Vier gewinnt
Standboxen sind schwer beliebt. Vier namhafte Volltöner bis 1000 Euro stellen sich dem AUDIO-Test
Wer die drei Buchstaben „GLE“googelt, dem wird als erstes die Seite von Mercedes- Benz angezeigt. Wenn wir das Geld für einen GLE-SUV hätten und die höchste Ausstattung buchen würden, kämen wir mit einem dieser schwäbischen Traumwagen in 3,8 Sekunden von null auf hundert.
Die GLE-Serie von Canton ist in anderen Regionen unterwegs – hier liegt alles eher im Einsteigerbereich. Canton lässt die Sparflamme flackern. In der weit teueren Vento-Serie bekommen wir feinen Klavierlack – ein Hochamt für Finger, Auge und Herz. Bei den GLEs geht es einfacher zu, jedenfalls in Sachen am Finish. Statt über Edellack oder feines Furnier streichen wir hier über Folie. Kratzt das an unserer Ehre? Nein, überhaupt nicht. Es gelingt Canton wunderbar, auch mit einfachen Mitteln echte Eleganz zu zaubern – effizient, aber dennoch ansprechend. Ich persönlich hätte nicht den Hauch eines Problems damit, diese Lautsprecher in meiner Wohnung aufzustellen.
Jetzt kommen die Besserwisser hervor: Warum heißt denn die GLE 496.2 im Nachnamen „.2“? Das deutet doch auf einen Generationenwechsel hin, ein Update? Richtig. Das Punktzwo steht insbesondere für eine neue Ausgabe des Hochtöners, der nun aus dem berühmten Aluminium- Mangan- Mix besteht. Ein Segen, den Canton sonst nur den Edel-Serien angedeihen lässt. Um vollständig zu berichten: Unter 3200 Hertz agiert der Mitteltöner, eine echte Alumembran, die es nur hier gibt.
Alle Ideen stammen von Canton, gefertigt wird in eigener Handarbeit. Nichts wird zugekauft. Es gibt ein Werk in Tschechien und den Stammsitz im Taunus. Zwischen beiden Punkten fließen Gedanken, Zeichnungen und Geld. Das Mastermind muss genannt werden: Es ist Frank Göbl. Er nimmt sich die Zeit und prüft als Chefentwickler jeden Lautsprecher auf Herz, Nieren und Antritt. Canton soll Ehrlichkeit mit Dynamik verbinden, das ist ihm wichtig.
Unser Messlabor fand nicht den kleinsten falschen Peak im Frequenzgang. Das gilt als ehrlich, könnte aber auch langweilig sein. Deshalb legt Frank Göbl immer einen wunderbaren Punch unter das Gesamterlebnis – hier mit zwei Aluminium-Tieftönern. Der Lautsprecher sieht so bereits sehr erwachsen aus. Spikes braucht es keine: Bereits fest installiert gibt es runde Füße
an der Unterseite. Keine Show halt. Auch verzichtet Canton in dieser Serie auf ein Bi- Wiring-Terminal. Der Preis liegt genau auf der redaktionellen Grenzfrequenz fürs Testfeld – 1000 Euro.
WUNDERVOLLE RÄUMLICHKEIT
Ein Lautsprecher, der die Grenzen zwischen drei und vier Euro- Stellen durchbricht: Das könnte ein Killer werden. Hören wir hinein. Zuerst mit einer Aufnahme von 1958 – Sir John Barbirolli dirigiert die zweite Sinfonie von Sibelius, ein frühes Stereo- Experiment der EMI. Super, welche Räumlichkeit die Canton in den Raum flutete. Das war greifbar, die schönste Klangskulptur. Die GLE 496.2 lag exakt auf der Linie dieser spätromantischen Sinfonie – da war kein Gramm Fett, kein falscher Basshub. Alles kam auf den Punkt genau, leicht und direkt. Große Empfehlung für die Aufnahme wie auch für die Box. Der Einstieg in die höheren Weihen der High Fidelity.
Jetzt aber mal heftig in die Saiten gegriffen: Steven Wilson hat „The B-Sides Collection“vorgestellt. Wilson zeigt in dieser Abmischung wieder, warum er so verehrt wird. Es gibt viel zu erleben – nicht den üblichen komprimierten PopSumpf, sondern ein Panoptikum der Ideen. Kann ein Lautsprecher nicht die nötige Sinnlichkeit aufbringen, ist er verloren. Die GLE 496.2 war ebenso sensibel wie durchschlagend. Wieder waren wir baff: Für so kleines, humanes Geld dieser große Fußabdruck in unserer Bestenliste. Da sollten einige Dämme und Hemmungen brechen, das Geld und die Freude sollten fließen.