Dali Callisto 6C
Dali meldet Ansprüche auf den Thron an: Das nordische High-End soll Dali allein hörig sein. Dazu passen schlaue Kooperationen und ein starker Klangwandler.
Dänisches High-End-Design trifft Netzwerktechnik. Die Aktivbox kann viel, und sie klingt hervorragend
Welches berühmte Theaterstück spielt in Dänemark? Richtig – Shakespeares „Hamlet“. Ein junger Prinz irrt durch die Zwänge von Familienbande und Macht. Im Keller liegt sein untoter Vater, doch zur Rache fehlt dem Helden die Entschlusskraft. Freud hatte seine Freude daran. Ein verwandtes Drama spielt sich gerade im High-End-Markt von Dänemark ab. Auch hier ist der König gemeuchelt und der Thron fragwürdig. Ganz konkret: Wer hat mehr zu sagen – der alte Herrscher Dynaudio oder der Emporkömmling Dali? Ein Paukenschlag ertönte Anfang Februar. Dynaudio verabschiedete sich in Deutchland vom Vertrieb der Marken NAD und Bluesound. Der
Gewinner: Dali – die „Danish Audiophile Loudspeaker Industries“. Der schönste Teil an dieser Geschichte: Die Dali GmbH verwaltet nicht nur die Neulinge, sondern macht sich auch deren Wissen zunutze. So ist nun ein Streamer entstanden, der mit einem BluesoundModul aufgestockt werden kann. Bluesound befeuert die Dali-Membranen. So langsam lohnt es sich, Ehrfurcht vor der neuen Macht aus dem Norden aufzubauen.
BESTE DALI-KUNST
Ziel ist die höchste Aktivserie der Dänen, genannt Callisto. Die große Standbox, die 6C, haben wir uns zum Test bestellt. Dazu das Steuermodul, den Dali Sound Hub. Und selten hat uns ein Konzept so überzeugt. Die Dänen spielen hier das höchste Know-how aus. Bleiben wir erst einmal beim Standlautsprecher. Wir sehen vier Chassis auf der Front – und wundern uns. Die beiden Tiefmitteltöner mit 16,5 cm in der Diagonalen sind offensichtlich. Das ist beste Dali-Kunst: Es werden Papier- HolzPartikel miteinander verwoben und dunkelrot eingefärbt. Im Hintergrund waltet ein Antrieb mit einem
energieoptimierten Polstück, SMC genannt, „Soft Magnetic Compounds“. Die Wirbelströme wurden optimiert, die magnetische Leitfähigkeit auch. Jetzt würde jeder normale Mensch denken, dass darüber ein Mitteltöner seine Arbeit verrichten müsste. Irrtum: Bei Dali werden Bässe und Mitten den beiden roten Wandlern anvertraut. Darüber liegt ein Hybrid- Hochton-Modul. Die Dänen kombinieren hier eine klassische Kalotte mit einem Bändchen. Sauber bis über 30 Kilohertz geht es hinauf. Angetrieben wird das Ganze von einem Digitalverstärker mit 250 Watt. Das Gehäuse ist umfassend verstrebt und vorbildlich schwer, die MDF-Platten sind 2,5 cm dick. Wer will, verbindet die Callisto 6C mit einem langen Cinchkabel. Es geht aber viel eleganter: Dali hat für die Callisto-Serie einen eigenen Hub entwickelt. Ein kleines Kästlein, das Signale vermittelt und per Funk zusteuert. Man könnte den Plattenspieler per Cinch anschließen oder den CD-Player per optischem Kabel – der Sound Hub übernimmt dann den Transfer zur Box. Alles höchst audiophil bei einer Auflösung von 24 Bit und 96 Kilohertz im 5,8- Gigahertz- Frequenzband. Auch die Anbindung per Bluetooth funktioniert, und zwar im klangoptimierten aptXModus. Musik- Files können bis 24 Bit und 192 kHz aufgelöst werden. Als Wandler nehmen die Dänen den Burr-Brown- Chip PCM1796.
JETZT AUCH MIT BLU-OS
Wer den Hub genauer betrachtet und seinen Blick auch über die Rückseite schweifen lässt, der entdeckt dort zwei freie Steckplätze. Recht groß sogar, hier könnten Festplatten hineinpassen. Doch das ist eine Fehlinterpretation. Dali hat etwas anderes im Sinn – mit seinem neuen Partner Bluesound. Über den Einschub wird ein BluOS- System zugefüttert, und mit winzigem Aufwand steigt das Gesamtsystem zum Multiroom-Verband auf. Nun lassen sich auch NAS- Laufwerke einbinden und ganze Wohnraum- Lösungen gruppieren. Wir sind Anhänger der BluOS- Architektur, denn sie funktioniert stabil, souverän, schnell. Nirgendwo ein Grund zur Kritik. Zudem gibt es eine passgenaue App für Apple wie Android. Mehr als eine Option: Über die digitale Ansteuerung kann Dali auch
für den Hub wie für die Lautsprecher eine aktualisierte Software anbieten. Ein einfacher Klick auf der Webseite genügt. Bis hierhin: Dali hat ein so individuelles wie potentes Konstrukt entworfen. Der Lautsprecher ist mehr als ein Klangwandler. Alles wirkt leicht und versteckbar im Wohnraum. Pro Stereoseite genügt ein Stromkabel, der Hub selbst kann versteckt werden, wird per Bluetooth fernbedient und ist damit nicht auf Blickkontakt mit der Fernbedienung angewiesen. Beginnen wir den Hörtest maximal smart und smooth: Leonard Cohen singt seine Songs live. Nicht der Mitschnitt aus London, sondern der intimere, spätere Event aus Dublin. Auch als HiRes-Stream mit 24 Bit zu haben. Was für ein Großmeister in Melodie wie Text – das ist atmosphärisch ultrastark. Ein Lautsprecher muss mit dem ersten Takt zu „Dance Me To The End of Love“die Magie aufbauen. Die Callisto hatte es. Uns überraschte die Natürlichkeit und die Luft. Der doppelte Hochtöner ist keine Spielerei, sondern essenziell. Die hellen Elemente der angerissenen Gitarrensaiten müssen sich schnell aus der Boxenebene lösen und den Hörer anspringen – klasse, wie die Dali diese Information aus dem komplexen Mix mit einem Licht-Spot bedachte. Roscoe Beck spielt den Bass, das sind komplexe Linien bis hin zum massiven Puls in „First We Take Manhattan“. Die 6C legte einen mächtigen Schub an, sehr souverän; der SoundHub bietet auch einen Cinch-Ausgang zu einem möglichen Subwoofer an – nie mussten wir nach dieser Bassaufstockung rufen, die 6C war souverän. Dann ein überraschender Härtetest. Durch Zufall (oder eher Dummheit) hatten wir die Steckdosenleiste abgesteckt, was den Stromausfall für Lautsprecher wie Sound Hub bedeutete. Unsere Lebenserfahrung sagte uns: Jetzt sind alle Einstellung und Paarungen verschwunden, wir müssen wieder bei Null anfangen. Doch alle Angst hat sich schnell verflüchtigt, denn in wenigen Sekunden hatte das System wieder gebootet, und nichts war verloren, wir konnten einfach weitermachen. So soll modernes Musikstreaming in unserer Zeit aussehen.
DIE EROTIK BRODELT, DIE HOLZBLÄSER PULSIEREN
Als Klassik- Häppchen bedienten wir uns bei dem jüngsten Remaster von Wagners „Tannhäuser“. Georg Solti dirigiert die Wiener Philharmoniker – ein Luxusensemble. Die Aufnahme stammt aus den 70er- Jahren. Damals haben die Decca-Tontechniker Großes vollbracht, nicht weniger ihre Enkel beim Remastering in 24 Bit und 96 Kilohertz. Schon in der Ouvertüre beginnt die Luft zu flirren. Die Stimmung ist aufgeheizt, die Erotik brodelt, die Geigen jagen, die Holzbläser pulsieren. Das ist Musik mit Garantie für eindrucksvolle High-End-Vorführungen. Hier trennen sich die unterkühlten Lautsprecher von den heißblütigen Musikanten. Zu letzteren zählte die Callisto. Dieses Glutvolle war stark zu spüren, ohne dass die Auflösung vernachlässigt worden wäre. Nominell empfehlen die Dänen, ihre Lautsprecher länger als 100 Stunden einzuspielen. Doch bei unserem Testmuster war das keine Pflicht, auch taufrisch spürte man die Spielfreude – so muss sich High- End nicht nur anhören, sondern auch anfühlen.
FEINES GEFLECHT DER EINZELSTIMMEN
Etwas Jazz gefällig? Eben ist ein Album von Nils Landgren erschienen – „4 Wheel Drive“. Er wird unterstützt von Michael Wollny am Klavier, Lars Danielsson am Bass und Wolfgang Haffner am Schlagzeug. Eigentlich eine Supergroup, sehr fein und edel auch in der Auswahl der Musikstücke. Phil Collins wird gehuldigt mit „Another Day In Paradise“. Der vielleicht schönste Track: „Maybe I’m Amazed“von Paul McCartney. Da muss ein Lautsprecher zeigen, dass er sich nicht nur auf die großen Dynamikbrecher versteht, sondern auch auf das feine Geflecht der Einzelstimmen. Luft muss her, dazu Aura und ganz viel Feindynamik. So schwer die Kombi ist, so leicht und selbstverständlich muss sie zudem das Ohr erreichen. Das war ein Fest für die Dali. Hier spürte man, dass die Dänen schlicht begnadete Entwickler sind. Alles passte, alles fügte sich in einen faszinierenden Kontext. Wer einen Freund für das audiophile Leben sucht und zudem sich die neuen Welten erschließen will – hier ist ein schlauer, starker Wegbegleiter.