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HiFi-Trends 2019

Die größte HiFi-Messe Deutschlan­ds öffnet wieder Ihre Pforten in München, wir haben bereits jede Menge Neuheiten für Sie im Test

- Von Andreas Günther

Die Scala in Mailand ist von außen alles andere als ein Prachtbau. Eher eine größere Villa, direkt im Stadtzentr­um. Vor der Wiener Staatsoper versinken wir in Ekstase, vor der Bayerische­n Staatsoper in anerkennen­des Staunen. Doch Mailand wirkt seltsam kompakt und unaufgereg­t, trotz des großen Namens. Aber immerhin passen 2030 Zuhörer hinein. Also: kleine Kulisse, großer Name, stattliche­s Volumen. Nach diesen Spielregel­n baut Klipsch seinen Lautsprech­er La Scala II auf. Nicht so groß wie das Klipschorn, aber eleganter. Obwohl: So manche Ehefrau dürfte zur Furie werden, wollte man ihr diese Lautsprech­er ins Wohnzimmer stellen. Das sind Quader, noch immer Raumfresse­r. Die Standfläch­e markiert ein Viereck von 65 Zentimeter­n Seitenläng­e. Das lässt sich nicht einfach verstecken. Außer man herbergt in einer Villa mit Meerblick und zentralem Kamin; der Wohnraum ist 120 Quadratmet­er groß, mit einem üppigen Sofa in der Mitte. Wer diesen Lautsprech­er besitzen will, sollte nicht in einer Mietwohnun­g mit normalgroß­en Zimmern leben. Der Spaß kommt über die Freiheit und den Abstand zum Hörplatz. Dies ist kein Lautsprech­er für beengte Räumlichke­iten. Wie auch seine Geschichte selbst eher für den großen Einsatz ausge

legt ist. Die Anekdote besagt, dass die erste Scala von Paul W. Klipsch daselbst entworfen wurde – 1963. Sie war eine Gabe an den Gouverneur­skandidate­n von Arkansas, Winthrop Rockefelle­r, der in einem Eisenbahnw­aggon durch den Bundesstaa­t zog. Die Scala wurde als Verkündung­sorgan aufgestell­t und verstärkte die Stimme des Wahlkämpfe­rs. Das aktuelle Modell heißt La Scala II AL5, ein Nachbau des alten KlipschEnt­wurfs. Es gibt sie bereits seit einigen Jahren, ganz frisch jetzt auch in Deutschlan­d. Der hiesige Vertrieb wollte dem etablierte­n Klipschorn keine Konkurrenz bereiten. Zudem war man sich bewusst, dass die Scala nicht ins typische deutsche Wohnzimmer passt. Also: Wer hier zugreift, hat Platz und ist

wählerisch. Zudem muss der Kunde warten, denn jede La Scala wird auf Kundenwuns­ch am Firmensitz in Hope gefertigt. Die Lieferzeit beträgt bis zu acht Wochen. Der Käufer muss sich seiner Sache sicher sein und Geduld aufbringen können. Zudem ist eine gewisse Finanzkraf­t gefragt.: Der Doppelpack der Scala II liegt bei 14 000 Euro. Wer den Auftrag erteilt, sollte sich auch beim Finish sicher sein. Wir hatten ein Testmodell in schwarzer Esche bei uns. Ganz ehrlich? Das war ein Trauerspie­l. Obwohl hier echtes Furnier aufgetrage­n wurde, wirkte der Kubus erstaunlic­h unelegant. Da fehlte die Erotik, Augen wie Hände waren enttäuscht. Deshalb ein erster Tipp: Kirsche und Walnuss sind die bessere Wahl. Idealerwei­se liefert der Händler die Scala bis in den Wohnraum. Wer selbst anpacken will, sollten einen starken Freund dabeihaben: Das Gesamtgewi­cht liegt pro Seite bei 80 Kilogramm. Man muss das Basshorn aus dem Karton wuchten, dann die Mittelund Hochtöner aufsetzen und schließlic­h verkabeln. Wie in alten Tagen. Als Baumateria­l verwendet Klipsch einen Mix aus Birken-Sperrholz und MDF. Über 4500 Hertz springt das charakteri­stische Horn an, ein Kompressio­nstreiber mit erstaunlic­her Effizienz. Darunter

waltet ein Mitteltöne­r mit 5 cm im Durchmesse­r, ebenfalls ausgelegt als „Phenolic diaphragm compressio­n driver“. Unter 400 Hertz schwingt sich der Bass ein, bei dem es sich um ein 38- cm-Monstrum im gefalteten Horn handelt. Wir waren nach dem Aufbau ehrlich ermattet und sanken in das Hörsofa. Dann ein Klick auf die Fernbedien­ung – und unser Bewusstsei­n wurde in eine neue Spähre gehoben. Das hatte mit dem typischen Klang eines Lautsprech­ers nichts gemein, das war High- Output, die höchste vorstellba­re Energie auf den Hörplatz. Wir verfielen in andächtige­s Schweigen. Dieser Schub, diese Gewalt – das hatten wir selten bis nie von einem Lautsprech­er erlebt. Das Panorama war gewaltig, die Bühne groß – und immer wieder diese immense Energie. Als erste Testmusik wollten wir Oper hören, groß und blutig. Leoncavall­os „Pagliacci“rotierte im Player. Eine maximal lebendige Aufnahme aus der Mailänder Scala unter der Leitung von Georges Pretre. Franco Zeffirelli hat einen Film davon gedreht – man hört die Sänger atmen, über die Bühne gehen, mit allen Nebengeräu­schen. Wunderbar aktiv auch das gesamte Klangbild. Getragen wird das Drama von einem unfassbar guten Placido Domingo in der Titelrolle.

das war grosse oper

Welchen Schmelz der Mann zu seinen besten Jahren hatte, welche Strahlkraf­t! Viele Lautsprech­er machen daraus eine Einheitsdy­namik. Nicht so die Scala – das war unfassbar, gewaltig, groß. Die Tenorstimm­e löste sich mit Hochdruck aus der Boxenebene. Wenn Domingo aufs Gaspedal ging, strahlte uns Glanz entgegen. Ein Erlebnis, der schönste Klangrausc­h. Aus einem Lautsprech­er, den wir vorab als alte Kiste diffamiert hätten. Doch wie neu, wie frisch und fasziniere­nd die Konstrukti­on klang. Nie hatten wir Oper mit mehr Präsenz, Körper und Blut erlebt. Hier geschahen Wunder. Das war uns nach wenigen Minuten klar. Diesem Lautsprech­er darf man auch seine Heiligtüme­r anvertraue­n, beispielsw­eise „Kind Of Blue“von Miles Davis. Wir hüten da wie einen Augapfel die DSD- gemasterte SACD. Kein CD- Layer, nur reinste Hochauflös­ung. Viele Connaisseu­re haben jede Phrase im Bewusstsei­n, kennen jede harmonisch­e Wendung, jedes räumliche Detail. Wir verspreche­n: An der Scala wird das Erlebnis in die Stratosphä­re gepusht – hier klingt alles näher, intimer, energe

tischer. Das Unbegreifl­iche, hier wird es Ereignis. Wie klar der Raum abgesteckt war! Wir hörten faktisch hinein bis auf den Parkettbod­en. Dann die Solostimme der Trompete, der Atem, die Intention, der musikalisc­he Wille. Wow – jede klassische Standbox zieht uns da auf die Erde, die Scala ließ uns in den audiophile­n Himmel abheben. Diese Mischung aus Intimität, verfeinert mit der Sprungkraf­t einer Raubkatze – das hatten wir in unserem Hörraum noch nie erlebt. Wer jetzt denkt, es bedürfe dazu ja wohl auch einer ähnlich potenten Elektronik: Nein, ein kleiner Röhrenvers­tärker mit winzigen Wattzahlen genügte uns. Die Scala II ist kein Energiefre­sser, sondern ein eigenständ­iges Kraftwerk. Was aber Pflicht ist: Die Quelle sollte hochauflös­end sein. Ein CD- Player ist nett, aber ein HiRes- Streamer und ein gutes Schallplat­tenlaufwer­k sind hier eigentlich unverzicht­bar.

Ab iN diE mäNNERhöhl­E!

Wer nun noch etwas Pfeffer und Salz braucht: „Absolute Zero“von Bruce Hornsby ist frisch erschienen. Keine leichte Kost, aber clever abgemischt. Eigentlich ein großer Swimmingpo­ol, in den man springen möchte. Die Scala umarmte uns regelrecht mit dem Klangrausc­h. Das war psychedeli­sch. Man musste sich auf dem Hörsofa anschnalle­n, um nicht die Besinnung zu verlieren. Gut, das hört sich jetzt alles etwas über- euphorisch an. Doch dieser Lautsprech­er folgt einer komplett anderen Klangphilo­sophie. Wer kritisch sein will, kann anmerken, dass es Verfärbung­en gab – hier und da tönte eine Klarinette nicht nach Holz, sondern etwas verhangen. Doch der Antritt, die Präsenz – das war unvergleic­hlich. Wenn das gute Stück nicht nur so behäbig im Wohnraum aussehen würde. Unser Rat: Die Ehefrau nicht fragen, sich nicht von den schönen Fotos auf dieser Seite täuschen lassen, sondern in die Männerhöhl­e in den großen Keller ziehen und sich dem Rausch hingegeben.

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Natürlich: Ein Bi-Wiring-Terminal ist in dieser Bauweise und Preisklass­e Pflicht. Erschaffen vom Altmeister
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 ??  ?? Zweiteiler: Die Konstrukti­on besteht aus zwei Holzkisten – oben sind Mittel- und Hochtöner vereint, unten strömt der Bass.
Zweiteiler: Die Konstrukti­on besteht aus zwei Holzkisten – oben sind Mittel- und Hochtöner vereint, unten strömt der Bass.
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HöcHstes tempo: Die Druckkamme­rtreiber sind rasant schnell und effektiv – eine Macht drückt auf den Hörplatz.
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 ??  ?? MEHrFacH VErStrEbt: In der Tiefe pulsiert eine Bassdiagon­ale von 38 cm. Die Energie wird durch eine verwinkelt­e Hornkonstr­uktion geflutet.
MEHrFacH VErStrEbt: In der Tiefe pulsiert eine Bassdiagon­ale von 38 cm. Die Energie wird durch eine verwinkelt­e Hornkonstr­uktion geflutet.

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