konstruktion, die äußerst linear und luftdurchlässig agieren soll. Um Interferenzen auszugrenzen, setzt Gerhard einen Phase Plug aus massivem Holz ein. Um das Ganze auf Touren zu bringen, verwendet Suesskind Audio einen Magneten aus Alnico, der deutlich mehr kostet als die günstigen Lösungen aus Neodym oder Ferrit. Der Polkern wird zudem mit Kupfer überzogen, was verhindern soll, dass die Induktivität zu hohen Frequenzen hin steigt. Angenehmer Nebeneffekt: Der Wirkungsgrad ist enorm hoch. Dieser Lautsprecher könnte mit den feinsten und schwächsten Röhrenverstärkern auf dem Erdball angetrieben werden. Was uns auch im Hörtest auffiel: Diese Box spielt blendend mit RöhrenAmps zusammen. Fast möchten wir sagen, dass der gemeine Transistorverstärker das volle Potenzial dieses Lautsprechers nicht entfalten kann. Joachim Gerhard packt die Gesamtkonstruktion in ein Gehäuse, das fast schon archetypisch nach „Box“aussieht. Wer sich etwas Raum für Assoziationen gönnt, erkennt dahinter das Bauprinzip eines klassischen BBC- Lautspre-
chers. Allerdings lässt Suesskind Audio erhöhte Bedämpfung walten. Wie steht es um die Weiche? In der MKII-Version setzt Joachim Gerhard ja einen Bändchenhochtöner in den Rücken, der nebenbei über eine Brückenkonstruktion komplett aus dem Signalweg genommen werden kann. Spannender ist hier eine andere Konstruktion – das „Tone Shaping Modul“. Damit steuert Suesskind Audio gegen die naturbedingte Anhebung des Breitbänders im Präsenzbereich. Gerhard setzt dagegen eine bewusst einfach gehaltene Konstruktion mit besten Ingredienzien – drei feinen Bauteilen aus dem Mundorf- Katalog. Noch ein Punkt, der der Erwähnung bedarf und der Geld kostet: Suesskind hat gemeinsam mit BFly Audio einen passgenauen Ständer für die Puls Deluxe MKII entwickelt. Ein ausgefuchstes System von Anti-Resonanz- Pucks und einer metallenen Kugel, die Schwingungen ableiten soll. Das sieht nicht nur gut aus, es ergibt auch Sinn. Kostet aber 2000 Euro extra. So kommt für die Gesamtskulptur unterm Stich die stolze Summe von 10800 Euro zusammen. Viel Geld. Doch dafür bekommt der Kunde auch enorm viel Klang. Wir waren von den ersten Takten an hingerissen von der Abbildungsleistung der Puls Deluxe MKII. Da bekam der scheinbar banaler Satz, dass man alte, bekannte Platten plötzlich ganz neu hören würde, wieder neue Bedeutung. Hier wurde es Ereignis. So hatten wir beispielsweise einen unserer Klassiker aufgelegt: Bryan Ferrys Album „As Time Goes By“. Der frühere Roxy- Music- Mann singt die Meisterwerke der 20er- und 30er- Jahre. Die CD klingt gut, die Vinyl- Scheibe fantastisch. Es ist so wunderbar melancholisch, wie Ferry „Miss Otis Regrets“intoniert. Ein schlechter Lautsprecher macht ein seichtes Stück daraus, da fast alle Informationen im Feindynamischen liegen, an der Puls Deluxe MKII hingegen wurde es zum Fest. Wir erkannten eine holographische Präsenz der Singstimme zwischen den Boxen. Da war die perfekte Anordnung der Einzelinstrumente, es lebte jede Phrase mit großem Atem auf.