Canton B 30
Diesen Lautsprecher gibt es nur online. Gut so – das Virus wird ihn nicht angreifen können. Und wir werden überrascht: Das ist ein Zwei-Wegler mit dem Messer zwischen den Zähnen.
Glücklich ist, wer in schweren Zeiten sein Feld bestellt hat. Das könnte ein Spruch aus dem hundertjährigen Kalender sein. Aber diese Binse fiel mir gerade so zu. Und sie stimmt, nicht zuletzt bei Canton. Die Hessen haben früh erkannt, dass die Menschen nicht nur zum Händler um die Ecke gehen, sondern auch über die Webseiten einkaufen. Viel Geld strömt hier umher, insbesondere in Zeiten von Corona. Die Läden haben geschlossen; die potenziellen Hörer und Kunden können die tollen Lautsprecher nicht mehr live erleben. Aber das Geld ist da, erstaunlich viel sogar, denn die Reise zu den Pyramiden ist abgesagt. Also investiert man in das eigene Klangheim.
30 TAGE LANG TESTEN
Genau hier kommt die Webseite von Canton ins Spiel. Die
Männer aus dem Taunus sind umtriebig: Natürlich hofieren die eigenen Händler, aber sie lassen auch die modernen Vertriebsformen nicht außer Acht. Also der Direktverkauf per Webseite.
Mit einem spannenden Versprechen: In den Warenkorb legen, bezahlen, sich über die Ankunft des Paketboten freuen und 30 Tage lang testen – gefällt es nicht, fließen Ware und Geld zurück. Fehlkäufe sind auf diese Weise faktisch ausgeschlossen.
Canton legt noch eine spannende Option obendrauf – und zwar mit Serien, die nur online kaufbar sind. So haben wir für dieses Testfeld die B30 eingeladen. Das ist der Archetyp eines Kompaktlautsprechers im virtuellen Warenkorb. 650 Euro müssen wir bezahlen, das liegt genau in der Mitte des Verträglichen. Oder besser formuliert: nicht wirklich teuer, aber auch kein Griff in die Preisbrecher- Region.
Pirschen wir uns zuerst von außen an. Das ist ein Wundertier. Zuerst erstaunt uns der Edellack. Schwarz und Weiß stehen in der Wahl – großartig, welche Fertigungsqualität Canton hier an den Tag legt. Da zeigen sich die Meister mit ihren höchsten Ansprüchen.
Wir haben es mit den typischen, wirkmächtigen Membranen von Canton zu tun. In der Höhe schwingt eine Membran aus Keramik, darunter rackert ein Tiefmitteltöner aus Titanium mit mehrfach gefalteter Sicke. Klingt wie ein Paarlauf. Und tatsächlich kenne ich kaum ein High- End- Duo, das so harmonisch aufspielt. Es gibt Hochtöner, die aus dem Konsens ausbrechen; dazu Tieftöner, die im Tempo hinterherhecheln. Doch die B30 ist höchst elegant im Timing und in der inneren Harmonie – sie ist eine Heldin der Stimmigkeit. Da können wir heftige Impulse ansteuern, ebenso das feine Flirren.
Hier zeigt sich wieder einmal das magische Händchen von Frank Göbl. Das ist der Meister, das Ohr, der Werteverwalter von Canton. Er liebt die Auflösung, zudem soll es aber auch in der Magengrube zucken – Canton- Lautspre
cher verstehen die Analyse, sind aber auch Spaßbringer. Ein schlauer Spagat.
MEISTER UND MITSPIELER
Unsere Testmusik suchen wir uns bei Qobuz. Da gibt es immer das Neueste und die beste Auflösung. Eine schöne Frau dreht uns ihren Zopf zu – Taylor Swift stimmt „Evermore“an. Das könnte das typische Corona- Album sein. Edel, einsam, aber mit mächtigem Push in die Verkaufszahlen. Wir kokettieren nicht – hier werden Millionen Dollar und Euro umgesetzt. Trotzdem finden sich Edelsteine auf diesem Album. Wie „Dorothea“– das Klavier klingt edel verstimmt, wir sind in einem Saloon tief im Nordwesten. Toll, wie die Canton den leicht rhythmisch verschobenen Bass in den Raum stellte. Genau für diese Musik ist die B30 geschaffen – nicht zu leicht, sondern ein ordentlicher Druck in der Tiefe, darüber die Kunst. Wir erlebten einen zutiefst musikalischen Klang. Klassik gehört zum Pflichtprogramm bei unseren Tests. Diesmal soll es etwas ganz Kleines und doch Gewaltiges sein: die „GoldbergVariationen“von Johann Sebastian Bach. Lang Lang hat sie neu eingespielt – einmal im Studio, einmal live am Grab des Komponisten. Das muss eine AusnahmeAufnahme werden. Wir raten zum HiRes- Download und mit wenigen Zentimetern Vorsprung zur Studioversion. Dieses feine Geflecht aus Melodie und Gegenbewegung, das ist Kopfmusik und ein Pfeil in unser Herz. Wer die Einspielung noch nicht kennt – unbedingt einmal darauf einlassen.
Die B30 gab uns hierbei alles. Da stand ein massiver Flügel auf der Klangbühne, wir spürten die Gewalt des großen Instruments. Zudem atmete jede Phrase die höchste Musikalität, ein ganz seltener Mix in der Brache. Hier spielte eine Box mit, hier wurde nicht seziert, sondern mitgefiebert. Für eine Kompaktbox bot sie auch ordentlich BassKraft. Wie heißt es so schön? Vom Feeling her habe ich ein gutes Gefühl.