Test McIntosh MA252 AC
McIntosh baut seit Jahrzehnten fantastische Röhrenverstärker – und exzellente Transistor-Amps. Mit dem MA252 lassen die Amerikaner erstmals einen HybridVollverstärker vom Stapel. Eine Vereinigung mit Zukunft?
Dieser wunderschöne Röhren/ Transistoren-Vollverstärker ist grandios umgesetzt und tönt superb
Wenn das mal kein Coup war: Mit dem überragenden Vollverstärker MA7200 AC setzte McIntosh in AUDIO 6/18 Maßstäbe für TransistorVollverstärker – exzellent ausgestattet und sensationell im Klang. Kaum anzunehmen, dass diese Bastion in ihrer Preisklasse so schnell gestürmt wird. An der anderen Flanke des Verstärker- Universums, da wo glimmende Glaskolben walten, haben die US- Amerikaner mit dem Endstufen- Klassiker MC275 schon 1961, dann wieder 1993 ein Monument geschaffen, das nichts von seiner Faszination verloren hat. Die aktuelle MonoSchwester MC75 baut in diesem Geist weiter. Und mit den Vorverstärkern der 2000er-Serie (C2300, C2500 und zuletzt C2600) haben die Jungs aus Binghamton, New York, bewiesen, dass sie auch komfortable, klangstarke Preamps in Röhrentechnik hochziehen können. Die Erben von Firmengründer Frank McIntosh ballen jetzt ihre Know- howBastionen zu einem Hybriden. Der Vollverstärker MA252 vereint in seinem Gehäuse eine Röhrenvorstufe mit einer Stereo- Endstufe, die ihre Leistung aus Halbleitern bezieht. Im Design lehnt sich der MA252 an die MC275/MC75 an – vor allem die schmale Gehäusefront und die mit der Typenbezeichnung prangende Seite erinnern an die Altvorderen. Die „Monogrammed Heatsinks“mit ein- gefrästem „Mc“in den Kühlkörpern an den Flanken des mittigen Wehrturms mit den Endstufen gemahnen an die neueren Transistorboliden vom Schlage eines MA7200. Der 5000 Euro teure Neuling traf wiederum in der Version mit dem Namenszusatz AC zum Test ein. Das Suffix deutet auf die liebevollen Maßnahmen hin, die der deutsche Importeur Audio Components jedem McIntosh angedeihen lässt. Außer sanften Korrekturen von Ruhestrom oder Gleichrichtern gehört da noch ein feistes Netzkabel von Shunyata dazu. Auf den ersten Blick scheint die Vorstufensektion „back to the roots“zu gehen: keine digitalen Schnittstellen und damit auch kein Digital Analogue Converter an Bord. Aber für den MA252 wählte Entwicklungschef Peter Stethers ein pur analoges Design, denn DA-Wandlung und -Verwaltung kann man ja auch outsourcen. Doch auch mit analogen Eingängen wird eher gekleckert als geklotzt. Nur wer braucht heute wirklich mehr als zwei asymmetrische Cinchund einen symmetrischen XLR- Eingang? Für die Phono- Fans gibt es ja noch zusätzlich das entsprechende
Cinchbuchsen- Paar. Der dahinter steckende Phono- Preamp liftet mit Operationsverstärkern freilich nur die Signale von Moving- Magnet- (oder High- OutputMoving- Coil-) Tonabnehmern. Ansonsten gibt’s hier dank Mikroprozessoren ein schönes Extra- Portiönchen Komfort. Mit der kleinen, feinen Fernbedienung oder den Frontknöpfen – beides keine „klassischen“Drehknöpfe, sondern Impulsgeber für dahinterliegende Schaltkreise – lässt sich ein Setup moderner Machart vornehmen. Der User kann die Namen der Eingänge, deren Pegel, Balance, Bass- und Höhenanteil voreinstellen. Oder alles beim Alten lassen und sich nur dem schönen Schauspiel nach dem Einschalten widmen. Die vier signalführenden Röhren: je zwei Doppeltrioden des Typs 12 AX7A und 12 AT7, werden von unten per LED erst einmal orangefarben beleuchtet, bevor sie nach wenigen Sekunden Betriebstemperatur melden und die LEDs auf ein herrliches Grün schalten, das die Designer perfekt auf das McIntosh- Grün im mittigen, glasgeschützten Display abgestimmt ha- ben. Gut, das ist vielleicht kein Ersatz für die blau illuminierten VU- Meter eines MA7200, aber es sieht einfach stark aus. Diese Belechtung stimmt perfekt auf ein schönes Musikerlebnis ein. Die kleinen Stahlgitter über den Kolben lassen sich auch herausziehen. Was die Vorarbeiter aufbereiten, übernimmt dann eine waschechte HalbleiterEndstufe. Die ist übrigens mit den gleichen fünfbeinigen, temperaturüberwachten „Thermal Trak“- Leistungstransistoren bestückt wie der MA7200. Nur eben statt mit acht „nur“mit vier Exemplaren pro Kanal. Freilich müssen sie im MA252 auf die McIntoshtypischen „Autoformer“verzichten. Diese Ausgangs-Transformatoren bieten in den großen Mc- Boliden jeweils Abgriffe für 2-, 4- und 8- Ohm- Boxen und flankieren immer den großen Netz-Transformator. Im MA252 sitzt der 60- Joule- Umwandler alleine im Zentrum. Der Kawenzmann sorgt bis 3 Ohm für eine beeindruckende Stromlieferfähigkeit – siehe Messlabor- Kasten Seite 30. Erst so bei 2 Ohm und kräftigen Phasendrehungen scheint eine recht rigo-
rose Schutzschaltung dafür zu sorgen, dass die Sache nicht zu heiß wird. Aber heiß ging es trotzdem her, als sich der MA252 AC im AUDIO- Hörraum warmlief – wie es sich bei AUDIO gehört, an den Abhör- Referenzen Bowers & Wilkins 802 D3, die ihm offenbar entgegenkamen. Gemäß der kleinen Lightshow lief zunächst einmal „Green Tambourine“der Lemon Pipers, vor kurzem 50 Jahre alt geworden. Und schon diese harmlose, mit einigen Soundeffekten gepimpte Bubblegum- Nummer – wir testen schließlich ein amerikanisches Gerät – versetzte die Jury in Staunen. Mit einer Nonchalance sondergleichen schüttelte der Mc die Echos auf der Stimme, das titelgebende Rassel- Instrument und sogar die zeittypisch eingewobene elektrische Sitar aus den Bauteilen. Solche Details gehen bei mediokren Verstärkern entweder unter oder nerven mit aufdringlicher Präsenz.
HÖCHST MANIERLICH
Der McIntosh hingegen fand von Beginn an die rechte Balance zwischen dem analytischen Blick auf das Einzelne und dem musikalischen Sinn fürs Ganze. Die dementsprechend geweckte Lust an komplexerer Musik steigerte sich, je mehr der Hybrid auf Betriebstemperatur kam. Was im Übrigen sehr schnell passierte. Statt sich wie manche TransistorAmps erst einmal stundenlang zu zieren, ging der US- Hybrid binnen Minuten von einer leichten Strähnigkeit und Hartleibigkeit zu luftiger Gelöstheit über. So jubelten die Tester ihm schon bald nach Beginn des Hörmarathons die grandiose Einspielung Masaaki Suzukis von Mozarts c-moll- Messe beim audiophilen Label BIS (Klassik- CD des Monats AUDIO 2/17) unter. Die kammermusikalisch lichte Transparenz auch der gewaltigen Chor- Fugen, die der japanische Dirigent beispielhaft wahrt, wahrte auch der Ver- stärker aus dem Broome County. Von amerikanischer Hemdsärmeligkeit oder gar Grobheit nicht die leiseste Spur – der MA252 AC verhielt sich höchst manierlich gegenüber Mozarts göttlicher Musik. Trumpelt der aktuelle Präsident der Vereinigten Staaten auch auf allem, was irgendwie mit Kultur zu tun hat, nur zu gern herum: Hier zeigte ein würdiger Repräsentant dieses großen Landes die angemessen große Klangkultur. Deshalb blieben die Tester auch gerne noch bei klassischer Musik. Selbst wenn Mariss Jansons aktuelle Einspielung von Bruckners Achter Sinfonie – siehe Seite 117 – rein klangtechnisch nicht ganz mit Suzukis BIS- SACD mithalten kann, so entfesselt der lettische Pult- Aristokrat doch einen immensen Reichtum an Klangfarben und dynamischen Abstufungen – bis hin zu respekteinflößenden Fortissimi. Was wiederum von einer Wiedergabekette eben nicht nur grobschlächtige Kraftentfaltung, sondern auch feinfühliges Differenzierungsvermögen verlangt. Auch hierin erwies sich der „kleine“McIntosh MA252 AC schon als großer Verstärker, der das diffizile Spiel einer im hohen Register blasenden Solo- Oboe mit einer leicht tremolierenden Streichersektion kleinstteilig aufzudröseln verstand. Weil es so schön war, wanderte noch eine klassische SACD in den Player T+A MP 3100 HV: Das spätestromantische Violinkonzert von Erich Wolfgang Korngold hat die niederländische Geigerin Liza Fertschman für das audiophile Label North Star eingespielt (7/18). Diese wunderbar transparente Produktion bewies einen Verdacht, den der Autor seit Beginn des Hörtests hegte: Dieser Mc weiß nicht nur akustische Feinstkost aufzutischen, sondern ist auch ein Meister darin, eine herrliche Klangbühne aufzubauen mit sauber zentrierter Mitte. Die Plastizität seiner Raumdarstellung dürfte in dieser Preisklasse einmalig sein. Doch der Ami konnte auch rocken. Und wie! Die richtig fett abgemischten
Drums in Carl Palmers „ELP Legacy Live“gingen hier so richtig zur Sache. In „America“(so viel Spaß muss sein) drehte die Jury tatsächlich so weit auf, dass die orangefarbene Warnbeleuchtung leicht nervös flackerte, doch nach einer leichten Lautstärke- Reduktion stand der Mc wieder unerschütterlich seinen Mann. Ohne Weichei- Faktor bereitete er auch ziemlich brachiale Pegel höchst angenehm zu. Als wäre das alles noch nicht genug der Gloriole, glänzte der MA252 AC auch mit seiner Schallplattenwiedergabe. Ein High- Output- MC-System wie das Benz ACE H ließ ihn etwa mit den Rolling Stones (Seite 118) weiter zu großer Form auflaufen. Wenn Mick Jagger provozierend „Can’t You Hear Me Knocking“(Knaller auf „Sticky Fingers“) fragte, dann schien der McIntosh geradezu lustvoll zu antworten: „I do“. Als dann „Goats Head Soup“köchelte und wir zum Schlusstitel von Seite 1 kamen, war es herrlich zu hören, wie auch ein Amerikaner der legendären „Angie“nachtrauerte. Aber nicht nur das, sondern die gesamte Performance unabhängig von Stil und Stilen sorgte dafür, dass die Redaktion geschlossen gratulierte: McIntoshs Hybrid- Konzept hat eine prachtvolle Zukunft vor sich.