Test Music Hall mmf-7.3
In der Luftfahrt sind Doppeldecker ausgestorben. In der HiFiWelt erfahren sie frischen Auftrieb. Mit neuem Vertrieb soll der Music Hall mmf-7.3 den Bereich für Plattenspieler um 1.500 Euro aufmischen. Mission possible?
Eine Augenweide mit raffinierter Doppelzarge und Karbon-Tonarm.
Eigentlich nehmen sich hochwertige Plattenspieler immer sehr ernst. Manchmal zu ernst. Wie erfrischend klingt da der Name Music Hall – vor allem, wenn man weiß, wer hinter der internationalen Marke steht: Ein gewisser Herr Hall, Roy Hall. Der Mann mit Sinn für Humor stammt aus Schottland, lebt in den USA, lässt seine Plattenspieler von einer österreichischen Marke in Tschechien bauen. Der weltgewandte Auswanderer wirkt mit seinen wehenden weißen Haaren wie ein in Würde gealterter Rockstar, was womöglich an seinem Zaubertrank liegt: Hall, einstiger Weggefährte von Ivor Tiefenbrun, teilt nicht nur dessen Leidenschaft für Vinyl, sondern ist auch hochwertigen schottischen Whiskys wie Bowmore zugetan. Keine Sorge: Der Autor ist kein ausgemachter Whisky- Fan, und AUDIO ist nicht AUDIOphile.
So können wir uns nun der nüchternen Beschreibung des schwarzen Doppeldeckers widmen, mit dem Hall unseren Hörraum in eine Musikhalle verwandelte. Der Music Hall mmf-7.3 wird zwar bei Pro- ject in Tschechien gebaut und basiert auch von zahlreichen Komponenten auf deren eigenen Plattenspielern. Doch verleiht ihm das von Hall favorisierte, doppelbödige Dämpfungs- System namens SPIT (Split- Plinth Isolation Technology) einen eigenen Look.
Spit-Parade
Wie die Doppel-Zarge wirkt, versteht man am besten, wenn man Mr. Hall beim Aufbau zusieht. Die Idee dahinter ist nämlich folgende: Während sich bei den Organspendern von Pro- ject Ton- arm, Plattentellerlager, Motor und Anschlussfeld ein Board teilen, verteilt Music Hall beim mmf-7.3 alles auf zwei Etagen. Das sichert zunächst einmal der oberen Spanplatte eine bessere Entkopplung von der Unterlage, weil sie zusätzlich durch elastische Sorbotan- Elemente zwischen den Borden geschützt wird. Die Unterlage mit den Anschlüssen ruht auf drei Füßen. Die in einem schweren Metallzylinder mit massivem resonanzdämpfenden Untersetzer untergebrachte Motoreinheit steht zum Plattenspieler nur über den geschliffenen Antriebsriemen in Verbindung. Mit dem gesamten Chassis kommt diese Antriebs- und Schwingungsquelle überhaupt nicht in Berührung. Sie steht direkt auf dem Rack; links vorne, wo die Dop- pel-Zarge eine Ausparung hat, um jeglichen Konktakt zu vermeiden. Zunächst fragt man sich, wie man sie ausrichten soll, weil es keine Markierung gibt. Im weiteren Verlauf des Zusammenbaus stellt man aber fest, dass sich die Ausrichtung ganz automatisch durch die Länge des Riemens ergibt. Das ist auch schon das Einzige, was an diesem Plattenspieler automatisch funktioniert. Hall setzt wie Pro-ject auf manuelle Konzepte, erspart aber den Benutzern des mmf7.3 immerhin das Umlegen des Riemens durch eine elektronische Drehzahlregelung für den mit Steckernetzteil ausgerüsteten DC- Motor. Die wird mit einem simplen, illuminierten Druckschalter bedient und wechselt nach jedem Druck zwischen 33 und 45 U/Min und Stop. Das Präzisions- Hauptlager besteht aus Edelstahl mit Teflon- Ummantelung für schwingungsarmen Lauf. Es sitzt auf der oberen Zarge und ist damit vom Untergrund gut entkoppelt – eine solide Basis für den resonanzarmen zweiteiligen Acryl- Plattenteller, weicher Filzmatte und lagerschonender leichter MetallSchraubklemme zum festen Anpressen verwellter Schallplatten. Auf der gleichen Platte wie das Lager sitzt auch der Tonarm, den Vinyl- Fans schon von diversen Pro- jects kennen. Es ist der einteilige, 250 g schwere 9-Zoll-VollcarbonTonarm Pro- ject 9cc, der mit einigen Modifikationen für Music Hall im tschechischen Werk gebaut wird. Seine effektive Masse beträgt 8,5 Gramm, was ihn zu einem Leichtgewicht macht. Der Schwerpunkt des Gegengewichts liegt auf Höhe der Nadelspitze, ist vom Arm entkoppelt und wirkt als Dämpfer für die Armresonanz, die bei 400 Hz liegt. Typisch für Music Hall ist, dass der Plattenspieler auf Wunsch mit einem vormon- tierten, perfekt ausgerichteten Tonabnehmer geordert werden kann. Dann muss der Nutzer nur noch das Auflagegewicht selbst einstellen. Gegen einen Aufpreis von 200 Euro bietet der neue
Deutschland-Vertrieb Reichmann Audiosysteme den mff-7.3 mit einem Ortofon 2M Bronze an, der gewöhnlich mit 360 Euro in der Liste steht. Ein günstiger Komplettpreis also mit dem MM-System für gehobene Ansprüche, das mit einer Abtastfähigkeit von 80 Mikrometern bei 1,5 Gramm Auflagegewicht aufwartet. Zum Ausrichten der dreibeinigen Doppel-Zarge auf ihren verstellbaren Tip-Toe- Füßen bringt der mmf-7.3 eine integrierte Wasserwaage mit. Überhaupt stimmt die Ausstattung: Neben dem obligatorischen Single- Puck und der bereits erwähnten Schraubklemme, liegt eine Acryl- Abdeckhaube sowie ein hochwertiges Phono- Kabel für die vergoldeten Cinch- Anschlüsse bei.
Doppel decker im Höhen flug
Im Hörtest profilierte sich der Music Hall als Vertreter der schnellen Truppe. Zackig und mit großer Akkuratesse widmete er sich Impulsen. Dabei gelang dem doppelten Flottchen ein sehr gutes Timing gepaart mit anspringender Dynamik. So klang etwa der Vinyl- Klassiker „Knock Out“von Charly Antolini knochentrocken und ausgesprochen präzi- se. Selbst im härtesten „Trommel- Feuer“ließ der mmf-7.3 nicht nach und behielt seine Präzision bei. Gleichzeitig ließen die blankpolierten Becken für einen Plattenspieler mit MM-Tonabnehmer eine sehr klare, saubere Höhenwiedergabe erkennen. Ein Trend, der sich bei einem kurzen Ausflug in die Klassik fortsetzte. Doch nicht nur Tempo, Auflösung oder Dynamik waren für Music Hall ein Thema, sondern auch Klangfarben. Diverse Aufnahmen mit Männer- oder Frauenstimmen, etwa „No Sanctuary“vom unvergessenen Chris Jones, zeigten, dass der mmf-7.3 es auch mit der Neutralität sehr genau nimmt. Allerdings festigte sich mit fortschreitender Vinylsession der Eindruck, dass der Bass noch einen Tick tiefer und satter sein könnte. Das war aber auch schon der einzige kleine Kritikpunkt. Eher unter Geschmacksache fallen dagegen Experimente mit Weglassen von Plattenklemme und/ oder Filzmatte. Kurzum: Genau das Richtige für die kalte Jahreszeit.