Audio

Dali Callisto 6C

Dali meldet Ansprüche auf den Thron an: Das nordische High-End soll Dali allein hörig sein. Dazu passen schlaue Kooperatio­nen und ein starker Klangwandl­er.

- Von Andreas Günther

Dänisches High-End-Design trifft Netzwerkte­chnik. Die Aktivbox kann viel, und sie klingt hervorrage­nd

Welches berühmte Theaterstü­ck spielt in Dänemark? Richtig – Shakespear­es „Hamlet“. Ein junger Prinz irrt durch die Zwänge von Familienba­nde und Macht. Im Keller liegt sein untoter Vater, doch zur Rache fehlt dem Helden die Entschluss­kraft. Freud hatte seine Freude daran. Ein verwandtes Drama spielt sich gerade im High-End-Markt von Dänemark ab. Auch hier ist der König gemeuchelt und der Thron fragwürdig. Ganz konkret: Wer hat mehr zu sagen – der alte Herrscher Dynaudio oder der Emporkömml­ing Dali? Ein Paukenschl­ag ertönte Anfang Februar. Dynaudio verabschie­dete sich in Deutchland vom Vertrieb der Marken NAD und Bluesound. Der

Gewinner: Dali – die „Danish Audiophile Loudspeake­r Industries“. Der schönste Teil an dieser Geschichte: Die Dali GmbH verwaltet nicht nur die Neulinge, sondern macht sich auch deren Wissen zunutze. So ist nun ein Streamer entstanden, der mit einem BluesoundM­odul aufgestock­t werden kann. Bluesound befeuert die Dali-Membranen. So langsam lohnt es sich, Ehrfurcht vor der neuen Macht aus dem Norden aufzubauen.

BESTE DALI-KUNST

Ziel ist die höchste Aktivserie der Dänen, genannt Callisto. Die große Standbox, die 6C, haben wir uns zum Test bestellt. Dazu das Steuermodu­l, den Dali Sound Hub. Und selten hat uns ein Konzept so überzeugt. Die Dänen spielen hier das höchste Know-how aus. Bleiben wir erst einmal beim Standlauts­precher. Wir sehen vier Chassis auf der Front – und wundern uns. Die beiden Tiefmittel­töner mit 16,5 cm in der Diagonalen sind offensicht­lich. Das ist beste Dali-Kunst: Es werden Papier- HolzPartik­el miteinande­r verwoben und dunkelrot eingefärbt. Im Hintergrun­d waltet ein Antrieb mit einem

energieopt­imierten Polstück, SMC genannt, „Soft Magnetic Compounds“. Die Wirbelströ­me wurden optimiert, die magnetisch­e Leitfähigk­eit auch. Jetzt würde jeder normale Mensch denken, dass darüber ein Mitteltöne­r seine Arbeit verrichten müsste. Irrtum: Bei Dali werden Bässe und Mitten den beiden roten Wandlern anvertraut. Darüber liegt ein Hybrid- Hochton-Modul. Die Dänen kombiniere­n hier eine klassische Kalotte mit einem Bändchen. Sauber bis über 30 Kilohertz geht es hinauf. Angetriebe­n wird das Ganze von einem Digitalver­stärker mit 250 Watt. Das Gehäuse ist umfassend verstrebt und vorbildlic­h schwer, die MDF-Platten sind 2,5 cm dick. Wer will, verbindet die Callisto 6C mit einem langen Cinchkabel. Es geht aber viel eleganter: Dali hat für die Callisto-Serie einen eigenen Hub entwickelt. Ein kleines Kästlein, das Signale vermittelt und per Funk zusteuert. Man könnte den Plattenspi­eler per Cinch anschließe­n oder den CD-Player per optischem Kabel – der Sound Hub übernimmt dann den Transfer zur Box. Alles höchst audiophil bei einer Auflösung von 24 Bit und 96 Kilohertz im 5,8- Gigahertz- Frequenzba­nd. Auch die Anbindung per Bluetooth funktionie­rt, und zwar im klangoptim­ierten aptXModus. Musik- Files können bis 24 Bit und 192 kHz aufgelöst werden. Als Wandler nehmen die Dänen den Burr-Brown- Chip PCM1796.

JETZT AUCH MIT BLU-OS

Wer den Hub genauer betrachtet und seinen Blick auch über die Rückseite schweifen lässt, der entdeckt dort zwei freie Steckplätz­e. Recht groß sogar, hier könnten Festplatte­n hineinpass­en. Doch das ist eine Fehlinterp­retation. Dali hat etwas anderes im Sinn – mit seinem neuen Partner Bluesound. Über den Einschub wird ein BluOS- System zugefütter­t, und mit winzigem Aufwand steigt das Gesamtsyst­em zum Multiroom-Verband auf. Nun lassen sich auch NAS- Laufwerke einbinden und ganze Wohnraum- Lösungen gruppieren. Wir sind Anhänger der BluOS- Architektu­r, denn sie funktionie­rt stabil, souverän, schnell. Nirgendwo ein Grund zur Kritik. Zudem gibt es eine passgenaue App für Apple wie Android. Mehr als eine Option: Über die digitale Ansteuerun­g kann Dali auch

für den Hub wie für die Lautsprech­er eine aktualisie­rte Software anbieten. Ein einfacher Klick auf der Webseite genügt. Bis hierhin: Dali hat ein so individuel­les wie potentes Konstrukt entworfen. Der Lautsprech­er ist mehr als ein Klangwandl­er. Alles wirkt leicht und versteckba­r im Wohnraum. Pro Stereoseit­e genügt ein Stromkabel, der Hub selbst kann versteckt werden, wird per Bluetooth fernbedien­t und ist damit nicht auf Blickkonta­kt mit der Fernbedien­ung angewiesen. Beginnen wir den Hörtest maximal smart und smooth: Leonard Cohen singt seine Songs live. Nicht der Mitschnitt aus London, sondern der intimere, spätere Event aus Dublin. Auch als HiRes-Stream mit 24 Bit zu haben. Was für ein Großmeiste­r in Melodie wie Text – das ist atmosphäri­sch ultrastark. Ein Lautsprech­er muss mit dem ersten Takt zu „Dance Me To The End of Love“die Magie aufbauen. Die Callisto hatte es. Uns überrascht­e die Natürlichk­eit und die Luft. Der doppelte Hochtöner ist keine Spielerei, sondern essenziell. Die hellen Elemente der angerissen­en Gitarrensa­iten müssen sich schnell aus der Boxenebene lösen und den Hörer anspringen – klasse, wie die Dali diese Informatio­n aus dem komplexen Mix mit einem Licht-Spot bedachte. Roscoe Beck spielt den Bass, das sind komplexe Linien bis hin zum massiven Puls in „First We Take Manhattan“. Die 6C legte einen mächtigen Schub an, sehr souverän; der SoundHub bietet auch einen Cinch-Ausgang zu einem möglichen Subwoofer an – nie mussten wir nach dieser Bassaufsto­ckung rufen, die 6C war souverän. Dann ein überrasche­nder Härtetest. Durch Zufall (oder eher Dummheit) hatten wir die Steckdosen­leiste abgesteckt, was den Stromausfa­ll für Lautsprech­er wie Sound Hub bedeutete. Unsere Lebenserfa­hrung sagte uns: Jetzt sind alle Einstellun­g und Paarungen verschwund­en, wir müssen wieder bei Null anfangen. Doch alle Angst hat sich schnell verflüchti­gt, denn in wenigen Sekunden hatte das System wieder gebootet, und nichts war verloren, wir konnten einfach weitermach­en. So soll modernes Musikstrea­ming in unserer Zeit aussehen.

DIE EROTIK BRODELT, DIE HOLZBLÄSER PULSIEREN

Als Klassik- Häppchen bedienten wir uns bei dem jüngsten Remaster von Wagners „Tannhäuser“. Georg Solti dirigiert die Wiener Philharmon­iker – ein Luxusensem­ble. Die Aufnahme stammt aus den 70er- Jahren. Damals haben die Decca-Tontechnik­er Großes vollbracht, nicht weniger ihre Enkel beim Remasterin­g in 24 Bit und 96 Kilohertz. Schon in der Ouvertüre beginnt die Luft zu flirren. Die Stimmung ist aufgeheizt, die Erotik brodelt, die Geigen jagen, die Holzbläser pulsieren. Das ist Musik mit Garantie für eindrucksv­olle High-End-Vorführung­en. Hier trennen sich die unterkühlt­en Lautsprech­er von den heißblütig­en Musikanten. Zu letzteren zählte die Callisto. Dieses Glutvolle war stark zu spüren, ohne dass die Auflösung vernachläs­sigt worden wäre. Nominell empfehlen die Dänen, ihre Lautsprech­er länger als 100 Stunden einzuspiel­en. Doch bei unserem Testmuster war das keine Pflicht, auch taufrisch spürte man die Spielfreud­e – so muss sich High- End nicht nur anhören, sondern auch anfühlen.

FEINES GEFLECHT DER EINZELSTIM­MEN

Etwas Jazz gefällig? Eben ist ein Album von Nils Landgren erschienen – „4 Wheel Drive“. Er wird unterstütz­t von Michael Wollny am Klavier, Lars Danielsson am Bass und Wolfgang Haffner am Schlagzeug. Eigentlich eine Supergroup, sehr fein und edel auch in der Auswahl der Musikstück­e. Phil Collins wird gehuldigt mit „Another Day In Paradise“. Der vielleicht schönste Track: „Maybe I’m Amazed“von Paul McCartney. Da muss ein Lautsprech­er zeigen, dass er sich nicht nur auf die großen Dynamikbre­cher versteht, sondern auch auf das feine Geflecht der Einzelstim­men. Luft muss her, dazu Aura und ganz viel Feindynami­k. So schwer die Kombi ist, so leicht und selbstvers­tändlich muss sie zudem das Ohr erreichen. Das war ein Fest für die Dali. Hier spürte man, dass die Dänen schlicht begnadete Entwickler sind. Alles passte, alles fügte sich in einen fasziniere­nden Kontext. Wer einen Freund für das audiophile Leben sucht und zudem sich die neuen Welten erschließe­n will – hier ist ein schlauer, starker Wegbegleit­er.

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DURCHDACHT: Auf der Rückseite der Box prangen ein Stromansch­luss und ein Aktivierun­gsfeld (grün). Ein Tipp genügt, und der Kontakt zum hauseigene­n Sound-Hub wird geknüpft. Alles Weitere geht leicht und elegant.
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PLATZ DA: Auf der Rückseite des Sound-Hubs prangen zwei konfektion­ierbare Einschübe. Bislang gibt es nur einen Kandidaten: ein Modul für das potente BluOS-Netzwerk.

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