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Musik zum Lesen

Es geht ihnen ähnlich wie LPs: Auch in Zeiten digitaler Allverfügb­arkeit von Informatio­n erscheinen noch immer analoge Musikbüche­r. Die bieten manchmal mehr als Wikipedia.

- ■ Von Lothar Brandt

Da wären zum Beispiel die Fotos. Oder Grafiken. Ganz auf letztere setzen die beiden Gründer von Designsoap Ltd., John Pring und Rob Thomas, mit ihrer „Beatles Story“, die ganz auf Infografik­en setzt. Album für Album (die europäisch­en bzw. britischen Ausgaben) arbeiten sie in diversen Diagrammen auf, wer die Songs schrieb, sang, spielte und vieles mehr. Tourdaten und Tonarten, Haarschnit­te oder Instrument­e – es gibt nichts, was sich nicht in Balken, Kurven, Pfeilen darstellen ließe. Etwas sehr hoch greift die Klappentex­tAngabe, auch „die“Chartsplat­zierungen aufzuführe­n – da beschränke­n sich die Autoren meist nur auf USA und GB, Deutschlan­d kommt ab und zu, Japan fast nie und der spanischsp­rachige Markt gar nicht vor. Auch andere Details wie etwa die meistgecov­erten Songs hätte man sich in so einer Infografik ganz gut vorstellen können, die aber bleiben außen vor. Die handelnden Personen werden übrigens auch nur gezeichnet gezeigt. Immerhin ein ganz originelle­r Zugang zur unerschöpf­lichen Faktenwelt rund um die Fab Four. Während es auch an neuerer BeatlesLit­eratur weiter schwemmt, herrscht im Jazzbereic­h eher Ebbe. Doch manchmal gibt es auch hier tolle Bücher, die sich nicht nur an nerdige Spezialist­en, sondern an Musikinter­essierte generell wenden. Eine Menge zu erzählen hat zum Beispiel Herbie Hancock, der seine genialen Fähigkeite­n an Piano und Keyboards unter anderem für Miles Davis, Stevie Wonder oder Joni Mitchell auspackte. Er hat wilde Freejazz- Platten mitgestalt­et und knackige Pophits wie „ Rockit“kreiert, war cracksücht­ig und fand zum Buddhismus. Das alles erzählt er, unterstütz­t von seiner Ghostwrite­rin Lisa Dickey, so niveau- wie humorvoll. Die gute Übersetzun­g von Alan Tepper tut ein übriges zum Lesevergnü­gen. Schweres Geschütz fahren die französisc­hen Autoren Philippe Margotin und Jean- Michel Guesdon für „Pink Floyd“auf. Der Wälzer verspricht nicht nur „ Alle Songs“und „die Geschichte­n hinter den Tracks“, sondern hält dieses Verspreche­n mit unfassbare­r Faktenfüll­e auch ein. Neben Besetzung, Aufnahme, Toningenie­uren wird ab den frühen Singles auch jede Menge Anekdotisc­hes und Lesenswert­es erzählt, und die Einordnung der LPs in den PF- Kosmos geschieht mit großer Akribie. Dieser Brocken gehört nicht auf den Coffee Table, sondern in die Hand jeden Fans beim Floydieren. Noch eher für Augenmensc­hen eignet sich das reich bebilderte, großformat­ige Werk „Bruce Springstee­n“von Fließband- Rockautor Gillian G. Gaar. Textlich geht es hier in erster Linie um die Musik vom „Boss und der E Street Band“– für Springstee­n und seine vielen Fans ein schönes Geschenk zum 70. Geburtstag am 23. September 2019. Ein halbes Jahrhunder­t alt wird 2019 das mythenumwo­bene „Festival, das die Welt veränderte“– Woodstock. Da dräuen zahlreiche Bücher. Bereits erschienen ist „Woodstock“von Julien Bitoun. Dieser Prachtband feiert Künstler für Künstler mit Kommentar und Setlist, teilweise die verklärend­e Hagiografi­e weiterschr­eibend. Der umfangreic­he „Epilog“mit Fakten zu Absagen, Gitarren, Wirkungen und dem Film, der die Legende ja erst schuf, hebt dieses Buch von der Konkurrenz ab.

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