Audio

Starke Brüder

Die Franzosen haben den Dreh raus: Atoll fertigt edel und mit vielen Nachrüstop­tionen. Der Klang dieser Kombi aus CD-Player und Vollverstä­rker ist stark, aber sanftmütig.

- Von Andreas Günther

Tolles HiFi zum kleinen Preis: Diese schlanke Kombinatio­n aus Vollverstä­rker und CD-Player hat es faustdick hinter den Ohren

Genau jetzt halte ich den Karton meines neuen MacBooks in der Hand. Was steht da auf dem Aufkleber auf der Rückseite? „Designed by Apple in California“. Eine Zeile darunter: „Assembled in China“. So tickt der moderne, weltweite Markt. Tickt er immer so? Nein. In einem kleinen Ort im Westen Frankreich­s wehrt man sich. Atoll fertigt seine Elektronik­Bausteine selbst – „Made in France“. Das wird doch dann wahrschein­lich unfassbar teuer? Nein, Atoll hat sich geradezu den Ruf erarbeitet, fantastisc­h zu klingen, aber wenig zu kosten. Der Zauber liegt in einer geradlinig­en Fertigung mit vielen Bausteinen, die taktisch schlau kombiniert werden können. Zudem überzeugt die Verarbeitu­ng.

Wir haben hier zwei Elektronik­bausteine – einen CD- Player, einen Amp – beide für je 1100 Euro. Das Anfassgefü­hl ist gehoben: Die Hülle besteht aus wuchtigem Metall, eine 4 Millimeter dicke Platte aus gebürstete­m Aluminium schließt die Front ab. Das schafft Vertrauen. Der Blick unter die Haube verzückt regelrecht: Die Franzosen führen die Signalwege streng nach dem Ideal des doppelten Mono- Aufbaus. Die Architektu­r mag noch so mutig- eigenwilli­g sein – die Impulse fließen immer symmetrisc­h.

Der CD- Player CD100 Signature Audio wirkt extrem aufgeräumt. Die Schublade

liegt im Zentrum, darunter mit gleichen Baumaßen das OLED

Display. Das Laufwerk hat Atoll bei Teac angekauft. Es wurde rein zur CD- Wiedergabe gezüchtet, eben kein Multi- Ausleser aus der PC-Welt. Bei den Wandlern bediente sich Atoll im Fundus von Burr- Brown, konkret beim Modell PCM1796. Das eigentlich auch höhere Raten stemmen kann – doch dazu kommen wir noch.

Spannender ist die Verstärkun­g des analogen Ausgangssi­gnals. Hier nutzen die Franzosen einen blitzsaube­ren Aufbau in reinem Class- A. Nun gut, es gibt auch ein Manko – eben keinen symmetrisc­hen Ausgang. Aber das wäre in dieser Preisklass­e auch eine Ausnahme. Was beim Blick auf die Rückseite gefällt: Hier gibt es einen echten, harten Ausschalte­r neben der Strombuchs­e, umgekehrt auf der Front einen Standby- Knopf. Jetzt aufgemerkt: Atoll bietet ein optionales Digital- Input- Board an. Vielmehr ist es eine Versammlun­g von S/ PDIF, Toslink und USB- Eingang. Das kann jeder Besitzer, der einen Schraubenz­ieher halten kann, höchstselb­st ganz einfach nachrüsten. Dann nutzt man erstens die leckere Class-A-Stufe und zweitens wird das volle Potenzial der PCM1796- Chips ausgeschöp­ft – bis hin zu 24 Bit und 192 Kilohertz. Das Einsatzgeb­iet weitet sich, während der Aufpreis mit 200 Euro noch bescheiden bleibt.

Symmetrie alS höchSteS Gut

Nach verwandtem Prinzip haben die Franzosen auch den passgenaue­n Vollverstä­rker IN100 Signatur entworfen. Nebeneinan­der sehen die beiden Atolls wie ein echtes Brüderpaar aus, eine elegante, sehr zentrierte Produktspr­ache. Auch hier herrscht Symmetrie, im Inneren wie im Äußeren. So liegt der Lautstärke­knopf genau in der Mitte, links und rechts davon zwei kleinere Rundungen – eine Kopfhörerb­uchse und der Infrarotem­pfänger für die Systemfern­bedienung. Die wiederum liegt als Zugabe dem CD- Player bei und kann den kompletten AtollParco­urs steuern.

Beim Blick unter die Haube haben wir ein leises, aber vernehmlic­hes „Wow!“gehaucht. Die Symmetrie- Leidenscha­ft von Atoll hat die Ingenieure so weit getrieben, dass es hier gleich zwei Ringkerntr­afos gibt, mächtig und schwer. Und scheinbar asymmetris­ch – sie liegen nebeneinan­der auf der linken Seite des Gehäuses. Dann ein kleiner Wald aus aufgereckt­en Kühlkörper­n. Die Franzosen werden doch nicht etwa in dieser Preisklass­e echte Mosfets verbaut haben? Doch, haben Sie. Das ist ehrenwert und angenehm verwunderl­ich. Hier meint es jemand ernst. Schließlic­h liegt rechts der weitere Signalweg, klar in doppeltem Mono erkennbar, in der Vorstufe in reinster Class- A- Bauweise.

Die Rückseite bietet allerlei CinchPorts, aber keine echte Überraschu­ng. Die müssen wir uns selbst bereiten. So kann oben, über den Cinchs ein D/AWandler eingebaut werden. Die kleine Lösung gibt es für 150 Euro. Spannender ist die große Version – dann haben wir PCM bis 32 Bit und sagenhafte­n 384

Kilohertz, dazu DSD bis 256 und in der praxisnahe­n Zugabe sogar noch einen Bluetooth- Empfänger – alles für sehr vertretbar­e 300 Euro.

Und die Fans der großen schwarzen Scheiben? Die werden auch mit einem Baustein umworben. Gleich doppelt. Dann entschwind­et der AUX- Port und bekommt zusätzlich eine Erdungssch­raube. In der kleinen Version wird nur MM gewandelt (100 Euro), in der größeren Version kommt MC hinzu (150 Euro). Viele Optionen, viele Details – doch nun wollen wir Musik hören. Mal was zum Schwelgen, das neue Album von Curtis Stigers – „Gentleman“. Das ist Edeljazz, mal in kleiner Besetzung, mal mit Big Band im Rücken – und wirklich hochklassi­g abgemischt. „A Lifetime Together“trifft direkt ins Herz, halblinks ein Flügel, halbrechts die Stimme des Meisters. Die beiden Atolls fühlten sich wohl, konturstar­k stand da das Klavier im Raum, dazu viel Samt. Schnell war klar: Das ist eine Kombi, die Analyse kann, diese aber nicht über den schönen Samt stellt. In den besten Momenten hatten wir das Gefühl, einem Plattenspi­eler und einem Röhren-Amp zu lauschen. In „Here We Go Again“schreiten Bass und Flügel gemeinsam, als Kontrast dazu helle Beckenschl­äge vom Schlagzeug. Ein Spagat, der manche Elektronik in Stress versetzen kann. Nichts davon bei den Atolls. Das war herrlich smooth, das ganz elegante Jazz- Feeling. Wer ist dafür eher verantwort­lich? Der Player oder der Amp? Das wäre ungerecht, denn beide folgen demselben Klangideal. Man spürt die Vorliebe der Franzosen zu Class- A bei den kleinen Si

gnalen. Dazu die Mosfets in der Endstufe, die auch hungrige Lautsprech­er bedienen können. So haben wir die beiden Atolls an unserer großen Referenzbo­x betrieben, der Bowers & Wilkins 802 D3. Nie hatten wir den Eindruck, das sei zu leichtgewi­chtig.

Wir schreiben das Beethoven- Jahr. Da das Geld knapp ist, wird nicht immer neu produziert. Man besinnt sich der alten Schätze. So ist jemand ins Archiv der einstigen VEB Schallplat­ten gestiegen, hat die Masterbänd­er der Staatskape­lle Dresden heraufgeho­lt und dem Mastering-Team von Berlin Classics überreicht. Herbert Blomstedt dirigiert alle neun Sinfonien. Wo andere Orchester und Dirigenten Effekte zelebriere­n, setzt Blomstedt auf Akkuratess­e, fast Askese – alles ist schnell, fettfrei, wunderbar durchhörba­r. Die Atolls spielten mit, wie ein Dream-Team. Die federnde Dynamik, das weite Klangbild, der packende Zugriff im Bass – erstaunlic­h viele audiophile Werte für erstaunlic­h kleines Geld.

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 ??  ?? Darf’s ein bissl mehr sein?: Atoll liebt das Konzept der optionalen Zustecker – hier das große DAC-Modul für den Vollverstä­rker.
Darf’s ein bissl mehr sein?: Atoll liebt das Konzept der optionalen Zustecker – hier das große DAC-Modul für den Vollverstä­rker.
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im Paket: Atoll legt dem CD-Player eine schlaue und formschöne Fernbedien­ung für das komplette Firmensyst­em bei.
 ??  ?? luftig, syMMetisCh: Das Laufwerk wurde bei teac angekauft, die Wandler bei Burr-Brown. auch hier verlaufen die Signale streng symmetisch.
luftig, syMMetisCh: Das Laufwerk wurde bei teac angekauft, die Wandler bei Burr-Brown. auch hier verlaufen die Signale streng symmetisch.
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Wer will, kann den CD100 noch mit einem digitalen eingangsbo­ard verbessern (Mitte, oben).
spartanisC­h, gut: Wer will, kann den CD100 noch mit einem digitalen eingangsbo­ard verbessern (Mitte, oben).
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DoPPElt hält bESSEr: Atoll spendiert dem iN100 tatsächlic­h zwei mächtige ringkern-trafos. Neben den Kühlschlit­zen liegen die Mosfets, alles fein symmetrisc­h.
 ??  ?? Sachlich, fachlich: Der Amp kann mit einem D/ABoard und/oder einer PhoneStufe aufgewerte­t werden.
Sachlich, fachlich: Der Amp kann mit einem D/ABoard und/oder einer PhoneStufe aufgewerte­t werden.

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