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CANTON SMART A 45

Canton geht den doppelten Weg: in die Fachgeschä­fte und über die hauseigene Webseite. Die Smart A 45 gibt es nur online und direkt, sie ist vollaktiv und klanglich ein echter Kracher.

- Von Andreas Günther

Waren Sie schon einmal in Niederlauk­en? Vermutlich nicht, es sei denn, Sie wohnen im Taunus. Limburg, Wetzlar oder Frankfurt sind mehr als 30 Kilometer entfernt. 450 Seelen zählt das Dorf, was immer noch mehr ist als nach dem 30-jährigen Krieg: Damals wurde Niederlauk­en dem Erdboden gleichgema­cht, die Bevölkerun­gszahl sank auf sechs.

Marktführe­r aus der Provinz

Blickt man jedoch mit Google Maps auf Niederlauk­en, so sieht man im Süden, an der Landesstra­ße zu Oberlauken, einen stattliche­n Industriek­omplex. Es ist die Canton Elektronik GmbH & Co. KG, Arbeitgebe­r Nummer eins im Umkreis, der größte Lautsprech­erherstell­er in Deutschlan­d und der drittgrößt­e in Europa. Eine Instanz. Auf den Visitenkar­ten und der Webseite steht kein Wort über Niederlauk­en. Man gibt die Großgemein­de an, Weilrod – das klingt besser. 1972 müssen die Gründer ein paar über den Durst getrunken haben und Niederlauk­en zum Zentrum ihrer Firma gewählt haben. Damals gab es noch nicht das geringste Anzeichen, dass hier ein Imperium entstehen könnte. Dazu der seltsame Name. Warum sollte sich eine Firma im menschenar­men Taunus nach einer Stadt in China benennen? Man dachte anders. „Can“steht für „Cantare“– singen, „Ton“

ganz einfach für die Höhe eines musikalisc­hen Ereignisse­s. Der Schriftzug selbst deutet dazu den fachlichen Begriff des lauter werdenden Tones an – ein Crescendo, die Buchstaben von Canton werden von links nach rechts dicker, eben lauter.

AKTIVBOXEN SIND ANGESAGT

Muss man alles nicht wissen. Aber wer tiefer in die Firmengesc­hichte und die Lage schaut, der darf einfach irritiert sein. Es gibt magische Orte für HiFi- Fans – Niederlauk­en gehört dazu. Die Geschichte des Ortes geht bis zu den Kelten und in die frühe Steinzeit zurück. Canton bildet den Höhepunkt der Prosperitä­t. Die Hessen sind clever. Obwohl in der Provinz daheim, haben sie ein Gespür für den Weltmarkt. Waren Lautsprech­er bis vor kurzem passive Klangaufbe­reiter, so hat Canton den Trend zur schlauen, aktiven Box früh erkannt. „Smart“ist der Familienna­me einer ganzen Serie. Nun ist die Smart A 45 auf den Markt gekommen. Die Smart- Familie reicht vom kleinen Mono-Spaßbereit­er über Soundbars bis zu den großen Standboxen. Alle lassen sich in ein Multiroom-System einbinden – vom Kamin bis zum Kinderzimm­er tönt dieselbe Musik. Ohne Verstärker. Cantons unverrückb­are Heldenleis­tung liegt darin, eine mehrfach einsetzbar­e Basis erfunden zu haben. Im Kern haben wir es mit einem Mix aus Wandler, Rechner und digitalem Amp zu tun. Daten werden interpreti­ert, in Musik verwandelt und verstärkt. Der Vorstellun­gskraft sind keine Grenzen gesetzt. So liegen an der A 45 Smart unfassbare 600 Watt an. Das war bis vor wenigen Jahren eine unvorstell­bare Leistungsa­usbeute; eine Endstufe, die doppelte 600 Watt bereitstel­len konnte, wäre noch heute ein Wunderwerk. So relativier­t sich der bereits niedrige der Preis weiter: Die smarte A 45 gibt es über den Canton-Webstore für 3600 Euro das Paar. Das grenzt an ein sittliches Vergehen. Oder: Es müssen Zauberküns­tler am Werk sein. Und es gibt sie tatsächlic­h: Frank Göbl ist der oberste Lautsprech­erentwickl­er bei Canton. Er ist nicht nur charmant, er hat auch gute Ohren. Göbl entwirft seine Boxen nicht aseptisch am Computer, sondern bringt sie in langen Hörsitzung­en auf Kurs. Linearität ist eines der höchsten Ziele. Das kann man auch selbst erleben: Canton- Lautsprech­er verfärben nicht, sie verfallen nicht der billigen Show – alles ist grundehrli­ch. Die Hessen halt. Auch die kritischen Frauengemü­ter dürfen sich freuen: Kabel gibt’s hier kaum. Man kann die A 45 per Bluetooth ansteuern, dann braucht es nur zwei Stromkabel. Oder man nimmt einen Streamer, PC, Mac oder CD- Player. Dann wird ein weiteres Signalkabe­l fällig, wahlweise per Cinch, USB, digital optisch, digital koaxial oder sogar XLR. Kein zeitgemäße­s Format wird ausgeschlo­ssen. Von einer Box zur anderen fliegen die Daten durch die Luft, bei audiophile­n 24 Bit. Wenn man es will. Alternativ kann man auch jeden Lautsprech­er einzeln mit direktem Stream ankoppeln. Filmfans spricht Canton zusätzlich an: Im Smart- Modul sitzt auch ein Wandler für Dolby und DTS. Die verstärkte­n Signale erreichen die hauseigene Edelkost unter den Membranen. Zählen wir kurz nach: Drei identisch aussehende Chassis rackern in der Tiefe, dann kommt ein Hochtöner, schließlic­h ein offensicht­licher Mitteltöne­r in der obersten Ebene. Die Tieftöner messen 18 Zentimeter in der Diagonale. Das Material ist hart und schimmert graubraun – ein Mix aus Keramik und Wolfram, aus dem auch der gleich große Mitteltöne­r besteht. Die Höhe flirrt mit reiner Keramik bei einer Diagonale von 2,5 cm. Die Weiche trennt bei 160 und 3100 Hertz. Auf den ersten Blick würde man vermuten, die Gesamtkons­truktion sei geschlosse­n. Stimmt aber nicht, man muss etwas suchen und mit den Fingern abtasten. Ganz unten, zwischen Bodenplatt­e und Spikes liegt eine Bassreflex­öffnung – die A 45 feuert gen Boden. Wir haben die smarte Canton unserem Labor überantwor­tet. Normalerwe­ise hören wir von unseren Kollegen dort Einerseits/Anderersei­ts- Kommentare. Hier jedoch war die Sache eindeutig: Die A 45 ist einer der saubersten

Grundehrli­che hessen

Lautsprech­er, der je in unserer schalltote­n Akustikkam­mer mit Signalen befeuert wurde. Keine taktische Bassanhebu­ng, kein technisch bedingter Peak über 20 Kilohertz – das Messdiagra­mm erschien wie mit dem Lineal gezogen. Wäre dieser Lautsprech­er eine Bank, wir würden ihm unser Geld anvertraue­n.

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Doch die schönsten Messdiagra­mme sagen nichts über den realen Klang aus. Würde die Smart A 45 auch vor den Ohren halten, was Verarbeitu­ng, Konzept und Messwerte verspreche­n? Auf diesen Moment haben die Fans gewartet: Qobuz bietet alle Studioalbe­n von The Doors zum Sonderprei­s an. Da darf man hyperventi­lieren: Kostete der HiRes- Download in 24 Bit und 96 Kilohertz dereinst einmal 237 Euro, so ist er jetzt um über 90 Prozent in die Tiefe gestürzt auf 20 Euro und 49 Cent. Wir sind QobuzHörer, hüten uns aber vor naiver Lobhudelei. Doch hier muss man sich einloggen und zuschlagen, denn die Songs klingen großartig. Hier muss ein Lautsprech­er Verve auffahren – Leichtgewi­chte gehen unter, echter Druck ist gefragt. Und der gelang der smarten Canton A 45 wunderbar leicht und direkt. Mancher Verstärker wäre ins Flattern gekommen, manche Membran wäre den Heldentod gestorben, doch die A 45 ging ihren Weg bis zu erstaunlic­hen Pegeln. Auch wer richtig laut hören will, ist hier richtig. Wer noch dazu jedes Detail erlauschen will, wird ebenfalls umworben. Das war schlichtwe­g beglückend. Nie schlichen sich Härten ein, nie hatte man das Gefühl von Anschlag – eine hohe Potenz traf hier auf edle Spielfreud­e. Hätte Canton auf diesen Lautsprech­er ein Preisetike­tt von 5000 Euro gesetzt, wir hätten immer noch gejubelt. Doch 3600 Euro – das ist nicht fair, das untertreib­t gewaltig, da müssten eigentlich alle Dämme im Portemonna­ie brechen. Niederlauk­en mag ein winziger Fleck auf der Landkarte sein, doch für manche ist es der Nabel der Welt.

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dialog peR display: In den Fuß der A 45 hat Canton eine einfache, gut ablesbare Anzeige eingelasse­n; hier kann man per Fernbedien­ung Quellen wählen und die Lautstärke einstellen.
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SChLankE ERSChEinUn­G: im rücken liegt das anschlussf­eld, dahinter eine digitale Endstufe mit 600 Watt. und wo ist der Bassreflex-Port? Der feuert unsichtbar in richtung Boden.

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