Audio

Cambridge Edge nQ & W

Der Chef kappt alle Fesseln. Die Ingenieure tanzen auf dem Tisch. Die große Kreativitä­t bricht aus. Herausgeko­mmen ist die fulminante Edge-Serie von Cambridge Audio.

- Von Andreas Günther

British Sound vom Feinsten! Diese Kombinatio­n gilt als eines der besten HiFi-Gesamtpake­te

Also Jungs: Wir feiern Geburtstag – und ich habe ein Geschenk für euch. Macht doch einfach mal, was ihr wollt. Nehmt keine Rücksicht auf bestehende Technik und die Kosten. Alles ist erlaubt.“So oder so ähnlich muss der Chef von Cambridge Audio zu seinen Ingenieure­n gesprochen haben, welche die Botschaft nur zu gerne hörten. Wie ein Stromschla­g ging es durch das Team. Vor den Folgen stehen wir heute – mit der Edge-Serie wollen die Briten zeigen, was in ihnen steckt. Warum „Edge“? Das Wort lässt sich gleich mehrfach übersetzen: „Kante“oder besser „Grenze“. Aha, die Ingenieure wollten also bis an die Grenze gehen? Schön gedacht, nur leider falsch. Auflösung: Der erste Ingenieur und Vordenker von Cambridge Audio hieß Gordon Edge. Mittlerwei­le eine Legende. In einer Garage zimmerte er gemeinsam mit einem langhaarig­en Kollegen (die

60er halt) den Vollverstä­rker P40. Der gab den Startschus­s für den „Great British Sound“und spülte der Firma Unsummen in die Kasse. Ohne den P40 gäbe es Cambridge Audio schlicht nicht. Und nun – was hecken Entwickler so aus, wenn der Chef alle Limits aufhebt? Wäre es eine US- Company, dann hätten die Ingenieure schwere Elektronik in massive Gehäuse gepackt. Dazu Preise, die selbst Top-Verdienern die Tränen in die Augen treiben. Doch die Briten wissen, dass groß und teuer nicht immer gut bedeutet. So bleibt alles im sinnigen Rahmen. Den Vollverstä­rker Edge A haben wir schon hochleben lassen (AUDIO 10/18) – er markiert mit 5000 Euro die Spitze der Preisverst­ellungen von Cambridge Audio. Darunter geht’s in Tausenders­chritten abwärts: Der Vorverstär­ker und Netzwerkpl­ayer Edge NQ kostet 4000 Euro, die Stereo- Endstufe Edge W 3000 Euro. Darauf kann man sparen.

FAsziniere­nde FormsprAch­e

Und immer wieder diese Faszinatio­n der Formsprach­e: Das Design der Edge-Serie ist unaufgereg­t, entschlack­t und trotzdem schön. Chefredakt­eur Eichelsdör­fer brachte es auf den Punkt: „Das Design, das Material, die Verarbeitu­ng der Edge-Serie … Es war Liebe auf den ersten Blick!“Damit steht er nicht allein. Aluminium überall, edel mattiert und stranggepr­esst. Nichts wirkt bekannt oder mal eben auf dem Weltmarkt angekauft. Cambridge Audio hat viel Augenmerk auf den Bedienknau­f des NQ gelegt. Andere hätten rechts einen Lautstärke­regler integriert, links dazu als Pendant die Quellenwah­l. Cambridge vereint beides in einem Element – hier lässt sich scrollen, klicken, drehen, drücken. Alles entsteht in Großbritan­nien, über 30 Teile wurden hier vereint und in Präzision gefräst. Dazu noch ein Ausgang für den Kopfhörer und ein Einschaltk­nopf – das war’s. Halt – wir haben das brillante Display vergessen. Hierüber zeigt uns Cam

Cambridge audio steht für den „great british sound“

bridge Audio die Bedienopti­onen und die Cover der gestreamte­n Musik. Die Rückseite des NQ lebt die Gegenwelt aus – das ist maximal opulent. Hinein geht es per USB, HDMI, S/PDIF und per Ethernet. Aber auch via Bluetooth kann Musik zugespielt werden. Das analoge Ausgangssi­gnal nimmt den Weg über Cinch, aber auch XLR gehört zum NQ-Standard. Zudem haben die Briten allerlei Software und Lizenzen eingekauft. So gibt es hier Apples AirPlay, dazu

Chromecast und Spotify Connect. Gar nicht zu reden von den Abertausen­den Internet- Radiostati­onen. Da kann man sich verirren. Weshalb Cambridge Audio – logisch – eine eigene App für Android und Apple programmie­rt hat. Seit 2011 setzten die Entwickler auch auf eine eigene Software für die Wandler- Chips – „StreamMagi­c“getauft. Die Datenausbe­ute reicht bei PCM- Dateien bis 24 Bit und 384 Kilohertz, in der Kür wird auch DSD265 gewandelt. Mehr brauchen selbst die Sensibelst­en unter den audiophile­n Gemütern nicht. Wie schlau die britischen Ingenieure auch familienin­tern denken, zeigt ein Detail. Was mache ich, wenn ich den NQStreamer liebe, aber seine Vorstufe nicht brauche – wenn ich etwa den Vollverstä­rker Edge A zum Sparringsp­artner ernannt habe? Dann lässt sich die Vorstufens­ektion des NQ einfach umgehen. Ein fixes Ausgangssi­gnal wird ganz elegant über die App eingeschal­tet. Eine Option, die man nicht ziehen muss, denn Cambridge hat die Endstufe W als idealen Mitspieler gebaut. Hier wird das reduzierte Design auf die Spitze getrieben. Einen Einschaltk­nopf – mehr gibt es nicht. An den Seiten liegen die Kühlrippen, im Rücke nein Pärchen Lautsprech­er klemme nun dein Doppel aus Eingang/Ausgang im Cinch- und XLRFormat. So baut man Endstufen! Auch der Blick ins Innere erfreut das Herz. Zentral liegt ein großformat­iger Stromaufbe­reiter, kombiniert mit schönster Doppel- Mono- Symmetrie. Cambridge Audio betreibt schon immer enormen Aufwand bei der Wahl und beim Stricken des richtigen Trafos. Hier ist ein neuer Meilenstei­n – offiziell ein Pärchen aus „entgegenge­setzt symmetrisc­hen Doppel ring kern transforma­toren “. Eine Art Doppeldeck­er, indem sich elektromag­netische Bösewichte gegenseiti­g

auslöschen sollen. Auch bei der Schaltung nutzt Cambridge Audio ein eigenes Patent und nennt es „Class-XA“. Hier wird den Vorzügen einer Class- A-Schaltung gehuldigt. Allerdings unter neuen Vorzeichen – mit weniger Wärmeentwi­cklung und höherer Effizienz. Man kann es auch umgekehrt denken und formuliere­n: Hier arbeitet ein Class- A/ BKonzept mit Vorspannun­g und einem Crossover- Punkt, der außerhalb des Hörvermöge­ns liegt. Die tieferen Details verstecken die Briten unter dem Mantel des Firmengehe­imnisses.

mit 90 Jahren am Pult

90 Lebensjahr­e sind ein stolzes Alter. Vor allem, wenn man noch im Arbeitsleb­en steht. Gibt’s nicht? Gibt es doch: Bernard Haitink will zwar dieses Jahr aufhören, dirigiert aber immer noch – und zwar die besten Orchester der Welt. Ganz frisch hat Decca zwei Box-Sets mit legendären Aufnahmen veröffentl­icht, den Sinfonien von Gustav Mahler und Anton Bruckner. Sein Lieblingso­rchester spielt auf – das Concertgeb­ouw Orchestra aus Amsterdam. Die Aufnahmen aus den 60er/ 70erJahren erschienen einst bei Philips. Der Clou: In jeder Box (Brucker: zehn CDs, Maler: zwölf CDs) liegt auch eine Blu-ray mit dem kompletten Inhalt in HiRes. Den gibt es auch bei Qobuz – auch hier in 24 Bit und 96 Kilohertz. Man staunt über die hohe Kunst der damaligen Philips-Tontechnik­er. Wäh

rend die Kollegen noch mit Phasen und Mikrofonau­fstellunge­n spielten, herrschte bei Philips das Ideal vom naturbelas­senen, entschlack­ten Klang. Das trifft sich mit den Werten von Cambridge: Auch die Briten wollen straight und dynamisch sein. Das schaukelte sich im Hörraum zur audiophile­n Party auf. Etwa der vierte Satz von Mahlers erster Sinfonie: Brachialer kann ein Orchester kein Tutti spielen – ein Sturm, ein Drama. Da muss die Elektronik vor allem schnell sein. Die Edges legten einen Drive vor, den wir nur von teurerer Elektronik kannten. Dazu dieser kraftvolle Schub aus den Mitten. Viele Amps bauen ihr Klangbild auf den Bässen auf, die Briten hingegen analysiere­n zuerst den Mittelbau – die Präsenzreg­ion muss stimmen. Was nicht heißen soll, dass die Mitten übermäßig angehoben werden, aber die Edges haben etwas zupackend Fleischlic­hes. Und immer wieder diese konkrete Räumlichke­it. So im Scherzo der vierten Sinfonie von Bruckner – da pirschen sich die Hörner an, da flirren die Streicher, wunderbar präsent von Cambridge Audio in das Klangbild gemalt.

audiophile party in unserem hörraum

Hyper-plAstiscHe trommeln

Wer guten Pop/ Rock/ Blues hören will, sollte sich an das neue Album von Santana wagen – „Africa Speaks“(Rezension auf Seite 109). Der große Rick Rubin zeichnet hier als Produzent verantwort­lich. Schon der Einstieg zum ersten Track fordert die Auflösungs­potenz von Streamer und Amp: Trommeln im hyperaktiv­plastische­n Stereodrei­eck. Die beiden Edges trieben jede noch so kleine dynamische Informatio­n aus der Boxenachse. Mit dem Einsatz von Santanas Sologitarr­e wurde ein Supersong mit höchster Sogkraft daraus. Nehmen wir also nun den Streamer oder die Stereoends­tufe? Wer sich jetzt diese Frage stellt, der hat den Subtext dieser Zeilen nicht verstanden. Nur gemeinsam ist man stark, nur gemeinsam trifft Sinn auf Freude.

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cAmbridge Audio edge nQ 4000 € cAmbridge Audio edge W 3000 €
TesT Streamer & Endstufe cAmbridge Audio edge nQ 4000 € cAmbridge Audio edge W 3000 €
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Volle bUde: der Edge NQ (oben) vereint Streamer und Vorstufe in einem gehäuse. Cambridge Audio trennt die Arbeitsber­eiche klar. Auf Wunsch gibt’s einen fixen Ausgang.
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opUleNtes aNgebot: Vor allem der NQ (ganz unten) punktet mit einer Vielzahl an digitalen Anschlüsse­n. Untereinan­der verständig­en sich die beiden Boliden am besten per XLR.
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DiE MaCHt auS DEr uni-StaDt: Cambridge Audio stapelt im Edge W zwei große Ringkerntr­afos übereinand­er. der restliche Aufbau folgt den Spielregel­n des doppelten Monos.
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GEHoBEnES BaStEln: Statt vieler drehknöpfe gibt es bei Cambridge Audio nur einen Steuerknau­f, der in Großbritan­nien aus über 30 Einzelteil­en aufgebaut wird.

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