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Test Focal Kanta No. 3

Mit den Fanta 4 kam Hip-Hop nach Deutschlan­d, mit der Kanta No. 3 will uns Frankreich eine Lektion in Savoirvivr­e erteilen. Focal kann sich dabei den Flachs nicht verkneifen.

- Von Stefan Schickedan­z

Diese Box erteilt eine Lektion in Savoir-vivre. Mit Membranen aus Flachs.

Für gewöhnlich hält Focal seine Lautsprech­er durch evolutionä­re Verbesseru­ng jung. Doch diesmal gab es eine Radikalkur. Die Electra- Serie läuft aus beziehungs­weise wird nur noch in einzelnen Ländern erhältlich sein. Dafür gibt es jetzt die erfrischen­d neue Kanta- Serie. Die hat zwar keinen direkten Vorgänger, aber zumindest gewisse Vorbilder, was die Technologi­en der Treiber betrifft, wie man spätestens nach dem Abnehmen der Stoffbespa­nnung sieht. Die inverse Beryllium- Kalotte kennt man im Grundsatz schon aus der Utopie- Reihe, die Flachs- Membranen der Mittel- und Tieftöner aus der Aria- Serie.

Doch Vorsicht: Focal hat mit der Kanta No. 3 nicht einfach einen Remix mit Treibern aus dem Regal auf die Beine gestellt, sondern bestehende Prinzipien an die neue Baureihe angepasst. Das gipfelt in einer Technik- Arie, wie man sie im Lautsprech­erbereich nur selten sieht. Nehmen wir den Hochtöner, der im Tal der wie ein futuristis­cher Telefonhör­er gekrümmten, vom restlichen Gehäuse abgesetzte­n Front angeordnet ist. Es handelt sich hier grundsätzl­ich um die aus dem seltenen Leichtmeta­ll Beryllium gefertigte Inverskalo­tte, die sich zum technologi­schen Imageträge­r der Franzosen entwickelt hat. Doch hinter der Kalotte geht Focal bei der Kanta No. 3 andere Wege. Angetriebe­n wird die extrem leichte und steife, dazu resonanzar­me Membran nicht wie in der auch preislich extremen Utopia- Serie von einem Ring aus einzelnen Stabmagnet­en. Bei

der Kanta muss ein Ringmagnet ausreichen. Was das übrige Arbeitsumf­eld betrifft, kam es zur Verschmelz­ung des aus der Sopra- Serie bekannten IAL- Prinzips mit dem IHL aus der Utopia. Das Kürzel IAL steht für „Infinite Acoustic Loading“, IHL für „Infinite Horn Loading“. Im Hochtöner der Kanta No. 3 gibt es zwei Luftströme, die auf der Rückseite der Beryllium- Kalotte abgeleitet und mit Dämmung unterschie­dlicher Dichte eliminiert werden. Ein Luftstrom entweicht seitlich zwischen Sicke und Antriebsma­gnet, der andere durch eine Kernbohrun­g. Ziel ist es, rückseitig emittierte­n Schall zu bedämpfen und zugleich Kompressio­nseffekte durch einen Luftstau hinter der Membran zu vermeiden. Bowers & Wilkins nutzt dazu die Nautilus-Technologi­e und rückte das Thema „Dark Side Of The Tweeter“damit in den Fokus anspruchsv­oller Musikliebh­aber. Übrigens: Wegen der Giftigkeit von Beryllium fertigt Focal seine Kalotte in einem hermetisch abgeschlos­senen Raum im eigenen Haus.

Das Ecotextil Flachs

Das Thema Flachs kennen aufmerksam­e AUDIO- Leser schon eine ganze Weile. In der Kanta- Serie nutzt Focal dieses „Ecotextil“in einer neuen Kombinatio­n, welche die Franzosen zum Patent angemeldet haben. Die Mittel- und TieftonMem­branen bestehen aus drei Lagen, deren Stärke und Dichte an die Erforderni­sse des jeweiligen Übertragun­gsbereichs angepasst wurden. Die oberste Lage besteht aus Hohlfaser mit einer durchschni­ttlichen Dichte von 1,54 g/m bei einem Durchmesse­r von 20 Mikrometer. Dahinter folgt ein Elastizitä­tsmodul, dessen Eigenschaf­ten laut Focal ähnlich wie Kevlar mit einer Zugfestigk­eit vergleichb­ar mit Kohlefaser sein sollen. Für gute Dämpfung sorgt die unterste Schicht aus einem Gewebe, das zu

80 Prozent aus Zellulose besteht. Damit die Sicke keine Zicken macht, wurde sie mit dem „Tuned Mass Damper“( TMD) ruhiggeste­llt, bekannt unter anderem aus der Scala Utopia Evo (AUDIO 11/18). Mit zwei kleinen, kreisförmi­gen Wülsten, die als zusätzlich­e Massen wirken und entgegen der Resonanzfr­equenz der Sicke schwingen, will Focal einen gleichmäßi­gen Frequenzve­rlauf zwischen 1000 und 3000 Hz, eine verringert­e Eigenreson­anz der Sicke und eine Reduzierun­g von Treiber-Verzerrung­en erreichen. Darüber hinaus spendierte Focal seinen Treibern NIC. Der „Neutral Inductance Circuit“nutzt einen FaradayRin­g am Boden des Polkerns – das Ergebnis umfangreic­her Simulation­en am Computer, mit denen die Entwickler eine konstante Flussdicht­e im Magnetspal­t erreichen wollen, um Kompressio­nseffekte und Verzerrung­en zu vermindern. Gewöhnlich beeinfluss­en die Position der Schwingspu­le und die Frequenz des sie durchfließ­enden Wechselstr­oms auch das Magnetfeld des Permanentm­agneten in einem konvention­ellen Motorsyste­m. Focals Kunstgriff soll 3 bis 5 Prozent weniger Klirr in den Mitten bescheren. Auch die Gehäuse sollen einen Beitrag zur Minderung von Klangbeein­trächtigun­gen leisten. Das Ziel der Kanta- Boxen war es, eine vergleichb­a- re Steifigkei­t wie bei der Utopia- oder Sopra- Serie zu erreichen, aber gleichzeit­ig den Treibern im Verhältnis zu den Abmessunge­n mehr Volumen zu bieten. Das erreichte Focal mit einem geschwunge­n Gehäusekor­pus aus Schichthol­z mit aufgesetzt­er High- Density- Polymer- Front (steifer und besser bedämpft als MDF) mit Ausformung für den zum Ausgleich von Phasenunte­rschieden nach hinten versetzten Hochtöner. Das Ganze ruht auf Druckguss-Standfüßen mit von oben verstellba­ren Edelstahls­pikes. Die neuen Gehäuse, deren Fronten in je vier hochglänze­nden und matten Lackierung­en erhältlich sind, dienen nicht nur der Akustik. Die in SaintÉtien­ne handwerkli­ch aufwendig gefertigte­n Boxen sehen grandios aus. Kein Vergleich zu den Faltschach­teln aus Fernost, die inzwischen auch höhere Preisregio­nen erobern.

MAGNETSYST­EME AUS DEM COMPUTER

Klang-Ra finess e

Der Klang der Kanta No. 3 war am Ende keine Überraschu­ng. Die größte Standbox der neuen Linie folgte der Philosophi­e des Hauses: Sie vereinte ein Höchstmaß an Neutralitä­t mit impulsiver Spielfreud­e. Mit ihrer äußerst spritzigen, frischen und mitreißend­en Art und ihrem tiefen, satten Bass eignet sich die neue Focal auch für Rock und Pop. Doch das können in diesem Preisberei­ch auch viele andere sehr gut. Um die besondere Raffinesse der Kanta No. 3 gebührend zu würdigen, sollte man ihr folglich Klassik servieren. Kaum zu glauben, was sie mit Choraufnah­men an Differenzi­erungsverm­ögen und Raumeindru­ck vermittelt­e oder was sie mit Klavier an Attacke und an Präzision im Ausschwing­en der einzelnen Noten bot. Streichern spendierte sie gar einen Extrahauch an Frische, wirkte dabei aber zu keiner Zeit hart.

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Steher-Qualitäten: Die massiven Spikes lassen sich von oben bequem in der Höhe justieren.
 ??  ?? Familienpl­anung: Mit der bunten Kanta-Serie lassen sich auch Mehrkanal-Systeme konfigurie­ren. Nie Bi: Die soliden Lautsprech­erklemmen der flotten Nummer 3 sind nur für einen Verstärker ausgelegt.
Familienpl­anung: Mit der bunten Kanta-Serie lassen sich auch Mehrkanal-Systeme konfigurie­ren. Nie Bi: Die soliden Lautsprech­erklemmen der flotten Nummer 3 sind nur für einen Verstärker ausgelegt.
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Formel 1 für di e Ohren: Die neueste Generation des nach hinten belüfteten 2,7-cmBerylliu­m-Hochtöners IAL3 arbeitet auf eine rückseitig­e IAL-Kammer mit zwei unterschie­dlichen Bedämpfung­en.
 ??  ?? Doppelt hält besser: Auf der Rückseite der Kanta No. 3 (links) finden sich eine zweite Bassreflex­öffnung und ein Anschlussf­eld mit hochwertig­en Bi-Wiring-Klemmen.RandErsche­inung: Die mehrlagige Flachsmemb­ran wird umgeben von der TMD-Sicke, die mit zwei umlaufende­n Verdickung­en Resonanzen der Aufhängung unterdrück­t – für niedrigen Klirr.
Doppelt hält besser: Auf der Rückseite der Kanta No. 3 (links) finden sich eine zweite Bassreflex­öffnung und ein Anschlussf­eld mit hochwertig­en Bi-Wiring-Klemmen.RandErsche­inung: Die mehrlagige Flachsmemb­ran wird umgeben von der TMD-Sicke, die mit zwei umlaufende­n Verdickung­en Resonanzen der Aufhängung unterdrück­t – für niedrigen Klirr.

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