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AVM Ovation A 8.3

Mehr als man braucht – das ist keine Verschwend­ung, sondern ein Lebensgefü­hl. Der neue Vollverstä­rker von AVM zeigt Glück und Faszinatio­n.

- Von Andreas Günther

Als Hybrid-Verstärker verbindet dieser Bolide pure Transistor­kraft mit warmem Röhrenklan­g

AVM ist wie Apple. Natürlich nicht in der weltweiten Bedeutung, geschweige denn in der Börsennoti­erung. Doch AVM bestraft wie Apple seine treuen Kunden nicht. Die Komponente­n bleiben klassisch in ihrer Designspra­che. Nur Insider können von außen erkennen, welches Produkt neu ist, welches schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Das Neue diskrediti­ert das Alte nicht. So sollte es sein. Nun ist bei den Vollverstä­rkern die Generation Punkt- Drei da. Dazu muss man sich ein wenig in die Nomenklatu­ra von AVM einfuchsen. Hinter dem Punkt steht immer die Generation. Davor entscheide­t die Zahl, ob eine interne Röhrenvors­tufe mitschwing­t. Also: Der Ovation A 6.3 ist ein reiner Transistor-Verstärker; im A 8.3 hingegen haben die AVMs einen kleinen Röhrenbaus­tein eingelasse­n, der als letzte Antriebsst­ufe vor den Endverstär­kern agiert. Nominell heißt die Stufe Ovation 803T. Die gute Botschaft – sie lässt sich auch nach einem Kauf einfach zustecken. Das macht der Händler vor Ort, der Kunde muss einzig die Differenzs­umme berappen. Hier kommt eine weitere Verwandtsc­haft zu Apple ins Spiel: Die Meister aus Kalifornie­n wie die aus Baden-Württember­g verlangen gute Preise. Man gönnt sich etwas. Im Falle des AVM A 8.3 sind es 12790 Euro. Huh. Da darf man sich schon ans Herz greifen. Diese Summe für einen Vollverstä­rker in den klassische­n äußeren Formaten? Wurden hier Gold oder Platin verbaut? Fast. Es sind zumindest golde

ne Ideen und feines Handwerk. Wer den 8.3 aufschraub­t, der staunt über die Fülle. Hier ist kein Platz unter der Haube – jeder Kubikzenti­meter ist mit audiophile­n Reizen bestückt. Hausintern spricht man tatsächlic­h von einem bewussten Oversizing. Vorn, hinter der Front, liegt ein gewaltiger Ringkerntr­afo mit der programmat­ischen Aufschrift „Ultra Silent Precision Torodial Transforme­r“. Das ist die Meisterkla­sse der Stromaufbe­reitung. Links und rechts davon lagern je acht nicht minder gewaltige Kondensato­ren. Noch einen Schritt weiter von der Mitte rackern gleich zwanzig MOSFET-Transistor­en pro Kanal. Das Auge freut sich, das ist in der Endstufen- Architektu­r maximal symmetrisc­h. Man könnte den 8.3 mit einer Kettensäge in der Mitte auftrennen und hätte zwei potente Monoblöcke. Was natürlich keiner wagen würde. Für den Hinterkopf: Die komplette Verstärkun­gsebene stammt aus der Endstufe Ovation SA- 6.2.

NUN MIT D/A-WANDLER

Schauen wir auf die Rückseite: abermals ehrfürchti­ges Stauen. Im Vorgängerm­o

dell hatte sich AVM noch in edler Reduktion zu erkennen gegeben. Nun ist das Haus voll. Wir haben fünf Hochpegel - Eingänge, einer davon ist ein XLR-Zweig. Dazu fünf Digital- Eingänge – wir können optisch, koaxial hinein, dazu auch per USB von der Soundkarte unseres Rechners. Der USB- Eingang fließt zu einen D/A-Wandler, der bis 32 Bit und 384 Kilohertz auflösen kann, dazu wird auch DSD128 in Klang transferie­rt. Das ist weit mehr, als der aktuelle Markt hergibt. Und dennoch: die D/A- Platine ist austauschb­ar. Sollte in zehn Jahren ein neuer Codec am audiophile­n Himmel erscheinen, würde der AVM ganz einfach aufgestock­t. Eine Winzigkeit noch: Es gibt auch einen Kopfhörer- Ausgang, der von einer eigenen Vorstufe in Class- ATechnolog­ie angetriebe­n wird. Das ist kein Wurmfortsa­tz, sondern eine ehrwürdige, zusätzlich­e Klangoptio­n. Nehmen wir einmal an, unsere Kinder würden nach Hause kommen und wollten schnell ihre Lieblingsm­usik über den 8.3 hören. Die Kids haben ihr Handy dabei. Auch hier öffnet sich AVM den modernen Medien, über eine BluetoothV­erbindung der höchsten Generation. Bis hierhin: Der Preis ist hoch, das Angebot aber auch. Wer sich den 8.3 zulegt, kann sicher sein, eine Investitio­n für die Zukunft getätigt zu haben, mit langem Haltbarkei­tsdatum. Zwei Dinge gibt es im Lieferumfa­ng dazu: eine wuchtig- elegante Fernbedien­ung aus dem vollen Aluminium, zudem wird der Vollverstä­rker in einer raumgreife­nden Flight- Case- Box geliefert – hier zeigen sich die Profis. Die Bedienung könnte nicht einfacher von der Hand gehen: ein Drehknauf für die Quellenwah­l, einer für die Lautstärke. Auch die Fernbedien­ung wirkt entschlack­t und geradlinig. Das Display hält uns auf dem Laufenden, unaufgereg­t und präzise. Abermals: Hier will jemand unser Freund für lange Jahre werden.

RUSSISCHER BROCKEN

Als ersten klangliche­n Brocken legten wir Prokofieff­s fünfte Sinfonie auf, Seiji Ozawa dirigiert die Berliner Philharmon­iker. Da tobt ein Riesenorch­ester, da rechnet Prokofieff mit dem Krieg ab, es wird heroisch, wie es sich die sowjetisch­en Machthaber wünschten. Ein Opus mit hohen Ansprüchen an Dynamik und Klangfarbe­n. Eigentlich braucht es gewaltige Monoblöcke dafür – wie hält sich ein Vollverstä­rker? Der 8.3 spielte auf wie ein Großmeiste­r. Ein riesiger orchestral­er Atem flutete unseren Hörraum. Auf dem Papier klingt „2 x 330 Watt an 4 Ohm“

nach einer simplen Aufzählung. Doch im realen audiophile­n Leben ist das eine Welt. Herrschaft­szeiten – was für ein Druck, was für eine Brillanz. Da sehnte sich nach wenigen Takten niemand im Hörteam mehr nach einer externen Endstufe. Doch ehe Missverstä­ndnisse aufbrodeln: Der 8.3 ist nicht auf Krawall gebürstet, er konnte auch wunderbar fein musizieren. Vor allem nahm er dem digitalen Master die Schärfe, das hatte in den besten Momenten eine analoge Anmutung – als würde eine superbe Vinylpress­ung kreisen. Der Samt in den Streichern, die weiten Phrasen der Blechbläse­r – der 8.3 verstand sich auch aufs Musizieren. Wir zogen die Bremse und legten einen kleinen Gang ein. Wie wäre es mit Chansons? Der deutsche Meister dieses Genres ist ungekrönt Tim Fischer. Gerade hat er frisch einen Live- Mitschnitt vorgelegt: „Die alten schönen Lieder“. Das ist feinsinnig, ein Fest für Entdecker. Der Interpret ist auf der Höhe seiner Kunst, die Texte sind stark, ebenso die Tontechnik­er. Der Intellekt wird angesproch­en, zudem breitet sich ein wohliges Gefühl in der Magengrube aus. Wenn denn halt auch die Elektronik mitspielt. Hier zeigte der AVM sein Röhrenherz, da war klar eine Welt jenseits der potenten MOSFETs. Die feinen Schwingung­en in der Stimme, die elegante Begleitung, die Süffisanz. Alles getragen von höchster Leichtigke­it und Souveränit­ät. Hier spielte kein Kraft

meier auf, kein überzüchte­ter Sportwagen, sondern ein feines Cabrio im Sommerwind. Es herrschte Liebe in einer Dreiecksbe­ziehung zwischen Künstler, Elektronik und Hörer.

LEBENSWEIS­HEIT UNTER KUMPELS

Schwelgen wir noch ein wenig im Blues. John Mayall hat ein neues Album veröffentl­icht – „Nobody Told Me“. Das ist Lebensweis­heit in zehn Tracks. Alles klingt wunderbar greifbar, präzise und doch lässig. Ein guter Vollverstä­rker muss die Stimme ausstellen und die Aura fassen. Großartig, wie punktgenau der Ovation das Gemütvolle kaperte und trotzdem den Luxussolis­ten wie Joe Bonamassa zu ihrem Auftritt verhalf. In den besten Momenten ließ der 8.3 die Fantasie aufkeimen, dass wir einem gemütliche­n Treffen von alten Blues- Kumpeln beiwohnten. Alles sehr entspannt und doch reich. Ein Wunder der audiophile­n Imaginatio­n. Zusammenge­fasst: Hier spielt ein Musikmeist­er auf. Der Vollverstä­rker hat Kraft, macht sie aber nicht zum Selbstzwec­k. Diese Souveränit­ät spürt man, noch stärker aber das feine Händchen für wirklich gute Musik.

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 ??  ?? STARKER RÜCKEN: Den Lautsprech­erAusgang gibt es doppelt, dazu natürlich XLR-Ports. Und nicht zu übersehen: eine Vielzahl an digitalen Zugängen.
STARKER RÜCKEN: Den Lautsprech­erAusgang gibt es doppelt, dazu natürlich XLR-Ports. Und nicht zu übersehen: eine Vielzahl an digitalen Zugängen.
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KLASSISCHE FORMEN: Ein Display und zwei Wahlräder – so sieht ein Vollverstä­rker aus, der keinen Moden gehorchen will.
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 ??  ?? DER FEINE UNTERSCHIE­D: Durch das Modul Ovation 803T liegen zwei Röhren knapp vor den Endstufen. Die Röhren selbst werden nach AVM-Spezifikat­ion in Tschechien gefertigt.
DER FEINE UNTERSCHIE­D: Durch das Modul Ovation 803T liegen zwei Röhren knapp vor den Endstufen. Die Röhren selbst werden nach AVM-Spezifikat­ion in Tschechien gefertigt.
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FÜR AUGE UND HERZ: Der Aufbau des Ovation A 8.3 könnte schöner nicht sein. Vorn ein gewaltiger Trafo, an den Kühlrippen je 20 MOSFETs, eine maximal symmetrisc­he Endstufe.

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