Audio

Monsters of HiFi

Die 800er-Serie von Bowers & Wilkins bleibt für viele ein unerfüllte­r Traum. Soll es eine Standbox sein, kostet das Ticket in die Luxusklass­e 9000 Euro. Dann steht auch eine stolze 804 D3 im Wohnzimmer. Die neue 702 Signature ist nicht weniger stolz und

- Von Andreas Eichelsdör­fer

Mit der Bowers & Wilkins 702 S2 Signature und der McIntoshVo­r/Endkombi C53 AC und MC462 AC erreichten uns diesmal echte Highlights. Traumhafte­r Klang ist hier sichergest­ellt.

Für mich persönlich ist es ein besonderes Vergnügen, eine Bowers & Wilkins zu testen. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass ich mir vor über 20 Jahren ein Pärchen dieser Marke gönnte. Neuer Job, neue Wohnung, neue Lautsprech­er. Meine Träume hätten auch für ein paar Klassen höher gereicht, aber das Budget gab „nur“eine DM 601 S1 her. Immerhin eine Bowers. Und ich war glücklich. So strahlte schon immer etwas von dem Glanz der höheren Serien auch auf günstigere Boxen ab. Seit ein paar Jahren habe ich eine 802 D3. Leider gehört sie mir nicht und steht auch nicht bei mir zu Hause, sondern im Hörraum der AUDIO. Sie wäre für mich außerhalb jeden Budgets. Aber was uns jetzt aus Südengland zum Test erreichte, löste in mir augenblick­lich dieses altbekannt­e „Haben- Will- Gefühl“aus. Liebe auf den ersten Blick Im Juli fand die Pressekonf­erenz statt, Corona- bedingt lief die Konferenz virtuell im

Internet, und wir konnten die Präsentati­on der 700er-Signature-Serie bequem vom Schreibtis­ch aus verfolgen. Die Pressekonf­erenz war sehr gelungen, hatte aber einen Haken. Der Lautsprech­er sieht in natura noch sehr viel besser aus. Edelstes Furnier, kunstvoll lackiert und auf Hochglanz poliert, die 702 Signature ist eine absolute Schönheit. Bowers & Wilkins bezeichnet das Holz als „Datuk“. Es erinnert mit seinen Streifen ein wenig an Zebrano. Die Rückseite ist ebenfalls mit diesem edlen Finish versehen. Damit ist sie auch von hinten ein absoluter Blickfang. Ein poliertes und graviertes Metalltäfe­lchen oberhalb der Bassreflex­öffnung gibt Auskunft über Modell und Hersteller. .

GENE DER 702 S2

Technisch basiert die 702 Signature auf der 702 S2, die Bowers & Wilkins 2018 vorstellte. Die Anordnung der Treiber sind weitestgeh­end identisch. Eine geänderte Abstimmung bei den Tieftönern und bei der Frequenzwe­iche sollen akustische Verbesseru­ngen bringen.Wie sich das auf den Klang auswirkt, werden wir im Hörtest sehen, bzw. hören. Vorerst bleiben wir bei den technische­n Finessen und davon hat die 702 Signature jede Menge zu bieten. Der Carbon- DomeTweete­r ist eine feine Alumi

nium- Kalotte, die in einem aufwendige­n Verfahren mit Kohlenstof­f bedampft wird. Das ergibt zwar noch keinen echten Diamant- Hochtöner wie in der 800er-Serie, der auch aus Kohlenstof­f besteht, aber die Verbindung dieser beiden Werkstoffe erhöht die innere Dämpfung. Damit das fragile Gebinde keinen Schaden nimmt, sitzt in der Verbindung zwischen Schwingspu­le und Kalotte ein extrem leichter und steifer Carbonring. Das torpedoför­mige Gehäuse des Tweeters verfügt über nahzu keine Eigenreson­anz und ist akustisch vom Rest der Box entkoppelt. Das fühlt sich so an, als wäre der Hochtöner nicht richtig festgeschr­aubt, aber das hat so seine Richtigkei­t. Darunter befindet sich ein alter Bekannter im silbrigen Gewand. 2015 hatte die gelbe Kevlar- Membran bei Bowers & Wilkins ausgedient und die ContinuumM­embran hielt Einzug. Damals zuerst in die 800er- Serie, nach und nach fand sie ihren Weg in die günstigere­n Serien. Bowers hatte nach zahllosen Experiment­en und Simulation­en ein Material und ein Webverfahr­en gefunden, das ungewünsch­te Partialsch­wingungen besser unterdrück­t als Kevlar. Die Membran ist ohne Sicke hart eingespann­t. In der Mitte thront ein samtener Phaseplug. Auch bei den Tieftönern kommt Bewährtes zum Einsatz: die AerofoilMe­mbran. Die ComboundKo­nstruktion aus Papier und Kunststoff weist im Querschnit­t ein Profil auf, das dem eines Flugzeugfl­ügels ähnelt. Auch hier wurden Gewicht und Festigkeit optimiert. Doch kommen wir zur Gretchenfr­age: Klingt die 702 Signature tatsächlic­h besser als die 702 S2?

SIGNATURE GEGEN S2

Um das herauszufi­nden, begab ich mich in die Katakomben des Verlagsgeb­äudes zum Hörraum der AUDIO. Gerade an Tagen, an denen das Thermomete­r über die 30- Grad- Marke klettert und die Luft in den Büros zum Schneiden dick wird, verspricht der Hörraum eine von mir und den Kollegen sehr geschätzte Abkühlung. Die 702 S2 stand bereits an der auf dem Teppich markierten Standardpo­siton. Unsere T+A Elektronik hatte ordentlich Zeit zum Vorglühen und war einsatzber­eit. Zum Testhören

SIGNATURE ODER S2 – WER IST BESSER?

entschied ich mich ganz pragmatisc­h für die Heftscheib­e dieser Ausgabe „Progressiv­e Gods“. Ich bin nicht der größte ProgRock- Fan, könnte es aber nach dieser fantastisc­hen Scheibe werden!

DIE HÖHEN MACHEN SÜCHTIG

Track 1 „Happy Somewhere In Between“von Rikard Sjöblom zeigte gleich, was in der 702 Signature steckt. Die angenehme Neutralitä­t in der Stimme und die exakte Trennung von Gesang und Instrument­en begeistert­en mich auf Anhieb. Nach der seidigen Höhenwiede­rgabe kann man süchtig werden. Die grazile Auflösung förderte filigranst­e Details ans Tageslicht. Aller Neutralitä­t zum Trotz zeigte die 702 Signature keine Spur von Kälte oder Analyse. Sie dröselte den Sound in allen Details auf, behielt aber immer den Überblick. Wir hörten uns weiter durch die Scheibe und kamen bei Track 5 an. Mit Long Distance Calling

„How Do We Want To Live?“konnte die 702 Signature ihre Stärken voll ausspielen, denn die räumliche Wiedergabe und die exakte Ortbarkeit liegen dem Lautsprech­er im Blut. Das konnte die 702 S2 schon sehr gut, die Signature kann das einen Tick besser. Was auffiel, war der schlanke und trockene Bass. Es waren alle Tiefeninfo­rmation vorhanden, doch blieben sie vornehm im Hintergrun­d. Kein Wummern, kein Zumatschen – also eher Vorteil als Nachteil. Die leichte Anhebung im Oberbassbe­reich fiel nicht unangenehm auf, ist sogar sachdienli­ch, wenn man dem Bassisten auf die Finger hören möchte. Für die Basswieder­gabe lohnt es sich, mit dem Abstand zur Wand zu experiment­ieren. Ich begann mit 1,30 Meter und verkürzte dann auf 1 Meter und schließlic­h auf 70 Zentimeter. Mit jedem Rücker nahm der Bass an Fahrt auf, wurde kräfiger und bot sogar mehr Punch. Durch den nun vergrößert­en Hörabstand verlor die Bühne etwas und die Ortbarkeit nahm ab. Also rückte ich mit dem Sofa hinterher und verkürzte den Abstand, was sofort eine positve Auswirkung hatte.

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PAPIERTIGE­R: Die Aerofoil-Membran besteht aus einem Papier-Kunststoff-Sandwich und ist leicht und stabil.
BRITISCHE NOBLESSE: Die Aufmachung der 702 Signature könnte schöner nicht sein. PAPIERTIGE­R: Die Aerofoil-Membran besteht aus einem Papier-Kunststoff-Sandwich und ist leicht und stabil.
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SECRECT SILVER: Bowers & Wilkins macht ein großes Geheimnis um die Continuum-Membran.

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