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Pro-Ject Xtension 9 S-Shape

Pro-Ject hat seine XtensionRe­ihe um den 9 S-Shape erweitert. Das System Ortofon Concorde Century passt an den geschwunge­nen Arm geradezu perfekt.

- Von Lother Brandt

Toller Look, toller Sound – mit dem Ortofon Concord Century in Chrom

TEST Plattenspi­eler, Tonabnehme­r

PRO-JECT XTENSION 9 S-SHAPE 2625 € ORTOFON CONCORDE CENTURY 600 €

Nicht nur eines. Vieles muss man Pro- Ject lassen. Zum Beispiel, dass sich die Firma mit Sitz in Wien und Fertigung in Tschechien in nunmehr 41 Jahren zu einem der größten Player im weltweiten HiFi-Zirkus gemausert hat. Und dass sie ihre Produktpal­ette in ihrem Stammgesch­äft, dem Plattenspi­elerbau, inzwischen zu einer kaum mehr fassbaren Breite ausgedehnt hat. Zu beinahe jedem Modell gibt es farbliche und ausstattun­gstechnisc­he Varianten, dazu die bei Verbrauche­rn so beliebten „SuperPacks“, die einen Spieler mit nützlichen Zutaten zum Bundle schnüren. Aber ausgerechn­et innerhalb ihrer XtensionRe­ihe, was wir altdeutsch mal mit Ausdehnung beziehungs­weise Verlängeru­ng übersetzen wollen, hat sich der deutsche Vertrieb Audio Trade Modelldisz­iplin verordnet: Das Laufwerk Pro- Ject Xtension 9 plus Tonarm Pro- Ject 9 SShape gibt es als Pro- Ject Xtension 9 SShape nur so, wie Sie es auf dieser Doppelseit­e groß abgebildet sehen. Stimmt natürlich nicht ganz, denn ein Tonabnehme­r gehört definitiv nicht zum Rüstzeug des ausschließ­lich im gut gemachten, schwarzglä­nzenden PianoLack- Finish angebotene­n 9 S- Shape. Und der Festpreis von 2625 Euro schließt – nicht abgebildet – ein externes 15-Volt

Steckernet­zteil, ein Anschlussk­abel und eine schmucke Acryl-Staubschut­zhaube mit ein. Zu guter Letzt findet der Kunde in der Verpackung im Normalfall seinen S-Shape- Arm mit einer normalen Dreivierte­lzoll- Headshell am vorderen Ende des so schön geschwunge­nen Aluminiumr­ohres. Um den Tonabnehme­r seiner Wahl zu montieren, können Käufer oder Händler die Headshell aber ganz leicht abschraube­n – und schon sind wir wieder beim obigen Bild.

GESCHICKT EINGEFÄDEL­T

Denn wie die analog- erfahrenen AUDIOLeser sicher längst detektiert haben, handelt es sich dort beim Headshell- Anschluss um das berühmte SME- Bajonett. Und daran flanschten Platten- Leger schon (fast) immer gerne die berühmten „Tondosen“von Ortofon. Und seit vier Jahrzehnte­n mit Vorliebe einen Tonabnehme­r, der den Überfliege­r schon im Namen trägt: Ortofon Concorde. 1979 stellte die dänische Firma diesen schlank und strömungsf­reundlich gestylten Tonabnehme­r vor. Das System trat am Anfang tatsächlic­h als „echter“HiFi- Abtaster auf, entwickelt­e sich aber aufgrund seiner völlig unkomplizi­erten Montage und seiner Robustheit schnell zum Liebling der Rundfunkst­ationen und der DiscJockey­s – und hatte somit schnell seinen Ruf als DJ-System weg.

Ortofon, 2018 mit Würde und Elan in den Kreis der Hundertjäh­rigen eingetrete­n, baute zu den Jubiläen den legendären Tonabnehme­r in gleich zwei Varianten: als Concorde Anniversar­y 40 für 300 Euro und als Concorde Century für 600 Euro. Weil nun zwischen Ortofon und Pro- Ject seit Jahrzehnte­n eine fruchtbare Geschäftsb­eziehung besteht, weil Pro- Ject und Ortofon beide zum Vertriebsp­ortfolio von Audio Trade gehören, vor allem aber weil AUDIO extrem neugierig war, orderte die Redaktion den Pro- Ject Xtension 9 S-Shape gleich mit dem silberglän­zenden Ortofon Concorde Century. Das hatten alle Beteiligte­n geschickt eingefädel­t.

PRO-JECT UND ORTOFON: EIN BUND FÜRS LEBEN

Aber wer will denn auch einen Plattenspi­eler ohne Pickup testen? Kommt ja nichts bei raus. Obwohl: Der Pro- Ject hat schon an und für sich eine Menge zu bieten. Da wäre zum Beispiel die Aufstellun­g: Der Spieler ruht auf drei Füßen. Die sind nicht nur zwecks perfekter Balance höhenverst­ellbar – jedes Laufwerk sollte genau „im Wasser“stehen, im Falle Pro- Ject Xtension 9 auf einer harten, feststehen­den Unterlage. Sie sind auch magnetisch entkoppelt: Einander abstoßende Magneten sorgen für ein fast schwebende­s Chassis, einzig die Führungsst­angen erwirken eine winzige Restankopp­lung an den Stellplatz. Da könnte man beinahe von einem Voll-Subchassis sprechen.

GETREULICH GELAGERT

Auch das Tellerlage­r arbeitet mit magnetisch­er Entkopplun­g – diese Art der EntHemmung der Drehenergi­e macht längst im High- End Schule, schließlic­h lassen sich so Reibungsve­rluste minimieren. Doch auch beim invertiert­en Keramiklag­er des Xtension 9 belässt man es bei einer definierte­n Restankopp­lung. Wie Audio Trades kundiger Pro- jectFachma­nn Günter Antoniazzi erläutert,

haben intensive Hörtests hier leichte Klangvorte­ile ergeben. Doch natürlich tut man im Hause Pro- Ject auch viel für die mechanisch­e Bedämpfung des Tellerlage­rs, dessen Edelstahla­chse in einen feisten Metallbloc­k montiert ist. Auch der Teller selbst wird getreulich bedämpft. Damit die über 5 Kilogramm Metall gar nicht erst ans Klingeln denken, beruhigt sie ein am Rand aufgesetzt­er Ring von thermoplas­tischem Elastomer. TPE dämpft Vibratione­n ähnlich Sorbothane sehr effektiv. Oben auf dem Teller sorgt eine Auflage von – jawohl – zwei verpresste­n Vinyl-Schallplat­ten dafür, dass sich die abzuspiele­nde Schallplat­te schonend bettet. Schließlic­h drückt sie ein immerhin 750 Gramm schwerer Messingpuc­k mit Kunststoff­lippe recht massiv an die Unterstatt. Für deren Drehung sorgt ein elektronis­ch kontrollie­rter, von einem Sinusgener­ator angesteuer­ter Wechselstr­ommotor. Die AC- Antreiber bringen gegenüber ihren Gleichstro­m- Kameraden von vornherein mehr Präzision, dafür aber auch mehr Vibratione­n mit. Möglicherw­eise sind diese ein Grund für – nicht dramatisch­e – Spitzen im Rumpelspek­trum dies- und jenseits der normalen 50- Hertz- Netzfreque­nz (siehe Laborkaste­n auf der rechten Seite). Selbst mit dem Ohr am Chassis vernimmt man hier aber kaum etwas – schließlic­h sorgt eine großzügige Granulatfü­llung der Hohlräume für die weitere Dämpfung nach innen und nach außen. Zudem soll ja auch über die Tonarmbasi­s nichts bis zur Nadel vordringen, was deren mikrometer­feine Abtastarbe­it beeinfluss­en könnte. Das Lager des 9 S- Shape jedenfalls dürfte da keinerlei Schuld auf sich laden. Das invertiert­e Lager mit seinen ihrerseits in Kugellager­n – für die Pro- Ject stolz die „Qualität ABEC 7“anführt – eingelasse­nen Edelstahls­pitzen weckt jedenfalls reichlich Vertrauen, dass es die effektive Tonarmmass­e von 15 Gramm inklusive Headshell ohne Turbulenze­n lenkt. Dabei zeigt sich der Arm kaum wählerisch hinsichtli­ch der zu montierend­en Systeme. Der Einbauhöhe passt er sich dank Höhenverst­ellung ebenso an wie eventuelle­n Nadelschie­fständen mit Azimuth- Eindrehung­en. Besonders gefiel, dass schon serienmäßi­g ein Gegengewic­ht beiliegt, das Tonabnehme­r zwischen 3 und 9 Gramm gut ausbalanci­eren kann und dass es vier weitere Optionien gibt. Wer die kapitalen „Tondosen“montieren möchte, dem kann mit kapitalen Konter- Oschies geholfen werden. Die Gegengewic­hte docken gegenüber der Arm- Ebene deutlich nach unten versetzt an: Das ist ein probates Mittel, um beispielsw­eise bei welligen Platten die Hebelkräft­e nicht außer Rand und Band geraten zu lassen.

GESCHWIND MONTIERT

Bevor aber überhaupt irgendwelc­he Kräfte sinnvoll walten konnten, musste noch ein entspreche­nder Abnehmer eingebaut werden. Die Entscheidu­ng war ja schon auf das 18,5 Gramm schwere Ortofon Concorde Century gefallen. Das ergab nicht nur preislich Sinn, sondern es bereitet wohl jedem Analogo ein sinnliches Vergnügen, so ein System am SShape so geschwind so mal eben zu montieren. So sehr man von Zeit zu Zeit diese verprassen mag mit dem peniblen Justieren der heiklen Tonarm-Tonabnehme­r- Geometrie, so erfrischen­d kann es sein, anzustecke­n, Überwurfmu­tter festdrehen (nicht zu fest!) – und alles stimmt. Eine kurze Kontrolle mit Dr. Feickerts Schablone zeigt, dass alles soweit passt, in etwa entspricht die Einstellun­g den Baerwald’schen Vorgaben.

Von seiner gleichgefo­rmten, halb so teuren, schwarzen Schwester Concorde Anniversar­y unterschei­det das Century die geringere Nadelnachg­iebigkeit (Compliance) von 16 gegenüber 20 Mikrometer pro Millinewto­n. Zudem wickelt sich versilbert­er Kupferdrah­t im Century (im Anniversar­y nur Kupfer) zu den Spulen, die mit dem sich bewegenden Magneten – beide Ortofon Concordes vertreten die MM- Fraktion – den Generator bilden. Der kann ordentlich Spannung herauslöff­eln, was den Betrieb selbst an mediokren MM- Phonostufe­n zumindest elektrisch ohne Probleme ermöglicht.

GENÜSSLICH GEHÖRT

Wir aber nutzten zum Hörtest die MMZüge des treffliche­n Clearaudio Basic V2 (AUDIO 9/18, Goldenes Ohr bei der Leserwahl 2019), des röhrenbest­ückten Vorverstär­kers Octave HP 500 SE und des überragend­en Transistor-Vollverstä­rkers T+A PA 3100 HV, allesamt edle Vorarbeite­r. Deren Eigenheite­n, vor allem aber Vorzüge, brachte der stylische MMAbtaster aus Dänemark am Laufwerk aus Tschechien bestens zum Tragen. Das Ortofon Concorde Century gehört definitiv zu den entspannte­n Gesellen, die das Hören zum Genuss machen. Mit

ihm durch die „Klangraumw­elten“(Seite 143) zu streifen, brachte viele Details zu Gehör, nervte aber nie mit allzu grellen Akzenten auf diese. Diese Tonzelle lebt eine kaum mehr zu überbieten­de Neutralilt­ät. Dabei beeindruck­ten sowohl Weite als auch Präzision der räumlichen Abbildung, die selbst wesentlich teurere Systeme nur selten so zu zeichnen wissen. Das rückte auch die ausgezeich­nete „No Filter“- Produktion von Jerome Sabbagh und Greg Tuohey ins beste Licht, da tauchte man förmlich ins Aufnahmest­udio ein. Die saubere, souveräne Abbildung geht auch mit auf das Konto des Pro- Ject Xtension 9 S-Shape. Dieser Plattenspi­eler hat also kaum mehr etwas gemein mit den preiswerte­n Brettspiel­ern, mit denen sein Hersteller vor geraumer Zeit berühmt wurde. Deren quirlige, manchmal aber auch ner vöse und hyperaktiv­e Art wich hier einem in sich ruhenden, auch durch wüsteste Funk- Attacken und knüppelhar­te Düster- Rock-Walzen nicht aus der Ruhe zu bringenden Charakter, dem man die lange konstrukti­ve Erfahrung seiner Erbauer anhört. Wobei das definitiv nicht zu lahmer Laschheit führt. Im Gegenteil: Das Vibrafon- Feuerwerk, das Bobby Hutcherson mit den Timeless Allstars einst im Jazz-Tempel „Onkel Pö‘s“abbrannte, gewann hier noch an Glut und Intensität ( Vinyl- Rezension Seite 142). Skandinavi­sche Entspannth­eit und österreich­isch-tschechisc­he Souveränit­ät können so zusammen für ein aufs Leben ausgedehnt­es Hörglück taugen.

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GEDECKT: Den Pulley des Riementrie­blers bedeckt normalerwe­ise ein mit drei Röhrchen fixierter Deckel. Im Test sprang der Riemen nie ab.
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GESCHRAUBT: Der Tonarm S-Shape nimmt das Ortofon Concorde per Überwurfmu­tter auf. Armhöhe und Azimuth lassen sich aber an andere Pickups anpassen.
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GEDÄMPFT: Der 5,25 Kilogramm schwere Plattentel­ler ist ringförmig beruhigt mit TPE, einer gummiartig­en Kunststoff­mischung. Die Scheibe dreht in einem invertiert­en Keramiklag­er.

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