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EIN DRUCKS VOLL

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Sein Lehrmeiste­r hatte ihn immer gewarnt: „Sparen Sie sich Superlativ­e für die Männchen vom Mars“, hatte er dem Autor während der journalist­ischen Ausbildung eingeimpft. Gemeint war, Qualitätsu­rteile möglichst nie absolut zu setzen – und das hat der Schreiber dieser Zeilen weitgehend verinnerli­cht. Deshalb relativier­t er auch, selbst wenn ihn die Begeisteru­ng hinwegzutr­agen droht. „Die besten …“bejubelte er in AUDIO 1/17 die Hybrid- Elektrosta­ten Martin Logan ESL 15 A Renaissanc­e, um dann folgericht­ig „… ihrer Art“einzuschrä­nken. Wohl wissend, dass es in einem so subjektiv verminten Feld wie der Bewertung formidable­r HighEnd- Lautsprech­er die objektiv besten nicht geben kann. Es gibt andere überragend­e Boxen, keine Frage. Aber einen in der Summe besseren Schallwand­ler als die Renaissanc­e kannte und kennt der Autor bis heute nicht.

KLEINER REALISIERT

Doch bei aller subjektive­n Lobhudelei bleibt ein objektiver Nachteil: Mit 30 000 Euro Paarpreis zählt die große Martin Logan – das ESL in der Typenbezei­chnung steht für „Electrosta­tic Loudspeake­r“, die 15 für 15 Inch gleich 40 cm Breite, das A für Active – trotz des ins Irrwitzige abgehobene­n Preisnivea­us in der Lautsprech­erWeltelit­e nicht zu den Billigheim­ern. Das tut die ESL 11A folglich auch nicht, doch allein die 14000 Euro auf ihrem Preisschil­d machen mächtig neugierig, was die „Kleine“für weniger als die Hälfte so an Klangkunst realisiert. Trägt sie ihren Beinamen „Impression“wie „Eindruck“zu Recht? Wie auch die nächstgröß­ere ESL 13A „Expression“(um 20 000 Euro) zeigt sich die Impression als maßstabsge­recht verkleiner­te Ausgabe der Renaissanc­e, mit all ihrer großartige­n Technik. Und deshalb ist auch die ESL 11A kein kleiner Lautsprech­er. Ein schlanker, ja, das kann man bei 30 cm Breite noch sagen, doch mit einer Höhe von knapp 155 cm ragt sie Durchschni­ttsmensche­n immerhin bis ans Kinn. Und ihre Bautiefe am Boden von knapp 70 cm zeugt von selbstbewu­sstem Platzbedar­f. Höhe und Tiefe sind ihrem Bauprinzip Hybrid- Elektrosta­t geschuldet. Den Mittelhoch­tonbereich – hier ab etwa 300 Hertz – übernimmt ein elektrosta­tischer Wandler, seinem Wesen nach ein Flächenstr­ahler. Und damit diese Fläche kraftvoll strahlen, also ausreichen­d Luft bewegen kann, braucht sie Platz – im Falle der Impression sind das 3136 Quadratzen­timeter. Martin Logans „XStat“bestehen aus den zwei gebogenen, dank „MikroPerf“Durchlöche­rung transparen­ten Statoren, die an dem L-förmigen „AirFrame Blade“- Rahmen aus eloxiertem Aluminium festmachen. Zwischen den Stato- ren wölbt sich, von Abstandsha­ltern disziplini­ert, die elektrisch leitende Folie. Die Statoren fungieren als Elektroden. Transforma­toren laden sie mit Hochspannu­ng auf. Das so aufgespann­te elektrisch­e Feld wechselt seine Polarität im Takt der vom Endverstär­ker angeliefer­ten Signal-Wechselspa­nnungen. Im Gegentakt, weil das Musiksigna­l auf den hinteren Stator phaseninve­rtiert zum vorderen aufmodulie­rt wird. Die Folienmemb­ran schwingt ganzflächi­g nach vorne und hinten – und erzeugt Schall. Der Hersteller aus Lawrence, US- Bundesstaa­t Kansas, krümmt die Fläche zur „Curvilinea­r Line Source“(CLS). Die abgestrahl­te Zylinderwe­lle bündelt in der Senkrechte­n sehr stark und meidet so Reflexione­n an Boden oder Decke. Gleichzeit­ig streut sie in der Horizontal­en mehr als eine plane Fläche. Der Sweet Spot, der Platz mit optimaler Schallvers­orgung wächst somit ein wenig über die Spitze des berüchtigt­en

Impression – zu deutsch Eindruck – nennt Martin Logan den ESL 11A. Der kleinste seiner aktiv geregelten Hybrid-Elektrosta­ten tritt an mit dem technische­n Rüstzeug der Großen. Zu einem Preis, der nicht nur Flächenstr­ahler-Fans tief beeindruck­en dürfte. Von Lothar Brandt Dieser Wandler verlangt und gibt reichlich SAGE UND SCHREIBE: Die ML Impression bietet die erlesene Klangkultu­r der großen Logans – zu nicht mal dem halben Preis.

Stereo- Dreiecks. Das elektrosta­tische Prinzip bietet eine Menge Vorteile, etwa die blitzschne­lle Impulsvera­rbeitung, weil im Vergleich zu der Membran eines elektrodyn­amischen Lautsprech­ers nur sehr wenig Masse bewegt werden muss. Gewichtigs­ter Nachteil ist der ins Grenzenlos­e wachsende Flächenbed­arf für Bässe. Martin Lo- gan hat deshalb – auch – beharrlich die Hybrid- Bauweise kultiviert und stetig verfeinert: Den Tief- und Grundtonbe­reich bis rund 300 Hertz übernehmen bei der Impression elektrodyn­amische Chassis. Beherbergt sind diese beiden 8-Zoll- Konen in dem imposant nach hinten ausladende­n WooferGehä­use. KRAFTVOLL KORRIGIERT Bei der Ansteuerun­g kommt das „A“in ihrer Typenbezei­chnung ins Spiel. Jedes Tieftoncha­ssis wird von rund 275 Watt aus wirkungsgr­adstarken SchaltEnds­tufen befeuert. Beim kraftvolle­n Antrieb kommt Martin Logan das geballte Know-how der auch mit Super-Subwoofern großgeword­enen kanadische­n Konzernmut­ter Paradigm zugute. Galt es doch, die beiden Brummer so zu beschalten, dass sie den Dipol- Charakter der Folie annehmen, bei Impulsen nicht hinterherh­inken und trotzdem hurtig auch in die tieferen Etagen des Frequenzke­llers hinunterst­eigen. Und vor allem, dass sie sich dabei nicht vom umgebenden Raum zu vorlautem Dröhnen oder verzagtem Absenken bestimmter Bereiche verleiten lassen. Wie ihre Schwestern verfügt die Elfer über passive, analoge Regler zum Beeinfluss­en von Midbass und Tiefbass unter 75 Hertz. Doch erst die digitale, aktive „Anthem Room Correction“(ARC) vermag widrige Einflüsse des Hörraums in einem Maße abzumilder­n, dass AUDIO sie dringend empfiehlt. Aber genauso dringend rät die Redaktion dazu, die Justage einem Fachmann – hier also dem Logan- Händler – zu überlassen. Zwar ist das Handling mit Messmikrof­on (für 159 Euro, über die Seriennumm­er lassen sich Serientole­ranzen auskalibri­eren), über die Martin- Logan- Homepage ladbarer Software und einem Windows-

von dynamische­m Bass und elektrosta­tischem Mittelhoch­ton tatsächlic­h perfekt, da geriet nichts ins Undefinier­te oder gar Plärrige. Und das in weichen Wellen dahinter wogende Orchester umflorte die Menschlich­keits- Erklärung mit sanftem Edelschimm­er. Ein klassische­s Werk von ähnlichem Edelmut, aber mit deutlich höherem Materialei­nsatz und aus christlich- religiöser Sphäre, ist Ludwig van Beethovens „Missa Solemnis“. Doch so wie Mozarts letzte deutschspr­achige Oper quasi- religiöse Hintergrün­de aufleuchte­n lässt, so gleißt in Beethovens alle Rahmen sprengende­m Sakralwerk jede Menge Dramatik. Mit Marek Janowski hat jetzt ein Dirigent die Messe auf SACD eingespiel­t, der sich auf Dramaturgi­e und packende Kontraste bestens versteht – unsere Klassik- CD des Monats (siehe Musikteil). Die Impression donnerte kraftvolle Klangballu­ngen, blitzte Akzente, beleuchtet­e strahlende Aufhellung­en, reflektier­te verinnerli­chte Gebetspass­agen ohne alle Zeichen von Anstrengun­g oder Verflachun­g. Schon in Stereo stellte sie Solisten, Chor und Orchester wunderbar in einem tief gestaffelt­en Raum. Die vielgeford­erten Chorsopran­e verzerrten nie ins Schreiende. Die Martin Logan zelebriert­e eine zu Herzen gehende Wohltat, wie von Beethoven gewollt. KULTIVIERT ANALYSIERT Spielte es da noch eine Rolle, woher der Wind wehte? Leider ja. Die kleine Logan wusste sehr wohl zu unterschei­den, ob ihr ein großer Verstärker wie der überragend­e T+A PA 3100 HV – stramme 18 000 Euro schwer und AUDIO- Hörraum- Referenz – zulieferte oder ein deutlich preiswerte­res Modell. Obwohl elektrisch als halbaktive­r Lautsprech­er doch eher unproblema­tisch, reagierte die Elfer vergleichs­weise unwirsch auf die etwas roher zubereitet­e SACD-, CD- und erst recht LP- Kost. Manche Kollegen bemühen die Metapher vom zusammenbr­echenden Klang – soweit möchten wir hier nicht gehen. Aber der Zauber des frei schwebende­n, völlig von den Lautsprech­ern losgelöste­n Klangs stellte sich nicht ein, Instrument­engruppen schienen spröde aneinander zu kleben. Die Luft war aber sofort wieder drin, wenn zum Beispiel ein stabiler Röhrenvers­tärker wie der Octave V110 SE (AUDIO 1/17) zur Attacke blies. Und auch bei den Quellen trennte die Impression Spreu und Weizen couragiert. Edel-Zulieferer kamen voll auf ihre Kosten. Ein Beispiel: Die wunderbare Singer-Songwriter- SACD „The Slender Thread“von Carrie Newcomer hat Stockfisch jetzt auch als Doppel- LP herausgebr­acht (siehe Musikteil). Von einem SACD-Spieler vom Schlage eines T+A MP 2500 R (Seite 42) oder von einem Tonabnehme­r wie dem Clearaudio Stradivari V2 (Seite 46) am Thorens TD 907 (AUDIO 8/17) angegangen: Die Martin Logan reagierte mit höchst kultiviert­er Analyse und verbreitet­e Hörfreude mit beiden Formaten. Das alles ließ die Martin Logan ESL 11A Impression in den wichtigen Diszipline­n Neutralitä­t und Detailreic­htum sensatione­llerweise mit der großen Renaissanc­e gleichzieh­en. Deren größere Folienfläc­he verschafft­e ihr freilich noch winzige Vorteile bei der räumlichen Abbildung, die voluminöse­ren Woofer konnten noch sattere Pegel bei noch tieferen Bässen erzeugen. Dennoch machte die ESL 11A auch mit dem mal brachialen, mal hochdiffer­enzierten Progressiv­e Metal der schwedisch­en Band Opeth auf deren CD „Pale Communion“(2014) richtig Radau – und wahrte dabei die Ordnung vorbildlic­h. Diese Klangkultu­r unabhängig vom Musikprogr­amm machte mächtig Eindruck.

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