AVM Ovation A 8.3
Mehr als man braucht – das ist keine Verschwendung, sondern ein Lebensgefühl. Der neue Vollverstärker von AVM zeigt Glück und Faszination.
Als Hybrid-Verstärker verbindet dieser Bolide pure Transistorkraft mit warmem Röhrenklang
AVM ist wie Apple. Natürlich nicht in der weltweiten Bedeutung, geschweige denn in der Börsennotierung. Doch AVM bestraft wie Apple seine treuen Kunden nicht. Die Komponenten bleiben klassisch in ihrer Designsprache. Nur Insider können von außen erkennen, welches Produkt neu ist, welches schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Das Neue diskreditiert das Alte nicht. So sollte es sein. Nun ist bei den Vollverstärkern die Generation Punkt- Drei da. Dazu muss man sich ein wenig in die Nomenklatura von AVM einfuchsen. Hinter dem Punkt steht immer die Generation. Davor entscheidet die Zahl, ob eine interne Röhrenvorstufe mitschwingt. Also: Der Ovation A 6.3 ist ein reiner Transistor-Verstärker; im A 8.3 hingegen haben die AVMs einen kleinen Röhrenbaustein eingelassen, der als letzte Antriebsstufe vor den Endverstärkern agiert. Nominell heißt die Stufe Ovation 803T. Die gute Botschaft – sie lässt sich auch nach einem Kauf einfach zustecken. Das macht der Händler vor Ort, der Kunde muss einzig die Differenzsumme berappen. Hier kommt eine weitere Verwandtschaft zu Apple ins Spiel: Die Meister aus Kalifornien wie die aus Baden-Württemberg verlangen gute Preise. Man gönnt sich etwas. Im Falle des AVM A 8.3 sind es 12790 Euro. Huh. Da darf man sich schon ans Herz greifen. Diese Summe für einen Vollverstärker in den klassischen äußeren Formaten? Wurden hier Gold oder Platin verbaut? Fast. Es sind zumindest golde
ne Ideen und feines Handwerk. Wer den 8.3 aufschraubt, der staunt über die Fülle. Hier ist kein Platz unter der Haube – jeder Kubikzentimeter ist mit audiophilen Reizen bestückt. Hausintern spricht man tatsächlich von einem bewussten Oversizing. Vorn, hinter der Front, liegt ein gewaltiger Ringkerntrafo mit der programmatischen Aufschrift „Ultra Silent Precision Torodial Transformer“. Das ist die Meisterklasse der Stromaufbereitung. Links und rechts davon lagern je acht nicht minder gewaltige Kondensatoren. Noch einen Schritt weiter von der Mitte rackern gleich zwanzig MOSFET-Transistoren pro Kanal. Das Auge freut sich, das ist in der Endstufen- Architektur maximal symmetrisch. Man könnte den 8.3 mit einer Kettensäge in der Mitte auftrennen und hätte zwei potente Monoblöcke. Was natürlich keiner wagen würde. Für den Hinterkopf: Die komplette Verstärkungsebene stammt aus der Endstufe Ovation SA- 6.2.
NUN MIT D/A-WANDLER
Schauen wir auf die Rückseite: abermals ehrfürchtiges Stauen. Im Vorgängermo
dell hatte sich AVM noch in edler Reduktion zu erkennen gegeben. Nun ist das Haus voll. Wir haben fünf Hochpegel - Eingänge, einer davon ist ein XLR-Zweig. Dazu fünf Digital- Eingänge – wir können optisch, koaxial hinein, dazu auch per USB von der Soundkarte unseres Rechners. Der USB- Eingang fließt zu einen D/A-Wandler, der bis 32 Bit und 384 Kilohertz auflösen kann, dazu wird auch DSD128 in Klang transferiert. Das ist weit mehr, als der aktuelle Markt hergibt. Und dennoch: die D/A- Platine ist austauschbar. Sollte in zehn Jahren ein neuer Codec am audiophilen Himmel erscheinen, würde der AVM ganz einfach aufgestockt. Eine Winzigkeit noch: Es gibt auch einen Kopfhörer- Ausgang, der von einer eigenen Vorstufe in Class- ATechnologie angetrieben wird. Das ist kein Wurmfortsatz, sondern eine ehrwürdige, zusätzliche Klangoption. Nehmen wir einmal an, unsere Kinder würden nach Hause kommen und wollten schnell ihre Lieblingsmusik über den 8.3 hören. Die Kids haben ihr Handy dabei. Auch hier öffnet sich AVM den modernen Medien, über eine BluetoothVerbindung der höchsten Generation. Bis hierhin: Der Preis ist hoch, das Angebot aber auch. Wer sich den 8.3 zulegt, kann sicher sein, eine Investition für die Zukunft getätigt zu haben, mit langem Haltbarkeitsdatum. Zwei Dinge gibt es im Lieferumfang dazu: eine wuchtig- elegante Fernbedienung aus dem vollen Aluminium, zudem wird der Vollverstärker in einer raumgreifenden Flight- Case- Box geliefert – hier zeigen sich die Profis. Die Bedienung könnte nicht einfacher von der Hand gehen: ein Drehknauf für die Quellenwahl, einer für die Lautstärke. Auch die Fernbedienung wirkt entschlackt und geradlinig. Das Display hält uns auf dem Laufenden, unaufgeregt und präzise. Abermals: Hier will jemand unser Freund für lange Jahre werden.
RUSSISCHER BROCKEN
Als ersten klanglichen Brocken legten wir Prokofieffs fünfte Sinfonie auf, Seiji Ozawa dirigiert die Berliner Philharmoniker. Da tobt ein Riesenorchester, da rechnet Prokofieff mit dem Krieg ab, es wird heroisch, wie es sich die sowjetischen Machthaber wünschten. Ein Opus mit hohen Ansprüchen an Dynamik und Klangfarben. Eigentlich braucht es gewaltige Monoblöcke dafür – wie hält sich ein Vollverstärker? Der 8.3 spielte auf wie ein Großmeister. Ein riesiger orchestraler Atem flutete unseren Hörraum. Auf dem Papier klingt „2 x 330 Watt an 4 Ohm“
nach einer simplen Aufzählung. Doch im realen audiophilen Leben ist das eine Welt. Herrschaftszeiten – was für ein Druck, was für eine Brillanz. Da sehnte sich nach wenigen Takten niemand im Hörteam mehr nach einer externen Endstufe. Doch ehe Missverständnisse aufbrodeln: Der 8.3 ist nicht auf Krawall gebürstet, er konnte auch wunderbar fein musizieren. Vor allem nahm er dem digitalen Master die Schärfe, das hatte in den besten Momenten eine analoge Anmutung – als würde eine superbe Vinylpressung kreisen. Der Samt in den Streichern, die weiten Phrasen der Blechbläser – der 8.3 verstand sich auch aufs Musizieren. Wir zogen die Bremse und legten einen kleinen Gang ein. Wie wäre es mit Chansons? Der deutsche Meister dieses Genres ist ungekrönt Tim Fischer. Gerade hat er frisch einen Live- Mitschnitt vorgelegt: „Die alten schönen Lieder“. Das ist feinsinnig, ein Fest für Entdecker. Der Interpret ist auf der Höhe seiner Kunst, die Texte sind stark, ebenso die Tontechniker. Der Intellekt wird angesprochen, zudem breitet sich ein wohliges Gefühl in der Magengrube aus. Wenn denn halt auch die Elektronik mitspielt. Hier zeigte der AVM sein Röhrenherz, da war klar eine Welt jenseits der potenten MOSFETs. Die feinen Schwingungen in der Stimme, die elegante Begleitung, die Süffisanz. Alles getragen von höchster Leichtigkeit und Souveränität. Hier spielte kein Kraft
meier auf, kein überzüchteter Sportwagen, sondern ein feines Cabrio im Sommerwind. Es herrschte Liebe in einer Dreiecksbeziehung zwischen Künstler, Elektronik und Hörer.
LEBENSWEISHEIT UNTER KUMPELS
Schwelgen wir noch ein wenig im Blues. John Mayall hat ein neues Album veröffentlicht – „Nobody Told Me“. Das ist Lebensweisheit in zehn Tracks. Alles klingt wunderbar greifbar, präzise und doch lässig. Ein guter Vollverstärker muss die Stimme ausstellen und die Aura fassen. Großartig, wie punktgenau der Ovation das Gemütvolle kaperte und trotzdem den Luxussolisten wie Joe Bonamassa zu ihrem Auftritt verhalf. In den besten Momenten ließ der 8.3 die Fantasie aufkeimen, dass wir einem gemütlichen Treffen von alten Blues- Kumpeln beiwohnten. Alles sehr entspannt und doch reich. Ein Wunder der audiophilen Imagination. Zusammengefasst: Hier spielt ein Musikmeister auf. Der Vollverstärker hat Kraft, macht sie aber nicht zum Selbstzweck. Diese Souveränität spürt man, noch stärker aber das feine Händchen für wirklich gute Musik.