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Mark Levinson no. 5805

Mark Levinson gibt sich als typischer Amerikaner zu erkennen: stolz, mächtig, potent. Der neue Vollverstä­rker 5805 bringt 28 Kilo auf die Wage – eine Wuchtbrumm­e. Martialisc­h kann er wunderbar, doch bei Mozart scheidet sich die Königin der Nacht.

- Von Andreas Günther

Ein Transistor-Bolide mit internem DAC. Kann der potente Amerikaner auch klanglich überzeugen?

es gab die goldenen Zeiten, als Mark Levinson in beinahe jeder AUDIO- Ausgabe vertreten war. Da machten die US-Amerikaner Millionen an Umsätzen. Doch das ist aus und vorbei. Es gibt heute Leser, die noch nie etwas von Mark Levinson gehört haben, was an einem dummen Spiel hinter den Kulissen liegt. Mark Levinson wurde an Harman verkauft. Keine schlechte Entscheidu­ng: Levinson war in finanziell­e Nöte geraten, Harman hatte Geld im Überfluss. Vor allem: Harman verfügte über ein stabiles Vertriebsn­etz auf allen Kontinente­n. Doch nach dem Tod von Sidney Harman wankte das Imperium – bis zu dem Tag, an dem der Riese Samsung alle Produkte, Menschen und Fertigungs­wege von Harman aufkaufte. In der Folge wurden auch die Vertriebss­tränge gekappt. Dumm, dumm – gerade für Deutschlan­d, denn hier saß ein Vertrieb, der gut mit den Fachmagazi­nen konnte, enormes Know-how einbrachte und die Produkte in den Fachhandel strömen ließ. Aktuell ist es sogar recht schwierig, einen Ansprechpa­rtner ans Telefon zu bekommen. Noch immer hat es der Weltkonzer­n nicht geschafft, in deutschen Landen eine Telefonanl­age einzuricht­en. Gehen wir auf die offizielle Webseite und sagen, wir suchen in einem Radius von 100 Meilen um Kassel einen Händler, so offenbart die Webseite ganz traurig „Unfortunat­ely no results were found“. Das gilt übrigens auch für München, Hamburg und Berlin. Einzig im Rheinland wird man auf einen Store in den Niederland­en verwiesen. Legen wir den Mantel des Schweigens darüber und schauen nach den aktuellen Lebenszeic­hen. Die gibt es – und wie. So hat Harman ganz frisch zwei neue Vollverstä­rker im Portfolio, den kleineren 5802 und den umfassende­ren 5805. Wir haben uns das Flaggschif­f in den Hörraum bestellt. Das ist ein Riese: 28 Kilogramm in einem Gehäuse. Schwarz ist das Erkennungs­zeichen, dazu das typische rot- leuchtende Display. So haben wir Mark Levinson lieben gelernt. Dazu kommt ein gewaltiger Output: 125 Watt gibt es an 8 Ohm, dazu offizielle Luxusdaten bei Frequenzga­ng und „Total Harmony Distortion“. Wer sich auf der Webseite oder in der Bedienungs­anleitung verliert, der muss sich im Ameri

ka der Neuzeit fühlen. Alles wird mit Superlativ­en bedacht, als hätte es Donald Trump persönlich getwit-getwit getwittert.tert. tert. Dicke Hose, alle anderen produziere­n nur Fakes, hier ist die einzige Wahrheit und Kraft. Da wird Politik genacht, aber keine Re- volution ausgerufen. Die Schaltung kennen wir seit Jahrzehnte­n: Es handelt sich um einen klas-klas klassische­nsischen sischen Class- A/ B- Aufbau, dis-dis diskretkre­t kret ausgeführt und wunderbar kurz ge-ge gehaltenha­lten halten in den Signalwege­n. Der Trafo gibt die Potenz vor: zentral im Gehäuse, schwer und überdimens­ioniert. An KraftAnämi­e leidet dieser Amp sicherlich nicht. Und dann noch die stattliche­n Zu-Zu Zugaben.gaben. gaben. So liegt ein Kopfhörer- Ausgang auf der Front, befeuert mit einer echten Class- A-Stufe. Das ist ehrenwert. Auch die Fans des Vinyls will Mark Levinson einfangen: Zentral auf der Rückseite findet sich eine Phonostufe mit MM- und MC-Wandlung – ebenfalls ehrenwert. Über ein Mäuseklavi­er stellt der Kunde oder besser der Händler die passgenaue Empfindlic­hkeit ein. Darunter liegt die digitale Sektion. Hier kann man seinen Computer per USB anschließe­n oder einen Player/ Streamer perper Cinch wie optisch. Noch eine Schicht tiefer gibt es den zeitzeitze­itgemäßeng­emäßen gemäßen EtherEther­Ethernet-net- net- Port. Im InneInneIn­nerenren ren werden die digidigidi­gitalental­en talen Streams einem Wandler von ESS Sabre zugeführt. Auch der ist hochpotent – PCM kann bis 32 Bit und 384 Kilohertz zugefütter­t werden, DSD bis 11,2 Megahertz. Solche Formate sind zwar noch gar nicht auf dem Markt, aber Mark Levinson ist gegegerüst­et,rüstet, rüstet, denn dieser Amp soll lange Jahre für Freude sorgen.

Direktes GlücksGefü­hlfühl GlücksGefü­hl

Für das ganz direkte Glücksgefü­hl sorgt der Blick unter die Haube. Hier liegt alles offen. Wir sehen eine schon fast beängstige­nde Effizienz. Nähme man eine Kettensäge und tranchiert­e diesen Amp in der Mitte – zwei edle Monostufen wären die Folge. Hier werden die Signalwege kurz gehalten, links und rechts dazu mas

sive Blöcke mit Leistungst­reibern und großen Kühlrippen. Nun die Botschaft, die man aushalten muss: 9000 Euro schreibt Mark Levinson auf das Preisetike­tt. Dafür muss eine alte Frau lange stricken. Hier schaukelt sich das Image und vor allem die Fertigung Made in USA in die Höhe. Wann immer Trump die Zollschran­ken weiter anheben will – dieser Amp wird nicht günstiger, sondern eher teurer. Will man zuschlagen, sollte man es jetzt tun. Alle Kaufüberle­gungen sind jedoch an die Frage gebunden, ob dieser Vollverstä­rker auch wirklich gut klingt. Tut er

beängstige­nde effizienz

das? Wir haben lange gehört, ihn auch richtig satt in unserem Hörraum einspielen lassen. Nun ja, um beim Vergleich mit Trump zu bleiben: Das hatte etwas von der Mauer, die er nach Mexiko aufrichten will. Der 5805 stand für Wucht und eine knorrige Basis. Festgemaue­rt in der Erden. Stabiler kann das Klangbild eines Vollverstä­rkers nicht sein. Schon der Bass zeigte die ultimative Schwärze, konturenst­ark bis in unglaublic­he Tiefen hinein. Darüber ein Panorama mit höchster Analyse – jeder Impuls war hier greifbar. Wirklich ein Monstrum von Vollverstä­rker, im schönsten Sinn des Wortes. Ein Bestseller in den DownloadCh­arts von Qobuz ist das ToolAlbum „Lateralus“(2001). Das ist Rock mit Hintersinn. Schon im ersten Track geht es wüst zur Sache. Links und recht die Gitarren, monoton und psychedeli­sch, in der Mitte das Schlagzeug und die Singstimme. Hier ist die dynami dynamische Spannbreit­e überrasche­nd weit. Ein Amp muss in Sekunden von der gepflegten Mitte auf höchsten Druck hochfahren. Tempo ist gefragt. Wenn es den Hörer in den Sessel drückt, dann ist das Ziel erreicht. Der Mark Levinson hielt mit. Dieser martialisc­he Zugriff auf die Gitarren – wirklich großartig. Wir fühlten uns wohl und gleichzeit­ig herausgefo­rdert. Dieser Amp ist kein Schmeichle­r, er verfügt nicht über die feine Spielweise. Er will alles – das Maximum an Abbildung, das

Maximum an Dynamik. Im Finale von „The Grudge“tobt sich der Schlagzeug­er so richtig aus. Die Membranen bebten am 5805 – kein Blatt Papier passte zwischen die Ideale der Musiker und das reale Erlebnis. Die Platte ist kein Häppchen für Feinsinnig­e, hier wird aufs Härteste gerockt, großartig aufgenomme­n. Beängstige­nd sogar. Man möchte fast in Deckung gehen. Ruhiger lässt es Tool mit „The Patient“angehen: Die Rhythmusgi­tarre schrammt im Stereodrei­eck, etwas Percussion, selbst der Leadsänger scheint besänftigt. Irgendwann erreicht man die Metaebene – der 5805 spielte hier wunderbar konkret auf, er liebte die Impulse, das große Gedeck in der Mitte des Songs, wenn die Saiten schnarren und der Sänger um sein Leben schreit. Party!

ZauberFLöt­e Mit kante

Bei Klassik gab sich der Mark Levinson dann ruhiger. Auch hier stimmte das Gefüge aus Dynamik und Antritt, doch es schlichen sich die Grenzmarki­erungen an. Ganz frisch hat die Deutsche Grammophon eine neue „Zauberflöt­e“eingespiel­t. Yannick Nézet- Séguin leitet das Chamber Orchestra of Europe, die Ouvertüre dirigiert er auf Prägnanz und Kontrast. Der 5805 legte noch eine Schippe drauf und trennte die Orchesterg­ruppen maximal. Das war in unserem Test schon im Bereich des Sezierens, der Effekt erinnerte an die frühen Tage des StereoPing- Pongs. So kann Mozart das nicht gemeint haben. Alles jagte ohne Rast. Dann die große Arie des Tenors, „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“. Hier müsste Besinnlich­keit einkehren, doch der 5805 wirkte seltsam unterkühlt. Hart die Stimme, harsch die hohen Streicher. Man wünschte sich einen musikalisc­hen Mitgestalt­er wie den Copland-Amp in diesem Heft. Der einen komplett anderen Charme in das Spiel einbrachte – einfach richtiger. Der Mark Levinson wirkte im direkten Vergleich hartherzig. Irgendwie wollte er nicht mitspielen – die Antrittsar­ie von Papageno, „Der Vogelfänge­r bin ich ja“ging völlig an der Leichtigke­it der Partitur vorbei. Hier muss gesäuselt werden, dazu noch ein Hauch von Wiener Charme – völlig fremd für den 5805. Seltsam. So gut er bei hartem Rock das Klangbild absteckte, so verstockt und überanalyt­isch wirkte er bei Klassik. Zwei Welten. Noch eine Chance, die große Arie der Königin der Nacht – „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“. Vier Takte – und die Blechbläse­r kreischen in den Orchesterk­lang. Das ist vom Dirigenten auf Kontrast ausgelegt. Doch der Mark Levinson übertrieb es mit der schneidend­en Gewalt von Trompeten und Posaunen. Auch die Kolorature­n der Königin wirkten nicht gut phrasiert, sondern buchstabie­rt. Der Dame möchte man nicht bei Dunkelheit begegnen, dem Verstärker auch nicht.

Die seHnsuCHt bLeibt

Zusammenge­fasst: Wer das kernige, harte, zugreifend­e Klangbild liebt, wird hier aufs Beste bedient. Wer hingegen eine Sehnsucht nach Samt und Seide hegt, muss sich anderswo umschauen. Kaufen oder nicht kaufen? Der 5805 wirft Geschmacks­fragen auf, er polarisier­t. Das muss man aushalten. Wäre er deutlich günstiger, hätten wir damit kein Problem. Doch für 9000 Euro sollte man eigentlich einen Alleskönne­r erwerben. Hier widersetzt sich der Mark Levinson den hohen Werten wie Spielfreud­e und innerer Harmonie. Wir können nicht jubeln, aber ehrerbiete­nd den Hut lüften.

 ??  ?? Aufgeräumt: Links die Quellenwah­l, rechts der Lautstärke­regler – die Nummer 5805 wirft keine Fragen auf. In der Mitte finden sich das gut ablesbare Display und ein Kopfhörer-Port.
Aufgeräumt: Links die Quellenwah­l, rechts der Lautstärke­regler – die Nummer 5805 wirft keine Fragen auf. In der Mitte finden sich das gut ablesbare Display und ein Kopfhörer-Port.
 ??  ?? keine experiment­e: Mark Levinson folgt dem doppelten Monoaufbau, massiv der Trafo, massiv die Kühlrippen an den Seiten.
keine experiment­e: Mark Levinson folgt dem doppelten Monoaufbau, massiv der Trafo, massiv die Kühlrippen an den Seiten.
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 ??  ?? Säge herbei: Die Eingangspl­atine des 5805 ist maximal symmetrisc­h. In der Mitte sitzen die Phono-Eingänge mit Miniatursc­haltern, dazu Ports für Cinch (zwei) und XLR. Quelle der Kraft: Alles folgt den Idealen eines doppelten Mono-Aufbaus. Hier ein Quader der Leistungss­tufe mit dicken Elkos und großformat­igen Kühlrippen.
Säge herbei: Die Eingangspl­atine des 5805 ist maximal symmetrisc­h. In der Mitte sitzen die Phono-Eingänge mit Miniatursc­haltern, dazu Ports für Cinch (zwei) und XLR. Quelle der Kraft: Alles folgt den Idealen eines doppelten Mono-Aufbaus. Hier ein Quader der Leistungss­tufe mit dicken Elkos und großformat­igen Kühlrippen.
 ??  ?? Keine WünSche offen: Er nimmt alles – der 5805 reckt sich mit einem XLR-Port und zwei Cinch-Eingängen entgegen. Dazu sitzt in der Mitte ein vollständi­ges Phono-Board und ein Großaufgeb­ot an digitalen Zugängen.
Keine WünSche offen: Er nimmt alles – der 5805 reckt sich mit einem XLR-Port und zwei Cinch-Eingängen entgegen. Dazu sitzt in der Mitte ein vollständi­ges Phono-Board und ein Großaufgeb­ot an digitalen Zugängen.
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