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STEELY DAN R.I.P.

- Sebastian Schmidt

Walter Becker, zusammen mit Donald Fagen der Nukleus von Steely Dan, ist am 3. September im Alter von 67 Jahren viel zu früh gestorben; eine der wichtigste­n Bands aller Zeiten ist damit Geschichte. Zwar will Sänger und Keyboarder Fagen mit den Weltklasse- Cracks, die seit langem Steely Dan bilden, weiterhin auftreten, aber ohne den bärtigen Gitarriste­n mit der Fender Stratocast­er oder der „Walter Becker Signature“seines bevorzugte­n Gitarrenba­uers Roger Sadowsky wird es nicht mehr so sein wie vorher. Becker und Fagen, die Jazz- Hipster von der Ostküste, schrieben die elegantest­en, groovigste­n und raffiniert­esten Songs der Rockgeschi­chte. Immer wenn man meinte, ihre Musik zu kennen, entdeckte man nach dem 50. Hören plötzlich Geheimniss­e, die vorher einfach nicht zu bemerken waren. Was alles drinsteckt, ist am besten über Kopfhörer zu erforschen; die Arbeitswei­se der so belesenen wie humorvolle­n Musiker lässt sich auf der hochintere­ssanten DVD „Aja – Classic Albums“zu ihrem größten Erfolg „Aja“(1977) nachvollzi­ehen. Noch dazu haben sie das Kunststück fertiggebr­acht, jahrzehnte­lang so aufzunehme­n, dass alle ihre neun Studioalbe­n bis heute umwerfend klingen – viele HiFiFreund­e können die größten Dan- Hits wie „Do It Again“(1972), „Rikki Don’t Lose That Number“(1974) oder „Hey Nineteen“(1980) rückwärts pfeifen. Der Katalog vom Debüt „Can’t Buy A Thrill“(1972) bis zum vorläufige­n Ende mit „Gaucho“(1980) dürfte weithin geläufig sein, doch auch das Spätwerk, das Becker und Fagen sich nach 20 Jahren (!) Pause einfallen ließen, ist der reine Genuss. Mancher Liebhaber hält ihr Comeback „Two Against Nature“(2000) sogar für ihr insgesamt tollkühnst­es Werk: Sei es die tückische Single „Cousin Dupree“, in der ein Tunichtgut seine Cousine herumkrieg­en will, sei es die thematisch an den legendären „Deacon Blues“erinnernde Verlierer- Hymne „What A Shame About Me“, sei es der Abgesang „West Of Hollywood“(„I‘m way deep into nothing special“) – mehr musikalisc­hes Cinemascop­e war nie. Die literarisc­hen Texte, der melodische Reichtum, der packende Groove, die komplexe Produk tion, der Zugriff auf die besten Musiker des Planeten: Steely Dan hatten nichts verlernt, sondern ihre Kunst sogar noch verfeinert. Ihr Abschiedsw­erk „Everything Must Go“(2003) war dann eine lockerere, knackige Angelegenh­eit fast mit Live- Feeling, analog aufgenomme­n und voller Klassiker wie „Blues Beach“, „Lunch With Gina“oder „Things I Miss The Most“. Hier erklang das einzige Stück, das Walter Becker je auf einem Steely- DanStudioa­lbum gesungen hat: „Slang Of Ages“. Wer von seiner bluesigen, so kraftvolle­n wie gebeutelte­n Stimme mehr hören möchte, dem seien Beckers Soloalben ans Herz gelegt. Während „11 Tracks Of Whack“(1994, Co- Producer Donald Fagen) ein unerwartet­es Experiment mit Drumcomput­er, aber starken Songs wie „Down In The Bottom“oder „This Moody Bastard“war, brachte „Circus Money“(2008) seine Liebe zum Reggae zum Vorschein. Auf dem von Larry Klein warm produziert­en Werk sind Beckers große Künste am Bass zu erleben. Becker produziert­e ebenfalls, etwa Rickie Lee Jones oder „Kamakiriad“(1993), das zweite, futuristis­che Solowerk seines Partners Donald Fagen. Auch hier spielte Walter Becker Bass und Gitarre wie kein zweiter. Die Welt wird ihn vermissen.

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SELBST IHR LIVE-SOUND WAR AUDIOPHIL: Walter Becker an der Gitarre, Donald Fagen an der Melodica – das wird es nach Beckers Ableben leider nicht mehr geben.

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