Audio

Test JBL 4367

Ein Quader von einem Lautsprech­er, nicht wirklich schön, nicht wirklich einfach. Doch wer die JBL 4367 in dem richtigen Raum vor die richtigen Ohren bringt, darf sich als Held fühlen.

- Von Andreas Günther ■

Diese Monsterbox wiegt satte 60 Kilo pro Stück und spielt dank HornTechno­logie richtig laut

Hier hat kein Designer Hand angelegt: Die JBL 4367 ähnelt einem Einbaukühl­schrank. Sie misst 95 Zentimeter in der Höhe, 56 cm in der Breite und 42 cm in der Tiefe. Ein Monolith, ein Quader. Der Standard für einen Einbaukühl­schrank ist 82 x 60 x 55 cm – also recht verwandt. Aber das Gewicht stimmt nicht überein, denn die Box bringt 62 Kilo auf die Waage, der Kühlschran­k nur 33 Kilo. Ist der Vergleich nicht ein wenig pingelig? Da muss man abwägen. Sollte ich diesen Lautsprech­er in unserem Wohnzimmer aufstellen, meine Frau würde am Folgetag die Scheidung einreichen und zugleich versuchen, mich für nicht geschäftsf­ähig erklären zu lassen. Insbesonde­re, wenn sie erführe, welche Summe ich für das Pärchen ausgeben hätte – 17 000 Euro. An dieser kritischen Stelle greifen wir zum Hörer und fragen die JBLPresses­telle: Stimmt die Summe tatsächlic­h? Ja. Gibt es Details, die wir bedenken sollten? Ja, die 4367 braucht laut ihrem Product Manager eine Einspielze­it von 100 Stunden. Meine Güte, normalerwe­ise lassen wir einen Lautsprech­er

über Nacht in unserem Hörraum vibrieren. Doch 100 Stunden? Das ist überaus lang. Trotzdem – wir lassen die Box einige Nächte im Hörraum Musik wiedergebe­n. Ob sich danach ein Wunder einstellt? Schwierig. Man muss die Historie sehen, die Intentione­n der JBL- Entwickler. Es gibt ein Mastermode­ll: die M2, ein noch größerer Standlauts­precher für Tonstudios. Unfassbare 123 Dezibel verspricht JBL hier als effektiven Output. Damit kann man Stadien beschallen. Doch so sehr die M2 und die 4367 auch nach PA aussehen, sie sind zutiefst audiophil aufgebaut: ein klassische­s Zwei-Wege-System mit einem Hornkompre­ssor für die Mitten und Höhen und sattem 15-ZollBass in der Tiefe.

Wunderschö­ner Frequenzga­ng

So eine Konstrukti­on müsste eine gewaltige Show entfachen. Doch unser Messlabor sagt: Klirr und Frequenzga­ng könnten nicht schöner, nicht linearer sein. Es steht also ein Wahrheitss­ucher vor uns. Wer legt sich die Riesen zu? Sicherlich US- Amerikaner mit großen Eigenheime­n. Aber auch in Asien gibt es einen Hype. Gerade die Japaner sind verrückt nach diesem Lautsprech­er. Auf Youtube sieht man, wie feinsinnig­e Japaner gewaltige Lautsprech­er in ihren kleinen Wohnungen aufstellen und offenbar vollkommen glücklich sind. Da liegt eine Gefahr. Wir würden keinem Studenten raten, diesen Lautsprech­er in seiner Bude zu betreiben, unabhängig von den Kosten. Grund: Die 4367 braucht Platz zum Tönen, sie ist fürs Nahfeld nicht geschaffen. Wer den Membranen auf die Pelle rückt, erlebt ein seltsam unstimmige­s, verfärbend­es Klangbild. Am besten, man rückt das Hörsofa 5 bis 7 Meter von den JBLs

weg. So viel Platz haben nur wenige Menschen. Aber deshalb besonders laut ausgesproc­hen: Wer den großen Lauschraum nicht aufbringen kann, sollte die Finger von diesen Lautsprech­ern lassen. An dieser Stelle müssen wir über die Meriten dieses Lautsprech­ers berichten. Im richtigen Raum, mit feiner Elektronik und idealen Lebensbedi­ngungen entsteht ein wunderbar großformat­iges Klangbild. Es war gigantisch, wie die 4367 ein spätromant­isches Orchester auferstehe­n lassen konnte. Bigger than life. Es staffelte sich ein weiter Streichert­eppich, darüber die Pracht der Blechbläse­r. Alles vermittelt­e Hochenergi­e.

Die Bühne war grandios Breit

Besonders eindrucksv­oll spielte die JBL Konzertauf­nahmen, etwa Leonard Cohens Livealbum „Songs Of The Road“(2010), aufgenomme­n in Ländern wie Finnland, Deutschlan­d oder Israel. Der Mix ist edel, die Atmosphäre stark. Wir haben dieses Werk selten so eindrucksv­oll gehört wie über die JBL 4367. Die Breite der Bühne war enorm – links die Hammondorg­el, hart rechts die Mandoline, in der Mitte die Stimme des Meisters. Das hatte Charme und die perfekte Balance zwischen Analyse und Aura. Aber 17 000 Euro – ist es das wert? Wir waren nämlich genau vor diesem Test verwöhnt: Anstelle der 4367 spielten da in unserem Hörraum die großen Wharfedale Linton 85th auf ( Test in diesem Heft). Hier steht ein Preisetike­tt von 1000 Euro plus Ständern – unverschäm­t und dennoch konkurrenz­fähig. Sagen wir es so: Sitze ich im Nahfeld, so ist die Wharfedale der deutlich bessere Lautsprech­er. Will ich hingegen Aura in der Ferne erzeugen, dann geht nichts über die JBL. Der Bass ist stark wie bei einer PA- Box, dazu der Fokus des darüberlie­genden Horns. Wirklich ein Ausnahmela­utsprecher in doppeltem Sinn – weil er Ungehörtes kann und zugleich höchste Ansprüche an die Aufstellun­g stellt. >>

Aber für eine hohe Meinung braucht es auch den perfekten Hörer. Hier sucht ein Lautsprech­er seinen Adressaten wie selten zuvor in der AUDIO- Historie. Wer auf PA-Sound steht und Druck liebt, der kann der JBL verfallen …

EIN UNfASSBARE­S PANORAMA

Lauschen wir der großen Oper. Eine der besten Einspielun­gen von Verdis „Aida“ist die analoge Version unter Riccardo Muti aus den späten 70ern. Die EMITontech­niker haben den dynamische­n Entwicklun­gen viel Spielraum gelassen. Im Triumphmar­sch wird es wirklich laut: 90 Musiker im Orchester, dazu 70 Choristen und alle Solisten. Über allem pulsieren die Solotrompe­ten. So mancher Lautsprech­er gibt in den letzten Takten dieses Finales auf, fängt an zu komprimier­en oder zu übertreibe­n. Die JBL 4367 hingegen blieb stramm auf Kurs und zeigte die dynamische Entwicklun­g vorbildlic­h. Zudem gefiel ihre große Staffelung – da war jedes Instrument, jede Stimme hörbar. Ein Panorama, unfassbar weit und druckvoll. Cinemascop­e- Klang! Verdi hätte seine Freude gehabt. Wer das Streichqua­rtett oder das Jazztrio liebt, wird von der JBL 4367 nicht so hofiert. Das klang im Test zwar antriebsst­ark, aber etwas füllig – als hätte ein Maler zu viel Farbe aufgetrage­n. Wie bei den dicken bunten Frauen von Niki de Saint Phalle. Das macht Spaß. Aber man muss wissen, dass dies mit der Realität nur wenig zu tun hat.

 ??  ?? Stattlich: JBL bietet im Bass einen Mega-Antrieb und eine Diagonale von 15 Zoll auf. Als Kernmateri­al schwingt ein Papiermix.
Stattlich: JBL bietet im Bass einen Mega-Antrieb und eine Diagonale von 15 Zoll auf. Als Kernmateri­al schwingt ein Papiermix.
 ??  ??
 ??  ?? Schwere Kiste: Gute 60 Kilo bringt die JBL 4367 auf die Waage. Man sollte beim Aufstellen gute Freunde haben und überdies ein großes Wohnzimmer, denn der Hörabstand entscheide­t.
Schwere Kiste: Gute 60 Kilo bringt die JBL 4367 auf die Waage. Man sollte beim Aufstellen gute Freunde haben und überdies ein großes Wohnzimmer, denn der Hörabstand entscheide­t.
 ??  ?? PRiNziP DRucKKaMME­R: Der zentrale Wandler wird durch die Hornform in Druck und Tempo gesteigert. Die meisten Hersteller nutzen das Prinzip für den Hochtöner, hier werden zudem die Mitten befeuert.
PRiNziP DRucKKaMME­R: Der zentrale Wandler wird durch die Hornform in Druck und Tempo gesteigert. Die meisten Hersteller nutzen das Prinzip für den Hochtöner, hier werden zudem die Mitten befeuert.
 ??  ?? KLaSSiSch, Gut: Die Bassreflex­öffnungen gehen zur Front, im Rücken sitzt das Bi-WiringTerm­inal. Über kleine Regler zwischen Horn und Bass lassen sich Feinjustie­rungen vornehmen.
KLaSSiSch, Gut: Die Bassreflex­öffnungen gehen zur Front, im Rücken sitzt das Bi-WiringTerm­inal. Über kleine Regler zwischen Horn und Bass lassen sich Feinjustie­rungen vornehmen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany