GROSSES KLANGKINO
Bowers & Wilkins präsentiert die kleinste Box aus seiner neuen 700er-Serie – die 707 S2. Wir staunten über ein großes Panorama und stattliche Bässe – diese Kleine ließ ihre Baugröße glatt hinter sich.
Ein DIN-A4- Blatt genügt, und der Lautsprecher verschwindet dahinter. So klein ist die Bowers & Wilkins 707 S2. Oder besser: so kompakt. Kompakt ist auch ihr Preis: 1000 Euro wünscht sich B&W vom Kunden. Das ist fair. Mehr noch – nach unserem Test wagen wir zu sagen: das ist überragend. Selten hat uns ein so kleiner Lautsprecher so verzückt. Doch dazu später. Zuerst einmal lobende Worte an die Firmenleitung, denn die hat viel vom Know-how der teuren 800er-Serie in die brandneue 700er-Serie durchsickern lassen. Wir dürfen uns freuen. Über sieben Jahre beispielsweise haben die B&WIngenieure an einem Nachfolger der bekannten gelben Kevlarmembran gesucht. Nun ist das Gelb entschwunden und es glänzt silbern. Das neue Membranmaterial hört auf den Namen Continuum. Bereits beim Test der 800er-Serie waren wir davon fasziniert und überzeugt. Continuum klingt weniger harsch als Kevlar, da kommen ganz neue Töne ins audiophile Spiel. Continuum ist eine Gewebekonstruktion aus der Aramidfaser. Dahinter liegt ein kompakter, doch leistungsstarker Neodymmagnet. In der Hochtonkalotte schwingt ein nur 0,03 mm dünner Träger aus Aluminium. Auf ihm hat B&W eine härtende Kohlen- stoffschicht aufgebracht. Am Außenrand verstärkt ein Karbonfaserring die Konstruktion. Damit schlägt der CarbonDome-Tweeter eine Brücke von der doppellagigen Alu- Kalotte der 600er- Serie zur Diamantkalotte der 800er-Serie. Warum diese Eigenentwicklung, warum hat B&W nicht gleich die Diamantkalotte der 800er-Serie spendiert? Weil dies unfassbar teuer gekommen wäre und der Output des Cabon- Dome-Tweeters uns umfassend überzeugen konnte. Der blieb bis zur Resonanzfrequenz von 47 Kilohertz ultrastabil. Selbst Überlagerungen und Interferenzen können da nicht auf den hörbaren Bereich einwirken. Die Gitterstruktur vor dem Hochtöner ist nebenbei akustisch einberechnet und kann nicht abgenommen werden. Das Design der 707 S2 ist äußerst klassisch geraten, da gibt es kaum ein Wohnzimmer, mit dessen Einrichtung
die neue B&W nicht harmoniert. Konzipiert wurde sie von Bowers & Wilkins für kleine Räume, womit sie leicht unterschätzt werden kann. In unserem Test zeigte sich, dass sie auch hervorragend als Monitor in einem Tonstudio eingesetzt werden könnte. Das Klangbild ist riesig, die Analyse hoch. Auch hohe Pegel hält die Kleine aus – wenn denn die Elektronik mitspielt. Trotz ihrer kompakten Maße raten wir dazu, einen Verstärker mit ordentlichem Push und satten Wattzahlen einzusetzen, erst dann kommt die volle Freude auf. Als erste Testmusik legten wir eine brandneue SACD der Berliner Philharmoniker ein. Seit einigen Jahren agieren die Berliner als Vermarkter ihrer eigenen Aufnahmen. Alles entsteht live, die Atmosphäre ist faszinierend, das Spiel perfekt. Ein Superorchester. Wir wählten das Finale der Fünften Sinfonie von Jean Sibelius; der Chef des Hauses, Sir Simon Rattle dirigiert. Das ist Prachtmusik, die einem Lautsprecher alles abfordert. Vor allem die Dynamikspanne ist fulminant: Es geht vom leisesten Pianissimo bis zum mächtigen, doppelten Fortissimo. Für die 707 S2 kein Problem, sie nahm das gelassen wie eine weit größere Standbox. Vor allem aber fiel die Tiefe auf – das war ein überraschend satter Bass, den wir dieser Baugröße nie und nimmer zugetraut hätten. Dann die Pracht des Streicherklangs: Die 707 S2 breitete einen beeindruckend großen Teppich aus. Das war niemals vage, sondern stets auf den Kubikzentimeter konkret. Ganz großes Klangkino. Von dieser Klangbühne wollten wir mehr. Als Referenz legten wir Mozarts
Don Giovanni in der Vorzeige- Einspielung von Carlo Maria Giulini auf. Die Masterbänder stammen aus dem Jahr 1959 und wurden gerade neu aufgearbeitet – erstaunlich rauschfrei und herrlich vital. Vor allem die Bühnenwirkung ist famos. Hier ist abermals die Präzision eines Lautsprechers gefragt. Und die 707 S2 zauberte eine perfekte Abbildung. Das war großes Musiktheater. Wenn im Finale der Steinerne Gast Don Giovanni in die Hölle zwingt, dann bebten die Membranen. Wieder staunten wir über einen gewaltigen Bass, zwar nicht ultratief, so aber doch druckvoll und punktgenau. Dazu das perfekte Panorama, die feine Abstimmung. Das ging der 707 S2 überraschend leicht von den Membranen. Nie musste sich die B&W anstrengen, alles funktionierte ebenso elegant wie schweißfrei. Als Vertreter des Populären baten wir Nick Cave in unserem Hörraum. Sein Album „Push The Sky away“ist großartige Musik, ebenso grandios eingefangen von den Tontechnikern. Im Track „We Real Cool“bebt die Nadel in der Vinylrille. Diese Basswucht könnte schwächliche Lautsprecher umbringen – doch nichts davon bei der 707 S2. Wo nimmt dieser kleine Lautsprecher nur den Bass her? Wir staunten. Auch über die Präsenz der Stimmabbildung. Absolut eindrucksvoll, wie die 707 S2 die Stimme von Nick Cave festnagelte und in die Mitte der Boxenachse stellte. Jetzt könnte das Missverständnis aufkommen, die 707 S2 hätte sich in Show und Party verliebt. Was nicht stimmt. Sie ist ein eher feinsinniger Lautsprecher, von B&W sogar mit einer deutlichen Portion Wärme in die Welt geschickt. Was der guten, alten Bluesmusik so richtig gut tut. Wir legten das Studioalbum „Bad As Me“von Tom Waits auf: In „Last Leaf“besingt er gemeinsam mit Keith Richards das letzte Blatt am Baum – ein herrlicher Blues. Die 707 verlieh dem Auftritt Charme und Charisma. Das war herrlich entspannt, raunzig, skurril. Da kam die ganze Wärme dieser Box zum Vorschein. Wer lange Hörsessions liebt, ohne den Hauch einer Anstrengung – auch hier wird er fündig.