STEELY DAN R.I.P.
Walter Becker, zusammen mit Donald Fagen der Nukleus von Steely Dan, ist am 3. September im Alter von 67 Jahren viel zu früh gestorben; eine der wichtigsten Bands aller Zeiten ist damit Geschichte. Zwar will Sänger und Keyboarder Fagen mit den Weltklasse- Cracks, die seit langem Steely Dan bilden, weiterhin auftreten, aber ohne den bärtigen Gitarristen mit der Fender Stratocaster oder der „Walter Becker Signature“seines bevorzugten Gitarrenbauers Roger Sadowsky wird es nicht mehr so sein wie vorher. Becker und Fagen, die Jazz- Hipster von der Ostküste, schrieben die elegantesten, groovigsten und raffiniertesten Songs der Rockgeschichte. Immer wenn man meinte, ihre Musik zu kennen, entdeckte man nach dem 50. Hören plötzlich Geheimnisse, die vorher einfach nicht zu bemerken waren. Was alles drinsteckt, ist am besten über Kopfhörer zu erforschen; die Arbeitsweise der so belesenen wie humorvollen Musiker lässt sich auf der hochinteressanten DVD „Aja – Classic Albums“zu ihrem größten Erfolg „Aja“(1977) nachvollziehen. Noch dazu haben sie das Kunststück fertiggebracht, jahrzehntelang so aufzunehmen, dass alle ihre neun Studioalben bis heute umwerfend klingen – viele HiFiFreunde können die größten Dan- Hits wie „Do It Again“(1972), „Rikki Don’t Lose That Number“(1974) oder „Hey Nineteen“(1980) rückwärts pfeifen. Der Katalog vom Debüt „Can’t Buy A Thrill“(1972) bis zum vorläufigen Ende mit „Gaucho“(1980) dürfte weithin geläufig sein, doch auch das Spätwerk, das Becker und Fagen sich nach 20 Jahren (!) Pause einfallen ließen, ist der reine Genuss. Mancher Liebhaber hält ihr Comeback „Two Against Nature“(2000) sogar für ihr insgesamt tollkühnstes Werk: Sei es die tückische Single „Cousin Dupree“, in der ein Tunichtgut seine Cousine herumkriegen will, sei es die thematisch an den legendären „Deacon Blues“erinnernde Verlierer- Hymne „What A Shame About Me“, sei es der Abgesang „West Of Hollywood“(„I‘m way deep into nothing special“) – mehr musikalisches Cinemascope war nie. Die literarischen Texte, der melodische Reichtum, der packende Groove, die komplexe Produk tion, der Zugriff auf die besten Musiker des Planeten: Steely Dan hatten nichts verlernt, sondern ihre Kunst sogar noch verfeinert. Ihr Abschiedswerk „Everything Must Go“(2003) war dann eine lockerere, knackige Angelegenheit fast mit Live- Feeling, analog aufgenommen und voller Klassiker wie „Blues Beach“, „Lunch With Gina“oder „Things I Miss The Most“. Hier erklang das einzige Stück, das Walter Becker je auf einem Steely- DanStudioalbum gesungen hat: „Slang Of Ages“. Wer von seiner bluesigen, so kraftvollen wie gebeutelten Stimme mehr hören möchte, dem seien Beckers Soloalben ans Herz gelegt. Während „11 Tracks Of Whack“(1994, Co- Producer Donald Fagen) ein unerwartetes Experiment mit Drumcomputer, aber starken Songs wie „Down In The Bottom“oder „This Moody Bastard“war, brachte „Circus Money“(2008) seine Liebe zum Reggae zum Vorschein. Auf dem von Larry Klein warm produzierten Werk sind Beckers große Künste am Bass zu erleben. Becker produzierte ebenfalls, etwa Rickie Lee Jones oder „Kamakiriad“(1993), das zweite, futuristische Solowerk seines Partners Donald Fagen. Auch hier spielte Walter Becker Bass und Gitarre wie kein zweiter. Die Welt wird ihn vermissen.