Dali Opticon 2 MK2
Die Nordlichter klingen anders. Sie wollen gute Freunde sein. Dali residiert in Dänemark und baut dort, auch die Opticon 2 MK2. Das ist ein Superlautsprecher, der wirklich zu musizieren versteht.
Blut. Rot. Das sind die Erkennungszeichen von Dali seit Urzeiten. So erschafft man ein ikonisches Bild. Die Dänen sind wahre Meister der Wiedererkennung. Weil sie eben nicht von ihren perfekten Fertigungswegen lassen wollen. Da ist zuallererst der Tiefmitteltöner: Seine Membran schimmert in einem Farbton, den wir Deutsche recht brachial mit „Ochsenblut“übersetzen würden.
Aber er sieht fabelhaft aus, auch in der Dali Opticon 2 MK2. Das „MK2“ist ein Qualitätsversprechen: Die Dänen legen hier die zweite Edition ihres Supersellers auf. Die hauseigene Webseite zeigt ein Video, das mehr verheimlicht als visualisiert. Nur kurz: Die Ingenieure aus Nørager haben alle Stellschrauben neu fixiert und die Klangästhetik überdacht. Nach meinem Hörwissen klangen die alten Opticons eher warm und smooth. Diesen Grundcharakter haben sie nicht verloren, aber es ist deutlich mehr Tempo hinzugekommen. Nebenthema: Wo, meine Güte, ist Nørager? Das liegt unfassbar weit weg von allen größeren Städten im Staate Dänemark. Südlich von Aalborg, nördlich von Aarhus – aber nicht wirklich wichtig im Imperium der Dänen. Das ist tiefstes Nordjütland und eigentlich ein Dorf, was wiederum Dali zur mächtigsten Manufaktur im Flecken erhebt. Schön für uns: Die Menschen in der Entwicklung und Fertigung werden nicht von den Reizen einer Metropole abgelenkt.
Doch schauen wir genauer hin.
Dali folgt einer eigenen Fertigungsphilosophie: Die Lautsprecher entstehen im Verbund – was ein ideales Paar ist, wird zeitnah vom Band gestoßen. Eine Charge ergibt auch ein Double. Die Membran in der Tiefe ist ein schlauer Mix aus Papier und Holzfasern. Doch die Fasern brechen aus dem Spielraum aus: Sie sind nicht gleich lang und chaotisch angeordnet. Aber so soll es sein: Sie brechen die Eigenfrequenzen der Membran – keine Frequenz schaukelt sich zu einer kritischen Präsenz auf. Das gibt‘s nur hier und mit einer höchst eigenen Erfindung im Rücken: einem Magneten aus „Soft Magnetic Compound“(SMC). Dem Material wird eine hohe magnetische Permeabilität bei extrem geringer elektrischer Leitfähigkeit nachgesagt.
Wo andere Hersteller feste Magneten anschrauben, setzt Dali auf ein Granulat. Das Mehl wird verbacken und als eine Art Kuchen- Magnet hinter den Antrieb gesetzt. Es gibt eine hohe magnetische Kraft ab, zugleich können Verzerrungen ausgeblendet werden. Gerade die störenden Wirbelströme werden hiermit recht klein gehalten.
Als ehrlicher Lautsprecherhersteller muss man in den kleinen Serien seine Kunden auch anfüttern – mit den Brillanten der Edelserie. So gibt es hier in der Opticon eine Gewebekalotte, die aus der weit teueren Callisto- Serie stammt. Vor allem fällt der recht hohe Durchmesser von fast 3 Zentimetern auf. Damit kommt man tief hinab – ideal zum Tiefmitteltöner. Konkret liegt die Übergangsfrequenz bei 2 Kilohertz. Das ist erstaunlich. Der Zauber liegt hier in einer effektiven Bekämpfung und trotzdem einer hohen Belastbarkeit. Dieser Hochtöner mag ein Sensibelchen sein, zugleich ist er ein Kickboxer.
DA PULSIERTE DIE KRAFT
Werfen wir unseren Streamer und den Verstärker an. Wer sich über die Ohren einmal echte Energie zuführen lassen will: Das neue Album „Drunk Tank Pink“von Shame fetzt herrlich ungebremst. Wie Dobermänner, die von der Leine gelassen wurden. Aber toll für den Klangtest. Wird es unangenehm, dann ist zumeist der Hochtöner auf Punk gebürstet. Selbst bei höheren Lautstärken sollte auch bei diesem Brachial- Album noch Musik erkennbar sein.
Das gelang der Dali Opticon 2 MK2 formidabel. Da pulsierte die Kraft, da standen wir vor einer Wand aus Klang, tolle Energie traf auf tolle Auflösung. Hier zeigte sich ein Lautsprecher der Edel- Klasse.
Doch kann er auch feinfühlig? Es musste Klassik her. Sir John Barbirolli dirigiert das Hallé Orchestra (Manchester), man gibt Sibelius. Unfassbar, manche EMI- Bänder stammen aus dem Jahre 1958, da wurde mit Stereo allenfalls experimentiert. Aber gerade das kleine, reduzierte Experiment erschuf großartiges Format. In der ersten Sinfonie flirren die Streicher, darunter brodelt die Kesselpauke. Toll, wie die Dali diese Klangsprache wieder auferstehen ließ. Die feine Energie traf hier auf die kantige Kraft. Erstaunlich, wie tief diese Box in den Basskeller schreiten
konnte. Das wirkte im Mix zwischen den Membranen erstaunlich human. Ein toller Lautsprecher, großartig smooth abgestimmt, ein ehrenwerter Schmeichler. Hören die Nordlichter anders als die Mitteleuropäer? Natürlich nicht. Die Opticon 2 MK2 stimmte es vorbildlich an. Das hatte Kraft, das hatte Analyse, nirgends wurde es scharf oder über- analytisch. Wer ist der ideale Hörer? Ein Mensch, der Punk und Pop liebt und nebenbei auch eine Klassikplatte rotieren lässt. Das Klangbild war groß, stramm der Bass. Dazu kam ein hohes Maß an Feindynamik.
Hey – plötzlich spürten wir das Verlangen nach einen halbrohen Steak. Welche Musik passt da wohl am besten? Aus welchem Grund auch immer empfiehlt Qobuz bei der Suche nach „Steak“Tomasz Stanko. Das passt. Ein massiver Mix aus Jazz und Big Band. „First Song“kokettiert mit dem klassischen Jazz- Aufbau, doppelt aber die Trompete, super der Mix, das weite Gedeck mit dem hohen Becken des Schlagzeugs in der Mitte. Da muss ein Lautsprecher her, der uns anschreit, der uns liebkost, der uns die ganze Wahrheit sagt. Genau diese Werte brachte die Opticon 2 MK2 ein. Ein ganz eigenes Lebensgefühl. Wir mussten aktiv zuhören und konnten doch entspannen. Ein Ritt auf der Rasierklinge – zwischen Analyse und smooth, zwischen vorgelehnt und dem samtig-roten Sofa.