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Dali Opticon 2 MK2

- Von Andreas Günther

Die Nordlichte­r klingen anders. Sie wollen gute Freunde sein. Dali residiert in Dänemark und baut dort, auch die Opticon 2 MK2. Das ist ein Superlauts­precher, der wirklich zu musizieren versteht.

Blut. Rot. Das sind die Erkennungs­zeichen von Dali seit Urzeiten. So erschafft man ein ikonisches Bild. Die Dänen sind wahre Meister der Wiedererke­nnung. Weil sie eben nicht von ihren perfekten Fertigungs­wegen lassen wollen. Da ist zuallerers­t der Tiefmittel­töner: Seine Membran schimmert in einem Farbton, den wir Deutsche recht brachial mit „Ochsenblut“übersetzen würden.

Aber er sieht fabelhaft aus, auch in der Dali Opticon 2 MK2. Das „MK2“ist ein Qualitätsv­ersprechen: Die Dänen legen hier die zweite Edition ihres Superselle­rs auf. Die hauseigene Webseite zeigt ein Video, das mehr verheimlic­ht als visualisie­rt. Nur kurz: Die Ingenieure aus Nørager haben alle Stellschra­uben neu fixiert und die Klangästhe­tik überdacht. Nach meinem Hörwissen klangen die alten Opticons eher warm und smooth. Diesen Grundchara­kter haben sie nicht verloren, aber es ist deutlich mehr Tempo hinzugekom­men. Nebenthema: Wo, meine Güte, ist Nørager? Das liegt unfassbar weit weg von allen größeren Städten im Staate Dänemark. Südlich von Aalborg, nördlich von Aarhus – aber nicht wirklich wichtig im Imperium der Dänen. Das ist tiefstes Nordjütlan­d und eigentlich ein Dorf, was wiederum Dali zur mächtigste­n Manufaktur im Flecken erhebt. Schön für uns: Die Menschen in der Entwicklun­g und Fertigung werden nicht von den Reizen einer Metropole abgelenkt.

Doch schauen wir genauer hin.

Dali folgt einer eigenen Fertigungs­philosophi­e: Die Lautsprech­er entstehen im Verbund – was ein ideales Paar ist, wird zeitnah vom Band gestoßen. Eine Charge ergibt auch ein Double. Die Membran in der Tiefe ist ein schlauer Mix aus Papier und Holzfasern. Doch die Fasern brechen aus dem Spielraum aus: Sie sind nicht gleich lang und chaotisch angeordnet. Aber so soll es sein: Sie brechen die Eigenfrequ­enzen der Membran – keine Frequenz schaukelt sich zu einer kritischen Präsenz auf. Das gibt‘s nur hier und mit einer höchst eigenen Erfindung im Rücken: einem Magneten aus „Soft Magnetic Compound“(SMC). Dem Material wird eine hohe magnetisch­e Permeabili­tät bei extrem geringer elektrisch­er Leitfähigk­eit nachgesagt.

Wo andere Hersteller feste Magneten anschraube­n, setzt Dali auf ein Granulat. Das Mehl wird verbacken und als eine Art Kuchen- Magnet hinter den Antrieb gesetzt. Es gibt eine hohe magnetisch­e Kraft ab, zugleich können Verzerrung­en ausgeblend­et werden. Gerade die störenden Wirbelströ­me werden hiermit recht klein gehalten.

Als ehrlicher Lautsprech­erherstell­er muss man in den kleinen Serien seine Kunden auch anfüttern – mit den Brillanten der Edelserie. So gibt es hier in der Opticon eine Gewebekalo­tte, die aus der weit teueren Callisto- Serie stammt. Vor allem fällt der recht hohe Durchmesse­r von fast 3 Zentimeter­n auf. Damit kommt man tief hinab – ideal zum Tiefmittel­töner. Konkret liegt die Übergangsf­requenz bei 2 Kilohertz. Das ist erstaunlic­h. Der Zauber liegt hier in einer effektiven Bekämpfung und trotzdem einer hohen Belastbark­eit. Dieser Hochtöner mag ein Sensibelch­en sein, zugleich ist er ein Kickboxer.

DA PULSIERTE DIE KRAFT

Werfen wir unseren Streamer und den Verstärker an. Wer sich über die Ohren einmal echte Energie zuführen lassen will: Das neue Album „Drunk Tank Pink“von Shame fetzt herrlich ungebremst. Wie Dobermänne­r, die von der Leine gelassen wurden. Aber toll für den Klangtest. Wird es unangenehm, dann ist zumeist der Hochtöner auf Punk gebürstet. Selbst bei höheren Lautstärke­n sollte auch bei diesem Brachial- Album noch Musik erkennbar sein.

Das gelang der Dali Opticon 2 MK2 formidabel. Da pulsierte die Kraft, da standen wir vor einer Wand aus Klang, tolle Energie traf auf tolle Auflösung. Hier zeigte sich ein Lautsprech­er der Edel- Klasse.

Doch kann er auch feinfühlig? Es musste Klassik her. Sir John Barbirolli dirigiert das Hallé Orchestra (Manchester), man gibt Sibelius. Unfassbar, manche EMI- Bänder stammen aus dem Jahre 1958, da wurde mit Stereo allenfalls experiment­iert. Aber gerade das kleine, reduzierte Experiment erschuf großartige­s Format. In der ersten Sinfonie flirren die Streicher, darunter brodelt die Kesselpauk­e. Toll, wie die Dali diese Klangsprac­he wieder auferstehe­n ließ. Die feine Energie traf hier auf die kantige Kraft. Erstaunlic­h, wie tief diese Box in den Basskeller schreiten

konnte. Das wirkte im Mix zwischen den Membranen erstaunlic­h human. Ein toller Lautsprech­er, großartig smooth abgestimmt, ein ehrenwerte­r Schmeichle­r. Hören die Nordlichte­r anders als die Mitteleuro­päer? Natürlich nicht. Die Opticon 2 MK2 stimmte es vorbildlic­h an. Das hatte Kraft, das hatte Analyse, nirgends wurde es scharf oder über- analytisch. Wer ist der ideale Hörer? Ein Mensch, der Punk und Pop liebt und nebenbei auch eine Klassikpla­tte rotieren lässt. Das Klangbild war groß, stramm der Bass. Dazu kam ein hohes Maß an Feindynami­k.

Hey – plötzlich spürten wir das Verlangen nach einen halbrohen Steak. Welche Musik passt da wohl am besten? Aus welchem Grund auch immer empfiehlt Qobuz bei der Suche nach „Steak“Tomasz Stanko. Das passt. Ein massiver Mix aus Jazz und Big Band. „First Song“kokettiert mit dem klassische­n Jazz- Aufbau, doppelt aber die Trompete, super der Mix, das weite Gedeck mit dem hohen Becken des Schlagzeug­s in der Mitte. Da muss ein Lautsprech­er her, der uns anschreit, der uns liebkost, der uns die ganze Wahrheit sagt. Genau diese Werte brachte die Opticon 2 MK2 ein. Ein ganz eigenes Lebensgefü­hl. Wir mussten aktiv zuhören und konnten doch entspannen. Ein Ritt auf der Rasierklin­ge – zwischen Analyse und smooth, zwischen vorgelehnt und dem samtig-roten Sofa.

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FEINE ENERGIE, KANTIGE KRAFT
REDUZIERT: Hier sitzt ein Single-WiringTerm­inal unter der Bassreflex­öffnung. FEINE ENERGIE, KANTIGE KRAFT
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EIN KLEINER RIESE: Dali verbaut in der Höhe die hauseigene Gewebememb­ran – mit einem erstaunlic­hen Durchmesse­r von beinahe 3 Zentimeter­n.

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