Mark Levinson no. 5805
Mark Levinson gibt sich als typischer Amerikaner zu erkennen: stolz, mächtig, potent. Der neue Vollverstärker 5805 bringt 28 Kilo auf die Wage – eine Wuchtbrumme. Martialisch kann er wunderbar, doch bei Mozart scheidet sich die Königin der Nacht.
Ein Transistor-Bolide mit internem DAC. Kann der potente Amerikaner auch klanglich überzeugen?
es gab die goldenen Zeiten, als Mark Levinson in beinahe jeder AUDIO- Ausgabe vertreten war. Da machten die US-Amerikaner Millionen an Umsätzen. Doch das ist aus und vorbei. Es gibt heute Leser, die noch nie etwas von Mark Levinson gehört haben, was an einem dummen Spiel hinter den Kulissen liegt. Mark Levinson wurde an Harman verkauft. Keine schlechte Entscheidung: Levinson war in finanzielle Nöte geraten, Harman hatte Geld im Überfluss. Vor allem: Harman verfügte über ein stabiles Vertriebsnetz auf allen Kontinenten. Doch nach dem Tod von Sidney Harman wankte das Imperium – bis zu dem Tag, an dem der Riese Samsung alle Produkte, Menschen und Fertigungswege von Harman aufkaufte. In der Folge wurden auch die Vertriebsstränge gekappt. Dumm, dumm – gerade für Deutschland, denn hier saß ein Vertrieb, der gut mit den Fachmagazinen konnte, enormes Know-how einbrachte und die Produkte in den Fachhandel strömen ließ. Aktuell ist es sogar recht schwierig, einen Ansprechpartner ans Telefon zu bekommen. Noch immer hat es der Weltkonzern nicht geschafft, in deutschen Landen eine Telefonanlage einzurichten. Gehen wir auf die offizielle Webseite und sagen, wir suchen in einem Radius von 100 Meilen um Kassel einen Händler, so offenbart die Webseite ganz traurig „Unfortunately no results were found“. Das gilt übrigens auch für München, Hamburg und Berlin. Einzig im Rheinland wird man auf einen Store in den Niederlanden verwiesen. Legen wir den Mantel des Schweigens darüber und schauen nach den aktuellen Lebenszeichen. Die gibt es – und wie. So hat Harman ganz frisch zwei neue Vollverstärker im Portfolio, den kleineren 5802 und den umfassenderen 5805. Wir haben uns das Flaggschiff in den Hörraum bestellt. Das ist ein Riese: 28 Kilogramm in einem Gehäuse. Schwarz ist das Erkennungszeichen, dazu das typische rot- leuchtende Display. So haben wir Mark Levinson lieben gelernt. Dazu kommt ein gewaltiger Output: 125 Watt gibt es an 8 Ohm, dazu offizielle Luxusdaten bei Frequenzgang und „Total Harmony Distortion“. Wer sich auf der Webseite oder in der Bedienungsanleitung verliert, der muss sich im Ameri
ka der Neuzeit fühlen. Alles wird mit Superlativen bedacht, als hätte es Donald Trump persönlich getwit-getwit getwittert.tert. tert. Dicke Hose, alle anderen produzieren nur Fakes, hier ist die einzige Wahrheit und Kraft. Da wird Politik genacht, aber keine Re- volution ausgerufen. Die Schaltung kennen wir seit Jahrzehnten: Es handelt sich um einen klas-klas klassischensischen sischen Class- A/ B- Aufbau, dis-dis diskretkret kret ausgeführt und wunderbar kurz ge-ge gehaltenhalten halten in den Signalwegen. Der Trafo gibt die Potenz vor: zentral im Gehäuse, schwer und überdimensioniert. An KraftAnämie leidet dieser Amp sicherlich nicht. Und dann noch die stattlichen Zu-Zu Zugaben.gaben. gaben. So liegt ein Kopfhörer- Ausgang auf der Front, befeuert mit einer echten Class- A-Stufe. Das ist ehrenwert. Auch die Fans des Vinyls will Mark Levinson einfangen: Zentral auf der Rückseite findet sich eine Phonostufe mit MM- und MC-Wandlung – ebenfalls ehrenwert. Über ein Mäuseklavier stellt der Kunde oder besser der Händler die passgenaue Empfindlichkeit ein. Darunter liegt die digitale Sektion. Hier kann man seinen Computer per USB anschließen oder einen Player/ Streamer perper Cinch wie optisch. Noch eine Schicht tiefer gibt es den zeitzeitzeitgemäßengemäßen gemäßen EtherEtherEthernet-net- net- Port. Im InneInneInnerenren ren werden die digidigidigitalentalen talen Streams einem Wandler von ESS Sabre zugeführt. Auch der ist hochpotent – PCM kann bis 32 Bit und 384 Kilohertz zugefüttert werden, DSD bis 11,2 Megahertz. Solche Formate sind zwar noch gar nicht auf dem Markt, aber Mark Levinson ist gegegerüstet,rüstet, rüstet, denn dieser Amp soll lange Jahre für Freude sorgen.
Direktes GlücksGefühlfühl GlücksGefühl
Für das ganz direkte Glücksgefühl sorgt der Blick unter die Haube. Hier liegt alles offen. Wir sehen eine schon fast beängstigende Effizienz. Nähme man eine Kettensäge und tranchierte diesen Amp in der Mitte – zwei edle Monostufen wären die Folge. Hier werden die Signalwege kurz gehalten, links und rechts dazu mas
sive Blöcke mit Leistungstreibern und großen Kühlrippen. Nun die Botschaft, die man aushalten muss: 9000 Euro schreibt Mark Levinson auf das Preisetikett. Dafür muss eine alte Frau lange stricken. Hier schaukelt sich das Image und vor allem die Fertigung Made in USA in die Höhe. Wann immer Trump die Zollschranken weiter anheben will – dieser Amp wird nicht günstiger, sondern eher teurer. Will man zuschlagen, sollte man es jetzt tun. Alle Kaufüberlegungen sind jedoch an die Frage gebunden, ob dieser Vollverstärker auch wirklich gut klingt. Tut er
beängstigende effizienz
das? Wir haben lange gehört, ihn auch richtig satt in unserem Hörraum einspielen lassen. Nun ja, um beim Vergleich mit Trump zu bleiben: Das hatte etwas von der Mauer, die er nach Mexiko aufrichten will. Der 5805 stand für Wucht und eine knorrige Basis. Festgemauert in der Erden. Stabiler kann das Klangbild eines Vollverstärkers nicht sein. Schon der Bass zeigte die ultimative Schwärze, konturenstark bis in unglaubliche Tiefen hinein. Darüber ein Panorama mit höchster Analyse – jeder Impuls war hier greifbar. Wirklich ein Monstrum von Vollverstärker, im schönsten Sinn des Wortes. Ein Bestseller in den DownloadCharts von Qobuz ist das ToolAlbum „Lateralus“(2001). Das ist Rock mit Hintersinn. Schon im ersten Track geht es wüst zur Sache. Links und recht die Gitarren, monoton und psychedelisch, in der Mitte das Schlagzeug und die Singstimme. Hier ist die dynami dynamische Spannbreite überraschend weit. Ein Amp muss in Sekunden von der gepflegten Mitte auf höchsten Druck hochfahren. Tempo ist gefragt. Wenn es den Hörer in den Sessel drückt, dann ist das Ziel erreicht. Der Mark Levinson hielt mit. Dieser martialische Zugriff auf die Gitarren – wirklich großartig. Wir fühlten uns wohl und gleichzeitig herausgefordert. Dieser Amp ist kein Schmeichler, er verfügt nicht über die feine Spielweise. Er will alles – das Maximum an Abbildung, das
Maximum an Dynamik. Im Finale von „The Grudge“tobt sich der Schlagzeuger so richtig aus. Die Membranen bebten am 5805 – kein Blatt Papier passte zwischen die Ideale der Musiker und das reale Erlebnis. Die Platte ist kein Häppchen für Feinsinnige, hier wird aufs Härteste gerockt, großartig aufgenommen. Beängstigend sogar. Man möchte fast in Deckung gehen. Ruhiger lässt es Tool mit „The Patient“angehen: Die Rhythmusgitarre schrammt im Stereodreieck, etwas Percussion, selbst der Leadsänger scheint besänftigt. Irgendwann erreicht man die Metaebene – der 5805 spielte hier wunderbar konkret auf, er liebte die Impulse, das große Gedeck in der Mitte des Songs, wenn die Saiten schnarren und der Sänger um sein Leben schreit. Party!
ZauberFLöte Mit kante
Bei Klassik gab sich der Mark Levinson dann ruhiger. Auch hier stimmte das Gefüge aus Dynamik und Antritt, doch es schlichen sich die Grenzmarkierungen an. Ganz frisch hat die Deutsche Grammophon eine neue „Zauberflöte“eingespielt. Yannick Nézet- Séguin leitet das Chamber Orchestra of Europe, die Ouvertüre dirigiert er auf Prägnanz und Kontrast. Der 5805 legte noch eine Schippe drauf und trennte die Orchestergruppen maximal. Das war in unserem Test schon im Bereich des Sezierens, der Effekt erinnerte an die frühen Tage des StereoPing- Pongs. So kann Mozart das nicht gemeint haben. Alles jagte ohne Rast. Dann die große Arie des Tenors, „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“. Hier müsste Besinnlichkeit einkehren, doch der 5805 wirkte seltsam unterkühlt. Hart die Stimme, harsch die hohen Streicher. Man wünschte sich einen musikalischen Mitgestalter wie den Copland-Amp in diesem Heft. Der einen komplett anderen Charme in das Spiel einbrachte – einfach richtiger. Der Mark Levinson wirkte im direkten Vergleich hartherzig. Irgendwie wollte er nicht mitspielen – die Antrittsarie von Papageno, „Der Vogelfänger bin ich ja“ging völlig an der Leichtigkeit der Partitur vorbei. Hier muss gesäuselt werden, dazu noch ein Hauch von Wiener Charme – völlig fremd für den 5805. Seltsam. So gut er bei hartem Rock das Klangbild absteckte, so verstockt und überanalytisch wirkte er bei Klassik. Zwei Welten. Noch eine Chance, die große Arie der Königin der Nacht – „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“. Vier Takte – und die Blechbläser kreischen in den Orchesterklang. Das ist vom Dirigenten auf Kontrast ausgelegt. Doch der Mark Levinson übertrieb es mit der schneidenden Gewalt von Trompeten und Posaunen. Auch die Koloraturen der Königin wirkten nicht gut phrasiert, sondern buchstabiert. Der Dame möchte man nicht bei Dunkelheit begegnen, dem Verstärker auch nicht.
Die seHnsuCHt bLeibt
Zusammengefasst: Wer das kernige, harte, zugreifende Klangbild liebt, wird hier aufs Beste bedient. Wer hingegen eine Sehnsucht nach Samt und Seide hegt, muss sich anderswo umschauen. Kaufen oder nicht kaufen? Der 5805 wirft Geschmacksfragen auf, er polarisiert. Das muss man aushalten. Wäre er deutlich günstiger, hätten wir damit kein Problem. Doch für 9000 Euro sollte man eigentlich einen Alleskönner erwerben. Hier widersetzt sich der Mark Levinson den hohen Werten wie Spielfreude und innerer Harmonie. Wir können nicht jubeln, aber ehrerbietend den Hut lüften.