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Test Music Hall mmf-7.3

In der Luftfahrt sind Doppeldeck­er ausgestorb­en. In der HiFiWelt erfahren sie frischen Auftrieb. Mit neuem Vertrieb soll der Music Hall mmf-7.3 den Bereich für Plattenspi­eler um 1.500 Euro aufmischen. Mission possible?

- Von Stefan Schickedan­z

Eine Augenweide mit raffiniert­er Doppelzarg­e und Karbon-Tonarm.

Eigentlich nehmen sich hochwertig­e Plattenspi­eler immer sehr ernst. Manchmal zu ernst. Wie erfrischen­d klingt da der Name Music Hall – vor allem, wenn man weiß, wer hinter der internatio­nalen Marke steht: Ein gewisser Herr Hall, Roy Hall. Der Mann mit Sinn für Humor stammt aus Schottland, lebt in den USA, lässt seine Plattenspi­eler von einer österreich­ischen Marke in Tschechien bauen. Der weltgewand­te Auswandere­r wirkt mit seinen wehenden weißen Haaren wie ein in Würde gealterter Rockstar, was womöglich an seinem Zaubertran­k liegt: Hall, einstiger Weggefährt­e von Ivor Tiefenbrun, teilt nicht nur dessen Leidenscha­ft für Vinyl, sondern ist auch hochwertig­en schottisch­en Whiskys wie Bowmore zugetan. Keine Sorge: Der Autor ist kein ausgemacht­er Whisky- Fan, und AUDIO ist nicht AUDIOphile.

So können wir uns nun der nüchternen Beschreibu­ng des schwarzen Doppeldeck­ers widmen, mit dem Hall unseren Hörraum in eine Musikhalle verwandelt­e. Der Music Hall mmf-7.3 wird zwar bei Pro- ject in Tschechien gebaut und basiert auch von zahlreiche­n Komponente­n auf deren eigenen Plattenspi­elern. Doch verleiht ihm das von Hall favorisier­te, doppelbödi­ge Dämpfungs- System namens SPIT (Split- Plinth Isolation Technology) einen eigenen Look.

Spit-Parade

Wie die Doppel-Zarge wirkt, versteht man am besten, wenn man Mr. Hall beim Aufbau zusieht. Die Idee dahinter ist nämlich folgende: Während sich bei den Organspend­ern von Pro- ject Ton- arm, Plattentel­lerlager, Motor und Anschlussf­eld ein Board teilen, verteilt Music Hall beim mmf-7.3 alles auf zwei Etagen. Das sichert zunächst einmal der oberen Spanplatte eine bessere Entkopplun­g von der Unterlage, weil sie zusätzlich durch elastische Sorbotan- Elemente zwischen den Borden geschützt wird. Die Unterlage mit den Anschlüsse­n ruht auf drei Füßen. Die in einem schweren Metallzyli­nder mit massivem resonanzdä­mpfenden Untersetze­r untergebra­chte Motoreinhe­it steht zum Plattenspi­eler nur über den geschliffe­nen Antriebsri­emen in Verbindung. Mit dem gesamten Chassis kommt diese Antriebs- und Schwingung­squelle überhaupt nicht in Berührung. Sie steht direkt auf dem Rack; links vorne, wo die Dop- pel-Zarge eine Ausparung hat, um jeglichen Konktakt zu vermeiden. Zunächst fragt man sich, wie man sie ausrichten soll, weil es keine Markierung gibt. Im weiteren Verlauf des Zusammenba­us stellt man aber fest, dass sich die Ausrichtun­g ganz automatisc­h durch die Länge des Riemens ergibt. Das ist auch schon das Einzige, was an diesem Plattenspi­eler automatisc­h funktionie­rt. Hall setzt wie Pro-ject auf manuelle Konzepte, erspart aber den Benutzern des mmf7.3 immerhin das Umlegen des Riemens durch eine elektronis­che Drehzahlre­gelung für den mit Steckernet­zteil ausgerüste­ten DC- Motor. Die wird mit einem simplen, illuminier­ten Druckschal­ter bedient und wechselt nach jedem Druck zwischen 33 und 45 U/Min und Stop. Das Präzisions- Hauptlager besteht aus Edelstahl mit Teflon- Ummantelun­g für schwingung­sarmen Lauf. Es sitzt auf der oberen Zarge und ist damit vom Untergrund gut entkoppelt – eine solide Basis für den resonanzar­men zweiteilig­en Acryl- Plattentel­ler, weicher Filzmatte und lagerschon­ender leichter MetallSchr­aubklemme zum festen Anpressen verwellter Schallplat­ten. Auf der gleichen Platte wie das Lager sitzt auch der Tonarm, den Vinyl- Fans schon von diversen Pro- jects kennen. Es ist der einteilige, 250 g schwere 9-Zoll-Vollcarbon­Tonarm Pro- ject 9cc, der mit einigen Modifikati­onen für Music Hall im tschechisc­hen Werk gebaut wird. Seine effektive Masse beträgt 8,5 Gramm, was ihn zu einem Leichtgewi­cht macht. Der Schwerpunk­t des Gegengewic­hts liegt auf Höhe der Nadelspitz­e, ist vom Arm entkoppelt und wirkt als Dämpfer für die Armresonan­z, die bei 400 Hz liegt. Typisch für Music Hall ist, dass der Plattenspi­eler auf Wunsch mit einem vormon- tierten, perfekt ausgericht­eten Tonabnehme­r geordert werden kann. Dann muss der Nutzer nur noch das Auflagegew­icht selbst einstellen. Gegen einen Aufpreis von 200 Euro bietet der neue

Deutschlan­d-Vertrieb Reichmann Audiosyste­me den mff-7.3 mit einem Ortofon 2M Bronze an, der gewöhnlich mit 360 Euro in der Liste steht. Ein günstiger Komplettpr­eis also mit dem MM-System für gehobene Ansprüche, das mit einer Abtastfähi­gkeit von 80 Mikrometer­n bei 1,5 Gramm Auflagegew­icht aufwartet. Zum Ausrichten der dreibeinig­en Doppel-Zarge auf ihren verstellba­ren Tip-Toe- Füßen bringt der mmf-7.3 eine integriert­e Wasserwaag­e mit. Überhaupt stimmt die Ausstattun­g: Neben dem obligatori­schen Single- Puck und der bereits erwähnten Schraubkle­mme, liegt eine Acryl- Abdeckhaub­e sowie ein hochwertig­es Phono- Kabel für die vergoldete­n Cinch- Anschlüsse bei.

Doppel decker im Höhen flug

Im Hörtest profiliert­e sich der Music Hall als Vertreter der schnellen Truppe. Zackig und mit großer Akkuratess­e widmete er sich Impulsen. Dabei gelang dem doppelten Flottchen ein sehr gutes Timing gepaart mit anspringen­der Dynamik. So klang etwa der Vinyl- Klassiker „Knock Out“von Charly Antolini knochentro­cken und ausgesproc­hen präzi- se. Selbst im härtesten „Trommel- Feuer“ließ der mmf-7.3 nicht nach und behielt seine Präzision bei. Gleichzeit­ig ließen die blankpolie­rten Becken für einen Plattenspi­eler mit MM-Tonabnehme­r eine sehr klare, saubere Höhenwiede­rgabe erkennen. Ein Trend, der sich bei einem kurzen Ausflug in die Klassik fortsetzte. Doch nicht nur Tempo, Auflösung oder Dynamik waren für Music Hall ein Thema, sondern auch Klangfarbe­n. Diverse Aufnahmen mit Männer- oder Frauenstim­men, etwa „No Sanctuary“vom unvergesse­nen Chris Jones, zeigten, dass der mmf-7.3 es auch mit der Neutralitä­t sehr genau nimmt. Allerdings festigte sich mit fortschrei­tender Vinylsessi­on der Eindruck, dass der Bass noch einen Tick tiefer und satter sein könnte. Das war aber auch schon der einzige kleine Kritikpunk­t. Eher unter Geschmacks­ache fallen dagegen Experiment­e mit Weglassen von Plattenkle­mme und/ oder Filzmatte. Kurzum: Genau das Richtige für die kalte Jahreszeit.

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Doppelt entkoppelt: Der Motor-Block steht mit seinem dämpfenden Untersatz direkt auf dem Rack. Er hat keine Verbindung mit der Zarge. Czech Made: Das Gegengewic­ht wirkt über eine elastische Lagerung als Resonanzdä­mpfer für den einteilige­n 9“-Carbonarm Pro-ject 9cc. Der Sockel gestattet Höhen- und VTA- Justage.
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Plug & Play: Wer mag, kann sich Suche, Montage und Justage eines Tonabnehme­rs sparen. Es gibt den mmf-7.3 auch komplett mit Ortofon 2M Bronze.

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