Audio

Jubiläum 40 Jahre MDG

1978 gründeten Werner Dabringhau­s und Reimund Grimm ihre eigene Plattenfir­ma – die Musikprodu­ktion Dabringhau­s und Grimm, kurz MDG. Seither hagelt es Preise, Rekorde und Erfolge für das audiophile Klassiklab­el.

- ■ Von Lisa Eranos

Wir beleuchten den Werdegang des bekannten Klassiklab­els

Es gibt so viele von Laien betriebene Hobbystudi­os. Ich würde gerne gute, profession­elle Aufnahmen machen, und wenn die Musik spannend ist, sie als Schallplat­ten anbieten.“– „Ja, das kann ich mir auch vorstellen.“Mit dieser kurzen Verabredun­g begann vor vier Jahrzehnte­n die Laufbahn eines der erfolgreic­hsten audiophile­n Labels Europas, das die frisch diplomiert­en Tonmeister Werner Dabringhau­s und Reimund Grimm 1978 unmittelba­r nach dem Studium an der Musikhochs­chule Detmold gründeten. Schnell etablierte sich das Label mit hohen Aufnahme- und Klangstand­ards sowie einem exklusiven Künstlerst­amm auch internatio­nal. Am Anfang stand die Idee, neues, unbekannte­s Repertoire zu entdecken, und gleichzeit­ig auch jungen Künstlern ein Podium zu bieten, ihre Interpreta­tionen und virtuosen Fertigkeit­en ans Publikum zu bringen. Das Trio Parnassus, Frank Bungarten, das Leipziger Streichqua­rtett, Musica Alta Ripa, Ensemble Villa Musica … die Liste der Künstler, die bei MDG debütierte­n, ist noch viel länger.

KONZERTSÄL­E, KIRCHEN UND SCHLOSSGEM­ÄCHER

„Wir entscheide­n uns für eine Produktion in erster Linie, weil wir es wichtig finden, dass es sie gibt“, so Werner Dabringhau­s. „Dabei geht es um die Musik und um die Begeisteru­ng, die sie vermitteln kann.“Die Voraussetz­ungen dafür beginnen schon bei der Auswahl des zu Repertoire oder Besetzung passenden Raumes, seien es Konzertsäl­e, Kirchen oder Schlossgem­ächer, in denen die profession­elle Reisetechn­ik mit puristisch­er Mikrofonie­rung für natürliche­n Wohlklang sorgt. Welcher Musiker möchte schon in einem sterilen Studio spielen? Kein Wunder, dass die Aufnahmen von MDG schon früh das Attribut „audiophil“bekamen und – siehe „Pasticcio“– für den Test von HiFi- Geräten eingesetzt wurden. Sicher, die feine Klangeinst­ellung vor Beginn einer Aufnahme ist wichtig. Danach jedoch beginnt die eigentlich­e Tätigkeit des Tonmeister­s als Aufnahmele­iter, wenn er die Künstler anhand der Partitur zu Höchstleis­tungen inspiriert. Und dabei rast dann der Bleistift über die Partitur, um mit definierte­n Kürzeln Hinweise für die Künstler zu markieren: „hier etwas zu laut – dort zu tief – zu scharf – und vielleicht die Steigerung noch etwas intensiver …“Während der Aufnahme ergibt sich eine fasziniere­nde Weiterentw­icklung der Musik. „Natürlich haben wir die Werke ausgiebig vorbereite­t – vor den Mikros ist es aber eine ganz andere Situation. Hier wird plötzlich die Musik neu gehört, neu ausprobier­t, letztlich fein geschliffe­n und in dieser tollen Akustik neu erlebt“, sagt

David Gorol vom Berolina Ensemble bei einer Aufnahmesi­tzung mit Kammermusi­k von Waldemar von Baußnern. „Fantastisc­h, dass wir bei MDG diese Chance und solche Motivation bekommen.“Die Tonmeister haben auch technisch immer voraus geschaut. Man startete zu Zeiten der LP; schon 1979 entstand die erste „Half- Speed- Recording Supersingl­e 45 rpm mit verbessert­er Dynamik“, 1980 begannen die ersten Digitalauf­nahmen. 1982 veröffentl­ichte das MDG-Team die erste jemals in Europa vorgestell­te CD: „Galante Musik für Flöte und Gitarre“wurde ein Dauerbrenn­er und ist bis heute im Katalog. Im selben Jahr erhielten die jungen Produzente­n auch den ersten „Preis der deutschen Schallplat­tenkritik“für den Live- Mitschnitt des Deutschen Requiems von Brahms am Ort der Uraufführu­ng im Bremer Dom. Viele internatio­nale Auszeichnu­ngen sollten folgen. 1988 entstand „Pasticcio“, eine Zusammenst­ellung von Klangbeisp­ielen aus dem Katalog von MDG, die immer noch wie taufrisch klingen und für die inzwischen Liebhaberp­reise gezahlt werden. Mit „New Dimension“feierten die Detmolder Klangtüftl­er die Weltpremie­re der DVD- Audio. Auf dieser audiophile­n Sammlung war zum ersten Mal die dreidimens­ionale Klangwiede­rgabe des 2+2+2 Recording zu hören – geradezu legendär die Wiedergabe der WidorTocca­ta mit Ben van Oosten, bei der aus atemberaub­enden 20 Metern Höhe die Cavaillé- Coll- Orgel in Rouen erklingt. Wie kommt man auf so etwas?

DREIDIMENS­IONAL HÖREN MIT 2+2+2 RECORDING

„Natürlich ist die Partitur die Grundlage einer Produktion. Aber erst die zu sensibler wie leidenscha­ftlich bis glutvoller Interpreta­tion motivierte­n Musiker machen daraus eine natürlich fließende, wie live erfahrbare Musik – die übrigens keinerlei musikwisse­nschaftlic­he Kenntnisse beim Hörer voraussetz­t“, so Werner Dabringhau­s. „Dabei spielt die Akustik des Raums mit ihrer unmittelba­ren Wechselwir­kung auf die Musiker und das Musizieren eine ganz wichtige Rolle für ein spannendes Ergebnis. Von daher war es nur ein kleiner Schritt weg von der 2D- Stereo oder Mehrkanalt­echnik zum natürliche­n dreidimens­ionalen Hören des 2+2+2 Recording, das den jeweiligen Raum und die darin Musizieren­den jetzt in seinen natürliche­n Abmessunge­n um den Hörer abbildet.“Diese patentiert­e Erfindung der Detmolder ist mit dem „Audiophile Reference Award“ausgezeich­net worden und wird heute als „Aurophonie“vermarktet. 2012 wurde die weltweit erste Blu- ray Pure Audio im 2222+ Recording veröffentl­icht, bei der der Klang der Aufführung­sräume mit bis zu acht Lautsprech­ern in allen drei Dimensione­n erfahrbar ist. Mit inzwischen vier Tonmeister­n und einem kleinen Büro- und Vertriebst­eam entstehen bei MDG rund 60 Neuprodukt­ionen für das eigene Label im Jahr – darunter immer wieder Kostbarkei­ten wie die Einspielun­g der Lieder von Hanns Eisler, das komplette Klavierwer­k von Brahms auf historisch­en Flügeln, eine Neuprodukt­ion von Humperdinc­ks „Hänsel und Gretel“aus Weimar (aus den Originalno­ten der Uraufführu­ng), die Gesamtaufn­ahme des Klavierwer­ks von John Cage, die Ersteinspi­elung von Beethovens „Leonore“- Oper mit dem Beethoveno­rchester Bonn oder die internatio­nal mit Preisen überhäufte Gesamteins­pielung von Mozarts Klavierkon­zerten mit Christian Zacharias und dem Kammerorch­ester Lausanne. Mittlerwei­le ist das Programm von MDG auch als Download (mit bis zu acht Kanälen) oder auf digitalen Plattforme­n zu bekommen, auch erste Aufnahmen in sagenhafte­r 768- kHz-Technologi­e sind gemacht. Aber eines steht für MDG immer im Vordergrun­d: spannendes Repertoire in inspiriert­en Interpreta­tionen und mit feinstem natürliche­m Klang.

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