CANTON SMART A 45
Canton geht den doppelten Weg: in die Fachgeschäfte und über die hauseigene Webseite. Die Smart A 45 gibt es nur online und direkt, sie ist vollaktiv und klanglich ein echter Kracher.
Waren Sie schon einmal in Niederlauken? Vermutlich nicht, es sei denn, Sie wohnen im Taunus. Limburg, Wetzlar oder Frankfurt sind mehr als 30 Kilometer entfernt. 450 Seelen zählt das Dorf, was immer noch mehr ist als nach dem 30-jährigen Krieg: Damals wurde Niederlauken dem Erdboden gleichgemacht, die Bevölkerungszahl sank auf sechs.
Marktführer aus der Provinz
Blickt man jedoch mit Google Maps auf Niederlauken, so sieht man im Süden, an der Landesstraße zu Oberlauken, einen stattlichen Industriekomplex. Es ist die Canton Elektronik GmbH & Co. KG, Arbeitgeber Nummer eins im Umkreis, der größte Lautsprecherhersteller in Deutschland und der drittgrößte in Europa. Eine Instanz. Auf den Visitenkarten und der Webseite steht kein Wort über Niederlauken. Man gibt die Großgemeinde an, Weilrod – das klingt besser. 1972 müssen die Gründer ein paar über den Durst getrunken haben und Niederlauken zum Zentrum ihrer Firma gewählt haben. Damals gab es noch nicht das geringste Anzeichen, dass hier ein Imperium entstehen könnte. Dazu der seltsame Name. Warum sollte sich eine Firma im menschenarmen Taunus nach einer Stadt in China benennen? Man dachte anders. „Can“steht für „Cantare“– singen, „Ton“
ganz einfach für die Höhe eines musikalischen Ereignisses. Der Schriftzug selbst deutet dazu den fachlichen Begriff des lauter werdenden Tones an – ein Crescendo, die Buchstaben von Canton werden von links nach rechts dicker, eben lauter.
AKTIVBOXEN SIND ANGESAGT
Muss man alles nicht wissen. Aber wer tiefer in die Firmengeschichte und die Lage schaut, der darf einfach irritiert sein. Es gibt magische Orte für HiFi- Fans – Niederlauken gehört dazu. Die Geschichte des Ortes geht bis zu den Kelten und in die frühe Steinzeit zurück. Canton bildet den Höhepunkt der Prosperität. Die Hessen sind clever. Obwohl in der Provinz daheim, haben sie ein Gespür für den Weltmarkt. Waren Lautsprecher bis vor kurzem passive Klangaufbereiter, so hat Canton den Trend zur schlauen, aktiven Box früh erkannt. „Smart“ist der Familienname einer ganzen Serie. Nun ist die Smart A 45 auf den Markt gekommen. Die Smart- Familie reicht vom kleinen Mono-Spaßbereiter über Soundbars bis zu den großen Standboxen. Alle lassen sich in ein Multiroom-System einbinden – vom Kamin bis zum Kinderzimmer tönt dieselbe Musik. Ohne Verstärker. Cantons unverrückbare Heldenleistung liegt darin, eine mehrfach einsetzbare Basis erfunden zu haben. Im Kern haben wir es mit einem Mix aus Wandler, Rechner und digitalem Amp zu tun. Daten werden interpretiert, in Musik verwandelt und verstärkt. Der Vorstellungskraft sind keine Grenzen gesetzt. So liegen an der A 45 Smart unfassbare 600 Watt an. Das war bis vor wenigen Jahren eine unvorstellbare Leistungsausbeute; eine Endstufe, die doppelte 600 Watt bereitstellen konnte, wäre noch heute ein Wunderwerk. So relativiert sich der bereits niedrige der Preis weiter: Die smarte A 45 gibt es über den Canton-Webstore für 3600 Euro das Paar. Das grenzt an ein sittliches Vergehen. Oder: Es müssen Zauberkünstler am Werk sein. Und es gibt sie tatsächlich: Frank Göbl ist der oberste Lautsprecherentwickler bei Canton. Er ist nicht nur charmant, er hat auch gute Ohren. Göbl entwirft seine Boxen nicht aseptisch am Computer, sondern bringt sie in langen Hörsitzungen auf Kurs. Linearität ist eines der höchsten Ziele. Das kann man auch selbst erleben: Canton- Lautsprecher verfärben nicht, sie verfallen nicht der billigen Show – alles ist grundehrlich. Die Hessen halt. Auch die kritischen Frauengemüter dürfen sich freuen: Kabel gibt’s hier kaum. Man kann die A 45 per Bluetooth ansteuern, dann braucht es nur zwei Stromkabel. Oder man nimmt einen Streamer, PC, Mac oder CD- Player. Dann wird ein weiteres Signalkabel fällig, wahlweise per Cinch, USB, digital optisch, digital koaxial oder sogar XLR. Kein zeitgemäßes Format wird ausgeschlossen. Von einer Box zur anderen fliegen die Daten durch die Luft, bei audiophilen 24 Bit. Wenn man es will. Alternativ kann man auch jeden Lautsprecher einzeln mit direktem Stream ankoppeln. Filmfans spricht Canton zusätzlich an: Im Smart- Modul sitzt auch ein Wandler für Dolby und DTS. Die verstärkten Signale erreichen die hauseigene Edelkost unter den Membranen. Zählen wir kurz nach: Drei identisch aussehende Chassis rackern in der Tiefe, dann kommt ein Hochtöner, schließlich ein offensichtlicher Mitteltöner in der obersten Ebene. Die Tieftöner messen 18 Zentimeter in der Diagonale. Das Material ist hart und schimmert graubraun – ein Mix aus Keramik und Wolfram, aus dem auch der gleich große Mitteltöner besteht. Die Höhe flirrt mit reiner Keramik bei einer Diagonale von 2,5 cm. Die Weiche trennt bei 160 und 3100 Hertz. Auf den ersten Blick würde man vermuten, die Gesamtkonstruktion sei geschlossen. Stimmt aber nicht, man muss etwas suchen und mit den Fingern abtasten. Ganz unten, zwischen Bodenplatte und Spikes liegt eine Bassreflexöffnung – die A 45 feuert gen Boden. Wir haben die smarte Canton unserem Labor überantwortet. Normalerweise hören wir von unseren Kollegen dort Einerseits/Andererseits- Kommentare. Hier jedoch war die Sache eindeutig: Die A 45 ist einer der saubersten
Grundehrliche hessen
Lautsprecher, der je in unserer schalltoten Akustikkammer mit Signalen befeuert wurde. Keine taktische Bassanhebung, kein technisch bedingter Peak über 20 Kilohertz – das Messdiagramm erschien wie mit dem Lineal gezogen. Wäre dieser Lautsprecher eine Bank, wir würden ihm unser Geld anvertrauen.
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Doch die schönsten Messdiagramme sagen nichts über den realen Klang aus. Würde die Smart A 45 auch vor den Ohren halten, was Verarbeitung, Konzept und Messwerte versprechen? Auf diesen Moment haben die Fans gewartet: Qobuz bietet alle Studioalben von The Doors zum Sonderpreis an. Da darf man hyperventilieren: Kostete der HiRes- Download in 24 Bit und 96 Kilohertz dereinst einmal 237 Euro, so ist er jetzt um über 90 Prozent in die Tiefe gestürzt auf 20 Euro und 49 Cent. Wir sind QobuzHörer, hüten uns aber vor naiver Lobhudelei. Doch hier muss man sich einloggen und zuschlagen, denn die Songs klingen großartig. Hier muss ein Lautsprecher Verve auffahren – Leichtgewichte gehen unter, echter Druck ist gefragt. Und der gelang der smarten Canton A 45 wunderbar leicht und direkt. Mancher Verstärker wäre ins Flattern gekommen, manche Membran wäre den Heldentod gestorben, doch die A 45 ging ihren Weg bis zu erstaunlichen Pegeln. Auch wer richtig laut hören will, ist hier richtig. Wer noch dazu jedes Detail erlauschen will, wird ebenfalls umworben. Das war schlichtweg beglückend. Nie schlichen sich Härten ein, nie hatte man das Gefühl von Anschlag – eine hohe Potenz traf hier auf edle Spielfreude. Hätte Canton auf diesen Lautsprecher ein Preisetikett von 5000 Euro gesetzt, wir hätten immer noch gejubelt. Doch 3600 Euro – das ist nicht fair, das untertreibt gewaltig, da müssten eigentlich alle Dämme im Portemonnaie brechen. Niederlauken mag ein winziger Fleck auf der Landkarte sein, doch für manche ist es der Nabel der Welt.