HiFi-Trends 2019
Die größte HiFi-Messe Deutschlands öffnet wieder Ihre Pforten in München, wir haben bereits jede Menge Neuheiten für Sie im Test
Die Scala in Mailand ist von außen alles andere als ein Prachtbau. Eher eine größere Villa, direkt im Stadtzentrum. Vor der Wiener Staatsoper versinken wir in Ekstase, vor der Bayerischen Staatsoper in anerkennendes Staunen. Doch Mailand wirkt seltsam kompakt und unaufgeregt, trotz des großen Namens. Aber immerhin passen 2030 Zuhörer hinein. Also: kleine Kulisse, großer Name, stattliches Volumen. Nach diesen Spielregeln baut Klipsch seinen Lautsprecher La Scala II auf. Nicht so groß wie das Klipschorn, aber eleganter. Obwohl: So manche Ehefrau dürfte zur Furie werden, wollte man ihr diese Lautsprecher ins Wohnzimmer stellen. Das sind Quader, noch immer Raumfresser. Die Standfläche markiert ein Viereck von 65 Zentimetern Seitenlänge. Das lässt sich nicht einfach verstecken. Außer man herbergt in einer Villa mit Meerblick und zentralem Kamin; der Wohnraum ist 120 Quadratmeter groß, mit einem üppigen Sofa in der Mitte. Wer diesen Lautsprecher besitzen will, sollte nicht in einer Mietwohnung mit normalgroßen Zimmern leben. Der Spaß kommt über die Freiheit und den Abstand zum Hörplatz. Dies ist kein Lautsprecher für beengte Räumlichkeiten. Wie auch seine Geschichte selbst eher für den großen Einsatz ausge
legt ist. Die Anekdote besagt, dass die erste Scala von Paul W. Klipsch daselbst entworfen wurde – 1963. Sie war eine Gabe an den Gouverneurskandidaten von Arkansas, Winthrop Rockefeller, der in einem Eisenbahnwaggon durch den Bundesstaat zog. Die Scala wurde als Verkündungsorgan aufgestellt und verstärkte die Stimme des Wahlkämpfers. Das aktuelle Modell heißt La Scala II AL5, ein Nachbau des alten KlipschEntwurfs. Es gibt sie bereits seit einigen Jahren, ganz frisch jetzt auch in Deutschland. Der hiesige Vertrieb wollte dem etablierten Klipschorn keine Konkurrenz bereiten. Zudem war man sich bewusst, dass die Scala nicht ins typische deutsche Wohnzimmer passt. Also: Wer hier zugreift, hat Platz und ist
wählerisch. Zudem muss der Kunde warten, denn jede La Scala wird auf Kundenwunsch am Firmensitz in Hope gefertigt. Die Lieferzeit beträgt bis zu acht Wochen. Der Käufer muss sich seiner Sache sicher sein und Geduld aufbringen können. Zudem ist eine gewisse Finanzkraft gefragt.: Der Doppelpack der Scala II liegt bei 14 000 Euro. Wer den Auftrag erteilt, sollte sich auch beim Finish sicher sein. Wir hatten ein Testmodell in schwarzer Esche bei uns. Ganz ehrlich? Das war ein Trauerspiel. Obwohl hier echtes Furnier aufgetragen wurde, wirkte der Kubus erstaunlich unelegant. Da fehlte die Erotik, Augen wie Hände waren enttäuscht. Deshalb ein erster Tipp: Kirsche und Walnuss sind die bessere Wahl. Idealerweise liefert der Händler die Scala bis in den Wohnraum. Wer selbst anpacken will, sollten einen starken Freund dabeihaben: Das Gesamtgewicht liegt pro Seite bei 80 Kilogramm. Man muss das Basshorn aus dem Karton wuchten, dann die Mittelund Hochtöner aufsetzen und schließlich verkabeln. Wie in alten Tagen. Als Baumaterial verwendet Klipsch einen Mix aus Birken-Sperrholz und MDF. Über 4500 Hertz springt das charakteristische Horn an, ein Kompressionstreiber mit erstaunlicher Effizienz. Darunter
waltet ein Mitteltöner mit 5 cm im Durchmesser, ebenfalls ausgelegt als „Phenolic diaphragm compression driver“. Unter 400 Hertz schwingt sich der Bass ein, bei dem es sich um ein 38- cm-Monstrum im gefalteten Horn handelt. Wir waren nach dem Aufbau ehrlich ermattet und sanken in das Hörsofa. Dann ein Klick auf die Fernbedienung – und unser Bewusstsein wurde in eine neue Spähre gehoben. Das hatte mit dem typischen Klang eines Lautsprechers nichts gemein, das war High- Output, die höchste vorstellbare Energie auf den Hörplatz. Wir verfielen in andächtiges Schweigen. Dieser Schub, diese Gewalt – das hatten wir selten bis nie von einem Lautsprecher erlebt. Das Panorama war gewaltig, die Bühne groß – und immer wieder diese immense Energie. Als erste Testmusik wollten wir Oper hören, groß und blutig. Leoncavallos „Pagliacci“rotierte im Player. Eine maximal lebendige Aufnahme aus der Mailänder Scala unter der Leitung von Georges Pretre. Franco Zeffirelli hat einen Film davon gedreht – man hört die Sänger atmen, über die Bühne gehen, mit allen Nebengeräuschen. Wunderbar aktiv auch das gesamte Klangbild. Getragen wird das Drama von einem unfassbar guten Placido Domingo in der Titelrolle.
das war grosse oper
Welchen Schmelz der Mann zu seinen besten Jahren hatte, welche Strahlkraft! Viele Lautsprecher machen daraus eine Einheitsdynamik. Nicht so die Scala – das war unfassbar, gewaltig, groß. Die Tenorstimme löste sich mit Hochdruck aus der Boxenebene. Wenn Domingo aufs Gaspedal ging, strahlte uns Glanz entgegen. Ein Erlebnis, der schönste Klangrausch. Aus einem Lautsprecher, den wir vorab als alte Kiste diffamiert hätten. Doch wie neu, wie frisch und faszinierend die Konstruktion klang. Nie hatten wir Oper mit mehr Präsenz, Körper und Blut erlebt. Hier geschahen Wunder. Das war uns nach wenigen Minuten klar. Diesem Lautsprecher darf man auch seine Heiligtümer anvertrauen, beispielsweise „Kind Of Blue“von Miles Davis. Wir hüten da wie einen Augapfel die DSD- gemasterte SACD. Kein CD- Layer, nur reinste Hochauflösung. Viele Connaisseure haben jede Phrase im Bewusstsein, kennen jede harmonische Wendung, jedes räumliche Detail. Wir versprechen: An der Scala wird das Erlebnis in die Stratosphäre gepusht – hier klingt alles näher, intimer, energe
tischer. Das Unbegreifliche, hier wird es Ereignis. Wie klar der Raum abgesteckt war! Wir hörten faktisch hinein bis auf den Parkettboden. Dann die Solostimme der Trompete, der Atem, die Intention, der musikalische Wille. Wow – jede klassische Standbox zieht uns da auf die Erde, die Scala ließ uns in den audiophilen Himmel abheben. Diese Mischung aus Intimität, verfeinert mit der Sprungkraft einer Raubkatze – das hatten wir in unserem Hörraum noch nie erlebt. Wer jetzt denkt, es bedürfe dazu ja wohl auch einer ähnlich potenten Elektronik: Nein, ein kleiner Röhrenverstärker mit winzigen Wattzahlen genügte uns. Die Scala II ist kein Energiefresser, sondern ein eigenständiges Kraftwerk. Was aber Pflicht ist: Die Quelle sollte hochauflösend sein. Ein CD- Player ist nett, aber ein HiRes- Streamer und ein gutes Schallplattenlaufwerk sind hier eigentlich unverzichtbar.
Ab iN diE mäNNERhöhlE!
Wer nun noch etwas Pfeffer und Salz braucht: „Absolute Zero“von Bruce Hornsby ist frisch erschienen. Keine leichte Kost, aber clever abgemischt. Eigentlich ein großer Swimmingpool, in den man springen möchte. Die Scala umarmte uns regelrecht mit dem Klangrausch. Das war psychedelisch. Man musste sich auf dem Hörsofa anschnallen, um nicht die Besinnung zu verlieren. Gut, das hört sich jetzt alles etwas über- euphorisch an. Doch dieser Lautsprecher folgt einer komplett anderen Klangphilosophie. Wer kritisch sein will, kann anmerken, dass es Verfärbungen gab – hier und da tönte eine Klarinette nicht nach Holz, sondern etwas verhangen. Doch der Antritt, die Präsenz – das war unvergleichlich. Wenn das gute Stück nicht nur so behäbig im Wohnraum aussehen würde. Unser Rat: Die Ehefrau nicht fragen, sich nicht von den schönen Fotos auf dieser Seite täuschen lassen, sondern in die Männerhöhle in den großen Keller ziehen und sich dem Rausch hingegeben.