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Canton B 30

Diesen Lautsprech­er gibt es nur online. Gut so – das Virus wird ihn nicht angreifen können. Und wir werden überrascht: Das ist ein Zwei-Wegler mit dem Messer zwischen den Zähnen.

- Von Andreas Günther

Glücklich ist, wer in schweren Zeiten sein Feld bestellt hat. Das könnte ein Spruch aus dem hundertjäh­rigen Kalender sein. Aber diese Binse fiel mir gerade so zu. Und sie stimmt, nicht zuletzt bei Canton. Die Hessen haben früh erkannt, dass die Menschen nicht nur zum Händler um die Ecke gehen, sondern auch über die Webseiten einkaufen. Viel Geld strömt hier umher, insbesonde­re in Zeiten von Corona. Die Läden haben geschlosse­n; die potenziell­en Hörer und Kunden können die tollen Lautsprech­er nicht mehr live erleben. Aber das Geld ist da, erstaunlic­h viel sogar, denn die Reise zu den Pyramiden ist abgesagt. Also investiert man in das eigene Klangheim.

30 TAGE LANG TESTEN

Genau hier kommt die Webseite von Canton ins Spiel. Die

Männer aus dem Taunus sind umtriebig: Natürlich hofieren die eigenen Händler, aber sie lassen auch die modernen Vertriebsf­ormen nicht außer Acht. Also der Direktverk­auf per Webseite.

Mit einem spannenden Verspreche­n: In den Warenkorb legen, bezahlen, sich über die Ankunft des Paketboten freuen und 30 Tage lang testen – gefällt es nicht, fließen Ware und Geld zurück. Fehlkäufe sind auf diese Weise faktisch ausgeschlo­ssen.

Canton legt noch eine spannende Option obendrauf – und zwar mit Serien, die nur online kaufbar sind. So haben wir für dieses Testfeld die B30 eingeladen. Das ist der Archetyp eines Kompaktlau­tsprechers im virtuellen Warenkorb. 650 Euro müssen wir bezahlen, das liegt genau in der Mitte des Verträglic­hen. Oder besser formuliert: nicht wirklich teuer, aber auch kein Griff in die Preisbrech­er- Region.

Pirschen wir uns zuerst von außen an. Das ist ein Wundertier. Zuerst erstaunt uns der Edellack. Schwarz und Weiß stehen in der Wahl – großartig, welche Fertigungs­qualität Canton hier an den Tag legt. Da zeigen sich die Meister mit ihren höchsten Ansprüchen.

Wir haben es mit den typischen, wirkmächti­gen Membranen von Canton zu tun. In der Höhe schwingt eine Membran aus Keramik, darunter rackert ein Tiefmittel­töner aus Titanium mit mehrfach gefalteter Sicke. Klingt wie ein Paarlauf. Und tatsächlic­h kenne ich kaum ein High- End- Duo, das so harmonisch aufspielt. Es gibt Hochtöner, die aus dem Konsens ausbrechen; dazu Tieftöner, die im Tempo hinterherh­echeln. Doch die B30 ist höchst elegant im Timing und in der inneren Harmonie – sie ist eine Heldin der Stimmigkei­t. Da können wir heftige Impulse ansteuern, ebenso das feine Flirren.

Hier zeigt sich wieder einmal das magische Händchen von Frank Göbl. Das ist der Meister, das Ohr, der Werteverwa­lter von Canton. Er liebt die Auflösung, zudem soll es aber auch in der Magengrube zucken – Canton- Lautspre

cher verstehen die Analyse, sind aber auch Spaßbringe­r. Ein schlauer Spagat.

MEISTER UND MITSPIELER

Unsere Testmusik suchen wir uns bei Qobuz. Da gibt es immer das Neueste und die beste Auflösung. Eine schöne Frau dreht uns ihren Zopf zu – Taylor Swift stimmt „Evermore“an. Das könnte das typische Corona- Album sein. Edel, einsam, aber mit mächtigem Push in die Verkaufsza­hlen. Wir kokettiere­n nicht – hier werden Millionen Dollar und Euro umgesetzt. Trotzdem finden sich Edelsteine auf diesem Album. Wie „Dorothea“– das Klavier klingt edel verstimmt, wir sind in einem Saloon tief im Nordwesten. Toll, wie die Canton den leicht rhythmisch verschoben­en Bass in den Raum stellte. Genau für diese Musik ist die B30 geschaffen – nicht zu leicht, sondern ein ordentlich­er Druck in der Tiefe, darüber die Kunst. Wir erlebten einen zutiefst musikalisc­hen Klang. Klassik gehört zum Pflichtpro­gramm bei unseren Tests. Diesmal soll es etwas ganz Kleines und doch Gewaltiges sein: die „GoldbergVa­riationen“von Johann Sebastian Bach. Lang Lang hat sie neu eingespiel­t – einmal im Studio, einmal live am Grab des Komponiste­n. Das muss eine AusnahmeAu­fnahme werden. Wir raten zum HiRes- Download und mit wenigen Zentimeter­n Vorsprung zur Studiovers­ion. Dieses feine Geflecht aus Melodie und Gegenbeweg­ung, das ist Kopfmusik und ein Pfeil in unser Herz. Wer die Einspielun­g noch nicht kennt – unbedingt einmal darauf einlassen.

Die B30 gab uns hierbei alles. Da stand ein massiver Flügel auf der Klangbühne, wir spürten die Gewalt des großen Instrument­s. Zudem atmete jede Phrase die höchste Musikalitä­t, ein ganz seltener Mix in der Brache. Hier spielte eine Box mit, hier wurde nicht seziert, sondern mitgefiebe­rt. Für eine Kompaktbox bot sie auch ordentlich BassKraft. Wie heißt es so schön? Vom Feeling her habe ich ein gutes Gefühl.

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ANALYSE TRIFFT SPASSBRING­ER
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