Test Opera Consonance Linear 200
Ein im besten Sinne altmodischer Röhrenverstärker ertönt zusammen mit einem hochmodernem Digital-Analog-Wandler. Eine Konsonanz für Musikfans, die dem Datenstrom ein besonderes Flair mitgeben wollen.
Dieser klangstarke Röhren-Vollverstärker für Hochpegelgeräte und digitale Quellen definiert das Zusammenspiel von neuer und alter Technik auf einem erquickend hohen Niveau
Den Blick muss sich jeder gefallen lassen: Wer als Röhrenverstärker zum AUDIO-Test antritt, muss seinen Sichtschutz lüften und seine Bestückung zeigen. Bevor jetzt ein Aufschrei wegen Sexismus in AUDIO losbricht und der arme Opera Audio Consonance Linear 200 als MeToo- Opfer schicksalisiert wird, seien alle Wohlmeinenden beruhigt. Es geht lediglich darum, dass auch der 3500 Euro teure Neuling des chinesischen Vollsortimenters und zugleich Röhrenspezialisten Opera Audio Consonance seinen schirmenden Schutzgitter- Käfig abnehmen muss. Schließlich will der geneigte HiFi- Fan auch bei so einem imposanten StereoVollverstärker wissen, was sich unter der Haube verbirgt. Das ist bei dem immerhin 29 Kilogramm schweren Powerpack aus Peking ein Neuner- Ensemble an Glaskolben, erstaunlicherweise allesamt nicht aus dem Reich der Mitte, sondern aus dem Reich des Putin stammend, denn die phonetisch vielleicht woanders hindeutende Firma Tung-Sol ist in Russland beheimatet. Sie liefert die pro Kanal zwei Leistungs- Pentoden KT 120, jedem Röhrenfan als die etwas stärkere Schwester der sockelgleichen Klassiker KT 88 und 6550 bekannt. Die aufgebohrte FünfpolRöhre ( Anode, Kathode, Steuergitter, Schirmgitter plus ein mit der Kathode verbundenes Bremsgitter) kann im Duett bis zu 150 Watt im sogenannten BBetrieb lockermachen. Duett deshalb, weil in der Push- Pull- Disziplin je ein Kolben die positive, einer die negative Halbwelle des Musiksignals verstärkt. Bei der recht energieeffizienten Betriebsart B schert man sich – stark vergröbert – wenig darum, was im Übernahmebereich der Wellenhälften passiert. Im HiFi- gerechteren A/ B- Betrieb schafft die KT 120 im Duo dann die namensgebenden 120 Watt. Opera Audio lässt die Gute aber „nur“in Class A arbeiten: Sozusagen in der von sattem Ruhestrom „vorgewärmten“Komfortzone der Röhre – für Techniker: mit in die Mitte der Kennlinie verlegtem Arbeitspunkt –, wo Übernahmeverzerrungen oder temperaturabhängige Nicht- Linearitäten kaum mehr eine Rolle mehr spielen. Diesen Bias genannten Grundversorger stellt der Opera Audio Consonance übrigens nach jedem Einschalten automatisch auf Optimalwert – die sonst übliche und von manchen Röhrenfans gern geübte Biasjustage entfällt. Freilich sinkt in Class- A die Effizienz: Das Messlabor ermittelte für den Linear 200 vergleichsweise bescheidene Sinusleistungen von 15 Watt an 8, 16 Watt an 4 Ohm pro Kanal – siehe Kasten. Die sogenannten Ausgangstransformatoren – bei dieser Art Röhrenverstärker unerlässliche Wandler von hohen Spannungen in lautsprechertaugliche Ströme – haben die entsprechenden Abgriffe für 4 und 8 Ohm. Sie sitzen im hinteren Abteil gemeinsam mit dem Netztrafo unter einer festen Haube, deren seitliche HolzApplikationen in verschiedenen Farben zu haben sind. Unter der vorderen Haube geht es somit trotz vergleichsweise geringer Kraftentfaltung heiß her. Wo Haustiere, kleine Kinder oder tolpatschige Hände Zugang
zum Musikzimmer haben, sollte der Schutzkäfig immer aufgesetzt bleiben. Die Pentoden- Paare werden von jeweils einer Doppeltriode des Typs Electro Harmonix 12 BH7 AEH angetrieben, bewährte Arbeitspferde wie die StereoEingangsröhre 12 AX 7 EH (ECC 83), die wegen ihrer Rauscharmut von Verstärkerbauern weltweit geschätzt wird. Doch das Ensemble führt ja noch zwei weitere Kolben auf der Gehaltsliste, und mit den erspielt sich die Linear 200 Sonderstatus gegenüber den üblichen Eingang-Zwei-Treiber-Vier- Leistungs- Mannschaftsaufstellungen. Indes haben die Sovtek 5AR4 keine wirklich signalführende Funktion: Die mit der legendären Valvo GZ34 sockelgleichen Röhren dienen in der Spannungsversorgung als Gleichrichter, machen also aus Wechselspannung verwertbare Gleichspannung. Gitarristen bekommen trotzdem feuchte Augen: In Verstärkern wie den frühen Marshall Amps oder noch immer bei Mesa Boogie Vintage Amps sorgen die 5AR4 angeblich maßgeblich für den „sag“sound. Sag ist mit „Durchhänger“irgendwie doof übersetzt, im Gitarrero- Jargon ist es mehr ein komprimierter, sehr sanfter und klangschöner Zerr, etwa von Neil Young in „Hey Hey My My“genutzt. Doch weg von alten Musiker-Klangzaubereien zu modernen HiFi-Vollverstärkern – ein solcher ist der Opera Audio Consonance. Zusätzlich zu den drei Hochpegeleingängen bietet der Integrierte tatsäch- lich auch ein Digitalbord mit optischem, koaxialem und USB- Eingang. Der Digital Analog Converter Chip AKM AK 4490 nimmt es via USB – in Stereo – mit PCMDatenströmen mit bis zu 32 Bit Wortbreite und 384 Kilohertz Abtastfrequenz auf, dazu auch mit DSD bis 256. Das ist sensationell und auf jeden Fall für alles ausreichend, was einem die Musik- Streamingdienste heute so anbieten – oder was an hochauflösender Musik so im heimischen Netzwerk greifbar ist. Und das war zum Beispiel die schöne Einspielung der Mozart-Violinkonzerte Nr. 3 und 4 mit Marianne Thorsen und den Trondheim Solistene auf dem norwegischen Edel- Label 2L. Der unfassbar feinfühlig und nuanciert aufgezeichnete Klang der in einer Kirche in unkonventioneller Sitzordnung positionierten Musiker kam mit einem Schmelz und einer Farbpracht, die auch sehr viel teureren Verstärkern gut zu den Ausgangsklemmen stünde. Die in HiRes nochmals prononciertere Alt-Stimme der Singer/Songwriterin Carrie Newcomer auf dem Album „The Slender Thread“(Stockfisch) berührte mit genau dosierter Emotionalität. Freilich brachten härtere und lautere Klänge den Opera Audio Consonance
Linear 200 anden AUDI O-Ab hör- Referenz lautsprechern B& W 802 D 3 auch an seine Leistungsgrenzen. Wer sich als Rockfreund mit großem Hörraum für ihn interessiert, sollte aus unserem Test fundus möglichst wirkungsgradstarke Lautsprecher wählen, in AUDI O 2/18 wurde die Auswahl jüngst nochmals erweitert. Doch was der Linear 200 bei gut nachbar schafts tauglichen Pegeln auch mit Hardrock oder großen Orchestern auszubreiten wusste, nahm uns schon mächtig für ihn ein. Da war Punch ohne Blubb, da war Raum ohne aufgeblähte Dimensionen, da war stimmungsvolle Energie. Der eingebaute DAC hält übrigens durchaus im Konzert der Guten mit. Zwar hatte er nicht ganz das ultrafein auflösende, kernig- kraftvolle Niveau etwa eines T+A MP 3100 HV – das zeigte der mit der sehr schön gestylten Fernbedienung geschaltete Vergleich von Digitaleingang mit einem Line- Input –, doch schließlich kostet der Opera ja auch nur knapp ein Viertel. Und außerdem hängt da noch ein im besten Sinne altmodischer, faszinierend klingender Röhrenvollverstärker dran. Ob dessen Klang nun „sag“genug ist, mögen die Gitarristen entscheiden. Für sensible HiFi- Fans ist er auf jeden Fall fein genug.