Cambridge Edge nQ & W
Der Chef kappt alle Fesseln. Die Ingenieure tanzen auf dem Tisch. Die große Kreativität bricht aus. Herausgekommen ist die fulminante Edge-Serie von Cambridge Audio.
British Sound vom Feinsten! Diese Kombination gilt als eines der besten HiFi-Gesamtpakete
Also Jungs: Wir feiern Geburtstag – und ich habe ein Geschenk für euch. Macht doch einfach mal, was ihr wollt. Nehmt keine Rücksicht auf bestehende Technik und die Kosten. Alles ist erlaubt.“So oder so ähnlich muss der Chef von Cambridge Audio zu seinen Ingenieuren gesprochen haben, welche die Botschaft nur zu gerne hörten. Wie ein Stromschlag ging es durch das Team. Vor den Folgen stehen wir heute – mit der Edge-Serie wollen die Briten zeigen, was in ihnen steckt. Warum „Edge“? Das Wort lässt sich gleich mehrfach übersetzen: „Kante“oder besser „Grenze“. Aha, die Ingenieure wollten also bis an die Grenze gehen? Schön gedacht, nur leider falsch. Auflösung: Der erste Ingenieur und Vordenker von Cambridge Audio hieß Gordon Edge. Mittlerweile eine Legende. In einer Garage zimmerte er gemeinsam mit einem langhaarigen Kollegen (die
60er halt) den Vollverstärker P40. Der gab den Startschuss für den „Great British Sound“und spülte der Firma Unsummen in die Kasse. Ohne den P40 gäbe es Cambridge Audio schlicht nicht. Und nun – was hecken Entwickler so aus, wenn der Chef alle Limits aufhebt? Wäre es eine US- Company, dann hätten die Ingenieure schwere Elektronik in massive Gehäuse gepackt. Dazu Preise, die selbst Top-Verdienern die Tränen in die Augen treiben. Doch die Briten wissen, dass groß und teuer nicht immer gut bedeutet. So bleibt alles im sinnigen Rahmen. Den Vollverstärker Edge A haben wir schon hochleben lassen (AUDIO 10/18) – er markiert mit 5000 Euro die Spitze der Preisverstellungen von Cambridge Audio. Darunter geht’s in Tausenderschritten abwärts: Der Vorverstärker und Netzwerkplayer Edge NQ kostet 4000 Euro, die Stereo- Endstufe Edge W 3000 Euro. Darauf kann man sparen.
FAszinierende FormsprAche
Und immer wieder diese Faszination der Formsprache: Das Design der Edge-Serie ist unaufgeregt, entschlackt und trotzdem schön. Chefredakteur Eichelsdörfer brachte es auf den Punkt: „Das Design, das Material, die Verarbeitung der Edge-Serie … Es war Liebe auf den ersten Blick!“Damit steht er nicht allein. Aluminium überall, edel mattiert und stranggepresst. Nichts wirkt bekannt oder mal eben auf dem Weltmarkt angekauft. Cambridge Audio hat viel Augenmerk auf den Bedienknauf des NQ gelegt. Andere hätten rechts einen Lautstärkeregler integriert, links dazu als Pendant die Quellenwahl. Cambridge vereint beides in einem Element – hier lässt sich scrollen, klicken, drehen, drücken. Alles entsteht in Großbritannien, über 30 Teile wurden hier vereint und in Präzision gefräst. Dazu noch ein Ausgang für den Kopfhörer und ein Einschaltknopf – das war’s. Halt – wir haben das brillante Display vergessen. Hierüber zeigt uns Cam
Cambridge audio steht für den „great british sound“
bridge Audio die Bedienoptionen und die Cover der gestreamten Musik. Die Rückseite des NQ lebt die Gegenwelt aus – das ist maximal opulent. Hinein geht es per USB, HDMI, S/PDIF und per Ethernet. Aber auch via Bluetooth kann Musik zugespielt werden. Das analoge Ausgangssignal nimmt den Weg über Cinch, aber auch XLR gehört zum NQ-Standard. Zudem haben die Briten allerlei Software und Lizenzen eingekauft. So gibt es hier Apples AirPlay, dazu
Chromecast und Spotify Connect. Gar nicht zu reden von den Abertausenden Internet- Radiostationen. Da kann man sich verirren. Weshalb Cambridge Audio – logisch – eine eigene App für Android und Apple programmiert hat. Seit 2011 setzten die Entwickler auch auf eine eigene Software für die Wandler- Chips – „StreamMagic“getauft. Die Datenausbeute reicht bei PCM- Dateien bis 24 Bit und 384 Kilohertz, in der Kür wird auch DSD265 gewandelt. Mehr brauchen selbst die Sensibelsten unter den audiophilen Gemütern nicht. Wie schlau die britischen Ingenieure auch familienintern denken, zeigt ein Detail. Was mache ich, wenn ich den NQStreamer liebe, aber seine Vorstufe nicht brauche – wenn ich etwa den Vollverstärker Edge A zum Sparringspartner ernannt habe? Dann lässt sich die Vorstufensektion des NQ einfach umgehen. Ein fixes Ausgangssignal wird ganz elegant über die App eingeschaltet. Eine Option, die man nicht ziehen muss, denn Cambridge hat die Endstufe W als idealen Mitspieler gebaut. Hier wird das reduzierte Design auf die Spitze getrieben. Einen Einschaltknopf – mehr gibt es nicht. An den Seiten liegen die Kühlrippen, im Rücke nein Pärchen Lautsprecher klemme nun dein Doppel aus Eingang/Ausgang im Cinch- und XLRFormat. So baut man Endstufen! Auch der Blick ins Innere erfreut das Herz. Zentral liegt ein großformatiger Stromaufbereiter, kombiniert mit schönster Doppel- Mono- Symmetrie. Cambridge Audio betreibt schon immer enormen Aufwand bei der Wahl und beim Stricken des richtigen Trafos. Hier ist ein neuer Meilenstein – offiziell ein Pärchen aus „entgegengesetzt symmetrischen Doppel ring kern transformatoren “. Eine Art Doppeldecker, indem sich elektromagnetische Bösewichte gegenseitig
auslöschen sollen. Auch bei der Schaltung nutzt Cambridge Audio ein eigenes Patent und nennt es „Class-XA“. Hier wird den Vorzügen einer Class- A-Schaltung gehuldigt. Allerdings unter neuen Vorzeichen – mit weniger Wärmeentwicklung und höherer Effizienz. Man kann es auch umgekehrt denken und formulieren: Hier arbeitet ein Class- A/ BKonzept mit Vorspannung und einem Crossover- Punkt, der außerhalb des Hörvermögens liegt. Die tieferen Details verstecken die Briten unter dem Mantel des Firmengeheimnisses.
mit 90 Jahren am Pult
90 Lebensjahre sind ein stolzes Alter. Vor allem, wenn man noch im Arbeitsleben steht. Gibt’s nicht? Gibt es doch: Bernard Haitink will zwar dieses Jahr aufhören, dirigiert aber immer noch – und zwar die besten Orchester der Welt. Ganz frisch hat Decca zwei Box-Sets mit legendären Aufnahmen veröffentlicht, den Sinfonien von Gustav Mahler und Anton Bruckner. Sein Lieblingsorchester spielt auf – das Concertgebouw Orchestra aus Amsterdam. Die Aufnahmen aus den 60er/ 70erJahren erschienen einst bei Philips. Der Clou: In jeder Box (Brucker: zehn CDs, Maler: zwölf CDs) liegt auch eine Blu-ray mit dem kompletten Inhalt in HiRes. Den gibt es auch bei Qobuz – auch hier in 24 Bit und 96 Kilohertz. Man staunt über die hohe Kunst der damaligen Philips-Tontechniker. Wäh
rend die Kollegen noch mit Phasen und Mikrofonaufstellungen spielten, herrschte bei Philips das Ideal vom naturbelassenen, entschlackten Klang. Das trifft sich mit den Werten von Cambridge: Auch die Briten wollen straight und dynamisch sein. Das schaukelte sich im Hörraum zur audiophilen Party auf. Etwa der vierte Satz von Mahlers erster Sinfonie: Brachialer kann ein Orchester kein Tutti spielen – ein Sturm, ein Drama. Da muss die Elektronik vor allem schnell sein. Die Edges legten einen Drive vor, den wir nur von teurerer Elektronik kannten. Dazu dieser kraftvolle Schub aus den Mitten. Viele Amps bauen ihr Klangbild auf den Bässen auf, die Briten hingegen analysieren zuerst den Mittelbau – die Präsenzregion muss stimmen. Was nicht heißen soll, dass die Mitten übermäßig angehoben werden, aber die Edges haben etwas zupackend Fleischliches. Und immer wieder diese konkrete Räumlichkeit. So im Scherzo der vierten Sinfonie von Bruckner – da pirschen sich die Hörner an, da flirren die Streicher, wunderbar präsent von Cambridge Audio in das Klangbild gemalt.
audiophile party in unserem hörraum
Hyper-plAstiscHe trommeln
Wer guten Pop/ Rock/ Blues hören will, sollte sich an das neue Album von Santana wagen – „Africa Speaks“(Rezension auf Seite 109). Der große Rick Rubin zeichnet hier als Produzent verantwortlich. Schon der Einstieg zum ersten Track fordert die Auflösungspotenz von Streamer und Amp: Trommeln im hyperaktivplastischen Stereodreieck. Die beiden Edges trieben jede noch so kleine dynamische Information aus der Boxenachse. Mit dem Einsatz von Santanas Sologitarre wurde ein Supersong mit höchster Sogkraft daraus. Nehmen wir also nun den Streamer oder die Stereoendstufe? Wer sich jetzt diese Frage stellt, der hat den Subtext dieser Zeilen nicht verstanden. Nur gemeinsam ist man stark, nur gemeinsam trifft Sinn auf Freude.