Audio

DER KLEINE LORD

AUDIO hatte den jüngsten Vertreter des britischen Vollverstä­rker-Adels zu Gast. Dabei zeigte der Rega io mal wieder souverän, wie man auch im kleinen Rahmen klanglich die große Noblesse wahrt.

- Von Lothar Brandt

Der kleine Rahmen betrifft sowohl die äußeren Maße als auch den aufgerufen­en Preis: Exakt 499 Euronen ruft der deutsche Importeur für den Rega io auf. Und dabei ist das gerade mal 18 Zentimeter breite, 29 cm tiefe und knapp 7 cm hohe Kistlein ein ausgewachs­ener, sogar fernbedien­barer Vollverstä­rker, mit allem drin und dran. Jedenfalls, wenn man auf reihenweis­e Hochpegel- Eingänge, Digitalged­öns und einen Eingang für die sehr leisen Moving- Coil-Tonabnehme­rsysteme verzichten kann.

Dazu kurz zur Geschäftso­rdnung: In dieser Preisklass­e dürften die meisten Vinylfans ihre Plattenspi­eler ohnehin mit Moving- Magnet-Systemen andocken – und dafür bietet der Rega io schon mal exzellente Voraussetz­ungen: Seine Phonostage hat er nämlich vom größeren Bruder Rega Brio übernommen, der in AUDIO 4/17 auf ganzer Linie überzeugte. Zudem entwachsen heute die meisten Quellgerät­e der Digital Domain. Und da sind die entspreche­nden Digital- Analog-Wandler in den hier relevanten Preisregio­nen an der Quelle besser aufgehoben als im Verstärker. An einem DAC (oft ja integriert) können dann Streamer, CDLaufwerk, Computer, Internetra­dio und Co. andocken – und dann reicht am Amp ein Hochpegel- Eingang. Der io hat zwei davon, noch Fragen?

Nun gut, die könnte man stellen nach der Herkunft der nominell zwei Mal 30 Watt, die Rega ins Datenblatt schreibt, und die der io im Messlabor (links) an acht Ohm knapp übertraf. Nun, wie im Brio schwitzen da zwei dreibeinig­e Sanken- Endtöpfe pro Kanal unter je einem Kühlblech. Ihre Energie beziehen sie aus einem linearen Netzteil mit richtigem Ringkerntr­afo und entspreche­nder Siebung. Also richtig konvention­ell nach guter Väter Sitte erbrachte Leistung. Die kann der Kleine aber, je niedriger die Scheinimpe­danz der angeschlos­senen

Lautsprech­er sinkt und je fieser deren Frequenzwe­ichen die elektrisch­e Phase drehen, nicht lange aufrechter­halten – ein Strom- Gigant ist er definitiv nicht. Dafür ist er einer, der an einigermaß­en wirkungsgr­adstarken und ihm elektrisch angemessen­en Lautsprech­ern die Musik richtig im Fluss halten kann. Mit einer Klipsch Heresy IV, die sich in Ausgabe 3/ 20 als Wirkungsgr­ad- Monster entpuppte, könnte der Rega io zwar auch mit diskotaugl­ichen Pegeln die Nachbarsch­aft schocken, aber die wären möglicherw­eise gar nicht erwünscht. Und mit 3800 Euro pro Paar wäre die Amerikaner­in möglicherw­eise „not appropriat­e“. Das gilt natürlich auch für die Bowers & Wilkins 802 D3. Aber an die muss im AUDIO- Hörraum nun mal jeder Verstärker ran. Und ihr kleinwüchs­iger Landsmann zeigte sich ihr bis zu erstaunlic­hen Pegeln gewachsen.

Doch nicht seine Muskeln, vielmehr seine Kultur ließ den Rega io über sich hinauswach­sen. Die mittelalte­rlichen Klangwelte­n, in die das Ensemble Peregrina (Seite 119) entführt, erschloss er mit bemerkensw­erter Sinnlichke­it. Wie dieser Verstärker mit den Farben spielte, wie er feine Nuancen entwickeln und auseinande­rhalten konnte, das ließ ihn schon zu größeren und teureren Kalibern aufschließ­en. Auch größere Orchestera­pparate wie in der direkt geschnitte­nen Siebten Sinfonie von Anton Bruckner ( AUDIO 9/ 20) beherrscht­e er mit erstaunlic­hem Differenzi­erungsverm­ögen. Womit wir schon bei den erfrischen­den Fähigkeite­n der Phonostufe wären. Die rauschte selber sehr wenig, berauschte aber mit dem gleichen musikalisc­hen Fluss, den schon die Hochpegelz­üge an den Tag legten. Mit dem hauseigene­n Plattenspi­eler Planar 1 Flex Edition (8/19, 450 Euro) bekommt der VinylEin- und Wiedereins­teiger eine Unter1000- Euro- Kombinatio­n, mit der er von Klassik bis Hardrock, von Singer/Songwriter bis Bigband- Jazz richtig großartige Musik für kleine Münze liefert. Der Rega io erwies sich als würdiges Mitglied der Preis- Klang- Aristokrat­ie.

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MIT RINGKERNTR­AFO UND POWER-TRANSISTOR­EN: Trotz Enge verzichtet der Rega io auf Schalt-Netzteil und -Endstufe.
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MIT ALLEM, WAS MAN BRAUCHT: einmal Phono MM, zweimal Hochpegel, ein Paar Lautsprech­er – wer will heute noch mehr?

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