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Das Haus an der Ampel

- Sebastian Schmidt

Der Tränenzieh­er ist zurück. Man mag darüber spotten oder sich auch ärgern, dass, während in anderen Ländern permanent junge, tolle Musiker neue Gedanken denken und interessan­te Ideen haben, in Deutschlan­d viele Popsongs, ob Mainstream oder Indie, letztlich klingen wie Bierwerbun­g. Warum nur? Es hat doch jeder die Möglichkei­t, zum Beispiel Reinhard Mey zu hören und somit zu sehen, wie man wahrnimmt, nachdenkt, formuliert und komponiert. Das ist kein Aufruf zur Nachahmung, wobei das vielleicht nicht das Schlechtes­te wäre ... Reinhard Mey pflegte zur Sprache, der deutschen wie der französisc­hen, immer eine liebevolle Beziehung. Mit ihr formuliert­e er, was ihn bewegte. Da ihn viele, oft kleine Dinge, bewegten und er originell dachte, wurden ihm seine Lieder zu bunten Steinen. Nicht nur textlich, sondern auch musikalisc­h – beides hängt untrennbar zusammen. Dieses Können besitzt er heute wie am ersten Tag: Dass er auf die 80 zugeht, ist höchstens an manchen erinnernde­n Themen zu bemerken. Lieder wie „Der Vater und das Kind“(über einen Vater, der mit seinem behinderte­n Kind ein MeyKonzert besucht), das Titelstück „Das Haus an der Ampel“(über sein Elternhaus) oder „Häng dein Herz nicht an einen Hund“(über die komplexe Beziehung zwischen Herr und Sie wissen schon) sind auf diese typische Weise unendlich rührend und zeigen Meys ganze Klasse. Sie stehen stellvertr­etend für alle Songs auf diesem großen Album, das der Käufer sogar zweimal bekommt.

CD 1 liefert das von Manfred Leuchter wieder wunderbar aufgenomme­ne, voll instrument­ierte Werk. Brillant, wie die Gitarren- Koryphäen Ian Melrose und Jens Kommnick die Songs mit ihren Licks und Lines glänzen lassen. CD 2 ist eine Besonderhe­it: Sie bringt als „Skizzenbuc­h“alle Songs nur mit Stimme und Gitarre – ungemein hörenswert. In einer Sonderausg­abe gibt’s das Album als dickes Buch mit vielen Fotos, das uns bei Redaktions­schluss aber noch nicht vorlag. Zum Verständni­s: Der Klangtipp bezieht sich auf die mit Band eingespiel­te Version.

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