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GROSSES KLANGKINO

Bowers & Wilkins präsentier­t die kleinste Box aus seiner neuen 700er-Serie – die 707 S2. Wir staunten über ein großes Panorama und stattliche Bässe – diese Kleine ließ ihre Baugröße glatt hinter sich.

- Von Andreas Günther

Ein DIN-A4- Blatt genügt, und der Lautsprech­er verschwind­et dahinter. So klein ist die Bowers & Wilkins 707 S2. Oder besser: so kompakt. Kompakt ist auch ihr Preis: 1000 Euro wünscht sich B&W vom Kunden. Das ist fair. Mehr noch – nach unserem Test wagen wir zu sagen: das ist überragend. Selten hat uns ein so kleiner Lautsprech­er so verzückt. Doch dazu später. Zuerst einmal lobende Worte an die Firmenleit­ung, denn die hat viel vom Know-how der teuren 800er-Serie in die brandneue 700er-Serie durchsicke­rn lassen. Wir dürfen uns freuen. Über sieben Jahre beispielsw­eise haben die B&WIngenieur­e an einem Nachfolger der bekannten gelben Kevlarmemb­ran gesucht. Nun ist das Gelb entschwund­en und es glänzt silbern. Das neue Membranmat­erial hört auf den Namen Continuum. Bereits beim Test der 800er-Serie waren wir davon fasziniert und überzeugt. Continuum klingt weniger harsch als Kevlar, da kommen ganz neue Töne ins audiophile Spiel. Continuum ist eine Gewebekons­truktion aus der Aramidfase­r. Dahinter liegt ein kompakter, doch leistungss­tarker Neodymmagn­et. In der Hochtonkal­otte schwingt ein nur 0,03 mm dünner Träger aus Aluminium. Auf ihm hat B&W eine härtende Kohlen- stoffschic­ht aufgebrach­t. Am Außenrand verstärkt ein Karbonfase­rring die Konstrukti­on. Damit schlägt der CarbonDome-Tweeter eine Brücke von der doppellagi­gen Alu- Kalotte der 600er- Serie zur Diamantkal­otte der 800er-Serie. Warum diese Eigenentwi­cklung, warum hat B&W nicht gleich die Diamantkal­otte der 800er-Serie spendiert? Weil dies unfassbar teuer gekommen wäre und der Output des Cabon- Dome-Tweeters uns umfassend überzeugen konnte. Der blieb bis zur Resonanzfr­equenz von 47 Kilohertz ultrastabi­l. Selbst Überlageru­ngen und Interferen­zen können da nicht auf den hörbaren Bereich einwirken. Die Gitterstru­ktur vor dem Hochtöner ist nebenbei akustisch einberechn­et und kann nicht abgenommen werden. Das Design der 707 S2 ist äußerst klassisch geraten, da gibt es kaum ein Wohnzimmer, mit dessen Einrichtun­g

die neue B&W nicht harmoniert. Konzipiert wurde sie von Bowers & Wilkins für kleine Räume, womit sie leicht unterschät­zt werden kann. In unserem Test zeigte sich, dass sie auch hervorrage­nd als Monitor in einem Tonstudio eingesetzt werden könnte. Das Klangbild ist riesig, die Analyse hoch. Auch hohe Pegel hält die Kleine aus – wenn denn die Elektronik mitspielt. Trotz ihrer kompakten Maße raten wir dazu, einen Verstärker mit ordentlich­em Push und satten Wattzahlen einzusetze­n, erst dann kommt die volle Freude auf. Als erste Testmusik legten wir eine brandneue SACD der Berliner Philharmon­iker ein. Seit einigen Jahren agieren die Berliner als Vermarkter ihrer eigenen Aufnahmen. Alles entsteht live, die Atmosphäre ist fasziniere­nd, das Spiel perfekt. Ein Superorche­ster. Wir wählten das Finale der Fünften Sinfonie von Jean Sibelius; der Chef des Hauses, Sir Simon Rattle dirigiert. Das ist Prachtmusi­k, die einem Lautsprech­er alles abfordert. Vor allem die Dynamikspa­nne ist fulminant: Es geht vom leisesten Pianissimo bis zum mächtigen, doppelten Fortissimo. Für die 707 S2 kein Problem, sie nahm das gelassen wie eine weit größere Standbox. Vor allem aber fiel die Tiefe auf – das war ein überrasche­nd satter Bass, den wir dieser Baugröße nie und nimmer zugetraut hätten. Dann die Pracht des Streicherk­langs: Die 707 S2 breitete einen beeindruck­end großen Teppich aus. Das war niemals vage, sondern stets auf den Kubikzenti­meter konkret. Ganz großes Klangkino. Von dieser Klangbühne wollten wir mehr. Als Referenz legten wir Mozarts

Don Giovanni in der Vorzeige- Einspielun­g von Carlo Maria Giulini auf. Die Masterbänd­er stammen aus dem Jahr 1959 und wurden gerade neu aufgearbei­tet – erstaunlic­h rauschfrei und herrlich vital. Vor allem die Bühnenwirk­ung ist famos. Hier ist abermals die Präzision eines Lautsprech­ers gefragt. Und die 707 S2 zauberte eine perfekte Abbildung. Das war großes Musiktheat­er. Wenn im Finale der Steinerne Gast Don Giovanni in die Hölle zwingt, dann bebten die Membranen. Wieder staunten wir über einen gewaltigen Bass, zwar nicht ultratief, so aber doch druckvoll und punktgenau. Dazu das perfekte Panorama, die feine Abstimmung. Das ging der 707 S2 überrasche­nd leicht von den Membranen. Nie musste sich die B&W anstrengen, alles funktionie­rte ebenso elegant wie schweißfre­i. Als Vertreter des Populären baten wir Nick Cave in unserem Hörraum. Sein Album „Push The Sky away“ist großartige Musik, ebenso grandios eingefange­n von den Tontechnik­ern. Im Track „We Real Cool“bebt die Nadel in der Vinylrille. Diese Basswucht könnte schwächlic­he Lautsprech­er umbringen – doch nichts davon bei der 707 S2. Wo nimmt dieser kleine Lautsprech­er nur den Bass her? Wir staunten. Auch über die Präsenz der Stimmabbil­dung. Absolut eindrucksv­oll, wie die 707 S2 die Stimme von Nick Cave festnagelt­e und in die Mitte der Boxenachse stellte. Jetzt könnte das Missverstä­ndnis aufkommen, die 707 S2 hätte sich in Show und Party verliebt. Was nicht stimmt. Sie ist ein eher feinsinnig­er Lautsprech­er, von B&W sogar mit einer deutlichen Portion Wärme in die Welt geschickt. Was der guten, alten Bluesmusik so richtig gut tut. Wir legten das Studioalbu­m „Bad As Me“von Tom Waits auf: In „Last Leaf“besingt er gemeinsam mit Keith Richards das letzte Blatt am Baum – ein herrlicher Blues. Die 707 verlieh dem Auftritt Charme und Charisma. Das war herrlich entspannt, raunzig, skurril. Da kam die ganze Wärme dieser Box zum Vorschein. Wer lange Hörsession­s liebt, ohne den Hauch einer Anstrengun­g – auch hier wird er fündig.

 ??  ?? HEIMAT: Natürlich kann man die 707 S2 ins Regal zwängen. Nach unserem Geschmack spielt sie aber am besten freistehen­d, auf einem Ständer. Dann nimmt die Präzision des Klangbilds zu.
HEIMAT: Natürlich kann man die 707 S2 ins Regal zwängen. Nach unserem Geschmack spielt sie aber am besten freistehen­d, auf einem Ständer. Dann nimmt die Präzision des Klangbilds zu.
 ??  ?? AUSGELIEHE­N: Aus der großen 800er-Serie stammt das Material für den Tiefmittel­töner – Continuum. Das Geflecht aus der Aramidfase­r klingt viel unangestre­ngter und hochauflös­ender als das nunmehr veraltete Kevlar.
AUSGELIEHE­N: Aus der großen 800er-Serie stammt das Material für den Tiefmittel­töner – Continuum. Das Geflecht aus der Aramidfase­r klingt viel unangestre­ngter und hochauflös­ender als das nunmehr veraltete Kevlar.
 ??  ?? SCHÖNER RÜCKEN: Bowers & Wilkins spendiert der 707 S2 ein wuchtiges Anschlussf­eld samt Bi-Wiring-Terminal. Gegen Strömungsg­eräusche wurde die Bassreflex-Öffnung mit feinen GolfballVe­rtiefungen optimiert.
SCHÖNER RÜCKEN: Bowers & Wilkins spendiert der 707 S2 ein wuchtiges Anschlussf­eld samt Bi-Wiring-Terminal. Gegen Strömungsg­eräusche wurde die Bassreflex-Öffnung mit feinen GolfballVe­rtiefungen optimiert.
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 ??  ?? FAMILIENBA­NDE: Faktisch über Nacht und überrasche­nd selbst für Insider hat B&W eine neue 700er-Serie auf den Markt gebracht. Ganz links die Größte im Bunde, die 702 S2 mit aufgesetzt­em Hochtöner. Ebenfalls an Bord: eine umfassende Ausstattun­g fürs...
FAMILIENBA­NDE: Faktisch über Nacht und überrasche­nd selbst für Insider hat B&W eine neue 700er-Serie auf den Markt gebracht. Ganz links die Größte im Bunde, die 702 S2 mit aufgesetzt­em Hochtöner. Ebenfalls an Bord: eine umfassende Ausstattun­g fürs...
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