Test Audeze iSine 10 & 20
Ein offener Kopfhörer in In-Ear-Bauweise? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Nicht mehr, denn die iSine-Serie von Audeze löst diesen Widerspruch erstmals auf. Die Kalifornier haben ganze Arbeit geleistet.
Erstmals bringt Audeze offene In-Ear-Hörer mit magnetostatischen Treibern. Wir haben reingehört
Audeze ist bekannt für exzellente High- End- Kopfhörer mit aufwendigen magnetostatischen Treibern. Nicht zufällig steht auf Platz eins unserer Bestenliste ein LCD4 von Audeze ( Test in AUDIO 5/16). Magnetostatische Treiber sind an Schnelligkeit, Präzision und Verzerrungsarmut kaum zu überbieten, besonders dann nicht, wenn man die Treiber in einem offenen Gehäuse unterbringt, so wie beim erwähnten LCD- 4. Mit ihren Modellen der iSine- Serie wollen die Kalifornier dieses Prinzip nun auch bei mobilen In- Ear- Hörern etablieren. Eine enorme Aufgabe, denn technisch ist es alles andere als trivial, die gesamte Treiberkonstruktion in einem derart kleinen Gehäuse unterzubringen. Magnetostaten brauchen Platz. Zudem muss das Gehäuse eines offenen Kopfhörers eine gewisse Fläche nach außen abbilden, damit die Vorteile der offenen Bauweise – Luftigkeit, kontrolliertes Eindringen von Außengeräuschen – nicht gleich wieder verspielt werden.
GRÖSSER ALS NORMAL
Und so sind die iSine- Ohrhörer größer als übliche In- Ear- Modelle, deutlich größer und auch schwerer. Sie wiegen immerhin 22 Gramm (11 Gramm pro Seite), spürbar mehr als bei manch anderen In- Ear- Hörern, etwa beim RHA CL 1 Ceramic (14 Gramm). Damit sie dennoch fest und stabil im Ohr bleiben, kommt man um Haltebügel nicht her-
um. Diese liegen in vier Größen bei, genauso wie die bei In- Ear- Kopfhörern unverzichtbaren auswechselbaren Ohrstöpsel. Die gibt es in zwei Oberflächen (glatt und mit Rillen) sowie ebenfalls in zwei Größen. Damit sollte man die Hörer an seine physischen Merkmale und Vorlieben gut anpassen können. Experimentieren Sie ruhig etwas mit verschiedenen Kombinationen aus Haltebügeln und Ohrstöpseln – es kann durchaus eine Zeit dauern, bis man den besten Tragekomfort gefunden hat.
KOMPLEXE TECHNIK
Getestet haben wir die Top- Modelle iSine 10 und iSine 20. Sie unterscheiden sich zunächst durch ihre Gehäusefarbe: Der iSine 20 schimmert in einem dunklen Goldton, während der iSine 10 in klassischem Mattschwarz daherkommt. Beim sechseckigen Design der Kapseln hatten „DesignWorksUSA“die Finger im Spiel, die zur BMW- Gruppe gehören. Gehäusegröße und Gewicht sind bei beiden gleich. Technisch ist der iSine 20 noch komplexer als der iSine 10. Die Leiterbahn, die auf dem ultradünnen Membranmaterial aufgebracht ist, ist hier noch ein wenig länger und deckt eine noch größere Membranfläche ab. Das soll für noch mehr Kontrolle, bessere Abbildung und Klarheit sorgen. Folglich waren wir gespannt auf den Hörtest, den wir mit dem digitalen Lightning- Kabel (Cypher) am iPhone 7 und mit dem ana-
logen Kabel an einem amtlichen Kopfhörerverstärker ( Violectric HPA 281) durchgeführt haben.
GRANDIOSE RÄUMLICHKEIT
Ganz untypisch für In- Ear- Hörer öffnete sich uns eine wunderbar breite Bühne bei „La Stravaganza“von unserer Spiritoso-SACD. Die räumliche Darstellung war grandios, die einzelnen Instrumente grenzten sich klar auf der Bühne ab. Tonal waren beide Hörer eher warm abgestimmt, wobei der iSine 20 hier besonders in den oberen Mitten noch besser durchzeichnete und mit luftigerer Transparenz glänzte. Manchmal war das sogar eine Spur zu viel des Guten, auf Dauer wurde er mitunter leicht anstrengend. Abhilfe schaffte das optionale Cypher- Kabel und die EQ- App, mit der gute Anpassungen möglich wurden. Impulse mögen beide gerne, also den guten alten Charly Antolini eingelegt. Besonders mit dem HiRes- Cypher- Kabel knallten die Snareschläge in „Sticks To Me“aus dem Nichts in den Gehörgang, ohne jedoch allzu mittig im Kopf aufzuschlagen, wie es bei In- Ear- Hörern gerne mal passiert. Die offene Bauweise zog das Klangbild schön auseinander.