Schlangenbeschwörung
Was bringt es, sich in einer Kabelfamilie durch die Preisklassen hochzuhören? AUDIO machte den Vertikaltest mit Lautsprecherkabeln von Kimber.
Am Anfang war die Beschränkung. Zu Beginn dieses Reports musste der Autor auswählen. Es sollte um Lautsprecherkabel gehen, weil hier abhängig von Verstärkern und Lautsprechern die signifikantesten Ergebnisse zu erwarten waren. Die größten eigenen Erfahrungswerte, Bewährung in zahlreichen AUDIO-Tests, ein seriöses Angebot, nachvollziehbare Preispolitik und nicht zuletzt die Verfügbarkeit in vom Kunden festzulegenden Längen und Konfektionierungen sprachen für Kimber. Allerdings verfügt die 1979 von Ray Kimber gegründete Firma (siehe AUDIO 12/12) über ein dermaßen breites Angebot auch an Lautsprecherkabeln, das es auch hier herauszupicken galt. Der Vergleich von vier Typen in vertikaler Richtung – also von unten nach oben durch verschiedene Preisklassen – sollte in mehreren Konfigurationen folgender Geräte stattfinden: Röhren- Endstufe von Octave, Transistor-Vollverstärker von Accuphase (teuer) und Denon (preiswert) auf der Lieferseite; Hybrid- Elektrostat von Martin Logan, Standlautsprecher mit Bändchenhochtöner von Piega, Kompaktlautsprecher als Nahfeld- Monitor von MBL auf der Nehmerseite. Dazu kam ein Schlussdurchgang mit AUDIOs Abhör- Referenzen T+A PA 3100 (Seite 40) und Bowers & Wilkins 802 D3.
DER KLASSIKER: 4PR | 16 EURO/m* Für Plus und Minus jeweils vier Leiter aus hochreinem Kupfer, das Ganze im Polyethylen- Mantel und in der typischen Weise verflochten: Mit dem 4PR begann die Erfolgsgeschichte von Kimber und wird damit weitergehen. Der braunschwarze Preis- Leistungs- Hit und Dauerbrenner (letzter Test in AUDIO 2/07) ist ein Allrounder und wertet jede bislang mit Klingeldraht verkabelte Anlage auf. Vor allem die tonal ausgeglichene, dynamisch disziplinierte Arbeitsweise prädestiniert das 4PR für gute bis sehr gute Transistor-Vollverstärker mit präzise und neutral abbildenden Kompaktlautsprechern. Auch für lange Strecken geeignet.
DER GEHEIMTIPP: 8VS | 50 EURO/m* Nochmals reineres Kupfer, erhebliche Querschnittserweiterung durch jeweils acht Leiter, als „VS“bereits verflochten in „Varistrand“-Geometrie mit Polyehtylen als Dielektrikum: Das 8VS kommt schon aufwendiger auf die Rolle. Von seiner straighten, räumlich weiten, in den Höhen völlig unaggressiven Gangart profitierte sogar die B&W 802 D3. Für die Verbindung Röhre- Elektrostat vielleicht zu zahm. Ideal für starke bis sehr starke TransistorAmps plus eher prägnant abbildende Standboxen oder Nahfeld- Monitore. Für den Preis ein Hammer. DAS ANSPRUCHSVOLLE: 12TC | 170 EURO/m* Zweimal zwölf Litzen aus „hyper pure“Kupfer, Varistrand- Geometrie und durchsichtiges Fluorocarbon als Dielektrikum: Mit dem 12TC sind wir im High- End angelangt. Wo Endstufen viel Power an leistungshungrige Boxen liefern müssen, sind diese Kabel ideal. Aber auch Elektrostaten, Bändchen- und Diamanthochtöner jubeln über die Fülle an Informationen, wenn blitzschnelle Röhren sie abschießen. Doch klar ist auch: Mit Mittelklasse- Equipment kommt der Klanggewinn nicht deutlich rüber. Dieses Kabel braucht schon sehr gute Verstärker und Lautsprecher, um seine Qualitäten zeigen zu können.
DER TRAUM: KS 3038 | 2500 EURO/m* Gut, es hätte auch das 6068 aus der exklusiven Serie Kimber Select (KS) sein können. Doch das in AUDIO 9/16 vorgestellte Megakabel ist erstens so abgehoben, zweitens so teuer und stand drittens aus verständlichen Gründen dem Autor nur kurze Zeit zur Verfügung, sodass er auf das „nur“ein Drittel so teure KS 3038 ( AUDIO 6/02) als für Normalhörer kaum mehr erschwingliches Highest-End- Kabel zurückgriff. Mit so ernüchterndem wie erwartbarem Ergebnis: Das in extrem aufwendiger Varistrand- Geometrie aufgebaute Reinsilberkabel deklassierte die Ver- wandtschaft in jeder Konfiguration. Transparenz, Durchzugskraft, unangestrengte Souveränität nahmen in dem Maße zu, wie die Komponenten zulegten. Guten Gewissens ist es nicht für Einsteiger-, Mittelklasse- oder Oberklasse- Anlagen zu empfehlen. Doch wer das Beste für das Beste will, sollte sich diesen Traum-Verbinder unbedingt einmal anhören. Dass es da noch das Allerbeste gibt in Form des KS 6068, lassen wir jetzt mal außen vor.