AVM Ovation 8.3 Cellini
Wollten wir die Komponenten unseres HiFi-Parcours stapeln, würde es Platz kosten. Der Ovation 8.3 von AVM bietet stattdessen alle Quellen in einem Gerät.
mit den Augen erkennen. Das ist ein erstaunlich kompakter Baustein zu einem noch erstaunlicheren Preis. Jetzt den Atem anhalten – AVM wünscht sich für diese Komponente in der Basisversion tatsächlich 13 000 Euro. Damit haben sicherlich die wenigsten Leser gerechnet, wenn sie diese Fotos hier erblickt haben. Sicher, man ahnt den Aufwand, das große Konzept. Doch die Japaner oder gar die Chinesen hätten den Preis halbiert, wenn nicht geviertelt. Hier bezahlt man High- End Made in Germany. Deshalb auch gleich ein ästhetischer Rat: Es gibt den 8.3 in Alu hell und Alu schwarz – doch so richtig schön wird das Augenfest erst bei unserer Version in Chrom,
„Cellini“genannt. Oder man greife zum maximalen Ausbau „Crystal“– dann liegen alle Schaltelemente hinter transparentem Acryl. Ein Effekt für alle Technikfreunde. Das treibt einem die Tränen in die Augen und zugleich den Preis nochmals herauf, und zwar auf das Maximum von 15 000 Euro.
Ein saftiger Preis
Werden wir hier über den Tisch gezogen? Kein bisschen. AVM geht mit dem 8.3 weiter denn je. Wir stehen vor einem All- in- One, also vor Vor- und Endstufe zugleich. Dazu gibt es in der Mitte der Front noch einen Schlitz für CDs. Auch der Rücken kann entzücken: Hier können
Der AVM prahlt mit purer Watt-Gewalt
wir per Kabel oder WLAN unsere HiResFiles zustreamen. PCM wird bis 32 Bit und 384 Kilohertz aufgelöst. DSD kann bis 128 angefüttert werden. Wir haben also alle modernen Medien unter einer Haube. Einzig Vinyl wird ausgeklammert. Nicht aus Geiz, sondern weil AVM weiß, dass es mit den externen Phonostufen aus dem Katalog besser klingt und gelingt. Mächtig dagegen die Einbindung in die Streamingwelt: Der 8.3 ist gefügig, sollten wir Roon als Plattform nutzen wollen. Auch alle großen Musikanbieter werden umschlungen, von Spotify über Tidal bis Qobuz.
Also setzen wir die Rechnung noch einmal auf: Wir sparen uns einen CD
Player, einen Streamer, einen Vorverstärker, eine Endstufe – da sind 13 000 Euro zwar noch immer stolz, aber relativ im großen Kontext. Tipp hier: Auch der Kopfhörerverstärker auf der Front ist von guten Eltern – ein Class- A- Aufbau vom Feinsten. Was die Frage nach dem grundsätzlichen Verstärkerkonzept aufwirft. Wir sehen keinen mächtigen Kühlkörper – das muss ein Class- D-Verstärker sein. Und wir liegen richtig. Offiziell flutet AVM 500 Watt an den Lautsprecheranschluss.
Vorsicht: Pyrrhussieg
Wie fühlen wir uns? Grundsätzlich gut. Wer das Geld hat, kann sich in all‘ dem sonnen, was schönstes High- End ausmacht. Wer weniger Geld hat, dem wird diese Welt verschlossen bleiben. Irgendwie ungerecht. Aber wir sagen: Mit weniger Geld und mehr Komponenten kann man den gleichen Klang- Output erreichen. Was aber ein Pyrrhussieg ist. Nie und nimmer erreicht eine Einzelkomponente diese Vielfalt, dieses Bedienkonzept, diesen Reichtum, diese musikalische Pracht. Und da sind wir wieder bei unserer Ausgangsfrage: Was ist Klang, wo beginnt die Magie? AVM gelingt mit der Alles-in- Einem- Komponente Ovation 8.3 Erstaunliches.
Wir fahren Roon hoch, melden uns bei Qobuz an und wählen ein Album für die Ewigkeit: Jaco Pastorius spielte 1976 sein selbstbetiteltes Solodebüt ein. Was für ein Geniestreich. Das ist ein Mix aus
Streamer
Lan ios airPLay
BLuetooth
Jazz, klassischem Bach und dazu viel Big Band. Wer ihn nicht kennt: Pastorius gilt als der Großmeister des E- Basses. Keiner spielte mächtiger, schöner, reicher. Ein eigenwilliger Künstler, den das Geschäft auf dem Höhepunkt seiner Karriere vertrieb. Eine ganz traurige Geschichte, ein tragischer Tod. Aber wir haben die Schätze aus den Studios. Hier wird es heilig. Wäre der 8.3 nur ein Instrument der Ingenieure, er würde uns langweilen. Doch auch die Magie war im Hörraum zugegen. Hier wurde jeder Phrase nachgespürt. Mächtig die Klangwand, darunter aber die Eleganz eines Genies. Da muss man auf Augenhöhe spielen – was dem AVM gelang.
Von Pastorius zu Glyk
Bleiben wir in dieser Welt. Wer hätte heutzutage das Recht, sich als Erbe von Jaco Pastorius zu bezeichnen? Die Propheten streiten. Wir sagen hingegen: Kinga Glyk hat das Format. Ein seltsamer Name. Wir haben es mit einer Frau zu tun – Überraschung eins. Dazu eine Frau aus Polen – Überraschung zwei. Aber sie hat einen Plattenvertrag und einen Fender Jazzbass vor dem Bauch. Das gilt als Vergleichsebene.
Ihre Weltbedeutung hat sie per Youtube errungen – es war ein Video, das sie berühmt machte. Kinga Glyk spielt auf ihrem Jazzbass „Tears In Heaven“von Eric Clapton. Das trifft mitten ins Herz, wer da keine Träne verdrückt, ist kein Mensch. Ein Amp/ Wandler muss uns umarmen. Sicher, die Ehrlichkeit im Frequenzgang ist die Grundvoraussetzung, dazu aber kommt die Luft, der Atem, die Souveränität. Der AVM prahlte regelrecht mit seiner puren Watt- Gewalt. Dazu die Schönheit des musikalischen Flusses. Wir versanken in einem schönen Traum. Die Saiten schwebten, trafen uns mitten im Zwerchfell – das ist es, was High- End ausmacht.
Wenn es unbedingt eines Gottesbeweises bedarf, dann braucht es in der
Klassik nur einen Namen – Mozart. Drei weitere Genies sind jetzt ganz frisch in 24 Bit und 192 Kilohertz zu haben. Wieder vermarktet die Deutsche Grammophon eine legendäre Aufnahme und lässt sich das bezahlen; es wird das letzte Mal in der Geschichte der Musikwiedergabe sein. Friedrich Gulda sitzt an den Tasten, die Wiener Philharmoniker spielen unter Claudio Abbado. Da geht der Himmel auf. Zudem, weil hier zwei der ganz großen Klavierkonzerte kombiniert wurden – Nr. 20 und 21, dMoll trifft auf CDur. Zwei vollkommen andere Welten. Der zweite Satz im dMollKonzert ist traurig, groß, leise, unfassbar reich, ja göttlich in dieser Interpretation. Bei Gulda gleicht keine Phrase der anderen. Alles atmet, ist verspielt und zugleich ernst. Und der AVM 8.3 spielte auf Augenhöhe – frisch, schlau, ehrlich.
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Würden wir genau jetzt die vier Denker aus ihrem Konklave entlassen, sie würden sich immer noch streiten. Aber der Wortwechsel wäre leiser geworden. Man hätte sich auf eine GrundVision des Olymps geeinigt. Ganz oben stehen die Urkreativen – namentlich der Komponist. Doch auch die Nachfolgenden gehen als Kreative durch. AVM lebt es vor: Der Ovation 8.3 liegt fast auf dem Niveau eines MitMusikers.
Haben wir etwas auszusetzen? Nun ja und abermals: Der Preis trifft einen wie ein Schlag in die Magengrube. Aber man muss den Gesamtwurf würdigen: Hier bekommt man eine Vorstufe, eine Endstufe, einen großartigen KopfhörerAusgang, einen tollen CDPlayer. Sagen wir es so: Auch Diamanten sind klein und dürfen dennoch teuer sein.